Der Klägerin zu 1) wird unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts E vom 19.09.2011 ab 22.07.2011 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C, E, bewilligt. Im Übrigen wird die Beschwerde der Klägerin zu 1) zurückgewiesen. Dem Kläger zu 2) wird unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Dortmund vom 19.09.2011 ab 06.03.2009 ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C, E, bewilligt. Kosten haben die Beteiligten einander im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) ab 06.03.2009 für ein Klageverfahren, in dem die Kläger höhere Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) begehren.
Die 1949 geborene Klägerin und der 1954 geborene Kläger stehen bei dem Beklagten im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. In dem hier streitigen Zeitraum von November 2008 bis April 2009 bewohnten sie zusammen zwei durch Darlehen finanzierte insgesamt 114 qm große Eigentumswohnungen unter der Anschrift G-straße 00, E.
Für den Zeitraum Juli bis Oktober 2008 bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17.05.2008 KdU in Höhe von 860,59 Euro. Durch Schreiben vom 15.10.2008 informierte er die Kläger, dass die Kosten der von ihnen bewohnten Wohnung zu hoch seien und gesenkt werden müssten. Im Rahmen der Weiterbewilligung von Leistungen würden ab November 2008 nur noch angemessene 291,60 Euro (4,98 Euro pro qm) zuzüglich Betriebs- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe berücksichtigt.
Auf den Fortzahlungsantrag der Kläger bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29.10.2008 für den Zeitraum November 2008 bis April 2009 entsprechend lediglich noch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 530,69 Euro (Kaltmiete 291,60 Euro zuzüglich Betriebs- und Heizkosten in tatsächlicher Höhe). Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Kläger wurde mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2009 zurückgewiesen.
Die Kläger haben am 06.03.2009 Klage zum Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und die Zahlung der KdU in tatsächlicher Höhe von 1.040,00 Euro sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Die allmonatliche Diskrepanz zwischen Bedarf und Auszahlung sei nicht tragbar. In der Konsequenz, dass sie die Finanzierungskredite der Eigentumswohnung nicht mehr leisten könnten, komme der Bescheid vom 29.10.2008 einer Enteignung und somit einer Grundrechtsverletzung des Art. 14 Grundgesetz gleich. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sie sich lediglich übergangsweise in einer Abhängigkeit von Leistungen nach dem SGB II befänden. Die Klägerin zu 1) werde eine Rente von ca. 500 Euro erhalten, die Rente des Klägers zu 2) werde ca. 1.300 Euro betragen. Entsprechend seien beide ab Berentung in der Lage, ihren Lebensbedarf und ihre Kreditverbindlichkeiten zu decken. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger zu 2) am 06.03.2009, die Klägerin zu 1) (erst) am 22.07.2011 zu den Akten gereicht.
Den Eilantrag der Kläger in einem parallel von ihnen geführten Eilverfahren (S 29 AS 89/09 ER) hat das SG mit Beschluss vom 10.06.2009 abgelehnt. Es fehle an einem Anordnungsanspruch. Der Antragsgegner habe die angemessenen Kosten der Unterkunft der Kläger zutreffend auf der Grundlage einer Wohnfläche von 60 qm und einem den Mietspiegel der Stadt E berücksichtigenden Quadratmeterpreis von 4,86 Euro berechnet. Wohnungen in diesem Preissegment seien in E auch verfügbar. Die Angemessenheitsprüfung begrenze die Kosten der Unterkunft auch dann, wenn die Leistungsberechtigten – wie die Kläger hier – keine Mietwohnung, sondern Eigentum bewohnen würden. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Kläger hat das LSG NRW mit Beschluss vom 09.11.2009 zurückgewiesen (L 7 B 241/09 AS ER und L 7 B 242/09 AS). Zur Begründung hat es angeführt, dass die Kläger einen Anordnungsgrund, also die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung nicht glaubhaft gemacht hätten. Eine Gefährdung der Eigentumswohnungen der Kläger sei nicht erkennbar.
Das SG hat den PKH-Antrag mit Beschluss vom 19.09.2011 abgelehnt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage bestehe nicht. Auf die Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid sowie auf die Gründe im Eilbeschluss der Kammer vom 10.06.2009 (S 29 AS 89/09 ER) und des LSG NRW im Beschluss vom 09.11.2009 (L 7 B 241/09 AS ER) werde Bezug genommen.
Gegen den ihnen am 22.09.2011 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 24.10.2011 Beschwerde eingelegt und die Bewilligung von PKH jeweils rückwirkend ab 06.03.2009 begehrt. Das Sozialgericht habe nicht erst zweieinhalb Jahre nach Klageerhebung über den Prozesskostenhilfeantrag entscheiden dürfen. Auch zwischen der Eilentscheidung, auf die das SG verwiesen habe und der PKH-Ablehnung lägen 2 ¼ Jahre. In dieser Zeit sei es auf der Grundlage gerichtlicher Verfügungen zu zahlreichen weiteren Stellungnahmen und Sachverhaltsdarstellungen gekommen, so dass Dauer und Umfang der Bearbeitung schon über den Aufwand mancherlei Hauptverfahren hinausgingen. Bei der Berechnung der angemessenen Unterkunftskosten müssten im Übrigen Instandhaltungskosten mit einbezogen werden. Ebenso sei zu prüfen, ob der Beklagte die Kläger nicht zumindest auf einen Darlehensantrag hätte verweisen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem im Tenor genannten Umfang begründet.
Den Klägern ist für das Klageverfahren PKH ab vollständiger Antragstellung zu bewilligen. Ein vollständiger Antrag der Klägerin zu 1) lag (erst) am 22.07.2011 vor, ein vollständiger Antrag des Klägers zu 2) am 06.03.2009.
Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73a Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (ständige Rspr des Senats, vgl zB Beschluss vom 15.12.2011 – L 12 AS 1946/11 B; vgl. auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rn 7a). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt werden (BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 juris Rn 26 – BVerfGE 81, 347). Kommt eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen würde, ist PKH in der Regel zu gewähren (BVerfG Beschluss vom 29.09.2004 – 1 BvR 1281/04 juris Rn 14 – NJW-RR 2005, 140). Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss PKH ebenfalls bewilligt werden. Klärungsbedürftig in diesem Sinn ist nicht bereits jede Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Vielmehr ist maßgeblich, ob die entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen schwierig erscheint (BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 juris Rn 29 – BVerfGE 81, 347). Ist dies der Fall, muss die bedürftige Person die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren zu vertreten und ggf. Rechtsmittel einlegen zu können (BVerfG Beschluss vom 10.12.2001 – 1 BvR 1803/97 juris Rn 9 – NJW-RR 2002, 793).
Diesen Anforderungen wird die streitige Entscheidung über die Ablehnung der PKH nicht gerecht. Der Klage kann in der Sache nicht von vornherein eine ggf. teilweise Aussicht auf Erfolg abgesprochen werden. Vielmehr sind weitere Ermittlungen erforderlich. Nach Aktenlage ist bisher nicht erkennbar, sogar vom Beklagten nicht einmal vorgetragen, wie der als angemessen festgesetzte Mietpreis der Nettokaltmiete (4,86 Euro pro Quadratmeter) zustande gekommen ist. Ein entsprechender Vortrag des Beklagten ist dann daraufhin zu überprüfen, ob die vom Beklagten herangezogenen Grundlagen und deren Auswertung den Vorgaben eines hierfür erforderlichen schlüssigen Konzepts im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. hierzu Boerner in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. 2011, § 22 Rn 30 ff.) genügen.
Die Kläger erfüllen die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 31.07.2012
Zuletzt verändert am: 31.07.2012