Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.01.2012 abgeändert. Der Beklagte wird verpflichtet, die mit Bewilligungsbescheid vom 30.06.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.09.2010 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2011 für den Zeitraum vom 25.09. bis 31.12.2010 gewährten Leistungen als Zuschuss zu gewähren. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Zeit vom 25.09.2010 bis 31.12.2010 zu Recht als Darlehen und nicht als Zuschuss erbracht hat.
Der Kläger ist am 00.00.1956 geboren. Er verfügt über zwei Todes- und Erlebensfallversicherungen bei der D Versicherungsgruppe; beide Verträge sind nicht vor dem 01.01.2022 auflösbar. Es handelt sich dabei um ehemalige betriebliche Altersversorgungen, beide beitragsfrei und zum 01.01.2022 aufgelöst. Der streitrelevante Zeitwert beläuft sich auf EUR 65.688,10. Der Kläger ist außerdem Miteigentümer zweier Wald- bzw. Grünland-Grundstücke.
Mit Bescheid vom 30.06.2010 wurden dem Kläger und seiner zum damaligen Zeitpunkt mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau Leistungen nach SGB II für die Zeit vom 01.07.2010 bis 31.12.2010 darlehensweise bewilligt. Die darlehensweise Bewilligung erfolgte mit der Begründung, der Kläger habe nachgewiesen, dass der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von grundsätzlich zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich sei oder eine besondere Härte bedeuten würde; die Leistungen könnten daher nur als Darlehen gewährt werden.
Nach Vorlage der Verdienstbescheinigungen der Ehefrau des Klägers erließ der Beklagte den Änderungsbescheid vom 28.09.2010 mit dem er Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des nachgewiesenen Einkommens neu festsetzte. Zudem wurde berücksichtigt, dass die Ehefrau des Klägers am 24.09.2010 ausgezogen war. Für die Zeit vom 25.09.2010 bis 30.09.2010 wurden dem Kläger Leistungen in Höhe von insgesamt EUR 184,83, ab Oktober 2010 in Höhe von monatlich EUR 925,09 bewilligt. Die Bewilligung erfolgte weiterhin darlehensweise.
Der gegen die Bescheide eingereichte Widerspruch, mit dem der Kläger die zuschussweise Bewilligung der Leistungen begehrte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2011 mit der Begründung zurückgewiesen, die Entscheidung des Beklagten sei zutreffend und würde daher zu Unrecht beanstandet.
Der Kläger hat am 24.01.2011 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben. Der Kläger trug vor, der Wert seiner Ansprüche auf die Versicherungsleistung gegen die D Versicherungsgruppe müsse außer Betracht bleiben, weil die Freibeträge nicht überschritten würden. Es seien nämlich sowohl die Freibeträge des hilfebedürftigen Klägers als auch seiner Ehefrau, erst recht, da die Eheleute inzwischen in Scheidung leben, zu berücksichtigen. Das Gesetz verlange nicht, dass der Partner zur Bedarfsgemeinschaft gehöre. Die Grundstücke gehörten der Erbengemeinschaft, die aus sechs Personen bestehe. Es handele sich um Grünland, nicht Bauland, die Verwertung wäre zumindest derzeit unwirtschaftlich. Eine freihändige Verwertung setze die Mitwirkung aller Miterben voraus, die der Kläger nicht erzwingen könne. Wegen des zu erwartenden desolaten wirtschaftlichen Ergebnisses sei dem Kläger nicht zuzumuten, die Aufhebung der Gemeinschaft durch Zwangsversteigerung des Grundstücks zu betreiben.
Der Beklagte hielt seine Entscheidung für zutreffend. Ab 25.09.2010 – Auszug der Ehefrau – sei der Freibetrag auf den klagenden Ehemann zu reduzieren, weshalb die darlehensweise Gewährung schon allein aufgrund der vorhandenen Versicherung gerechtfertigt sei.
Das Sozialgericht hat die Sach- und Rechtslage am 16.08.2011 mit den Beteiligten erörtert. Im Nachgang zum Erörterungstermin hat der Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2011 unter Berücksichtigung der Freibeträge für den Kläger und seine (Noch-) Ehefrau die Leistungen nach dem SGB II vom 01.07.2010 bis zum Auszug der Ehefrau, mithin den 24.09.2010, als Zuschuss bewilligt. Daraufhin hat der Kläger die Klage insoweit für erledigt erklärt und klargestellt, dass streitig lediglich noch der Zeitraum vom 25.09. bis 31.12.2010 sei.
