Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. August 1999 geändert und die Klage abgewiesen, soweit eine Regelaltersrente für die Zeit vom 01. Mai 1993 bis zum 30.04.1995 begehrt wird. Die Beklagte hat dem Kläger 3/7 der notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Beginn der Regelaltersrente.
Der am … 1928 geborene Kläger wurde am 07. Mai 1942 im Bergbau angelegt und erlernte den Beruf des Elektrikers, den er – mit Unterbrechungen – bis zum 31. Oktober 1960 im Wesentlichen auf der Zeche … in G … ausübte. Ab dem 01. November 1960 war er bei der Stadt G …, zunächst als Elektrotechniker, ab November 1962 als Elektroingenieur angestellt. Währenddessen war er in der Rentenversicherung der Angestellten rentenversichert. Nach dem krankheitsbedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben gewährte ihm die Beklagte ab August 1987 Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 22. Dezember 1987). Diese wandelte sie auf einen von ihr veranlassten Antrag ab August 1988 in flexibles Knappschaftsruhegeld wegen Erwerbsunfähigkeit (von der Beklagten intern als Leistungsart 62, LEAT 62, bezeichnet) um (Bescheid vom 20. September 1988). Aus den in den Rentenakten befindlichen Anpassungsmitteilungen ergibt sich, dass diese Rente im Folgenden jährlich zum 01. Juli angepasst sowie zum 01. Januar 1992 umgewertet und als Altersrente für Erwerbsunfähige weitergewährt wurde. Aus den Rentenakten des Klägers ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dabei oder daneben eine Bearbeitung der Rentenakten von Hand erfolgt ist. Im Mai 1995 übersandte die Beklagte dem Kläger auf dessen fernmündliche Bitte Unterlagen über die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten bei der Berechnung von Altersrenten.
Im August 1996 veranlasste die Beklagte im Rahmen einer größeren Aktion Probeberechnungen der Regelaltersrenten von Bestandsrentnern, die am 31.12.1991 bereits vorgezogenes Knappschaftsruhegeld bezogen. Dabei stellte sie für den Kläger fest, dass sich bei Inanspruchnahme einer Regelaltersrente ein im Vergleich zur Altersrente wegen Erwerbsunfähigkeit höherer Zahlbetrag ergebe.
Dies teilte sie ihm mit und empfahl ihm unter Beifügung eines Antragsvordruckes, Regelaltersrente zu beantragen. Auf seinen im November 1996 eingegangenen Antrag bewilligte die Beklagte sodann Regelaltersrente ab dem 01. November 1996, deren monatlicher Zahlbetrag um 123,64 DM über demjenigen der zuvor bezogenen Altersrente wegen Erwerbsunfähigkeit lag (Bescheid vom 15. Januar 1997). Mit seinem Widerspruch begehrte der Kläger die Regelaltersrente bereits ab Januar 1992; für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass die Leistung erst ab November 1996 gewährt worden sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, da die Rente nach den Vorschriften des 6. Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zutreffend ab dem Monat der Antragstellung (§ 99 Abs. 1 SGB VI) gewährt worden sei. Ein geeigneter Fall im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB, der zu einem früheren Hinweis auf die Möglichkeit, Regelalters rente zu beantragen, Veranlassung geboten hätte, liege nicht vor. Dies sei vielmehr erst der Fall, wenn ein konkreter Anlass für ein Hinweis auf eine solche Gestaltungsmöglichkeit bestehe (Widerspruchsbescheid vom 24. April 1997, zugestellt am 07. Mai 1997).
Mit seiner am 06. Juni 1997 eingegangenen Klage hat der Kläger die Gewährung der Regelaltersrente zunächst ab April 1993 begehrt und gemeint, eine Hinweispflicht der Beklagten auf die gebotene Antragstellung habe für seinen Jahrgang bereits ab dem 01. Januar 1993 bestanden.
Der Kläger hat beantragt,
unter Abänderung des Bescheides vom 15.01.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.1997 die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 01.05.1993 die Regelaltersrente nach § 35 SGB VI zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zunächst ihre Entscheidung für zutreffend gehalten und später wie folgt ergänzend vorgetragen:
Eine Pflicht, bereits früher auf eine Antragstellung hinzuweisen, habe nicht bestanden, weil sie in ihrem Bestand über zuverlässige Daten, die Fälle einer höheren Regelaltersrente erkennbar machten, nicht verfügt habe. Die Fälle, in denen es nach vorherigem Bezug eines flexiblen Knappschaftsruhegeldes zu einer höheren Regelaltersrente komme, seien wegen der vielfältigen, durch das SGB VI eingeführten Rechtsänderungen, die sich im Einzelfall sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil des Versicherten auswirken könnten, durch individuelle und nicht durch typische Merkmale gekennzeichnet. Solche Fälle seien daher nur durch eine Probeberechnung, also durch Auswertung der Versichertenbiographie jedes einzelnen Versicherten, zu ermitteln gewesen. Bei ihrer im Jahre 1996 von Amts wegen durchgeführten Aktion, die auch im Falle des Klägers zu einer Benachrichtigung geführt habe, handele es sich um eine routinemäßige Abarbeitung von Fällen durch eine Serviceleistung der Beklagten, zu der sie nicht verpflichtet gewesen sei. Diese Aktion habe gezeigt, dass sich bei – zum damaligen Zeitpunkt noch – 38.196 Bestandsrentnern, die bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres und vor dem 01.01.1992 vorgezogenes (flexibles) Knappschaftsruhegeld bezogen hatten, lediglich in knapp 5.000 Fällen eine höhere Regelalters rente ergeben habe. Wegen des damit verbundenen hohen Verwaltungsaufwandes sei es ihr nicht zumutbar gewesen, bei diesen relativ wenigen Fällen im Einzelnen zu ermitteln, worauf die höhere Regelaltersrente beruhe.
