Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 22.12.2008 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwalt N aus N für die Zeit ab Antragstellung gewährt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Denn das Sozialgericht (SG) Münster hat mit dem angegriffenen Beschluss vom 22.12.2008 seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten) zu Unrecht abgelehnt.
1. Prozesskostenhilfe wird nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die Rechtsverfolgung des Klägers, der die Kosten seiner Rechtsverfolgung nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife seines Prozesskostenhilfegesuchs fehlte seiner Rechtsverfolgung nicht von vornherein jegliche Erfolgsaussicht. Außerdem war die Rechtslage nicht einfach zu beurteilen.
a) Der Kläger begehrte die Gewährung eines Kinderzuschlages gemäß § 6a Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Seiner Rechtsverfolgung fehlte nicht von vornherein jegliche Erfolgsaussicht. Zum einen hielt auch das SG selbst eine weitere Sachverhaltsaufklärung für erforderlich, weil es von der Beklagten weitere Informationen zum aufenthaltsrechtlichen Status des Klägers anforderte. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass sich sowohl der aufenthaltsrechtliche Status des Klägers als auch dessen monatliches Einkommen veränderte und dies für den erhobenen Anspruch nicht von vornherein irrelevant war.
b) Zu klären war ferner die nicht einfache Rechtsfrage, ob der Kläger von dem Sozialleistungssystem des Grundsicherungsrechts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ausgeschlossen war.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II sind Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) von dem Grundsicherungsrecht des SGB II ausgeschlossen. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG sind Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die wegen des Krieges in ihrem Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG besitzen, leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Der Kläger war – offenbar ab dem 13.09.2007 – im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Dies spricht dafür, dass er grundsätzlich leistungsberechtigt (nur) nach dem AsylbLG und damit nicht nach dem SGB II und ebenfalls nicht nach dem § 6a BKGG war, weil diese Norm an das SGB II anknüpfen dürfte (so Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.12.2007, L 19 B 25/07 AL, Juris).
Allerdings ist dem Kläger, der sich offenbar seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufhält, mit Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG zugleich die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit erlaubt worden, wovon er auch tatsächlich Gebrauch gemacht hat. Bei jeder Aufenthaltserlaubnis ist im Einzelnen zu bestimmen, ob sie das Recht zur Aufnahme einer Beschäftigung begründet oder nicht; denn § 7 AufenthG als Grundnorm für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis sieht ein solches Recht nicht allgemein vor (Blüggel in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 8 Rn. 56); nur im Falle einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 2 AufenthG berechtigt die Aufenthaltserlaubnis (bereits) kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit (§ 23 Abs. 2 Satz 5 AufenthG). Wegen des Rechts des Klägers zur Aufnahme einer Beschäftigung dürfte dieser aus rechtlicher Sicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 2 SGB II geworden sein.
Seiner Einbeziehung in das SGB II könnte jedoch (gleichwohl) der erwähnte § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II entgegenstehen, der auf § 1 AsylbLG Bezug nimmt. Fraglich und jedenfalls höchstrichterlich noch ungeklärt ist jedoch, ob ein Ausländer, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG ist und dem das Recht zur Aufnahme einer Beschäftigung gestattet worden ist, von dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG erfasst wird. Diese Norm dürfte nach ihrem Wortlaut zwar anwendbar sein, weil sie an den Besitz der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG anknüpft. Allerdings könnte dem der Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG entgegenstehen, so dass aus teleologischen Gründen eine einschränkende Anwendung des § 1 Abs. 1 AsylbLG geboten sein könnte. Denn das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 14.11.2008 (B 14 AS 24/07 R, BSGE 102, 60 = SozR 4-4200 § 7 Nr. 10; vgl. auch BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 4 AS 40/07 R, Juris (Rn. 30)) unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte entschieden:
"Mit Wirkung zum 18. März 2005 (Art. 6 Nr. 6a des Gesetzes zur Änderung des AufenthG und weiterer Gesetze vom 14. März 2005 (BGBl. I 721)) hat der Gesetzgeber das AsylbLG aus integrationspolitischen Gründen geändert (vgl. BT-Drucks. 15/3784 S. 21). Ersetzt wurde in § 1 Abs. 1 AsylbLG einerseits die Angabe "eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1, § 24" durch die Angabe "eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24 wegen des Krieges in ihrem Heimatland" und andererseits die Angabe "§ 25 Abs. 4 oder 5" durch die Angabe "§ 25 Abs. 4 Satz 1 oder Abs. 5 AufenthG". Damit sollte erreicht werden, dass der im SGB II grundsätzlich geregelte Ausschluss von Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG nur auf solche Ausländer Anwendung findet, über deren Aufenthalt noch nicht abschließend entschieden worden ist und nicht auf solche Ausländer, die bereits über eine längerfristige Aufenthaltsperspektive verfügen, denn eine solche ist in den Fällen des § 23 Abs. 1 und § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gegeben (vgl. BT-Drucks. 15/3784 S. 21). ( )
Die Klägerinnen gehören aber dennoch weiterhin zu dem Personenkreis der abgelehnten Asylbewerber, der nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf Dauer in der Bundesrepublik Deutschland verbleiben und der für einen weiteren Verbleib keine wirtschaftlichen Anreize erhalten soll."
Der Kläger hält sich seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland auf. Mit Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 Abs. 1 AufenthG ist ihm das Recht zur Ausnahme einer Beschäftigung zugesprochen und sein aufenthaltsrechtlicher Status verfestigt worden. Für seinen Verbleib hat er einen wirtschaftlichen Anreiz erhalten, weil er mit diesem Recht zur Beschäftigungsaufnahme eine Beschäftigung tatsächlich ausüben kann und dies auch getan hat. Dies könnte – jedenfalls ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, die offenbar am 13.09.2007 erfolgte – aufgrund des Sinns und Zwecks des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG gegen eine Einbeziehung des Klägers in diese Regelung sprechen mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt eine Leistungsberechtigung des Klägers nach dem SGB II und damit auch dem BKGG nicht von vornherein ausschied. Auch die Beklagte selbst hat dem Kläger – allerdings offenbar erst ab dem Jahr 2009 – Leistungen gemäß § 1a BKGG zugesprochen.
Die Beurteilung der Rechtslage war damit aufgrund des Zusammenspiels von Normen des AufenthG, des AsylbLG, des SGB II und des BKGG und der insoweit erforderlichen Grenzziehung und -bestimmung nicht einfach, so dass dem Kläger auch zur Herstellung prozessualer "Waffengleichheit" Prozesskostenhilfe zu gewähren war.
c) Es war auch nicht von vornherein ausgeschlossen, dass die Mindesteinkommensgrenze des § 6a Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 BKKG (in der damaligen Fassung) möglicherweise überschritten worden war. Denn bei der dortigen Berücksichtigung der Wohnkosten der Eltern ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob diese Wohnanteile entsprechend des SGB-II-Bedarfs ("Kopfteilprinzip") oder aber gemäß § 6a Abs. 4 Satz 2 BKKG (und wie von der Beklagten umgesetzt) entsprechend des Existenzminimumberichts der Bundesregierung zu berechnen sind (hierzu Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, Anhang § 6a BKKG Rn. 10a m.w.N.). Im zuerst genannten Fall wäre der Anteil der Eltern am gesamten Wohnbedarf hier geringer und die Mindesteinkommensgrenze damit möglicherweise überschritten.
2. Kosten werden im Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 10.06.2010
Zuletzt verändert am: 10.06.2010