Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. November 1992 wird zu rückgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Berufung des Beklagten richtet sich gegen ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen, das ihn verpflichtet, dem Kläger eine Pflegezulage der Stufe I zu gewähren.
Bei dem im August 1922 geborenen Kläger sind nach den Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) als Folgen einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt und mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. bewertet (Neufeststellungsbescheid vom 20.12.1963):
Knochennarbe linke Elle (nach Schußbruch und Nagelung einer Falschgelenkbildung), Verrenkung des linken Speichenköpfchens,
Bewegungseinschränkungen und umformende Veränderungen im linken Ellenbogengelenk mit aufgehobener Unterarmdrehfähigkeit,
Teillähmung des linken Ellennervens (körperferner Typ nach Nagelung der Falschgelenkbildung),
Weichteilnarben linker Unterarm mit noch bestehender Absonderung.
Wegen besonderer beruflicher Betroffenheit in dem Beruf eines Zimmermanns erkannte ihm die Versorgungsverwaltung mit Wirkung ab Januar 1964 Versorgungsrente nach einer um 10 v.H. höheren MdE (nun mehr 80 v.H.) zu (Abhilfe-Bescheid vom 26.04.1967).
Die Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz bewilligte dem Kläger in Ausführung eines sozialgerichtlichen Vergleichs (SG Gelsenkirchen – Az.: S 14 J 158/83 -) ab Juli 1983 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. Sie wandelte diese mit Wirkung ab März 1986 in ein flexibles Altersruhegeld um.
Nach den Bestimmungen des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) ist bei dem Kläger ein Gesamtbehinderungsgrad von 100 anerkannt (Bescheid vom 12.12.1989). Außerdem sind bei ihm für die Inanspruchnahme von Nachteilausgleichen die Merkzeichen "G", "RF" und "1. Kl." festgestellt.
Einen erstmals im Jahre 1984 gestellten Antrag des Klägers auf Pflegezulage lehnte die Versorgungsverwaltung ab (Bescheid vom 01.02.1985 und Widerspruchsbescheid vom 22.07.985). Die zum SG Gelsenkirchen erhobene Klage (Az.: S 19 V 215/85) nahm der Kläger im Juni 1986 zurück.
Den im Dezember 1987 gestellten Antrag des Klägers, ein Sulcus-ulnaris-Syndrom sowie ein Carpaltunnelsyndrom seines rechten Armes als Schädigungsfolge festzustellen, lehnte die Versorgungsverwaltung auf der Grundlage eines von dem Arzt für Chirurgie Dr. X erstatteten Gutachtens ab (Bescheid vom 20.10.1988 und Widerspruchsbescheid vom 25.01.1989). Sie lehnte es auch ab, den Bescheid (01.02.1985) über die Ablehnung der Pflegezulage nach § 44 des Zehnten Buches des Gesetzbuches (SGB X) zurückzunehmen (Bescheid vom 21.10.1988 und Widerspruchsbescheid vom 26.01.1989). In den sich beim SG Gelsenkirchen anschließenden Klageverfahren (Az.: S 5 (12) V 49/89 und S 5 V 52/89), die im Mai 1990 durch Klagerücknahme bzw. Vergleich endeten, erstattete der Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Marien-Hospitals W, Dr. Z , ein Gutachten. Außerdem vernahm das SG in dem um die Pflegezulage geführten Verfahren (Az.: S 5 V 52/89) die Haushälterin des Klägers, G M , als Zeugin. Der Beklagte erklärte sich sodann bereit, auf den im Dezember 1987 gestellten Antrag zu überprüfen, ob seit der Erteilung des Bescheides vom 01.02.1985 eine wesentliche Änderung eingetreten sei, die einen Anspruch des Klägers auf Pflegezulage nach § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG begründe.
Nach Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von der Ärztin für Allgemeinmedizin S lehnte das Versorgungsamt (VA) Gelsenkirchen eine Aufhebung des Bescheides vom 01.02.1985 auf der Grundlage von § 48 Abs. 1 SGB X mit Bescheid vom 28.08.1990 ab, weil seitdem eine wesentliche Änderung nicht eingetreten sei. Er sei noch nicht hilflos, weil er nicht in erheblichem Umfang auf fremde Hilfe angewiesen sei. Fremde Hilfe benötige er nur bei einigen wenigen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (beim Anziehen, besonders beim Schließen von Knöpfen und Zubinden der Schuhe, bei der Zerkleinerung von Speisen, bei intensiver Körperpflege einschließlich der Fußpflege, bei zeitweise erfolgender Anlegung des Hülsenapparates).
Den am 07.09.1990 eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt (LVersA) Nordrhein-Westfalen (NRW) mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.1991 zurück.
Wegen dieser Entscheidung hat der Kläger am 11.03.1991 Klage zum SG Gelsenkirchen erhoben.
Er hat eine Bescheinigung des Chefarztes Dr. B (vom 24.04.1991) übersandt, sich auf die Aussage seiner Haushälterin und das im Vorprozeß von Dr. Z erstattete Gutachten zum Umfang seiner Hilfsbedürftigkeit bezogen und vorgetragen, er benötige fremde Hilfe beim Waschen und Rasieren. Brot und Fleisch müßten zerkleinert, Gabel und Löffel zum Munde geführt werden. Beim An- und Ausziehen benötige er fremde Hilfe, insbesondere sei ihm das Zuknöpfen von Hemden und Jacken unmöglich. Auch beim Setzen auf den Toilettentopf, beim Anlegen des Hülsenapparates, beim Verlassen der Wohnung und beim Treppensteigen sei er auf fremde Hilfe angewiesen. Zu dieser Hilfsbedürftigkeit sei es nach der im November 1987 durchgeführten Operation an der rechten Hand gekommen. Die Schädigungsfolgen seien für diesen Zustand der Hilfsbedürftigkeit von annähernd gleichwertiger Bedeutung.
