Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 18.09.2008 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin bewilligte dem 1955 geborenen alleinstehenden Antragsteller zuletzt mit Bescheid vom 02.04.2008 für die Zeit vom 01.05.2008 bis zum 31.10.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 756,35 EUR monatlich ( 347,00 EUR Regelleistung, 51,13 EUR Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung und 358,22 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Bescheid vom 20.05.2008 hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 02.04.2008 ab dem 01.06.2008 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit der Begründung, das Leistungsvermögen des Antragstellers umfasse für den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mindestens drei Stunden und daher sei die Erwerbsfähigkeit nach § 8 SGB II zu verneinen, auf. Grundlage dieser Entscheidung war die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. B vom 14.05.2008, der nach Auswertung ärztlicher Unterlagen, u.a. des Berichtes des Evangelischen Krankenhauses N über eine stationäre Behandlung vom 03.03.2008 bis zum 18.03.2008, zu der Einschätzung gelangte, dass die Leistungsfähigkeit des Antragstellers voraussichtlich auf Dauer aufgehoben sei. Der Bescheid enthielt den Hinweis an den Antragsteller, "mögliche Ansprüche nach dem SGB XII durch das Sozialamt N” prüfen zu lassen.
Auf den Antrag des Antragstellers bewilligte die Beigeladene mit Bescheid vom 21.06.2008 ab Juni 2008 Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe von 780,29 EUR. Den Antrag auf Gewährung von Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII lehnte die Beigeladenen mit Bescheid vom 20.06.2008 ab. Die Widersprüche hat die Beigeladene mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2008 zurückgewiesen. Nach Auskunft des Sozialgericht (SG) Münster wird in dem anhängigen Klageverfahren (S 16 SO 53/08) ein Gutachten eingeholt, ob die Voraussetzungen für einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung vorliegen.
Die Antragsgegnerin übersandte dem Antragsteller auf Anforderung die Stellungnahme des Dr. B und wies dessen Widerspruch gegen den Bescheid vom 20.05.2008 mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2008 zurück.
Hiergegen hat der Antragsteller zum einen Klage erhoben (S 3 AS 183/08) und zum anderen am 01.09.2008 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren beantragt, den Bescheid vom 20.05.2008 nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufzuheben und die Rechtswidrigkeit festzustellen, soweit die Antragsgegnerin die Leistungen nach dem SGB II zum 01.06.2008 einstellte, ohne dies vorher mit der Beigeladenen abzuklären.
Das SG hat den Antragsteller darauf hingewiesen, dass vorliegend § 86b Abs. 1 SGG einschlägig sei und die Interessenabwägung nicht zugunsten des Antragstellers ausfallen dürfte. Der Antragsteller wies darauf hin, dass die Antragsgegnerin eindeutig gegen § 44a SGB II verstoßen und seine grundrechtlichen Belange verletzt habe. Nur mit dem einstweiligen Rechtsschutz könne er sein Recht auf Anwendung des § 44a Abs. 1 S. 3 SGB II durchsetzen.
Mit Beschluss vom 18.09.2008 hat das SG den Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG, gerichtet auf Aufhebung und vorläufige Außervollzugsetzung des Bescheides vom 20.05.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2008, als unzulässig verworfen mit der Begründung, das zulässige Rechtsmittel wäre die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid und Widerspruchsbescheid gewesen. Den Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Aufhebungsbescheides hat das SG als unbegründet zurückgewiesen. Der Antragsteller beziehe Leistungen nach dem SGB XII, so dass sein Lebensunterhalt gesichert sei. Er habe im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gerade nicht die Auszahlung des Mehrbedarfes in Höhe vom 51,13 EUR geltend gemacht und in Kenntnis des rechtlichen Hinweises des Gerichts an seinem Antrag festgehalten. Zudem könne der Antragsteller gegen den Bescheid vom 21.06.2008, soweit er die Versagung der Leistung nach § 30 Abs. 5 SGB XII betreffe, Rechtsmittel einlegen. Des Weiteren rechtfertige auch der Hinweis auf § 44a SGB II nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung, da zwischen Antragsgegnerin und Beigeladener eben gerade kein Streit hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers bestehe. Denn beide seien übereinstimmend der Ansicht, dass der Antragsteller erwerbsunfähig sei, was inhaltlich auch durch die Stellungnahme des Dr. B bestätigt würde.
Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt und beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage S 3 AS 183/08 gegen den Bescheid vom 20.05.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2008 nach § 86b Abs. 1 SGG anzuordnen, hilfsweise die Bescheide aufzuheben und zudem die Rechtswidrigkeit festzustellen, soweit die Antragsgegnerin zum 01.06.2008 die Zahlung eingestellt habe, ohne dies mit der Beigeladenen und dem Rentenversicherungsträger abzuklären. Zur Begründung verweist der Antragsteller auf sein bisheriges Vorbringen und ergänzend darauf, dass das SG verpflichtet gewesen wäre, seinen Antrag auszulegen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass der Bescheid vom 02.04.2008 zwingend nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X aufzuheben gewesen sei. Denn es sei die Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers und damit eine wesentliche Änderung der Verhältnisse festgestellt worden. Zudem greife § 44a Abs. 1. S. 3 SGB II nur dann ein, wenn ein anderer Leistungsträger widerspreche. Diese Konstellation liege offensichtlich nicht vor.
Der Senat hat die Stadt N als Sozialhilfeträger zum Verfahren nach § 75 Abs. 2 SGG beigeladen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Sofern zwischen den Beteiligten streitig ist, ob ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, kann das Gericht auf Antrag durch Beschluss aussprechen, dass die Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung haben (deklaratorischer Beschluss; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 86 b Rn. 15 m.N. zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG]).
Gemäß § 86a Abs. 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung; nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Gemäß § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung auszulegen. Der angefochtene Bescheid vom 20.05.2008, mit dem die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung der Leistungen ab 01.06.2008 und damit für die Zukunft aufgehoben wurde, ist als belastender Verwaltungsakt mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifbar. Der Widerspruch und die Klage des Antragstellers hiergegen haben gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Diese Regelung erfasst auch Aufhebungsentscheidungen nach §§ 45 ff. SGB X.
Die Erfolgsaussicht des Antrages beurteilt sich nach dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Erfolgssaussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache von Bedeutung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 86b Rn. 12c ff.). Dabei kann nicht außer Acht gelassen werden, dass das Gesetz mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in § 39 SGB II dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides grundsätzlich Vorrang vor dem Interesse des Betroffenen an einem Aufschub der Vollziehung einräumt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.07.2006 – L 20 B 144/06 AS ER).
2. Nach summarischer Prüfung ist der Bescheid vom 20.05.2008 nicht rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Bewilligung der Grundsicherungsleistungen lagen ab 01.06.2008 nicht mehr vor. Nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin erfüllt der Antragsteller nicht mehr die Anspruchsvoraussetzungen der §§ 19, 7, 8 SGB II. Denn nach der Stellungnahme des Dr. B ist der Antragsteller im Sinne des § 8 Abs 1 SGB II erwerbsunfähig, da er wegen Krankheit auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein.
3. Eine andere Beurteilung der Erfolgsaussicht des Antrages ergibt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers auch nicht unter Berücksichtigung der Regelung des § 44a SGB II.
