Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 03.04.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten einer hyperbaren Sauerstofftherapie in Höhe von 21.012,- Euro und die Freistellung von künftig insoweit anfallenden Kosten.
Der 1977 geborene Kläger, der bei der Beklagten krankenversichert ist, leidet an der genetisch bedingten und autosomal dominant vererbbaren Nervenkrankheit Chorea Huntington. Dieser Krankheit liegt ein Gendeffekt auf Chromosom 4 zugrunde, der zu einer verlängerten Glutamin-Kette im Huntington-Protein führt. Dadurch kommt es zu zahlreichen Veränderungen im Zellstoffwechsel bestimmter Nervenzellen des Gehirns, was zunächst ihre Funktion beeinträchtigt und nach Jahrzehnten zum Absterben der Nervenzellen führt. Bei dem Kläger wurde die Erkrankung im Jahr 2003 diagnostiziert.
Nachdem bei dem Kläger in der Zeit von Mai bis Juni 2005 12 Behandlungen mittels hyperbarer Sauerstofftherapie, deren Kosten der Kläger selbst getragen hatte, durchgeführt worden waren, beantragte er im Januar 2006 die Kostenübernahme für weitere Behandlungen. Er legte ein Schreiben von Dr. U, Leitender Arzt des Hyperbaren Sauerstoff-Therapie-Zentrums in N vor, wonach der Kläger an einer unheilbaren Duchenneschen Muskelatrophie leide und die im letzten Jahr durchgeführte Behandlungsserie mittels hyperbarer Sauerstofftherapie zu einer deutlichen Verbesserung des Gangbildes und des Tremors geführt habe. Dr. U verwies auch auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 05.12.2005, dem die gleiche Erkrankung zugrunde gelegen habe. Die Beklagte holte ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Westfalen-Lippe ein, der im Wesentlichen darlegte, die begehrte Therapie biete bei der Behandlung einer Duchenneschen Muskeldystrophie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nachdem der Kläger in Kenntnis dieser Stellungnahme unter Übersendung eines Arztbriefs von Priv.-Doz. Dr. T , Chefarzt der Neurologischen Klinik des Klinikums Kreis I darauf hingewiesen hatte, dass er an einer Chorea Huntington leide, holte die Beklagte eine erneute Stellungnahme des MDK ein. Dr. I vertrat die Auffassung, in Bezug auf die sozialmedizinische Beurteilung ergebe sich durch die nunmehr mitgeteilte zutreffende Diagnose keine Änderung. Es sei jedoch bemerkenswert und lasse Rückschlüsse auf Verantwortung und Qualitätsstandard des Leistungserbringers bei Einsatz eines durchaus mit potentiellen schweren Nebenwirkungen behafteten Behandlungsverfahrens zu, wenn diesem nicht einmal die behandlungsrelevante Diagnose bekannt sei und darüber hinausgehend auch explizit Besserungen in Bezug auf eine überhaupt nicht vorliegende Erkrankung angegeben worden seien.
Mit Bescheid vom 16.02.2006 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme der hyperbaren Sauerstofftherapie ab. Es handele sich hierbei um eine Methode, die im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen sei. Die Voraussetzungen entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 seien ebenfalls nicht erfüllt. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, die streitige Behandlung habe zu einer Besserung seines Gesundheitszustandes geführt, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2006 als unbegründet zurück.
