Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.08.2005 geändert. Der Antragsgegnerin wird bis zur Entscheidung in der Hauptsache aufgegeben, von der Dienstleistungsfreiheit polnischer Arbeitnehmer zur Durchführung des Werkvertrages vom 09.09.2005 zwischen der Antragstellerin und der E AG über das Auffahren von 3.770 m langen Gesteinsstrecke im Bereich Q 6/NO auf dem Bergwerk B auszugehen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin (Ast) schloss als Werkvertragsunternehmerin mit der E AG am 09.09.2004 einen Werkvertrag über die Erbringung bergmännischer Spezialarbeiten auf dem Bergwerk A. Gegenstand des die Zeit vom 02.11.2004 bis 06.06.2008 umfassenden Vertrages (aufgeteilt in vier Teilleistungsverträge) ist die "Auffahrung von 3770 m Gesteinsstrecke im Bereich Q 6 IN 060 auf dem Bergwerk B. Als geschuldete Leistung ist in der Anlage des Werkvertrags die "sach- und fachgerechte Ausführung der bergmännischen Vortriebsarbeiten, bestehend aus Bohr-, Lade- und Ausbauarbeiten sowie Hinterlandarbeiten" genannt (vgl. Bl. 18-46 Gerichtsakte).
Nachdem die Ast einen im Rahmen des Kontingents liegenden Einsatzplan vorgelegt hatte, erteilte die Antragsgegnerin (Ag) der Ast die beantragte Zusicherung über die Arbeitserlaubnis-EU im Rahmen des Werkvertrages vom 09.09.2004 für eine Höchstzahl von 52 Arbeitnehmern. Die Laufzeitgebühr im Rahmen des Zusicherungsbescheids betrug 136.275,00 Euro für die Zeit vom 02.11.2004 – 30.09.2007 (Bescheid vom 28.10.2004).
Auf der Grundlage dieser Zusicherung beantragte die Antragstellerin für die ersten Monate der Laufzeit des Werkvertrages Arbeitsgenehmigungen für ihre Arbeitnehmer und entrichtete hierfür bisher den Betrag in Höhe von insgesamt 27.650,00 EUR. Unter dem 1. August 2005 beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der Feststellung, dass die von ihr ausgeübten Tätigkeiten der Dienstleistungsfreiheit unterliegen.
Das Sozialgericht Düsseldorf wies diesen Antrag durch den hier angefochtenen Beschluss vom 11.08.2005 ab. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, es fehle an einem Anordnungsgrund, da die Antragsgegnerin den Werkvertrag bereits genehmigt und die Arbeitnehmer die erforderlichen Arbeitsgenehmigungen erhalten hätten.
Mit ihrer hiergegen am 19.08.2005 erhobenen Beschwerde macht die Ast geltend, die Bewertung der Ag habe auch weitergehende wirtschaftliche Konsequenzen für sie und berge erhebliche Gefahren in sich. Die Behandlung als Bauunternehmen habe Auswirkungen auch auf die Höhe der Löhne.
Die Ast beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.08.2005 festzustellen, dass die Antragsgegnerin bis zur Entscheidung der Hauptsache von der Dienstleistungsfreiheit polnischer Arbeitnehmer zur Durchführung des Werkvertrages vom 09.09.2004 zwischen der Antragstellerin und der E AG über das Auffahren einer 3.770 m langen Gesteinsstrecke im Bereich Q 6/NO auf dem Bergwerk B in N auszugehen hat.
Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie vertritt die Ansicht, eine Eilbedürftigkeit bestehe nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die von Seiten der Ast vorgelegten umfangreichen Anlagen sowie die Verwaltungsakte der Ag Bezug genommen. Diese Akten haben bei der Beschlussfasssung durch den Senat vorgelegen.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 22.08.2005), ist begründet. In Übereinstimmung mit den bisher ergangenen Entscheidungen des erkennenden Senats (Beschluss vom 24.11.2004 – L 12 B 93/04 AL ER -), des 19. Senats (Beschluss vom 02.06.2005 – L 19 B 25/05 AL ER -) sowie des 9. Senats (Beschlüsse vom 06.06.2005 – L 9 B 27/05 AL ER – und vom 09.06.2005 – L 9 B 26/05 AL ER -) ist dem Antrag der Ast stattzugeben.
Die Ag kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es handele sich bei den im Werkvertrag genehmigten Arbeiten im Zusammenhang mit der "Auffahrung von 3770 m Gesteinsstrecke im Bereich Q 6/NN" um Arbeiten, die unter den Regelungsgehalt der hier allein maßgebenden Übergangsbestimmungen des Beitrittsvertrages vom 16.04.2003 (Art. 3, 24, der Beitrittsakte EU Beitrittsvertrag vom 08.09.2003 – BGBl. II S. 1408) der Freizügigkeit fallen. Von der Abweichung von der Freizügigkeit in Deutschland kann gemäß der Liste nach Art. 24 der Beitrittsakte Polen u.a. das Baugewerbe einschließlich verwandter Wirtschaftszweige betroffen sein. Dazu wird Bezug genommen auf den NACE-Code 45.1 bis 4. Zum Sektor Bau (Code 45) gehören u.a. vorbereitende Baustellenarbeiten wie Abbruch-,Spreng- und Erdbewegungen, Test- und Suchbohrungen sowie im Hoch- und Tiefbaubereich, Hochbau-, Brücken- und Tunnelbau und ähnliche Arbeiten.
Bei summarischer Prüfung unter Berücksichtigung des Gebots der einschränkenden Auslegung von Ausnahmevorschriften dürften die hier durchzuführenden bergmännischen Vortriebsarbeiten eher dem Wirtschaftszweig Bergbau als dem Baugewerbe zuzuordnen sein. Die Ast hat insofern überzeugend dargelegt, dass nach der Systematik der NACE-Codes die unteren Ebenen immer einen Unterfall der höheren Ebene bilden und damit die NACE-Code 45.11 (Abbruch-, Spreng- und Entrümpelungsgewerbe, Erdbewegungsarbeiten) ein Unterfall von NACE-Code 45.1 (vorbereitende Baustellenarbeiten) ist. Die Auffahrung von Kohleabfuhrstrecken kann auch im weiteren Sinne nicht als der Vorbereitung einer Baustellen dienend angesehen werden. Es schließen sich vielmehr weitere Steinkohlegewinnungstätigkeiten an. Unter bergbaulicher Tätigkeit wird umgekehrt allgemein nicht nur der Abbau von Bodenschätzen, sondern auch die damit zusammenhängenden vorbereitenden, begleitenden und nachfolgenden Arbeiten gesehen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 Bundesberggesetz). Ergänzend berücksichtigt der Senat, dass in dem Parallelverfahren L 9 B 27/05 AL ER die Bezirksregierung Arnsberg, Abt. 8, Bergbau- und Energie in Nordrhein-Westfalen in ihrer Stellungnahme vom 09.02.2005 die dort in den Werkverträgen erfassten Auffahrungs-Arbeiten eindeutig als dem Bergbau zugehörig bezeichnet hat.
Da der Erfolg in der Hauptsache wahrscheinlich ist, bejaht der Senat insbesondere im Hinblick auf die geltend gemachte wirtschaftliche Planbarkeit der unternehmerischen Tätigkeit der Ast, die mit den zu erteilenden Arbeitsgenehmigungen verbundenen Verzögerungen und die Quotierung auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Er schließt sich auch insoweit der Auffassung des 9. Senats an (vgl. L 9 B 26/05 AL ER, Beschluss vom 09.06.2005).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 21.08.2006
Zuletzt verändert am: 21.08.2006