Das SG hat durch Einholung eines Gutachtens von dem Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Knappschafts-Krankenhauses Bergmannsheil G, Dr. D , Sachverständigenbeweis erhoben und die schon genannte G M zu ihren Hilfeleistungen an den Kläger als Zeugin vernommen. Der Sachverständige Dr. D hat nach Untersuchung des Klägers im Dezember 1991 die Beurteilung abgegeben, infolge der Schädigung beider Arme sei der Kläger erheblich behindert. Durch die Schädigung des rechten Armes sei es zu einer gewissen Verschlechterung gekommen, sie sei jedoch nicht so erheblich, daß dem Kläger vollständige Hilflosigkeit bescheinigt werden könne. Die Vornahme der Verrichtungen des täglichen Lebens sei allerdings für ihn insgesamt deutlich erschwert. Beim An- und Auskleiden sei er deutlich behindert. Die tägliche Körperpflege wie Rasieren, Waschen, Zähneputzen, Kämmen und Baden könne er mit gewisser zeitweiliger Unterstützung weitgehend selbständig ausführen. Bei der Zubereitung der Nahrung benötige er fremde Hilfe, selbständiges Essen und Trinken sei ihm dagegen möglich, ebenso das Aufsuchen und Verlassen des Bettes und die Toilettenbenutzung. In der Wohnung könne er sich alleine bewegen, wegen der bei ihm bestehenden allgemeinen Unsicherheit (in folge häufig auftretenden Schwindelgefühls) sei er im Straßenverkehr und Spaziergängen jedoch auf fremde Hilfe angewiesen. Soweit der Kläger bei der Körperpflege, beim An- und Auskleiden, bei der Zubereitung der Nahrung fremder Hilfe bedürfe, sei dies allein auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen. Im übrigen komme den Schädigungsfolgen eine annähernd gleichwertige Bedeutung zu.
Den Zeitaufwand, der für Hilfeleistungen allein schädigungsbedingt erbracht werden müsse, schätze er mit drei Stunden täglich, für Verrichtungen, bei denen Hilfe annähernd gleichwertig wegen der Schädigungsfolgen erforderlich sei, mit einer Stunde täglich ein.
Die Zeugin M hat ausgesagt, sie lebe mit dem Kläger sozusagen in einem Haushalt und erhalte für ihre Pflegeleistungen keine besondere Vergütung. Sie helfe ihm beim Ankleiden, indem sie beim Überstreifen des Unterhemdes und Pullovers behilflich sei und ihm die Knöpfe zumache. Beim Baden sei sie ihm behilflich und bei einer gründlichen körperlichen Reinigung, die drei- bis viermal wöchentlich erfolge. Sie bereite auch die Mahlzeiten vor und schneide das Brot in mundgerechte Stücke, damit er es essen könne. In letzter Zeit helfe sie ihm auch beim Aufstehen, weil er schon einmal aus dem Bett gerutscht sei. Schließlich begleite sie ihn bei Spaziergängen.
Das SG hat den Beklagten durch Urteil vom 16.11.1992 verpflichtet, dem Kläger auf seinen Antrag vom 14.12.1987 eine Pflegezulage nach Stufe I zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, seit der Erteilung des Bescheides vom 01.02.1985 sei es durch die hinzugekommene Funktionseinschränkung des rechten Armes beim Kläger zu einem Zustand der Hilflosigkeit gekommen, so daß ihm eine Pflegezulage zu gewähren sei. Der Zeitaufwand für fremde Hilfe, die wegen der Schädigungsfolgen erforderlich sei, betrage pro Tag durchschnittlich mindestens 1 1/2 bis 2 Stunden. Dies ergebe sich aus der Aussage der Zeugin M und den Darlegungen des Sachverständigen Dr. D. Dieser Zeitaufwand reiche aber aus, um einen Anspruch auf Pflegezulage auszulösen, weil bei einem derartigen Pflegeaufwand der Stundenlohn einer Pflegeperson mit dem Betrag der Pflegezulage schon nicht mehr abgedeckt werde.
Gegen das dem Beklagten am 24.12.1992 zugestellte Urteil richtet sich dessen am 21.01.1993 beim Landessozialgericht (LSG) eingegangene Berufung. Er meint, nach dem Umfang der Hilfe, auf die der Kläger nach den Darlegungen von Dr. D bei den Verrichtungen des täglichen Lebens angewiesen sei, könne er schon nicht als hilflos im Sinne von § 35 BVG angesehen werden. Soweit der Sachverständige von einem täglichen Pflegeaufwand von täglich drei bzw. vier Stunden ausgehe, könne dies nicht nachvollzogen werden. Ein Pflegeaufwand von einer Stunde täglich genüge nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Annahme von Hilflosigkeit nicht (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 29.09.1990 – 9 a/9 RVs 7/89 = BSGE 67, 204 ff-). Im übrigen gehörten reine Haushaltstätigkeiten, wie Zubereitung der Nahrung, nicht zu den Verrichtungen des täglichen Lebens. Schließlich sei auch der Tenor des erstinstanzlichen Urteils zumindest mißverständlich, weil danach auch der Bescheid vom 21.10.1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.1989 (betr. Gewährung einer Pflegezulage im Rahmen des § 44 SGB X) aufgehoben worden sei. Dieser Bescheid sei infolge des Vergleichsabschlusses rechtsverbindlich geworden und nicht Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
Der Beklagte meint, ihm erscheine der angenommene Zeitaufwand für die der persönlichen Wartung und Pflege zuzurechnenden Hilfeleistungen überhöht. Aus seiner Sicht beschränkte er sich auf höchstens 45 Minuten täglich. Er sei aber auch der Ansicht, daß ein erheblicher Umfang der Hilfsbedürftigkeit selbst dann nicht erreicht werden, wenn er täglich bei 90 oder 100 Minuten liegen sollte. Im übrigen messe er der Tumorerkrankung und den Krankheitsfolgen nach der Tumoroperation und für die Zeit ab März 1996 den Folgen des Schlaganfalls ein höheres Gewicht zu.