Am 04.07.2006 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht (SG) Detmold erhoben. Er hat vorgetragen, die hyperbare Sauerstofftherapie habe zu einer Verbesserung seines Gesundheitszustandes geführt. Für die in der Zeit vom 06.02.2006 bis zum 27.09.2006 durchgeführten 104 Behandlungen habe er 21.012,- Euro aufgewandt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.02.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2006 zu verurteilen, die bisher entstandenen Kosten der hyperbaren Sauerstofftherapie in Höhe von 21.012,- Euro zu übernehmen und ihm zukünftig diese Leistung als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Das SG hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte Priv.-Doz. Dr. T, Dr. I1, Facharzt für Allgemeinmedizin in S und Dr. U sowie eines nervenärztlichen Gutachtens von Dr. M, Leitender Arzt des Rehazentrums E. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 30.09.2007 dargelegt, der Kläger leide an der Huntington-Krankheit. Die Diagnose sei klinisch, familienanamnestisch und molekulargenetisch gesichert. Beim Kläger habe die Erkrankung mit ca. 16 Jahren begonnen. Er sei durch die Huntington-Krankheit inzwischen sowohl motorisch als auch kognitiv-mnestisch erheblich beeinträchtigt. Mit Ausnahme der spät manifestierenden Verlaufsform sei die Lebenserwartung der Huntington-Kranken erheblich verkürzt, nämlich auf einen Median von 56,5 Jahren. Nach juvenilem Krankheitsbeginn seien Überlebenszeiten von 25 Jahren nach Krankheitsbeginn eher die Ausnahme. Es gebe wirksame Medikamente gegen die Hyperkinesen und zur Behandlung psychiatrischer Symptome wie Depressionen oder Wahnvorstellungen. Gegen den dementiven Abbau gebe es noch keine gesicherte Behandlungsmethode, jedoch sei ein Behandlungsversuch mit Memantine angezeigt, das auch eine gewisse neuroprotektive Wirksamkeit in der frühen Krankheitsphase habe. Übende Therapien könnten ebenfalls Befund und Befinden verbessern. Die hyperbare Sauerstofftherapie sei in der wissenschaftlichen Therapieforschung zur Huntington-Krankheit bisher nicht diskutiert worden. Bisherige Erkenntnisse zur Pathogenese dieser Erkrankung gingen davon aus, dass der Gendefekt zur vermehrten Bildung von freien Radikalen (oxidativer Stress) in der Nervenzelle führe, was diese letztlich so schädige, dass sie absterbe. Nach dem derzeitigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis sei es deshalb unwahrscheinlich, dass die hyperbare Sauerstofftherapie einen positiven oder heilenden Einfluss auf die Huntington-Krankheit habe, es sei im Gegenteil möglich, dass durch den mit der hyperbaren Sauerstofftherapie einhergehenden oxidativen Stress die Progredienz der Erkrankung noch beschleunigt werde. Soweit Dr. U davon ausgehe, dass die hyperbare Sauerstofftherapie durch einen erhöhten Sauerstoffpartialdruck eine Verbesserung der Hirndurchblutung bewirke, sei darauf hinzuweisen, dass nach gesicherter medizinischer Erkenntnis gerade das Gegenteil der Fall sei, denn der erhöhte Sauerstoffpartialdruck führe zu einer Verminderung der Hirndurchblutung, um eine potentiell schädliche Überversorgung der Gehirnzelle mit Sauerstoff zu verhindern. Im Übrigen liege bei der Huntington-Krankheit im Gehirn kein Sauerstoffmangel vor, sondern es sei im Gegenteil nachgewiesen, dass das Verhältnis von Sauerstoffaufnahme zur Glukoseaufnahme erhöht sei. Eine Zufuhr von Sauerstoff könne deshalb auch zu keiner Verbesserung führen. Der bei dem Kläger durchgeführte therapeutische "Blindflug" sei in hohem Maße fragwürdig und bedenklich, da die hyperbare Sauerstofftherapie mit zahlreichen, zum Teil bedrohlichen Nebenwirkungen einhergehe und ein Therapieerfolg bei Huntington-Kranken theoretisch eher unwahrscheinlich sei, vielmehr sogar ein ungünstiger Effekt auf den Krankheitsverlauf befürchtet werden müsse.
Durch Urteil vom 03.04.2008,auf dessen Entscheidungsgründe verwiesen wird, hat das SG die Klage abgewiesen.