Sie habe allgemein über die ab dem 01. Januar 1992 für Altersrenten geltenden Änderungen durch den Artikel Altersrenten können wechseln von Wolfgang Störmann im Kompass, ihrem amtlichen Mitteilungsblatt, informiert (Februar 1993, Seiten 81 und 84). Soweit zwei kleinere Dienststellen, unter anderem die Dienststelle M., ab Mitte 1992 dazu übergegangen seien, die von ihnen betreuten Versicherten anzuschreiben und auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Regelaltersrente hinzuweisen, ohne dass zuvor geprüft worden sei, ob sich überhaupt ein höherer Zahlbetrag ergebe, sei dies weder von allgemeinen noch von konkreten Dienstanweisungen abgedeckt gewesen.
Beim Kläger seien für die Bemessung des Rentenzahlanspruchs 46,5537 persönliche Entgeltpunkte (pEP) aus der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten und 15,6106 pEP aus der knappschaftlichen Rentenversicherung berücksichtigt worden. Durch die Anwendung der Vorschriften des SGB VI hätten sich letztere um 2,257 erhöht, während erstere sich um 0,1377 vermindert hätten. Die Erhöhung beruhe im Wesentlichen auf der neuen Bewertung der Pflichtbeitragszeiten zu Beginn des Versicherungslebens (07. Mai 1942 bis 31. Juli 1946) sowie auf der neuen Bewertung beitragsfreier und – geminderter Zeiten, also insbesondere auf der Anwendung des § 70 Abs. 3 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1996 geltenden Fassung.
Das Sozialgericht (SG) hat in einem Parallelverfahren den Bediensteten der Beklagten M … zu der im Jahre 1996 durch geführten Aktion befragt, den Leiter des Rentenbüros der Beklagten in M. als Zeugen gehört und deren Aussagen in das Verfahren eingeführt. Es hat dann die Beklagte antragsgemäß verurteilt: Zwar habe der Kläger den erforderlichen Rentenantrag zu spät gestellt, indes sei er im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches so zu stellen, als habe er die Regelalters rente rechtzeitig beantragt. Die Beklagte habe nämlich ihre Hinweispflicht aus § 115 Abs. 6 SGB VI verletzt. Eine solche Hinweispflicht bestehe auch dann, wenn es nicht in der überwiegen den Zahl der Fälle zu einer höheren Regelaltersrente komme. Im Falle des Klägers liege ein geeigneter Fall, der eine solche Hinweispflicht begründe, schon deshalb vor, weil er zur – abgrenzbaren – Gruppe derjenigen Bestandsrentner gehöre, denen die Vergünstigung des § 70 Abs. 3 SGB VI a.F. zugute komme, weil die ersten 5 Versicherungsjahre bei dem zuvor bezogenen Knappschaftsruhegeld ungünstiger bewertet worden seien (§ 54 Abs. 4a Reichsknappschaftsgesetz (RKG)). Die Aktion im Jahre 1996 habe gezeigt, dass die Beklagte über die technischen Möglichkeiten, die Zugehörigkeit zu dieser Fallgruppe festzustellen, verfügt habe (Urteil vom 16. August 1999).
Mit ihrer am 10. September 1999 eingegangenen Berufung hat sich die Beklagte gegen diese Verurteilung gewandt und gemeint, die Auffassung des SG, es liege eine hinreichend abgrenzbar Fallgruppe vor, die einen geeigneten Fall im Sinne des § 115 Abs. 6 darstelle und deshalb eine Hinweispflicht begründe, widerspreche der höchstrichterlichen Rechtsprechung und treffe nicht zu. Bei den Bestandsrentnern des Jahrgangs 1928, die am 01. Januar 1992 bereits vorgezogenes Knappschaftsruhegeld der LEAT 62 bezogen hätten, seien in der Zeit vom 01.01.92 bis zum 31. August 96 maximal 24,36 % (24,52 % wenn nur diejenigen, die – wie der Kläger – nicht vor Vollendung des 55. Lebensjahres berufs- oder erwerbsunfähig waren, berücksichtigt werden), für die Zeit von September 1996 bis Dezember 1997 maximal 18,78 % (22,69 %) begünstigt.
Soweit der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 02. August 2000 gemeint habe, es handele sich nicht um den Beginn einer Altersrente, sondern lediglich um eine Rentenerhöhung (im Sinne des § 100 SGB VI), so dass die höhere Rente kraft Gesetzes ab dem auf die Vollendung des 65. Lebensjahres folgenden Monat zu leisten sei, sei dieser Auffassung nicht zu folgen, weil sie die Systematik des SGB VI durchbreche und das Antragsprinzip faktisch abschaffe.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte die Berufung für die Zeit ab Mai 1995 zurückgenommen.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16. August 1999 zu ändern, soweit es die Zeit bis ein schließlich April 1995 betrifft, und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil insgesamt für zutreffend. Die Zeitschrift Kompass habe er ab August 1991 nicht mehr bezogen, weil ab diesem Zeitpunkt bei der Techniker-Krankenkasse krankenversichert gewesen sei. Er habe darauf vertraut, von der Beklagten korrekt informiert zu werden.
Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen; sämtliche Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 15. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 1997. Hierin hat die Beklagte Regelaltersrente auf unbestimmte Zeit in Höhe von zunächst DM 2.906,66 (Nettozahlbetrag) bewilligt. Diese Verfügungssätze entsprechen in vollem Umfange dem Antragsbegehren des Klägers und sind, da der Kläger sie nicht angefochten hat, in Bestandskraft erwachsen. Widerspruch und Klage richten sich allein gegen die – weitere – Feststellung der Beklagten, die Regelaltersrente beginne erst ab dem 01.11.1996. Nur über die Rechtmäßigkeit dieses Verfügungssatzes ist vorliegend zu befinden.
Der von der Beklagten zunächst festgestellte Rentenbeginn auf den 01. November 1996 (= Beginn des Antragsmonats) ist lediglich insoweit rechtswidrig, als die Beklagte den Rentenbeginn nicht auf den 01. Mai 1995 festgestellt hat, weil der Kläger sich im Mai 1995 mit einem konkreten Beratungsbegehren an die Beklagte gewandt hatte. Dem hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung Rechnung getragen, indem sie die Berufung für den Zeitraum ab Mai 1995 zurückgenommen und das angefochtene Urteil insoweit hat rechtskräftig werden lassen. Ein Anspruch auf Gewährung der Regelaltersrente ab einem früheren Zeitpunkt besteht aber entgegen der Auffassung des Klägers und des SG nicht. Die angefochtenen Bescheide sind nämlich im Übrigen rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht, § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat den Rentenbeginn zu Recht nicht auf einen Zeitpunkt vor Mai 1995 festgelegt, § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift wird eine Rente, wenn sie nicht bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird. Ein früherer Rentenbeginn ergibt sich weder unmittelbar aus den Vorschriften des SGB VI ("Primärebene", im Folgenden 1.) noch aus einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder nach den Grundsätzen des sozialgerechtlichen Herstellungsanspruchs ("Sekundärebene", im Folgenden 2.).
1. Das vom Kläger ab dem 01. August 1988 bezogene Knappschaftsruhegeld (KnRG) wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Erwerbsunfähigkeit (§ 48 Abs. 1 Nr.1 Reichsknappschaftsgesetz (RKG)) war mit dem Inkrafttreten des SGB VI am 01. Januar 1992 nach § 300 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in unveränderter Höhe als Altersrente wegen Erwerbsunfähigkeit weiterzuzahlen, §§ 300 Abs. 4 Satz 2, 33 Abs. 2 Nr. 4, 37 SGB VI. Allein wegen dieser Rechtsänderung war eine Neufeststellung der Rente nicht vorzunehmen, §§ 300 Abs. 1, 5, 306 Abs. 1 SGB VI. Es musste lediglich eine Umwertung der Rente dahingehend vorgenommen werden, dass auf der Grundlage des Rentenbescheids nach dem RKG nunmehr pEP ermittelt wurden. So ist die Beklagte auch vorgegangen. Die Altersrente wegen Erwerbsunfähigkeit wurde zum 01. Juli der Jahre 1992, 1993 und 1994 lediglich auf der Basis der durch Umwertung ermittelten pEP angepasst, ohne dass die Rentenakten dabei von Hand bearbeitet wurden (vgl. dazu BSGE 81, 251, 254f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2).
Eine Feststellung der Rente nach den neuen, zum 01. Januar 1992 in Kraft getretenen Berechnungsvorschriften des SGB VI mit einer entsprechenden neuen Ermittlung der pEP nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Rentenantragstellung war erst nach Zugang des Antrags auf Regelaltersrente im November 1996 zulässig, § 300 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Denn das neue Recht kennt einen Wechsel von der einen zur andern Art der Altersrente, während ein solcher Wechsel nach der vor dem 01. Januar 1992 bestehenden Rechtslage nicht möglich war (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 3).
Die verschiedenen Renten wegen Alters (vgl. § 33 Abs. 2 SGB VI) sind nach dem Aufbau des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI eigenständige Renten (im Sinne der besitzgeschützten "bisherigen Rente" und den neu festzustellenden "späteren Rente"), so dass bei aufeinanderfolgenden Altersrenten nicht § 306 Abs. 1 SGB VI gilt, sondern eine Neufeststellung vorliegt, bei der die pEP auf der Basis des Rechts, das zur Zeit des Rentenbeginns, der wiederum vom Rentenantrag abhängt, gilt, neu zu ermitteln sind. Denn mit der Einführung des SGB VI wurde das "Versicherungsfallprinzip" durch das "Rentenbeginnprinzip" ersetzt. Dieses hat den Vorteil, dass nicht ständig zu prüfen ist, ob altes Recht noch weiter anzuwenden ist (vgl. BT-Drucksache 11/4124, Seite 206 zu § 291 des SGB VI-Entwurf = § 300 SGB VI). Die Ausnahmevorschrift des § 302 Abs. 1 SGB VI, wonach Versicherten, die zur Zeit des Inkrafttretens des SGB VI das 65. Lebensjahr vollendet hatten, die Rente stets als Regelaltersrente zu leisten ist, bestätigt die Regel, dass die noch nicht 65-jährigen die Vorteile der abgestuften Rentenfälle nach dem neuen Recht (auf Antrag) in Anspruch nehmen können (vgl. BSGE 81, 251, 253 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2).
Auch wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die Regelaltersrente beim Kläger bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres am 29. April 1993 erfüllt waren, und damit das Stammrecht auf Regelaltersrente entstanden war, können nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI die Feststellung der Regelaltersrente und die Aufnahme der darauf beruhenden Zahlungen erst ab dem Kalendermonat erfolgen, in dem die Rente beantragt wird (oder als beantragt gilt). Ein Rentenbeginn, wie er vom Kläger begehrt wird, scheidet aus, weil der Antrag nicht innerhalb der Frist von 3 Monaten, die am 31. Juli 1993 endete, gestellt worden ist (vgl. BSG a.a.O.).