Das Berufungsgericht hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene äußert, nach der Rechtsprechung des BSG zu § 35 BVG müßten die berücksichtigungsfähigen Hilfeleistungen pro Tag mehr als eineinhalb Stunden, also im Tagesdurchschnitt mindestens 2 Stunden in Anspruch nehmen. Die Notwendigkeit fremder Hilfeleistungen für die Dauer von etwa 100 Minuten begründe noch keine Hilflosigkeit. Die Begriffe "Pflegebedürftigkeit nach dem Pflegeversicherungsgesetz" und "Hilflosigkeit" nach dem BVG seien nicht identisch. Die Regelung im Pflegeversicherungsgesetz, wonach Pflegebedürftigkeit der Stufe I mit Anspruch auf Pflegegeld schon dann vorliege, wenn die berücksichtigungsfähigen Hilfeleistungen im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten in Anspruch nähmen, lasse sich nicht auf den Anspruch auf Pflegezulage nach § 35 BVG übertragen. Nach dem Schlaganfall habe sich der Pflegebedarf im Vergleich zum Jahre 1995 sicherlich erhöht. Ob für die jetzt bestehende Hilflosigkeit die Schädigungsfolgen annähernd gleichwertig seien, lasse sich dem für die Pflegekasse erstatteten Gutachten aber nicht entnehmen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. November 1992 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene schließt sich dem Antrag des Beklagten an.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die vom SG getroffene Entscheidung für richtig und nimmt auf die dafür mitgeteilten Gründe und sein früheres eigenes Vorbringen Bezug.
Das Berufungsgericht hat weiteren Sachverständigenbeweis angeordnet und den Leit. Arzt der Chirurgischen und Unfallchirurgischen Abteilung des St. Elisabeth-Krankenhauses D , Dr. H , mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige hat nach Untersuchung des Klägers im November 1994 die Beurteilung abgegeben, die Abhängigkeit des Klägers von fremder Hilfe sei sicherlich in dem von der Zeugin dargestellten Umfang gegeben. Beim Zubettgehen und Aufstehen sei der Kläger nicht dauernd auf fremde Hilfe angewiesen. Bei der Nahrungsaufnahme bedürfe er insoweit fremder Hilfe, als ihm die Nahrung portionsweise zubereitet werden müsse. Alleine zubereiten könne er sich die Nahrung nicht. An- und Auskleiden könne sich der Kläger selber, sofern keine Knöpfe zu öffnen seien. Die Notdurft könne er sicher selbständig verrichten. Auch die oberflächlichen Reinigung sei ihm möglich. Bei der in regelmäßigen Abständen notwendigen gründlichen Säuberung sei er aber auf fremde Hilfe angewiesen. Bei der täglichen Körperpflege benötige er nicht dauernd fremder Hilfe. Bei Duschen und Baden sei er allerdings auf fremde Hilfe angewiesen. Seit etwa drei Jahren stehe dem Kläger ein Badelift zum Einschleusen in die und zum Ausschleusen aus der Badewanne zur Verfügung. Dieser Lift müsse von einer Hilfsperson bedient werden. Für die Nahrungsmittelbeschaffung sei der Kläger auf eine Hilfskraft angewiesen. Das Tragen einer Einkaufstasche sei ihm nicht möglich. Wegen seiner Voralterung und seines labilen Gangbildes könne er nicht alleine am Straßenverkehr teilnehmen und auch keine Spaziergänge unternehmen. Wege im häuslichen Bereich könne er ohne fremde Hilfe bewältigen. Nach seiner Berechnung müsse eine Hilfskraft täglich etwa zehn Stunden zur Verfügung stehen, um die notwendigen Hilfeleistungen aufzubringen. Den aus seiner Sicht notwendigen Zeitaufwand für die einzelnen Verrichtungen hat der Sachverständige im einzelnen aufgeschlüsselt.
Weiterhin hat der Sachverständige in seiner Beurteilung ausgeführt, abgesehen von der Begleitung bei Spaziergängen, die ausschließlich aus schädigungsunabhängigen Gründen notwendig sei, beruhe die Abhängigkeit von fremder Hilfe bei den anderen Verrichtungen gleichwertig auf den Schädigungsfolgen und den schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen.
Der Beklagte hat dieser Beurteilung mit einer Stellungnahme von Dr. S widersprochen. Aus dessen Sicht ist der Kläger schädigungsbedingt nur in geringem Maße auf fremde Hilfe angewiesen. Wegen der Schädigungsfolgen ergäben sich nur Schwierigkeiten, wenn feinmotorische und krafterfordernde Verrichtungen vorgenommen werden müßten. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten selbst dargestellt, daß die Greiffunktion beider Hände voll erhalten und lediglich die grobe Kraft erheblich eingeschränkt sei. Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß der Kläger zu einer im Jahre 1987 durchgeführten Kur allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln angereist sei. Er könne nicht als hilflos angesehen werden.
Das Berufungsgericht hat von der AOK R die über die Leistungen der Pflegeversicherung an den Kläger entstandenen Unterlagen beigezogen. Aus ihnen ergibt sich, daß dem Kläger ab April 1995 auf der Grundlage eines in diesem Monat von Dr. W erstatteten Gutachtens ein Pflegegeld der Stufe I bewilligt worden ist (mit Bescheid vom 06.06.1995). Ferner hat das Berufungsgericht vom Sozialamt der Stadt D. die Sozialhilfeakten des Klägers beigezogen. Sie beinhalten einen Bericht der Lungenklinik H über eine stationäre Behandlung des Klägers in der Zeit vom 17.10. bis zum 13.11.1989, wonach wegen eines im August 1989 operierten kleinzelligen Bronchialkarzinoms im linken Unterlappen eine Chemotherapie durchgeführt worden ist. Außerdem ergibt sich aus ihnen, daß dem Kläger ab Oktober 1989 eine Hilfe zur häuslichen Pflege bewilligt worden ist.