Gegen das ihm am zugestellte Urteil hat der Kläger am 13.05.2008 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und weist nochmals auf die Schwere der Erkrankung sowie die verspürte Besserung infolge der streitigen Behandlung hin.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 03.04.2008 zu ändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommmen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat weder Anspruch auf Erstattung der Kosten für die von ihm selbst beschaffte hyperbare Sauerstofftherapie noch auf zukünftige Freistellung von den Kosten entsprechender Behandlungsmaßnahmen.
Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten für die in der Zeit vom 06.02. bis 27.09.2006 durchgeführten Behandlungen mittels hyperbarer Sauerstofftherapie ist § 13 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr. 1; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 12). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Die Beklagte ist zwar nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung bei dem Kläger verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Die Krankenkassen sind daher nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie – wie hier – nach eigener Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Vielmehr muss die betreffende Therapie rechtlich von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (vgl. BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 4).
Bei der hyperbaren Sauerstofftherapie handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode i.S.v. §§ 92 Abs. 1, 135 SGB V, die ambulant nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen gewesen wäre, wenn bereits zum Zeitpunkt der Behandlung eine positive Empfehlung des Bundesausschusses vorgelegen hätte. Hieran fehlt es hier. Entsprechend der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung gehört die hyperbare Sauerstofftherapie vielmehr zu den nicht anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (Anlage II Nr. 16). Die hyperbare Sauerstofftherapie kann mithin grundsätzlich nicht als ambulante ärztliche Leistung der gesetzlichen Krankenkassen in Anspruch genommen werden.
Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen des sog. Systemversagens. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des BSG eine Leistungspflicht der Krankenkassen ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Ein solches Systemversagen liegt – wie vom Kläger auch nicht in Abrede gestellt wird – schon deshalb nicht vor, weil weder bei dem Bundesausschuss ein entsprechender (erneuter) Antrag gestellt ist noch ersichtlich ist, dass eine solche Antragstellung von den Krankenkassen oder dem Bundesausschuss in zurechenbarer Weise unzulässig verzögert oder verhindert worden sein könnte.
Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers ergibt sich auch nicht wegen Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 06.12.2005 (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar ist, einem gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger nicht erfüllt. Zwar handelt es sich angesichts des Umstandes, dass bei juvenilem Krankheitsbeginn, wie bei dem Kläger, Überlebenszeiten von 25 Jahren nach Krankheitsbeginn, wie der Sachverständige Dr. M dargelegt hat, eher die Ausnahme sind, um eine lebensbedrohliche und regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung. Es ist jedoch schon zweifelhaft, ob bezüglich dieser Krankheit keine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht. Bei der Frage, ob Behandlungsalternativen zur Verfügung stehen, ist von dem jeweiligen konkreten Behandlungsziel der streitigen Methode auszugehen. Es ist mithin entscheidend, ob es um Heilung der Krankheit, Verhütung ihrer Verschlimmerung oder Linderung von Krankheitsbeschwerden geht. Auch Dr. U geht ausweislich des Befundberichtes vom 21.05.2007 davon aus, dass auch durch die hyperbare Sauerstofftherapie keine Heilung der Erkrankung möglich ist, es lediglich um eine Linderung der neurologischen Ausfallserscheinungen geht. Eine solche Linderung kann aber, wie Dr. M in seinem Gutachten dargelegt hat, jedoch auch durch allgemein anerkannte Behandlungsmethoden erreicht werden. Letztlich kann diese Problematik jedoch dahinstehen. Denn es fehlt jedenfalls an einer auf Indizien gestützten nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf Heilung bzw. wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.