Soweit sich der Kläger demgegenüber auf die davon abweichende Rechtsprechung des BSG vom 02. August 2000 (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1; ebenso wohl: Mey. Zur Hinweispflicht gem. § 115 Abs. 6 SGB VI oder: (Neue) Dogmatik der Altersrenten. In: Die Angestelltenversicherung (Zeitschrift) 2001, 142ff) beruft, vermag der erkennende Senat dem nicht zu folgen. Soweit der 4. Senat nämlich mit dieser Entscheidung das Rechtskonzept, wie es vor Inkrafttreten des SGB VI bestand (vgl. dazu BSG SozR 3-2200 § 1248 RVO Nr. 2 mit weiteren Nachweisen), über den dortigen Fall hinaus auch für das SGB VI fortführen will (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1), ist ihm nicht beizutreten.
Der 4. Senat des BSG meint in der erwähnten Entscheidung, es gebe nur einen Versicherungsfall wegen Alters und deshalb auch nur eine Altersrente im SGB VI. Dies führte bei konsequenter Anwendung des § 306 Abs. 1 SGB VI zu dem Ergebnis, dass es für Bestandsrentner bei der Rentenhöhe vor Inkrafttreten des SGB VI verbliebe, soweit sich nicht eine abweichende spezialgesetzliche Regelung findet, an der es hier gerade mangelt. § 306 Abs. 1 SGB VI enthält den Grundsatz, dass aus Anlass einer Rechtsände rung die einer Rente zugrundegelegten pEP nicht neu bestimmt werden, wenn vor dem Zeitpunkt einer solchen Änderung ein Anspruch auf Leistung einer Rente bestand, soweit nicht in den nachfolgenden Spezialregelungen etwas anderes bestimmt ist. Der Grundsatz des § 306 Abs. 1 SGB VI bedeutet, dass allein die Änderung von Rechtsvorschriften keine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X ist (vgl. BSG SozR 3-2600 § 300 SGB VI Nr. 7; BSG SozR 3-2600 § 306 SGB VI Nr. 1 mit weiteren Nachweisen). Entgegen der Auffassung des BSG im genannten Urteil vom 02. August 2000 (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1) enthält § 100 SGB VI eine solche Spezialregelung nicht. Denn nicht § 100 SGB VI, sondern die §§ 300 ff. SGB VI und etwaige weitere Spezialregelungen bestimmen abschließend, ob und inwieweit Bestandsrentner in Gesetzesänderungen einbezogen werden. Zu Recht ist deshalb die höchstrichterliche Rechtsprechung (vgl. BSG SozR 3-2600 § 88 SGB VI Nr. 2) davon ausgegangen, dass bei Fortbezug einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Versicherungsfalles vom 30.09.1982 allein das Inkrafttreten des SGB VI keine Rentenerhöhung wegen Kindererziehungszeiten bewirkt. Zwar schränken die §§ 57, 259 SGB VI nicht die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten – wie das alte Recht, vgl. §§ 2a, 28a AVG a.F. – auf Versicherungsfälle nach dem 30. Oktober 1985 ein, jedoch erlaubt diese zum 01.01.1992 erfolgte Rechtsänderung für sich allein keine neue Bestimmung der pEP, § 306 Abs. 1 SGB VI. Fallgruppen, in denen aus anderen Gründen das Recht des SGB VI für eine vollständige Neubestimmung der pEP zugrunde zu legen ist (vgl. dazu BSG a. a. O.), liegen beim Kläger aber nicht vor.
Die Auffassung des BSG, es gebe nach dem Recht des SGB VI nur eine einheitliche Rente wegen Alters (BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1) überzeugt auch aus anderen Gründen nicht. Sie steht auch nicht in Einklang mit den Vorschriften über das Zusammentreffen mehrerer Renten (§ 89 SGB VI), den Bestandsschutz (§ 88 SGB VI)sowie den Rentenbeginn und die Antragstellung (§§ 99, 115 SGB VI). § 89 Abs. 1 SGB VI bezeichnet in Satz 2 Nrn. 1 – 6 sechs Arten der Altersrente und bestimmt deren Rangfolge für den Fall gleich hoher Zahlungsansprüche. Es handelt sich dabei um einen Spezialfall von § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, der voraussetzt, dass für den selben Zeitraum Anspruch auf mehrere Renten aus eigener Versicherung besteht. Nachvollziehbar hat die höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu ausgeführt, der Hinweis, diese Vorschrift kenne nur eine Regelaltersrente, sei nicht verständlich; zutreffend habe daher das LSG darauf abgestellt, dass die Beklagte LVA B. der Klägerin lediglich statt einer "Beitrittsgebietsrente" wegen Alters … ab dem 01. Januar 1992 ein Recht auf Regelaltersrente nach dem SGB VI gewährt habe. Im Falle der Klägerin greife also gerade § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ein, weil für den selben Zeitraum ab Januar 1992 zwei (gleichartige) Rechte auf Regelaltersrente aus eigener Versicherung bestünden (BSG SozR 3-2600 § 307a SGB VI Nr. 8). Rechtssystematisch kann § 89 Abs. 1 SGB VI aber nicht auf derartige Fälle reduziert werden (so wohl: BSG SozR 3-2600 § 100 Nr.1). Der Gesetzgeber hat die Norm nämlich mit Bedacht in das 2. Kapitel des SGB VI ("Leistungen") und nicht in das 5. Kapitel ("Sonderregelungen") aufgenommen.