Zum Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Berufungsgericht Oberarzt Dr. A , der zusammen mit Dr. H das Gutachten vom 18.11.1994 erstattet hat, als Sachverständigen geladen und angehört. Er hat u.a. die Beurteilung abgegeben, ab November 1987 sei von einer annähernd gleichen Behinderung von Seiten des linken und rechten Armes auszugehen. Wegen der Funktionsbeeinträchtigung von Seiten der Arme sei der Kläger bei verschiedenen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen. Er bedürfe fremder Hilfe beim An- und Auskleiden, bei der täglichen Defäkation, bei einer gründlicheren Körperreinigung, insbesondere beim zweimaligen wöchentlichen Baden, bei der mundgerechten Zerkleinerung der täglichen Nahrung und beim Einschenken von Flüssigkeiten. Für die Hilfe beim täglichen An- und Auskleiden veranschlage er einen zeitlichen Aufwand von zweimal 10 bis 15 Minuten, bei der täglichen Defäkation unter Einbeziehung der Bereitschaftszeit von 5 bis 10 Minuten, bei der gründlichen Körperpflege (zweimaliges wöchentliches Baden) von 15 bis 20 Minuten und bei der täglichen Nahrungsaufnahme (mundgerechtes Zerkleinern der Speisen, Einschenken von Flüssigkeit) von jeweils 15, maximal 20 Minuten (für das Mittagessen). Für Zwischenmahlzeiten, auf die der Kläger wegen einer 1970 durchgeführten Magenteilresektion angewiesen sei, müßten noch einmal 5 bis 10 Minuten (jeweils) hinzugerechnet werden. Für die Portionierung der vom Kläger einzunehmenden Medikamente seien zusätzlich 5 bis 10 Minuten pro Woche anzusetzen. Bei den zeitlichen Vorgaben für die Hilfe beim An- und Ausziehen, bei der Defäkation und Körperpflege wie beim Essen gehe er von einer dauernden Bereitschaft der Hilfsperson aus. Im übrigen müsse davon ausgegangen werden, daß die Betreuungszeiten aufgrund des allgemeinen körperlichen Verfalls in der Zeit nach 1988 deutlich länger geworden seien. Dabei sei der Anteil, den der Kriegsbeschädigung und dem allgemeinen Altersverfall zuzurechnen sei, in etwa gleich geblieben. Er liege bei 50 %. Wenn der linke Arm des Klägers vollkommen gesund wäre, dann wäre seine Situation auch in Bezug auf seine Hilfsbedürftigkeit sicherlich eine andere.
Nachdem der Kläger im März 1996 einen Schlaganfall erlitten hatte, bewilligte ihm die Pflegekasse der AOK Westfalen-Lippe mit Wirkung ab April 1996 ein Pflegegeld nach Stufe II (Bescheid vom 26.08.1996). Der Kläger hat eine Ablichtung des Gutachtens von Dr. N. (vom 10.07.1996) in die Gerichtsakten eingebracht.
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakten, der vom Beklagten beigezogenen B-Akten und SchwbG-Akte des Klägers, seiner von der Stadt D beigezogenen Sozialhilfeakten sowie der vom SG Gelsenkirchen beigezogenen Vorprozeßakten S 19 V 215/85, S 5 V 49/85, S 5 V 52/89 und der sein Rentenstreitverfahren gegen die LVA Westfalen betreffenden Gerichtsakten S 14 J 158/83 sowie S 14 J 88/87 (SG Gelsenkirchen) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist zulässig.
Die Zulässigkeit der Berufung richtet sich nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), die bis zum 01. März 1993 gegolten haben, weil die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist, vor diesem Zeitpunkt geschlossen worden ist (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Rechtspflege-Entlastungsgesetzes – RPflEG – vom 11.01.1993 – BGBl. I S. 50). Nach diesen Bestimmungen war die Berufung in Streitigkeiten der Kriegsopferversorgung u.a. dann ausgeschlossen, wenn sie die Neufeststellung der Versorgung wegen Änderung der Verhältnisse betraf, es sei denn, daß die Gewährung der Grundrente oder die Schwerbeschädigteneigenschaft davon abhing (§ 148 Nr. 3 SGG). Nach dem Inhalt der zwischen den Beteiligten im Vorprozeß (Az.: S 5 V 52/89) getroffenen Regelung sollte der Beklagte auf den im Dezember 1987 gestellten Antrag des Klägers überprüfen, ob seit der Erteilung des (eine Pflegezulage ablehnenden) Bescheides vom 01.02.1985 infolge einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ein Anspruch des Klägers auf Pflegezulage entstanden ist. Dementsprechend hat der Beklagte den streitbefangenen Bescheid (vom 28.08.1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.1991) auf der Grundlage von § 48 SGB X erlassen. Gleichwohl schließt § 148 Nr. 3 SGG die Berufung nicht aus. Bei dem Bescheid vom 01.02.1985 handelt es sich nämlich um einen negativen Bescheid, d.h. einem solchen, mit dem die Bewilligung einer Leistung abgelehnt worden ist. Derartige Bescheide entfalten keine Dauerwirkung, so daß § 48 Abs. 1 SGB X auf sie nicht anzuwenden ist. Die Überprüfung des Anspruchs aufgrund eines neuen Antrages hat vielmehr uneingeschränkt auf der Grundlage von § 35 BVG zu erfolgen. Bei dieser Rechtslage ist der Anspruch auf Pflegezulage nicht von der Berufung ausgeschlossen. Der Beklagte hat die Berufung auch form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 SGG).
Die Berufung ist aber unbegründet.
Da der Kläger sein Anspruchsbegehren auf die Zeit ab 01. September 1989 und außerdem auf die Aufhebung des Bescheides vom 28.08.1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.02.1991 beschränkt hat, ist lediglich der Anspruch auf Pflegezulage für die Zeit ab September 1989 Gegenstand des Berufungsverfahrens geblieben. Insoweit ist der Anspruch auch begründet, weil der Kläger von diesem Zeitpunkt an die Voraussetzungen für den Anspruch auf Pflegezulage der Stufe I gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG (in der bis zum 01.04.1995 geltenden Fassung) erfüllt.