Der Ausschluss der neuen Behandlungsmethode durch den Gemeinsamen Bundesausschuss schließt zwar die Bejahung einer nicht ganz entfernt liegenden Aussicht auf eine Besserung nicht grundsätzlich aus (vgl. BVerfG vom 29.11.2007 – 1 BvR 2496/07 -). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens kann eine solche auf Indizien gestützte spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf hier jedoch nicht bejaht werden. Die hier regelmäßig erforderliche abstrakte und konkret auf den Versicherten bezogenen Nutzen-Risiko-Analyse muss im Falle des Klägers negativ ausfallen. Dabei sind Differenzierungen i.S.d. Geltung abgestufter Evidenzgrade nach dem Grundsatz vorzunehmen "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderun-gen an die ernsthaften Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Behandlungs-erfolg" (vgl. BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 4). Danach können als Beurteilungsgrundlage beim Fehlen anderer Studien auch Assoziationsbeobachtungen, pathophysiologische Überlegungen, deskriptive Darstellungen, Einzelfallberichte und ähnliche nicht mit Studien belegte Meinungen anerkannter Experten, Berichte von Expertenkomitees und Konsensuskonferenzen in Betracht kommen (vgl. BSG a.a.O.). Fehlen theoretisch-wissenschaftliche Erklärungsmuster, kann im Einzelfall bei vertretbaren Risiken auch die bloße ärztliche Erfahrung für die Annahme eines Behandlungserfolges entscheidend sein, wenn sich diese Erkenntnisse durch andere Ärzte in ähnlicher Weise wiederholen lassen. Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sämtlich nicht erfüllt.
Wissenschaftliche Untersuchungen der hyperbaren Sauerstofftherapie wurden, wie Dr. M in seinem Gutachten eingehend dargelegt hat, bisher weder an Menschen mit der Huntington-Krankheit noch an der Huntington-Maus oder an anderen Tiermodellen durchgeführt. In der wissenschaftlichen Therapieforschung zur Huntington-Krankheit wurde die hyperbare Sauerstofftherapie bislang gar nicht diskutiert. Der Kläger ist – wie der Sachverständige darlegt – der einzige dem Sachverständigen, der jahrzehntelang auf dem Gebiet dieser Krankheit forscht, bekannte Patient, der mit der hyperbaren Sauerstofftherapie behandelt wurde. Soweit der Kläger auf die Besserung der Krankheitssymptome hinweist, lassen sich diese – wie der Sachverständige darlegt – hinreichend durch einen positiven Stimmungsumschwung erklären. Auch bei der Huntington-Krankheit konnten bei Patienten unter Placebo im Rahmen von Therapiestudien zahlreiche positive, aber auch unerwünschte Nebenwirkungen beobachtet werden. Keinesfalls kann aus der vorübergehenden Besserung, so der Sachverständige, auf eine Wirksamkeit der streitigen Therapie geschlossen werden. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, dass die hyperbare Sauerstofftherapie zu einer Erhöhung des Sauerstoffgehaltes im Gewebe und dadurch zu oxidativem Stress mit vermehrter Bildung von freien Radikalen führt. Da die bisherigen Erkenntnisse zur Pathogenese der Huntington-Krankheit davon ausgehen, dass der Gendefekt zur vermehrten Bildung von freien Radikalen in den Nervenzellen beiträgt und diese so schädigt, dass sie absterben, liegt kein positiver Einfluss auf die Huntington-Krankheit nahe, sondern es ist im Gegenteil eher möglich, so legt Dr. M überzeugend dar, dass durch den mit der streitigen Behandlung einhergehenden oxidativen Stress die Progredienz der Krankheit noch beschleunigt wird. Soweit Dr. U auf die Verbesserung der Hirndurchblutung hingewiesen hat, führt dies ebenfalls zu keiner anderen Beurteilung. Denn nach gesicherter medizinischer Erkenntnis führt der erhöhte Sauerstoffpartialdruck infolge der hyperbaren Sauerstofftherapie zu einer Minderung der Hirndurchblutung, um eine potentiell schädliche Überversorgung der Gehirnzellen mit Sauerstoff zu verhindern. Im Übrigen ist die Hirndurchblutung bei Huntington-Kranken überhaupt nicht vermindert und lässt sich daher auch nicht sinnvoll verbessern.
Nach alledem hat der Kläger weder Anspruch auf Kostenerstattung noch auf künftige Versorgung mit der streitigen Behandlungsmaßnahme.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass zur Revisionszulassung besteht nicht, da die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 02.09.2009
Zuletzt verändert am: 02.09.2009