Begrifflich kennt das SGB VI in § 33 Abs. 2 denn auch 6 verschiedene Arten der Altersrente. Dass sich die Überschrift zu § 33 SGB VI – "Rentenarten" – nur auf Abs. 1, nicht aber auf die weiteren Absätze der Norm bezieht, kann weder dem Wortlaut noch der Systematik entnommen werden. Dementsprechend trägt § 34 Abs. 4 SGB VI der Möglichkeit verschiedener Arten der Rente wegen Alters Rechnung, indem er vorsieht, dass ein Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Erziehungsrente nicht besteht nach bindender Bewilligung "einer Rente wegen Alters" …, anstatt nach Bewilligung der Rente wegen Alters.
Nichts anderes zeigt die Besitzschutzregelung des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI: Hat ein Versicherter eine Rente wegen Alters bezogen, werden für eine spätere Rente mindestens die bisherigen pEP zugrunde gelegt. Sie bildet damit die Grundlage dafür, dass beim Wechsel von der einen zur anderen Altersrente mindestens die bisherigen pEP zugrunde zu legen sind (vgl. z. B. Niesel in Kassler Kommentar, § 88 SGB VI Rdnr. 3 f.; Schulin in: Handbuch des Sozialversicherungsrechts 1999, § 38 Rdnr. 304 mit weiteren Nachweisen sowie Rdnr. 305; Verbandskommentar § 88 SGB VI Anmerkung 3.1).
Zu Recht hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in dieses Regelungssystem auch die Bestimmungen über den Rentenbeginn und die Antragstellung einbezogen (BSGE 81, 251, 253f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; SozR 3-2600 § 99 SGB VI Nr. 3; BSG Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R). Danach ist der Beginn der Regelaltersrente von der Antragstellung abhängig, §§ 99 Abs. 1, 115 Abs. 1 SGB VI. Mit Inkrafttreten des SGB VI gelte anstelle des Versicherungsfallprinzips der RVO das Rentenbeginnprinzip (BSGE 79, 168, 169f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1; kritisch BSG SozR 3-2600 § 100 Nr. 1 und BSG SozR 3-2600 § 99 Nr.5). Die Systematik des SGB VI ist für alle Rentenarten auf den Rentenbeginn, dessen Regelung vereinheitlicht werden sollte, ausgerichtet worden (vgl. Begründung zum RRG 1992, Bundestagsdrucksache 11/4124, S.175 zu § 98 Entwurf). Anstelle der Möglichkeit, den Zahlungsbeginn einer Rente durch die Verschiebung des Versicherungsfalls zu beeinflussen (vgl. zum früheren Recht etwa § 1248 Abs. 6 RVO a.F.), haben die Versicherten im Recht des SGB VI nunmehr Einfluss auf Beginn und Höhe der Rente durch die Wahl des Antragszeitpunkts (vgl. §§ 75, 77 SGB VI). Dabei hat der Gesetzgeber auch bewusst die Folgen einer späteren Antragstellung geregelt (vgl. Niederschrift über die 521. Sitzung des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung am 07.04.1989, S.29, zitiert nach BSGE 79, 168, 170 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr.1 m.w.N. zur Hinterbliebenenrente). Insgesamt zeigen daher Wortlaut, Gesetzesmaterialien (vgl. im übrigen auch BT-Drucksache 11/4124 zum Entwurf der §§ 32, 87, 88, 98 und 114, S.161ff), Regelungssystem (zum Zusammenhang zwischen Regelung des Zahlungsanspruchs in § 89 SGB VI, dem Antragserfordernis für jede Rentenart, der Beratungspflicht und ggf. dem Rentenbeginn, vgl. auch Niesel, a. a. O. § 89 SGB VI Rdnr.5-7 m. w. N.) sowie der damit zum Ausdruck kommende Sinn und Zweck, dass das SGB VI sich bewusst von Versicherungs-fallprinzip ab- und dem Rentenantragprinzip zugewandt hat.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI kommt nicht in Betracht, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Zwar ist eine Wiedereinsetzung grundsätzlich auch bei Versäumung einer Frist des materiellen Sozialrechts zulässig, wenn die betreffende Regelung dies ausdrücklich bestimmt oder ihre Auslegung dies ergibt (BSG SozR 3-5070 § 21 WGSVG mit weiteren Nachweisen; BSGE 79, 168, 171 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1). Ob danach eine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Dreimonatsfrist des § 99 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich zulässig ist, kann hier offen bleiben. Der Kläger war nämlich nicht ohne sein Verschulden gehindert, diese Frist einzuhalten, § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Dass dem Kläger die Regelung des § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI mit der Folge des Anspruchsverlustes bei Versäumung dieser Frist nicht bekannt gewesen ist, wie er sinngemäß vorträgt, stellt keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Denn nach dem Grundsatz der formellen Publizität gelten alle Gesetze mit ihrer Verkündung im Bundesgesetzblatt den Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich davon Kenntnis erlangen. Eine Unkenntnis solcher Rechte, deren befristete Ausübung im Gesetz selbst ausdrücklich geregelt ist, kann deshalb eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen (BSG Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R).