Nach dieser Bestimmung besteht ein Anspruch auf Pflegezulage der Stufe I, solange der Beschädigte infolge der Schädigung so hilflos ist, daß er für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang fremder Hilfe dauernd bedarf. Eine inhaltliche Änderung dieser Regelung ist durch die zum 01. April 1995 erfolgte Neufassung von § 35 Abs. 1 Satz 1 BVG und Einfügung der Sätze 2 und 3 durch Art. 9 des Pflege-Versicherungsgesetzes – PflegeVG – vom 26.05.1994 (BGBl. I S. 1014) nicht eingetreten. Für den Anspruch auf Pflegezulage der Stufe I gilt weiterhin, daß der Beschädigte, solange er infolge der Schädigung hilflos ist, diese Leistung beanspruchen kann (§ 35 Abs. 1 Satz 1 BVG). Den Begriff der Hilflosigkeit definiert § 35 Abs. 1 Satz 2 BVG und ergänzt ihn durch Satz 3. Danach ist der Beschädigte hilflos im Sinne des Satzes 1, wenn er für eine Reihe von häufig und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung seiner persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf (Satz 2) und diese Voraussetzungen auch dann erfüllt sind, wenn die Hilfe in Form einer Überwachung oder Anleitung zu den in Satz 2 genannten Verrichtungen erforderlich ist oder wenn die Hilfe zwar nicht dauernd geleistet werden muß, jedoch eine ständige Bereitschaft zur Hilfeleistung erforderlich ist (Satz 3). Für den Begriff der Hilflosigkeit ergeben sich für die Zeit vor April 1995 und danach keine unterschiedlichen Maßstäbe. Eine Änderung des Begriffs der Hilflosigkeit war nicht beabsichtigt. Ziel der Neufassung war vielmehr, daß Gesetz "anwenderfreundlich" zu machen und vor allem näher zu erläutern, was mit der bisher verwendeten Formel "in erheblichem Umfang" gemeint war und in Zukunft auch gemeint sei (zu vgl. die Ausführungen in der Begründung des Entwurfs des PflegeVG – BT-Drucks. 12/5262 S. 164, 172).
Bei der Prüfung des Anspruchs auf Pflegezulage ist zunächst festzustellen, ob der Beschädigte hilflos im Sinne dieser gesetzlichen und durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geprägten Begriffsbestimmung ist. Im Rahmen dieser Prüfung sind ausschließlich diejenigen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens zu berücksichtigen, die der persönlichen Wartung und Pflege des Beschädigten zuzurechnen sind, also diejenigen, auf die er zur Sicherung seiner persönlichen Existenz angewiesen ist. Zu ihnen gehören in erster Linie die Maßnahmen, die seine Grundpflege betreffen. Diese erfassen den Bereich der Körperpflege (Waschen, Duschen, Baden, Zähneputzen, Kämmen, Rasieren, Nägelschneiden, Darm- und Blasenentleerung). Darüberhinaus gehören zu den Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die dem höchstpersönlichen Bereich zuzuordnen sind, die Nahrungsaufnahme (Essen und Trinken), das An- und Auskleiden, das Zubettgehen und Aufstehen sowie die notwendige und mögliche körperliche Bewegung und geistige Erholung (zu vgl. BSGE 12, 20, 23; 20, 205, 206). Ein Vergleich dieser nach der Rechtsprechung der persönlichen Wartung und Pflege eines Menschen zuzurechnenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens mit den in § 14 Abs. 4 Nr. 1 bis 3 PflegeVG ausdrücklich genannten Verrichtungen dieses Bereichs verdeutlicht die Anlehnung des Gesetzgebers an diese von der Rechtsprechung entwickelten Richtlinien. Die dem Bereich der Körperpflege, der Ernährung und Mobilität zugeordneten Verrichtungen gehören insgesamt auch zu den Hilfeleistungen, die im Rahmen des § 35 BVG für den Anspruch auf Pflegezulage von Bedeutung sind. Nicht zu berücksichtigen sind dagegen die in § 14 Abs. 4 Nr. 4 PflegeVG genannten hauswirtschaftlichen Verrichtungen, die schon nach der bisherigen Rechtsprechung zu § 35 BVG nicht den der persönlichen Wartung und Pflege zuzurechnenden Hilfeleistungen angehörten (zu vgl. BSGE 12,20, 23). Dahingestellt bleibt, ob auch die Behandlungspflege (Verabreichen von Medikamenten, Anlegen von Verbänden, Durchführung von Spülungen und Einreibungen) aus dem Bereich der von § 35 BVG erfaßten Verrichtungen auszuklammern ist. Insoweit hat sich die höchstrichterliche Rechtsprechung gewandelt. Nach früheren Entscheidungen des BSG gehörte die Behandlungspflege zu den höchstpersönlichen Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens eines Beschädigten (so Urteil vom 24.04.1963 – 11 RV 800/62 – in Bundesversorgungsblatt – BVBl.- 1963, 95). Nach der neueren Rechtsprechung, die allerdings zur Feststellung der Hilflosigkeit nach § 33 b Einkommenssteuergesetz – EStG – in Verbindung mit dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) ergangen ist, kann die Behandlungspflege dagegen keine Berücksichtigung finden (Urteil vom 29.08.1990 – 9a/9 RVs 7/89 = BSGE 67, 204 f und 9a/9 RVs 14/89 in: Sozialrecht "SozR" 3-1300 § 32 Nr. 3). Die Voraussetzungen beider Bestimmungen (§ 33 b EStG und § 35 BVG) sind jedoch identisch (BSG aaO.). Maßnahmen der Behandlungspflege spielen im Falle des Klägers aber keine Rolle.