Mit Urteil vom 26.01.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger sei durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert, weil die Bescheide rechtmäßig seien. Der Kläger habe keinen Anspruch auf zuschussweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 25.09. bis 31.12.2010. Dem Kläger stehe ein Gesamtfreibetrag in Höhe von 49.350,00 Euro zu. Nach Abzug des Vermögens verbleibe ein Betrag in Höhe von 16.338,10 Euro. Die Freibeträge der Noch-Ehefrau des Klägers seien dagegen nicht mehr zu berücksichtigen. Da er von seiner Frau dauerhaft getrennt lebe, gehöre diese nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II und deren Vermögensfreibetrag sei nicht zu berücksichtigen. Abschließend sei darauf hinzuweisen, dass die Kammer bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlung keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass der Anspruch des Klägers auf die Versicherungsleistung im Hinblick auf eine mögliche Scheidung (Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich) tangiert sein könnte. Die Kammer habe folglich auch nicht darüber zu befinden, inwieweit ein solcher Umstand vorliegend überhaupt streitrelevant wäre.
Gegen das am 28.02.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.03.2012 Berufung eingelegt. Die Auffassung des Sozialgerichts, dass nach erfolgter Trennung die Freibeträge der Ehefrau nicht mehr zu berücksichtigen seien, mag für "normales" Vermögen zutreffend und sachgerecht sein. Soweit es sich aber, wie vorliegend, um Anwartschaften aus Versicherungsverträgen handele, die erklärtermaßen der Altersvorsorge dienten, greife dies zu kurz. Es sei nicht sichergestellt, dass die betreffenden Anwartschaften dauerhaft im Vermögen des Klägers verblieben. Nicht auszuschließen sei, dass sie im Beschluss über die Scheidung der Parteien dem Versorgungsausgleich oder dem Zugewinnausgleich unterfallen. Insofern stehe nicht fest, dass die derzeit erwarteten Auszahlungsbeträge bei Fälligkeit der Versicherungsleistung tatsächlich in diesem Umfang dem Berufungskläger zu Gute kommen würden. Der Kläger macht geltend, dass er die Ansprüche gegen das Versicherungsunternehmen ganz oder teilweise verliere und diese auch dann nicht mehr seinem Vermögen zuzuordnen seien. Er sei dann möglicherweise nicht in der Lage, die seitens der Beklagten gewährten Darlehen zu bedienen und gerate in die Notwendigkeit, im Alter Leistungen nach dem SGB XII in Anspruch nehmen zu müssen. Gerade dies sollte durch die deutliche Heraufsetzung der Freibeträge für die Altersvorsorge, insbesondere Ansprüche auf Versicherungsleistungen, verhindert werden. Es sei sachgerecht, die Ansprüche auf Versicherungsleistungen demjenigen zuzuordnen, dem sie letztlich auch zu Gute kommen. Dies könne im Wege der weiteren Berücksichtigung des getrennt lebenden Ehepartners geschehen oder aber durch Korrektur der ursprünglichen Entscheidung, Leistungen nur darlehensweise zu gewähren, wenn nach durchgeführtem Versorgungsausgleich oder Zugewinnausgleich das dem Kläger anzurechnende Vermögen feststehe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die mit Bewilligungsbescheid vom 30.06.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.09.2010 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2011 für den Zeitraum vom 25.09. bis 31.12.2010 gewährten Leistungen nicht darlehensweise, sondern als Zuschuss zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Mit Schriftsatz vom 14.06.2013 hat der Kläger den Beschluss des Amtsgerichts T, Familiengericht, vom 04.06.2013 übersandt. Im Tenor des Beschlusses ist unter anderem aufgeführt, dass im Wege der internen Teilung zu Lasten des Klägers bei der D-Lebensversicherungs- AG (Versicherungsnummer 000) zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 3.920,20 Euro und hinsichtlich der D-Lebensversicherungs-AG (Versicherungsnummer 001) zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe von 31.840,73 Euro übertragen werde.
Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis erklärt, dass der Senat ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis gegeben hatten (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Bescheid vom 30.06.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 28.09.2010 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2011 ist rechtswidrig, soweit der Beklagte dem Kläger im Zeitraum 25.09. bis 31.12.2010 Leistungen darlehensweise und nicht als Zuschuss gewährt hat.