Entgegen der Auffassung des SG ist der Kläger auch nicht aufgrund eine sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu behandeln, als hätte er den Rentenantrag spätestens im Juli 1993 gestellt. Das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung desjenigen sozialrechtlichen Zustands gerichtet, der bestünde, wenn der Versicherungsträger (oder ein für diesen handelnder Dritter) die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber auferlegten Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und zur Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte. Demnach kommt es insbesondere auf das Vorliegen der folgenden Voraussetzungen (vgl. dazu BSG SozR 3-2600 § 58 SGB VI Nr. 2) an:
Die verletzte Pflicht muss dem Träger gerade gegenüber dem Versicherten obliegen, die zugrundeliegende Norm letzterem also ein entsprechendes subjektives Recht einräumen. Die objektiv rechtswidrige Pflichtverletzung muss im Sinne einer wesentlichen Bedingung einen Nachteil des Versicherten bewirkt haben. Schließlich muss die verletzte Pflicht darauf gerichtet gewesen sein, den Betroffenen gerade vor den eingetretenen Nachteilen zu bewahren (zu diesem sogenannten Schutzzweckzusammenhang vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 5).
a) Aus einer – hier möglicherweise anzunehmenden – unterbliebenen oder ungenügenden Aufklärung der Allgemeinheit, zu der ein Versicherungsträger gemäß § 13 SGB I verpflichtet ist, kann allerdings kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch resultieren (BSGE 79, 168, 172 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 1). Etwas anderes gilt nur bei einer unrichtigen oder missverständlichen Information durch den Versicherungsträger. Der Aufsatz von Störmann im Kompass (2/93, Seiten 81 und 84) enthält eine solche Fehlinformation nicht. Nach Wiedergabe des Wortlauts von § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI heißt es dort nämlich, dieser Verpflichtung komme die Bundesknappschaft nach. Einen Verstoß gegen § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI vermag der Senat aber vorliegend gerade nicht festzustellen, vgl. unten c).
b) Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch ergibt sich auch nicht aus einer Verletzung der Beratungs- und Auskunftspflicht nach § 14 f. SGB I.
Voraussetzung für das Entstehen einer Beratungspflicht nach § 14 SGB I ist ein Beratungsbegehren oder zumindest ein konkreter Anlass zur Beratung (vgl. BSG a. a. O.). Eine Verletzung von Beratungs- und Auskunftspflichten mit der Folge des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (insbesondere in Fällen einer erforderlichen Spontanberatung) wird vom BSG in ständiger Rechtsprechung nur dann anerkannt, wenn sich im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens ein konkreter Anlass ergibt, den Versicherten spontan auf klar zu Tage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die jeder Verständige mutmaßlich nutzen würde (BSGE 81, 251, 254 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Die Annahme eines konkreten Anlasses für eine Beratung setzt im Allgemeinen voraus, dass zumindest tatsächlich eine Sachbearbeitung durch einen Mitarbeiter der Beklagten von Hand und nicht nur eine EDV-gestützte, massenhafte Bearbeitung von Rentenfällen stattgefunden hat (BSG a. a. O.). Allein eine solche EDV-gestützte, massenhafte Bearbeitung von Rentenfällen lag indes den von ihr ab 1992 (und auch bereits früher) jeweils zum 01.07. übersandten Anpassungsmitteilungen zugrunde, wobei diejenige zum 01.07.92 zugleich eine Mitteilung über die Umwertung nach § 307 Abs. 1 SGB VI enthielt. Für einen konkreten Anlass zur Spontanberatung vor Mai 1995 ergeben sich danach keinerlei Anhaltspunkte.
c) Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch wegen Verletzung der aus § 115 Abs. 6 SGB VI resultierenden Hinweispflicht auf einen Rentenantrag, der grundsätzlich in Betracht kommt (vgl. BSGE 81, 251, 255 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; BSG-Urteile vom 13. Mai 1998 – B 8 KN 15/97 R und B 8 KN 16/97 R; BSG SozR 3-2600 § 88 SGB VI Nr. 2; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.4 mit weiteren Nachweisen; BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5), besteht im Ergebnis ebenfalls nicht.
Unerheblich ist zunächst, dass seinerzeit gemeinsame Richtlinien der Rentenversicherungsträger (vgl. dazu jetzt: Die Angestelltenversicherung 1998, Seite 449) nicht bestanden haben (vgl. BSG a. a. O.). Nach § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI sollen die Träger der Rentenversicherung die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Die Rentenversicherungsträger können in gemeinsamen Richtlinien bestimmen, unter welchen Voraussetzungen solche Hinweise erfolgen sollen (Satz 2). Zwar handelt es sich bei den Tatbestandsmerkmal "in geeigneten Fällen" um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dieser ist jedoch – wie die zitierten Entscheidungen des BSG zeigen – im Wege der Auslegung bestimmbar. Die Richtlinien im Sinne von § 115 Abs. 6 Satz 2 SGB VI dienen insofern im Wesentlichen zur Sicherstellung einer einheitlichen Umsetzung des Rechts (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Während sich für den Leistungsträger eine Pflicht zur Auskunft und Beratung im Sinne der §§ 14 und 15 SGB I nur bei konkretem Anlass ergibt, ist die allgemeine Hinweispflicht der Träger der Rentenversicherung nach § 115 Abs. 6 SGB VI auf geeignete Fälle beschränkt. Die Geeignetheit einer Fallgruppe richtet sich im Wesentlichen nach folgenden Merkmalen: Für den Versicherungsträger muss ohne einzelfallbezogene Sachaufklärung erkennbar sein, dass ein abgrenzbarer Kreis von Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfüllt, die von solchen Personen im Regelfall in Anspruch genommen wird. Die Frage, inwieweit darüber hinaus aus der Sicht des Versicherungsträgers bei den Betroffenen ein Informationsbedürfnis bestehen muss, haben der 5. und 8. Senat