Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 14.07.2005 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 12. bis 14.03.2004.
Der 1958 geborene Kläger bezog bis zum 16.02.2003 von der Beklagten Alhi in Höhe von 20,29 EUR täglich. Nach versicherungspflichtigen Beschäftigungen vom 17.02. bis 09.04.2003 sowie vom 01.05. bis 15.07.2003 bezog er erneut Alhi bis zum 19.09.2003. Vom 20.09.2003 bis 11.03.2004 war der Kläger als Kraftfahrer bei der Firma D X in Q in Österreich beschäftigt. Am 15.03.2004 meldete er sich arbeitslos und beantragte die Fortzahlung von Alhi.
Mit Bescheid vom 03.09.2004 bewilligte die Beklagte ihm Alhi ab 15.03.2004 nach einem Bemessungsentgelt von 401,88 EUR wöchentlich (Leistungsgruppe C, 1 Kindermerkmal).
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, am 11.03.2004 (Donnerstag) gegen 22.00 Uhr von seinem Arbeitgeber in Wien "auf die Straße gesetzt worden" zu sein. Am 12.03.2004 (Freitag) habe er den Heimweg angetreten und seinen Wohnort erst am Freitagnachmittag erreicht. Da die Agentur für Arbeit nicht mehr geöffnet gewesen sei, habe er sich erst am 15.03.2004 (Montag) persönlich arbeitslos melden können. Somit beginne seine Arbeitslosigkeit bereits am 12.03.2004. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, Alhi habe erst ab der persönlichen Arbeitslosmeldung am 15.03.2004 bewilligt werden dürfen. Ab 12.03.2004 wäre die Bewilligung möglich gewesen, wenn sich der Kläger am 12.03.2004 bei der von seinem Arbeitsort aus nächstgelegenen Agentur für Arbeit in Deutschland arbeitslos gemeldet hätte. Diese hätte die Meldung aufgenommen und ihn aufgefordert, sich am nächsten Werktag bei der Agentur für Arbeit in C zu melden, damit die Meldung ab 12.03.2004 wirksam gewesen wäre.
Am 19.10.2004 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Detmold Klage erhoben. Er hat vorgetragen, die Grenze zwischen Österreich und Deutschland am 12.03.2004 erst gegen 12.30 Uhr bis 13.00 Uhr überquert zu haben. Seine örtlich zuständige Agentur für Arbeit in C habe am Freitag nur bis 12.30 Uhr geöffnet gehabt. Da er erst gegen 16.00 Uhr seinen Wohnort erreicht habe, sei eine persönliche Arbeitslosmeldung an diesem Tag mangels Dienstbereitschaft der Beklagten nicht mehr möglich gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 03.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2004 zu verurteilen, ihm auch für den Zeitraum vom 12.03.2004 bis 14.03.2004 Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an der in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 14.07.2005 hat das SG die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger Alhi für die Zeit vom 12. bis 14.03.2004 zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Die auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten durch Beschluss des Senats vom 17.10.2005 zugelassene Berufung begründet die Beklagte wie folgt: Das SG habe seine Entscheidung zu Unrecht damit begründet, dass auch eine kurzfristig verspätete Arbeitslosmeldung eines ins Ausland entsandten Arbeitnehmers bei der für seinen Wohnort in Deutschland zuständigen Agentur für Arbeit rückwirkend wirksam sein könne, wenn der Beschäftigungslose die am 1. Tag der Beschäftigungslosigkeit nicht mehr dienstbereite Arbeitsagentur objektiv nicht eher habe erreichen können. Zudem stünde das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19.03.1984 – L 10 Ar 799/81 – mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.03.1986 – 7 RAr 48/84 – nicht im Einklang. Denn danach führten die Umstände, die zur Verspätung der Arbeitslosmeldung geführt hätten, nicht zu einer Rückwirkung, wenn der rechtzeitigen Arbeitslosmeldung Hindernisse entgegen gestanden hätten, die der Sphäre des Beschäftigungslosen zuzurechnen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 14.07.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend und ist der Ansicht, es sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen, dass er sich am 12.03.2004 nicht bis 12.30 Uhr bei der Dienststelle der Agentur für Arbeit in C habe melden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, der ebenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die vom Senat mit Beschluss vom 17.10.2005 zugelassene Berufung der Beklagten ist auch begründet. Dem Kläger steht für die Zeit vom 12. bis 14.03.2004 ein Anspruch auf Alhi nicht zu. Der Anspruch des Klägers auf Alhi, den die Beklagte für die Zeit ab 15.03.2004 mit den angefochtenen Bescheiden unstreitig erfüllt hat, ist nicht früher als am 15.03.2004 entstanden, weil der Kläger sich erst an diesem Tag wirksam arbeitslos gemeldet hat und diese Meldung nicht auf den 1. Tag der Beschäftigungslosigkeit zurückwirkt.