Zu beachten ist desweiteren, daß die Hilflosigkeit eines Beschädigten nach dem Gesamtzustand seiner Pflegebedürftigkeit zu beurteilen ist. Dies gilt gleichermaßen für Fälle der Erstfeststellung des Anspruchs auf Pflegezulage (so Urteil des BSG vom 07.08.1975 – 10 RV 51/74, nicht veröffentlicht) wie der Neufeststellung (so BSG Urteil vom 05.07.1979 – 9 RV 21/78 = BSGE 48, 248 ff. und Urteil vom 26.02.1986 – 9 a RV 59/83 – = Der Versorgungsbeamte – VersB – 1986, 95 und Soziale Sicherheit – SozSich – 1986, 291). Abzustellen ist auf den ungeteilten Gesamtleidenszustand in der Zeit ab Antragstellung. Die isolierte Beurteilung eines anteiligen Leidenszustandes ist nicht zulässig. Sie würde der besonderen Zweckbestimmung der Pflegezulage widersprechen, die darauf ausgerichtet ist, eine besondere Bedarfslage abzudecken, die sich aus einer vom unteilbaren Gesamtbefinden bestimmten Hilfsbedürftigkeit ergibt (BSG, Urteil vom 05.07.1979 – 9 RV 21/78 a.a.O. – Seite 253). Erst wenn feststeht, daß der Gesamtleidenszustand des Beschädigten Hilflosigkeit begründet, stellt sich die Frage nach der Ursache dieser Hilflosigkeit. Sind allein die Schädigungsfolgen für sie wesentlich, so sind sie die Ursache der Hilflosigkeit. Sind dagegen schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen die überwiegende Bedingung der Hilflosigkeit, dann sind allein sie ursächlich für die Hilflosigkeit. Bedingen Schädigungsfolgen und schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen gemeinsam die Hilflosigkeit, wie im Falle des Klägers, so sind die Schädigungsfolgen für die Hilflosigkeit nur dann ursächlich, wenn sie für diese von überragender oder zumindest annähernd gleichwertiger Bedeutung sind (zu vgl. BSGE 1,157; BSG, Urteil vom 25.08.1960 – 11 RV 1368/59 – in: SozR Nr. 9 zu § 35 BVG).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, daß der Kläger bei einer Reihe von gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die in den Bereich seiner persönlichen Wartung und Pflege fallen, ständig auf fremde Hilfe angewiesen ist und ohne sie nicht existieren kann. Dies ergibt sich aus der Beurteilung aller erst- und zweitinstanzlich gehörten Sachverständigen. Ein klares Bild, das eine zuverlässige Feststellung der notwendigen Hilfeleistungen und auch des Umfangs der täglich erforderlichen Hilfe erlaubt, hat jedoch erst die Anhörung des Sachverständigen Dr. A durch das Berufungsgericht ergeben. Seine sachkundige Beurteilung ist für das Berufungsgericht der Maßstab der tatsächlichen und rechtlichen Bewertung. Sie bestätigt auch im wesentlichen die eigenen Angaben des Klägers und die damit korrespondierenden Aussagen der Zeugin M zu seiner Hilfsbedürftigkeit und belegt, daß die dem Kläger tatsächlich geleistete Hilfe auch dem Umfang entspricht, auf den er objektiv angewiesen ist. Danach bedarf der Kläger notwendig fremder Hilfe bei der täglichen Defäkation, weil er die Feinreinigung nicht selber durchführen kann, bei der gründlichen Körperreinigung im Rahmen des zweimaligen wöchentlichen Badens, bei der täglichen Nahrungsaufnahme in Form mundgerechter Nahrungsvorbereitung und beim Einschenken von Flüssigkeiten (Kaffee, Tee, Milch, Bier oder dgl.), im Bereich der Mobilität beim An- und Auskleiden bestimmter Kleidungsstücke wie auch bei der notwendigen und möglichen körperlichen Bewegung und geistigen Erholung außer Hause. Hinzu kommt noch die Hilfe bei der Versorgung mit Medikamenten, die sich allerdings auf das Herausnehmen aus Verpackungen und das Portionieren beschränkt.
Diese notwendigen Hilfeleistungen erreichen im Tagesdurchschnitt einen erheblichen Umfang, weil täglich jedenfalls 100 Minuten von einer fremden Hilfskraft (der Zeugin M ) aufgewendet werden müssen, um sie zu erbringen. Diese Feststellung ergibt sich aus der Summation des Zeitaufwands, der nach der Einschätzung des Sachverständigen Dr. A auf die einzelnen Hilfeleistungen im Tagesdurchschnitt entfällt. Dabei berücksichtigt der Senat lediglich die von dem Sachverständigen angenommene Mindestzeit, weil die Beweislast für den Umfang der notwendigen Hilfe beim Kläger liegt. Demnach sind für die Hilfe beim zweimaligen wöchentlichen Baden je 15 Minuten, insgesamt also 30 Minuten anzusetzen, die bei einer Verteilung auf 7 Tage mit (gut) 4 Minuten zu Buche schlagen. Die Hilfe bei der täglichen Defäkation beansprucht 1 Minute, so daß der Kläger bei der Körperpflege 5 Minuten täglich auf fremde Hilfe angewiesen ist. Für den Bereich der Ernährung erfordert die Hilfe einen täglichen Zeitaufwand von dreimal 15 Minuten (je 15 Minuten beim Frühstück, Mittagessen und Abendessen) und zweimal fünf Minuten (für Zwischenmahlzeiten), also insgesamt 55 Minuten. Im Bereich der Mobilität entfällt auf die Hilfe beim An- und Ausziehen ein Zeitaufwand von zweimal 10 Minuten (morgentliches Anziehen und abendliches Ausziehen) und bei der notwendigen körperlichen Bewegung außer Hause (Begleitung bei Spaziergängen) von einmal 30 Minuten täglich. Die von dem Sachverständigen Dr. A für die letztgenannte Verrichtung in Ansatz gebrachte Zeit von einer Stunde hält der Senat für überhöht, weil dem Erfordernis der notwendigen und möglichen körperlichen Bewegung mit einer Zeitdauer von einer halben Stunde täglich angemessen Rechnung getragen wird.
Zu berücksichtigen ist außerdem noch die Hilfe bei der Versorgung mit Medikamenten (Herausnehmen aus Verpackungen und Portionieren), die aus der Sicht des Senates nicht in den Bereich der Behandlungspflege fällt und auf den Tag umgerechnet etwa 1 Minute in Anspruch nimmt.
Bei Berücksichtigung der gesamten Hilfeleistungen, auf die der Kläger zur Sicherung seiner persönlichen Existenz notwendig und ständig angewiesen ist, ergibt sich ein täglich Zeitaufwand für fremde Hilfe von (5 Minuten für die Körperpflege, 55 Minuten für die Nahrungsaufnahme, 50 Minuten für die Mobilität und 1 Minute für die Medikamenteversorgung) insgesamt 111 Minuten.