des BSG dahingehend beantwortet, dass für den Versicherungsträger erkennbar sein muss, dass die Angehörigen einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen. Eine Hinweispflicht ergibt sich danach jedenfalls bei solchen Gestaltungsmöglichkeiten, die versteckt und nur Kennern der Materie geläufig sind (BSGE 81, 251, 256 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; BSG, Urteil vom 22.10.1998, Az. B 5 RJ 56/97 R). Der 13. Senat folgt im Ansatz der Auffassung, dass eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI nur in den Fällen besteht, in denen der Rentenversicherungsträger davon ausgehen muss, dass die Berechtigten einen Rentenantrag aus Unkenntnis (noch) nicht gestellt haben. Soweit es die erstmalige Inanspruchnahme von Altersrente betrifft, berücksichtigt er, dass diesbezüglich Anträge regelmäßig einige Zeit vor der absehbaren Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung (insbesondere vor dem Erreichen einer bestimmten Altersgrenze) gestellt werden, um einen zeitgerechten Beginn der Rentenzahlung sicherzustellen. Gehört jemand zu einer abgrenzbaren Gruppe von Versicherten, die eine solche Rente im allgemeinen vom frühestmöglichen Zeitpunkt an beziehen, so lässt das Fehlen eines Rentenantrages im Monat der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzung nach seiner Auffassung grundsätzlich den Schluss zu, dass dies auf Unkenntnis des betreffenden Versicherten beruht. Er sieht sich insoweit in Übereinstimmung mit § 1 der inzwischen erlassenen gemeinsamen Richtlinien der Rentenversicherungsträger (vgl. BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Im Grundsatz besteht danach in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Einigkeit, dass in Erweiterung und Ergänzung zur spontanen Hinweispflicht bei einem konkreten Anlass nach § 14 SGB I eine Hinweispflicht im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI auch ohne konkreten Anlass bei typischen Sachverhalten gegenüber einer – z. B. mit Mitteln der EDV – abgrenzbaren Gruppe von Versicherten besteht, sobald es dem Versicherungsträger möglich ist zu erkennen, dass ihre Angehörigen den Rentenantrag aus Unwissenheit nicht stellen, die Antragstellung in der Regel jedoch zu höheren Leistungen führt (BSGE 81, 251, 256 = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Nach den genannten Kriterien ist die höchstrichterliche Rechtsprechung davon ausgegangen, dass zu den typischen Sachverhalten der Erstbezug einer Regelaltersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres bei Erfüllung der Wartezeit, der Erstbezug einer Hinterbliebenenrente (BSG SozR 3-2600 § 88 Nr. 2) und der Erstbezug einer Altersrente für langjährig Versicherte bei Erfüllung der Wartezeitvoraussetzungen durch freiwillige Beitragszahlungen gehören (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr.5). Um solche Fallgruppen geht es vorwiegend jedoch nicht.
Darüber hinaus kann aber auch ein geeigneter Fall im Sinne von § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI dann in Betracht kommen, wenn eine abgrenzbare Gruppe von Versicherten bereits eine Rente bezieht, und der Wechsel von der einen zur andern Art der Rente in der Regel zu höheren Leistungen führt (BSGE 81, 251, 256f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2; Urteile vom 13.05.1998, B 8 Kn 15/97 und 16/97 R; BSG SozR 3-2600 § 99 Nr.3). Ein solcher Wechsel von der einen zur anderen Art der Altersrente war – wie dargelegt – nach der vor dem 01. Januar 1992 geltenden Rechtslage nicht möglich. Damit gegenüber den Mitgliedern der Gruppe der Bezieher einer vorgezogenen Altersrente nach altem Recht aufgrund des SGB VI eine Hinweispflicht entsteht, muss sich die anzuregende Antragstellung in der überwiegenden Zahl der Fälle günstig aus wirken, ohne dass im Einzelfall eine Probeberechnung erforderlich wäre; Verwaltungsverfahren um ihrer selbst Willen müssen nicht initiiert werden, auch wenn § 88 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sicherstellt, dass dem Versicherten keine Nachteile erwachsen können (BSG, a.a.O.). Maßgeblich ist damit, ob unter den Bestandsrentner der Beklagten die Gruppe der Bezieher von Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Erwerbsunfähigkeit, die nach dem 01.01.1992 das 65. Lebensjahr vollendet haben, durch die Stellung eines Antrags auf Regelaltersrente nach dem SGB VI typischerweise einen messbaren finanziellen Vorteil auf Dauer erhalten.
Nach den eingehenden und detaillierten, hier zugrundezulegenden Auskünften der Beklagten gab es bei dieser Personengruppe je nach Geburtsjahrgang und abhängig davon, ob bereits vor Vollendung des 55. Lebensjahres Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bestand, im Zeitraum vom 01. Januar 1992 bis zum 31. August 1996 maximal einen Anteil von zwischen 19,07 und 36,69 %, der bei Stellung eines Antrags auf Regelaltersrente nach dem SGB VI typischerweise einen messbaren finanziellen Vorteil auf Dauer erhält. Insgesamt ergeben die Übersichten, dass typischerweise nicht unter den Bestandsrentnern der Beklagten die Gruppe der Bezieher von Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und Erwerbsunfähigkeit, die nach dem 31. Dezember 1991 das 65. Lebensjahr vollendet haben, durch die Stellung eines Antrags auf Regelaltersrente ein messbaren finanziellen Vorteil auf Dauer erhielten, sondern im Gegenteil, dass dies nur ausnahmsweise der Fall war. Das gilt insbesondere auch für die jenigen Bestandsrentner, die nicht vor Vollendung des 55. Lebensjahres berufs- oder erwerbsunfähig geworden waren und deshalb von der Regelung des § 70 Abs. 3 SGB VI a.F. im Vergleich zu § 54 Abs. 4a RKG profitieren konnten (hierzu ausdrücklich: BSGE 81, 251, 257f = SozR 3-2600 § 115 SGB VI Nr. 2). Für den Geburtsjahrgang des Klägers (1928) ergeben sich keine Besonderheiten. Solche ergeben sich nach den von der Beklagten übermit telten Zahlen auch dann nicht, wenn man zusätzlich die übrigen Rentenarten mit in den Blick nimmt.