Nach § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II a.F. sind, soweit dem Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch und die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder eine besondere Härte bedeuten würde, die Leistungen nach dem SGB II als Darlehen zu erbringen. Im vorliegenden Verfahren verfügte der Kläger bei Antragstellung über Altersvorsorgeversicherungen bei der D-Versicherung in Höhe von ca. 65.688,00 Euro. Die Verträge, bei denen es sich um eine betriebliche Altersversorgung handelt, können seitens des Klägers nicht vor dem 01.01.2022 aufgelöst werden. Die im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 30.06.2010 bewilligten Leistungen waren bereits deshalb als Zuschuss zu erbringen, da im Rahmen der Vermögensprüfung nach § 12 Abs. 4 Satz 2 SGB II für die Bewertung der Zeitpunkt maßgebend ist, in dem der Antrag auf Bewilligung oder erneute Bewilligung der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende gestellt wird. Bei Antragstellung für den streitigen Zeitraum lebte der Kläger aber noch in Bedarfsgemeinschaft mit seiner Frau, da es sich zu diesem Zeitpunkt nicht um einen dauernd getrennt lebenden Ehegatten handelte. Vor diesem Hintergrund waren auch die Freibeträge der Ehefrau zu berücksichtigen, so dass die Freibetragsgrenzen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II nicht überschritten wurden. Insoweit hat der Beklagte im laufenden Verfahren auch bis zum Auszug der Ehefrau am 24.09.2013 Leistungen als Zuschuss anerkannt.
Vorliegend hat der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 28.09.2010 auf den Auszug der Ehefrau des Klägers reagiert und weiterhin darlehensweise Leistungen nur an den Kläger gewährt. Maßgeblich für die Bewertung des Vermögens bleibt insoweit jedoch auch der Antragszeitpunkt nach § 12 Abs. 4 Satz 2 SGB II. Nach § 12 Abs. 4 Satz 3 SGB II sind wesentliche Änderungen des Verkehrswertes zwar zu berücksichtigen, so dass der Beklagte zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, d.h. zum Zeitpunkt des Auszugs der Ehefrau des Klägers, damit das Vermögen des Klägers hätte neu bewerten müssen, eine solche Bewertung hat er aber nicht vorgenommen. Vielmehr hat er lediglich berücksichtigt, dass der Kläger nunmehr allein lebt. Bei dieser Bewertung hätte der Beklagte aber berücksichtigen müssen, dass die Ansprüche des Klägers auf betriebliche Altersvorsorge im Rahmen eines möglichen Scheidungsverfahrens mit Anwartschaften der Ehefrau belastet waren. Zwar war die Höhe dieser Anwartschaften zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides nicht bekannt, so dass der Beklagte eine vorläufige Bewilligung über den streitigen Zeitraum hätte erlassen müssen. Der Beklagte konnte insoweit zum Zeitpunkt des Auszugs der Ehefrau nicht davon ausgehen, dass sich das Vermögen des Klägers tatsächlich auf 65.688,00 Euro bei der D-Versicherung belief.
Selbst wenn man den Änderungsbescheid vom 28.09.2010 als rechtmäßig ansehen würde, da zum Zeitpunkt des Erlasses weder der Scheidungszeitpunkt noch die Höhe der Ansprüche der Ehefrau bekannt waren, hat der Kläger nunmehr nach durchgeführter Scheidung gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X einen Anspruch auf Änderung des Bescheides. Hiernach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Durch den Beschluss des Amtsgerichts T vom 04.06.2013 haben sich die tatsächlichen Verhältnisse derart geändert, dass sich eine interne Teilung hinsichtlich der Ansprüche der D-Lebensversicherung zu Lasten des Klägers ergeben hat, die insgesamt einen Betrag von ca. 36.000,00 Euro ausmacht. Der Kläger hat damit keinen vollen Anspruch mehr auf die Versicherungsleistungen im Jahr 2022. Der dem Kläger nunmehr zustehende Anteil an der Versicherungsleistung liegt deutlich unterhalb des ihm zustehenden Freibetrages nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, so dass nunmehr eine zuschussweise Bewilligung in Betracht kommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 09.01.2014
Zuletzt verändert am: 09.01.2014