In diese Berechnung ist die Bereitschaftszeit, während der die Hilfsperson zur Verfügung stehen muß, miteinbezogen. Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des BSG (BSGE 8, 97; 12, 102; 20, 205 und Urteil vom 08.03.1995 – 9 RVs 5/94 = SozR 3-3870 § 4 Nr. 12) und findet durch die Neufassung des § 35 Abs. 1 BVG seinen gesetzlichen Niederschlag. Eine Erweiterung oder Einschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten ergibt sich daraus nicht (BSG, Urteil vom 08.03.1995 – 9 RVs 5/94 – a.a.O.).
Der vom Senat festgestellte Zeitaufwand von 111 Minuten täglich würde sich noch beträchtlich erhöhen, wenn auch das Einkaufen der Nahrungsmittel und die Zubereitung der Nahrung für den eigenen Gebrauch den höchstpersönlichen, der Wartung und Pflege dienenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens zuzuordnen wäre (zu vgl. BSG, Urteil vom 29.10.1959 – 8 RV 1019/57 – = BVBl. 1960 S. 45). Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, weil der erhebliche Umfang fremder Hilfe auch ohne die Einbeziehung solcher Hilfeleistungen, auf die der Kläger außerdem notwendig angewiesen ist, erreicht wird.
Der Senat sieht den unbestimmten Rechtsbegriff des "erheblichen Umfangs" fremder Hilfe schon dann als erfüllt an, wenn die Notwendigkeit fremder Hilfe bei den rechtlich relevanten Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens eine Zeitdauer von wenigstens 90 Minuten täglich erreicht. Er teilt nicht die Rechtsauffassung des Beklagten und der Beigeladenen, die einen weitaus höheren Zeitaufwand für notwendig halten und sich dafür auf die Rechtsprechung des BSG zur Feststellung der Hilflosigkeit nach § 33 b EStG in Verbindung mit dem Schwerbehindertengesetz berufen. Zwar hat das BSG für diesen Bereich entschieden, daß bei der Heimdialyse fremde Hilfe, die an drei Tagen in der Woche jeweils 8 Stunden geleistet werden bzw. bereitstehen muß, nicht ausreichend ist, um einen erheblichen Umfang zu begründen (Urteil vom 06.11.1985 – 9 a RVs 10/84 = BSGE 59, 103 f. und SozR 2-3875 § 3 Nr. 2 SchwbG). Desweiteren hat es im Falle einer an einer Mucoviscidose erkrankten Behinderten die Abhängigkeit von fremder Hilfe für eine Stunde täglich für eine Hilflosigkeit nicht als ausreichend angesehen (Urteil vom 29.08.1990 – 9 a/9 RVs 7/89 – = BSGE 67, 204, 207). Abgesehen davon, daß die letztgenannte Entscheidung der Ansicht des Senats nicht entgegensteht und die erstgenannte Entscheidung die Hilflosigkeit vorrangig deswegen verneint, weil sich die fremde Hilfe nur auf einen einzigen Vorgang beschränkt (die Dialyse), sind sie zu einer Zeit ergangen, als das Pflegeversicherungesetz noch nicht existent war. Durch die zu § 17 dieses Gesetzes – auf Anregung der Beigeladenen – ergangenen Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen über die Abgrenzung der Merkmale der Pflegebedürftigkeit und der Pflegestufen sowie zum Verfahren der Feststellung der Pflegebedürfigkeit (Pflegebedürftigkeits-Richtlinien – PflRi – vom 07.11.1994) hat der Begriff der "erheblichen Pflegebedürftigkeit" im Sinne von §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 Nr. 1 PflegeVG eine zeitliche Konkretisierung erfahren (vgl. jetzt § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB X). Nach Nummer 4.1.1 dieser Richtlinien bzw. § 15 Abs. 3 Nr. 1, 1. Halbsatz SGB X muß der Zeitaufwand, den eine fremde (nicht ausgebildete) Hilfskraft benötigt, um eine erhebliche Pflegebedürftigkeit des Hilfebedürftigen feststellen zu können, im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten (= eineinhalb Stunden) betragen. Dieser Meßwert ist auch im Rahmen von § 35 Abs. 1 BVG durchaus geeignet, die zeitliche Grenze festzulegen, die erreicht sein muß, um den erheblichen Umfang der Abhängigkeit von fremder Hilfe zu konkretisieren. Die Festlegung auf diese zeitliche Grenze hat den Vorteil einer praktikablen Handhabung und steht auch in Einklang mit dem Zweck der Pflegezulage, einen Ausgleich für wirtschaftlich ins Gewicht fallende Pflegeleistungen, die den Schädigungsfolgen anzulasten sind, zu gewähren. Die Notwendigkeit einer täglichen Pflege des Kriegsbeschädigten für die Dauer von 90 Minuten täglich führt regelmäßig zu einer erheblichen finanziellen Belastung, für die die Grundrente allein keinen angemessenen Ausgleich bietet. Sie übersteigt mit Sicherheit auch nicht nur geringfügig den Betrag der Pflegezulage der Stufe I, den der Gesetzgeber dem erheblich Pflegedürftigen aus den Mitteln der Kriegsopferversorgung zukommen lassen will. So betrug die Pflegezulage der Stufe I im September 1989, von dem an diese Leistung vom Kläger beansprucht wird, 390 DM monatlich. Bei einem Stundenlohn von nur 15 DM für eine bezahlte Pflegekraft, der eher zu niedrig angesetzt ist, müßten monatlich aber bei einer 90-minütigen täglichen Arbeitszeit bereits 675 DM aufgewendet werden (22,50 X 30 = 675 DM). Auch dieses wirtschaftliche Argument rechtfertigt es, den erheblichen Umfang fremder Hilfe in Anlehnung an das SGB XI und die Pflegebedürftigkeits-Richtlinien durch einen Zeitaufwand von täglich 90 Minuten zu konkretisieren. Der Anwendbarkeit der Zeitbewertung des SGB X und der zum PflVG ergangenen Richtlinien steht – im Gegensatz zur Auffassung der Beigeladenen – auch nicht entgegen, daß das PflVG einerseits und das BVG andererseits unterschiedliche Verrichtungen zur Anspruchsbegründung fordern (insbesondere hinsichtlich hauswirtschaftlicher Verrichtungen). Denn das zeitliche Maß der jeweils berücksichtigungsfähigen Verrichtungen kann schwerlich unterschiedlich als erheblich oder unerheblich beurteilt werden. Wenn also allein für höchstpersönliche Verrichtungen ein Hilfebedarf von 90 Minuten anfällt, ist das Tatbestandsmerkmal der "Hilflosigkeit" i.S.v. § 35 BVG n.F. (= Hilfsbedürftigkeit in "erheblichem Umfange" i.S. von § 35 BVG a.F.) erfüllt.