Gemäß § 122 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) wirkt eine persönliche Meldung an dem nächsten Tag, an dem die Agentur für Arbeit dienstbereit ist, auf den Tag zurück, an dem die Agentur für Arbeit nicht dienstbereit war, wenn die zuständige Agentur für Arbeit am 1. Tag der Beschäftigungslosigkeit des Arbeitslosen nicht dienstbereit war.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend nicht erfüllt.
Die für den Kläger zuständige Agentur für Arbeit (§ 327 Abs. 1 Satz 1 SGB III) in C war am 1. Tag der Beschäftigungslosigkeit, am Freitag, dem 12.03.2004, von 8.00 bis 12.30 Uhr, ihrer üblichen Öffnungszeit freitags, geöffnet und damit dienstbereit.
Entgegen der Auffassung des SG kommt eine entsprechende Anwendung des § 122 Abs. 3 SGB III ausnahmsweise deshalb, weil nach dem für das SG glaubhaften Vortrag des Klägers zu unterstellen sei, dass er erst in den Mittagsstunden des 12.03.2004 die deutsch-österreichische Grenze überschritten habe und es ihm deshalb objektiv unmöglich gewesen sei, sich bei der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit während der Öffnungszeiten persönlich arbeitslos zu melden, nicht in Betracht.
Wie das SG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.03.1986 – 7 RAr 48/84 -) zunächst noch zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei § 122 Abs. 3 SGB III wie bei seiner Vorgängervorschrift des § 105 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) um eine Vorschrift mit Ausnahmecharakter. Das heißt, § 122 Abs. 3 SGB III regelt die Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Rechtswirkungen der Arbeitslosmeldung erst im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Vornahme eintreten. Mithin besteht kein Raum mehr für die Auslegung, eine verspätete Arbeitslosmeldung könne aus anderen Gründen als den dafür in dieser Vorschrift genannten Gründen zurückdatiert werden (BSG, a.a.O.). Denn die erklärte Absicht des Gesetzgebers war es, lediglich insoweit eine "Lückenfüllung" vorzunehmen, als die Verspätung der Arbeitslosmeldung auf fehlender Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit beruhte (BSG, a.a.O.), wenn sich der Arbeitslose wegen fehlender Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit nicht arbeitslos melden konnte. Vorliegend konnte sich der Kläger jedoch nicht wegen der fehlenden Dienstbereitschaft der Agentur für Arbeit nicht arbeitslos melden, sondern weil er die für ihn zuständige Agentur für Arbeit in C wegen der großen Entfernung nicht mehr während der üblichen Öffnungszeit bis 12.30 Uhr erreichen konnte.
Zwar schließt auch der Senat nicht aus, das der Begriff der fehlenden Dienstbereitschaft der Auslegung zugänglich sein könnte (vgl.: BSG, a.a.O.) bzw. eine entsprechende Anwendung in Betracht kommen könnte (vgl.: Steinmeyer in: Gagel, SGB III, Kommentar, § 122 Randnr. 39). Er lässt diese Frage jedoch ebenfalls ausdrücklich offen, weil sie auch im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden ist. Denn eine Auslegung bzw. eine entsprechende Anwendung kommt nur dann in Betracht, wenn die Umstände, die zur Verspätung der Arbeitslosmeldung geführt haben, nicht ausschließlich in dem allein von dem Arbeitslosen zu vertretenden Bereich liegen (BSG, a.a.O.). Dies ist vorliegend aber gerade der Fall. Dabei mag dahinstehen, aus welchen Gründen der Kläger die deutsch-österreichische Grenze erst in den Mittagsstunden des 12.03.2004 passierte, oder ob er sogar, wie er im Berufungsverfahren hat vortragen lassen, die Grenze erst in den späten Nachmittagsstunden überschritt. Jedenfalls handelt es sich dabei um Umstände, die ausschließlich dem allein vom Kläger zu vertretenden Bereich zuzuordnen sind, ohne dass die Beklagte in irgendeiner Weise darauf Einfluss gehabt hätte.
Im Übrigen ist, ohne dass es darauf ankäme, sehr wahrscheinlich, dass sich der Kläger, insbesondere wenn er die Grenze zwischen Österreich und Deutschland zeitiger passiert hätte, noch bei einer unzuständigen Agentur für Arbeit hätte arbeitslos melden können. Wenn er dies aber getan hätte, entspricht es der Praxis der Bundesagentur für Arbeit, dass der Kläger dort aufgefordert worden wäre, sich am nächsten Werktag bei der für ihn zuständigen Agentur für Arbeit zu melden. Wäre er dem nachgekommen, hätte die zuständige Agentur für Arbeit in C die Meldung bei der unzuständigen Agentur für Arbeit auch anerkannt (vgl.: Brand in: Niesel, SGB III, § 122 Randnr. 5).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, bestand nicht, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG).
Erstellt am: 28.11.2006
Zuletzt verändert am: 28.11.2006