Zwar hat sich der Antragsteller zu Recht darauf berufen, dass die Antragsgegnerin unter Missachtung des § 44a Abs. 1 S. 3 SGB II nach interner Feststellung der Erwerbsunfähigkeit die Bewilligung der Grundsicherungsleistungen ab Juni 2008 nach § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X aufgehoben hat. § 44a Abs. 1 S. 3 SGB II kommt nicht nur zur Anwendung, wenn nach Feststellung der Erwerbsunfähigkeit durch die Agentur für Arbeit anschließend der Sozialhilfeträger widerspricht (§ 44a Abs. 1 S. 1 und 2 SGB II) und dann bis zur Entscheidung der Einigungsstelle die Agentur für Arbeit und der kommunale Träger Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erbringen müssen. Denn § 44a SGB II enthält nicht die Anordnung einer vorläufigen Leistung, sondern eine Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Dies folgt aus dem Wortlaut und letztlich dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Danach soll zum einen ein Streit zwischen den Leistungsträgern der Grundsicherung und der Sozialhilfe gerade nicht "auf dem Rücken des Hilfebedürftigen" ausgetragen werden. Daraus folgt, dass nach § 44a Abs. 1 S. 3 SGB II die Erwerbsfähigkeit fingiert wird und die Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers besteht, bis die Einigungsstelle entschieden hat. Denn es soll zugunsten des Hilfebedürftigen sichergestellt werden, dass er nicht "zwischen den Stühlen" sitzt (BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R Rn. 19 f. zitiert nach juris; Blüggel in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 44a Rn. 2, 29, 30). Zum anderen ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 44a Abs. 1 S. 3 SGB II, der eine weite Auslegung gebietet, dass diese Regelung auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Grundsicherungsträger von einer fehlenden Erwerbsfähigkeit ausgeht, sich aber nicht um eine Klärung der Angelegenheit mit dem zuständigen Leistungsträger des SGB XII bemüht hat (BSG, a.a.O., Rn. 20 zitiert nach juris; Blüggel, a.a.O., Rn. 23). Wie bei § 125 SGB III erwächst dies aus der Pflicht zur engen Zusammenarbeit beider Leistungsträger (§ 86 SGB X) und ist gerichtet darauf, die Rechtsposition des Leistungsempfängers angemessen zu schützen. Der Hilfebedürftige ist auf diese Weise bereits im Vorfeld so zu stellen, als wäre er erwerbsfähig. Nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung darf der Grundsicherungsträger die Erwerbsunfähigkeit nicht annehmen, ohne den zuständigen Sozialhilfeträger eingeschaltet zu haben. In Anwendung dieser Grundsätze hat es die Antragsgegnerin versäumt, die Beigeladene darüber in Kenntnis zu setzen, dass sie von der Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers ausgeht und deshalb anfragt, wie die Beigeladene die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers beurteilt. Bis zu dieser Abklärung war es der Antragsgegnerin untersagt, nach § 48 SGB X den Bewilligungsbescheid vom 02.04.2008 aufzuheben, obwohl eigentlich eine wesentliche Änderung der Verhältnisse (§ 7 Abs. 1 S. Nr. 2, § 8 SGB II) vorliegt. Insoweit wird die Fiktion des § 44a SGB II von einer verfahrensrechtlichen Sperrwirkung flankiert (Blüggel, a.a.O., Rn. 31), solange die Einigungsstelle nicht entschieden hat bzw. der Grundsicherungsträger den Sozialhilfeträger nicht beteiligt hat.
Jedoch hat die formale Rechtswidrigkeit nicht dazu geführt, dass der Antragsteller "zwischen den Stühlen sitzt". Denn dem Antragsteller sind existenzsichernde Leistungen, d.h. der Regelbedarf und die Leistungen für Unterkunft und Heizung ab Juni 2008 gewährt worden.
4. Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG, die Beigeladene einstweilen zu verpflichten, einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nach § 30 SGB XII vorläufig zu gewähren. Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 114 ZPO). Ein Anordnungsgrund, d.h. die Unzumutbarkeit, bei Abwägung aler betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten, ist nicht glaubhaft gemacht. Zum einen erhält der Antragsteller den Regelbedarf und Leistungen für Unterkunft und Heizung von der Beigeladenen. Zum anderen hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass und in welchem Umfang ein unabweisbarer Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung besteht. Eine besondere Dringlichkeit, die ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache ermöglicht, liegt daher derzeit nicht vor.
5. Der Hilfsantrag des Antragstellers, die Bescheide vom 20.05.2008 und 09.09.2008 aufzuheben, ist unbegründet. Die Entscheidung bleibt der Hauptsache (S 3 AS 183/08) vorbehalten. Der einstweilige Rechtsschutz darf die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorweg nehmen.
Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Feststellung, dass "die Zahlungseinstellung zum 01.06.2008 ohne vorherige Abstimmung mit der Beigeladenen" erfolgte. Es bleibt der Entscheidung in der Hauptsache vorbehalten, zu prüfen, ob die Feststellungsklage unzulässig ist, weil bereits im Rahmen einer anhängigen Anfechtungsklage über die Sach- und Rechtsfrage zu entscheiden ist oder ob ein weitergehendes Feststellungsinteresse besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 20.02.2009
Zuletzt verändert am: 20.02.2009