Für den Anspruch auf Pflegezulage nach § 35 BVG folgt daraus, daß der Kriegsbeschädigte, der bei einer Reihe von Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens, die seiner persönlichen Wartung und Pflege zuzurechnen sind, ständig für die Dauer von wenigstens 90 Minuten notwendig fremder Hilfe dauernd bedarf, hilflos ist.
Dies ist beim Kläger ab September 1989 der Fall, denn der notwendige Zeitaufwand von wenigstens eineinhalb Stunden wird erst ab diesem Zeitpunkt durch die Abhängigkeit von fremder Hilfe bei der notwendigen körperlichen Bewegung außer Hause (Begleitung bei Spaziergängen) neben den fortbestehenden Hilfen beim Anziehen, Waschen, Baden, Essen u.ä. erreicht. Verantwortlich dafür ist der reduzierte Allgemeinzustand mit häufig auftretendem Schwindelgefühl und Unsicherheitsempfinden, der sich in Auswirkung des im August 1989 operierten Lungenkrebsleidens beim Kläger eingestellt hat. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die dadurch bedingte Abhängigkeit von fremder Hilfe bei der notwendigen körperlichen Bewegung nicht deshalb aus dem Kreis der erforderlichen Hilfeleistungen auszuklammern, weil insoweit eine schädigungsunabhängige Gesundheitsstörung der wesentliche Grund für die Hilfsbedürftigkeit ist. Maßgebend für die Feststellung der Hilflosigkeit eines Beschädigten ist nämlich – wie eingangs schon dargelegt – der ungeteilte Gesamtzustand, der diese Hilflosigkeit begründet, und nicht die isolierte Betrachtung der einzelnen notwendigen Hilfeleistungen. Auf die Wertigkeit schädigungsunabhängiger Gesundheitsstörungen und der Schädigungsfolgen kommt es erst an, wenn feststeht, daß der Gesamtzustand des Beschädigten Hilflosigkeit begründet. Diesen Zustand der Hilflosigkeit hat der Kläger ab September 1989 erreicht. Er wird bedingt durch die schädigungsbedingte Beeinträchtigung seines linken Armes, die schädigungsunabhängige Funktionsbehinderung seiner rechten Hand und die dargestellten Auswirkungen nach der Operation des ebenfalls schädigungsunabhängigen Lungenkrebsleidens. Die Bedeutung der Schädigungsfolgen für diese Hilflosigkeit des Klägers ist annähernd gleich hoch wie die der schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen. Dies steht für den Senat auf der Grundlage der Beurteilung des Sachverständigen Dr. A fest. Nach ihr ist der Anteil der Schädigungsfolgen und der schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen an der Hilflosigkeit des Klägers mit jeweils 50 Prozent zu bewerten. Diese Einschätzung ist auch nachvollziehbar: denn ohne die massiven schädigungsbedingten Störungen des linken Armes könnte sich der Kläger trotz der schädigungsunabhängigen Störungen am rechten Arm und seiner allgemeinen Unsicherheit selbst anziehen. Er könnte sich beim Baden stützen, könnte sich nach dem Stuhlgang mit einer gesunden linken Hand reinigen, könnte seine Medikamente unter Zuhilfenahme der rechten Hand als Beihand portionieren und könnte sogar einen Stock führen, um den Folgen der Unsicherheit zu begegnen. Er könnte auch ohne Hilfe Essen zerkleinern und könnte alleine trinken. Dann sind die Schädigungsfolgen aber die gleichwertige Ursache für die Hilflosigkeit des Klägers.
Zweifellos hat sich die Hilflosigkeit des Klägers nach dem im März 1996 erlittenen Schlaganfall erheblich verstärkt. Dies folgt aus dem von Dr. N für die Pflegekasse der AOK Westfalen-Lippe erstatteten Gutachten vom 24.07.1996. Danach erfordern ab 01.04.1996 allein die Hilfeleistungen bei seiner Grundpflege einen täglichen Zeitaufwand von 135 Minuten. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob bei dieser gesteigerten Hilflosigkeit die Schädigungsfolgen in den Hintergrund treten und den schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen die überragende Bedeutung zukommt. Denn Gegenstand des Rechtsstreits ist nach der übereinstimmend bekundeten Auffassung aller Beteiligten ausschließlich der Anspruch auf Pflegezulage der Stufe I und dessen Voraussetzungen hat der Kläger bereits vor Erleiden des Schlaganfalls erfüllt. Nachträgliche schädigungsfremde Ereignisse berühren den einmal begründeten Anspruch nicht.
Die auf § 193 Abs. 1 SGG beruhende Kostenentscheidung rechtfertigt sich aus dem Obsiegen des Klägers.
Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen, weil es der Frage, ob in Anlehnung an die Pflegebedürftigkeits-Richtlinien eine 90-minütige tägliche Hilfe bei der persönlichen Wartung und Pflege eines Beschädigten ausreicht, um Hilflosigkeit im Sinne von § 35 BVG zu bewirken, grundsätzliche Bedeutung beimißt.
Erstellt am: 17.08.2003
Zuletzt verändert am: 17.08.2003