Die statistischen Ergebnisse erklären sich aus Rechtsgründen im Hinblick auf die vielfältigen durch das RRG 1992 bewirkten Änderungen, die sowohl werterhöhende als auch wertmindernde Auswirkungen haben. Die Richtung der Auswirkungen der einzelnen Norm ist aber je nach Lebenssachverhalt unterschiedlich. So kann sich z. B. die Regelung des § 70 Abs. 3 SGB VI a.F. tendenziell werterhöhend auswirken, wenn z. B. nach der Regelung des § 54 Abs. 4a RKG zuvor geringere Lehrlingsvergütungen zugrunde zulegen waren, als auch wertmindernd, nämlich bei vorheriger Bewertung der ersten 5 Kalenderjahre seit dem Eintritt in die Versicherung wie eine Ausfallzeit (vgl. BSG SozR 3-2600 § 71 SGB VI Nr. 1 mit weiteren Nachweisen). Mit Inkrafttreten des RRG 1992 zum 01.01.1992 wurden nicht nur die angesprochenen ambivalenten Regelungen eingeführt, sondern das gesamte Berechnungsprogramm einschließlich der maßgeblichen Einzelfaktoren änderte sich. Zusammen mit den tatsächlichen Versicherungsverläufen liegt darin der Grund dafür, dass die Umstellung von vorgezogenen Knappschaftsruhegeld auf Regelaltersrente in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht zu höheren Leistungen nach dem SGB VI führte.
Soweit vereinzelt entgegen generellen Weisungen Dienststellen der Beklagten ohne Ermittlung einer Gruppe "geeigneter Fälle" Versicherte wegen einer Änderung ihrer Altersrente angeschrieben haben, hat dies weder eine nach Artikel 3 Abs. 1 des Grundgesetes bei Anwendung von § 115 Abs. 6 SGB VI zu beachtende Verwaltungspraxis begründet, noch den Anwendungsbereich dieser Norm erweitert.
Die vorangehenden Ausführungen machen deutlich, aus welchen Gründen der Senat sich den Gründen des angefochtenen Urteils nicht anzuschließen vermag. Die Auffassung des SG, mit der es sich über die Vorgaben des BSG hinwegsetzt, sind nämlich nicht schlüssig und überzeugen daher nicht. Soweit das SG meint, eine geeignete Fallgruppe im Sinne des § 115 Abs. 6 SGB VI gebildet zu haben, wenn es auf diejenigen Bestandsrentner abstellt, die durch die Regelung des § 70 Abs. 3 SGB VI a.F. begünstigt gewesen seien, so handelt es sich dabei nicht um ein geeignetes Kriterium zur Feststellung einer typischen Begünstigung, und damit auch nicht um ein geeignetes Kriterium zur Bildung einer geeigneten Fallgruppe, wie die Ausführungen im angefochtenen Urteil selbst verdeutlichen. Nach der Auffassung des SG soll es nicht darauf ankommen, ob sich bei denjenigen Bestandsrentnern, die von der Regelung des § 70 Abs. 3 SGB VI profitieren können, auch zwingend ein höherer Rentenzahlanspruch ergibt, oder ob eine solche Vergünstigung etwa durch andere Regelungen des SGB VI, die sich auf die Höhe der Rente ungünstig auswirken, aufgezehrt wird. Das SG hat damit eine Fallgruppe ohne ausreichend deutliche Konturen – und damit gerade keine hinreichend abgrenzbare geeignete Fallgruppe – gebildet, wenn es auf diejenigen Bestandsrentner abgestellt hat, bei denen die ersten 5 Versicherungsjahre nicht zur Ermittlung eines günstigeren Monatsdurchschnittes außer Betracht gelassen worden waren. Wie es selbst einräumt, sei für die Hinweispflicht nämlich ohne Bedeutung, ob sich eine Rentenerhöhung im Einzelfall erst nach einer konkreten Probeberechnung ergebe oder sich bei einer solchen gar herausstelle, dass sich nach dem SGB VI kein höherer Zahlbetrag ergebe. Es hat mithin die "Möglichkeit" ("potentiell"; "denkbar") eines höheren Zahlbetrages ausreichen lassen. Nichts anderes bedeutet es, wenn das SG darauf abstellt, der Hinweis nach § 115 Abs. 6 SGB VI stehe selbstverständlich unter dem Vorbehalt einer genauen Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen nach erfolgter Antragstellung. Damit hat es aber auf ein aussagefähiges Abgrenzungskriterium verzichtet; denn jeder Bestandsrentner profitiert "potentiell" von einer durch das SGB VI im Vergleich zu den Vorschriften des RKG günstigeren Rentenberechnungsvorschrift.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 SGG; sie trägt dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen Rechnung.
Der Senat misst der Rechtssache in Anbetracht der kontroversen Rechtsprechung der verschiedenen BSG-Senate grundsätzliche Bedeutung bei, § 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG, und lässt deshalb die Revision zu.
Erstellt am: 10.08.2003
Zuletzt verändert am: 10.08.2003