Rev. wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass der Bescheid der Bekl. aufgehoben wird. Insoweit wird die Berufung d.Bekl. gegen das Urteil des SG DO zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.06.2010 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der beitragspflichtigen Versorgungsbezüge.
Der am 00.00.1944 geborene Kläger ist seit 01.01.2004 Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner. Er bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 1.362,42 EUR (Stand 2009) monatlich und seit dem 01.10.2008 zusätzlich eine Betriebsrente der Versorgungskasse F i.H.v. 3.172,89 EUR.
Mit Schreiben vom 01.12.2008 informierte die Landwirtschaftliche Alterskasse (LAK) Nordrhein-Westfalen die Beklagte über die Bewilligung einer Regelaltersrente nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (kurz: GAL-Rente) ab 01.01.2009 i.H.v. weiteren 341,87 EUR. Die Beklagte berechnete daraufhin die jeweiligen beitragspflichtigen Anteile der Betriebs- und GAL-Rente und informierte die Versorgungskasse F, die LAK Nordrhein-Westfalen und den Kläger mit Schreiben vom 09.02.2009 über den folgenden Berechnungsmodus unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) i.H.v. 3.675,00 EUR:
BBG = 3.675,00 EUR
Rente = – 1.362,42 EUR
= 2.312.58 EUR
2.312,58 EUR x 3.172,89 EUR: 3.514,76 EUR
= 2.087,64 EUR
2.312,58 EUR x 341,87 EUR: 3.514,76 EUR
= 224,94 EUR
2.087,64 EUR + 224,94 EUR
= 2.312,58 EUR
Auf Antrag des Klägers mit Schreiben vom 07.03.2009 setzte die Beklagte mit Bescheid vom 13.03.2009 den beitragspflichtigen Anteil der Versorgungsbezüge des Klägers auf insgesamt 2.312,58 EUR unter Verweis auf die o.a. Berechnung fest und führte zur Begründung ergänzend aus, nach dem Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 09.09. und 10.09.2003 und dem Gemeinsamen Rundschreiben der Krankenkassen vom 30.12.2008, welche sie dem Bescheid auszugsweise beifügte, sei bei Bezug eines Versorgungsbezuges aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung neben einem anderen Versorgungsbezug eine Verhältnisrechnung durchzuführen.
Mit seinem Widerspruch wandte der Kläger ein, die verhältnismäßige Heranziehung unterschiedlicher Versorgungsbezüge zum Krankenversicherungsbeitrag sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Der Versorgungsbezug der Versorgungskasse F, für den der volle Beitragssatz gelte, sei dem Versorgungsbezug aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung mit einem nur hälftigen Beitragssatz nachrangig. Die Privilegierung der Bezieher von Renten aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung sei vom Gesetzgeber bei Erlass der Beitragsregelung in § 248 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausdrücklich gewollt gewesen. Sie sollten beitragsmäßig so behandelt werden wie die Rentner der gesetzlichen Rentenversicherung. Dies dürfe durch die Verhältnisrechnung der Beklagten nicht unterlaufen werden. Dem gesetzgeberischen Willen könne nur dadurch Rechnung getragen werden, dass die Einkünfte aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung in voller Höhe (mit dem halben allgemeinen Beitragssatz) und die weiteren Versorgungsbezüge bis zur BBG zur Beitragsberechnung (mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz) herangezogen würden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2009 als unbegründet zurück und berief sich erneut zur Begründung auf das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 09.09. und 10.09.2003 und das gemeinsames Rundschreiben der Krankenkassen vom 30.12.2008.
Die sich auf der Grundlage des Bescheides der Beklagten zu berechnenden Beiträge wurden durch die Zahlstellen der Betriebsrente und der GAL-Rente einbehalten und an die Beklagte abgeführt.
Im Klageverfahren hat sich der Kläger weiterhin gegen die Berechnung seiner Beiträge unter Wiederholung seiner Ausführungen im Vorverfahren gewandt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.03.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2009 zu verpflichten, bei der Beitragsbemessung der Beiträge zur Krankenversicherung aus Versorgungsbezügen zunächst den Bezug aus der Landwirtschaftlichen Alterskasse in Höhe von 341,87 EUR monatlich mit dem halben Beitragssatz und danach den Bezug aus der Versorgungskasse F bis zur Beitragsbemessungsgrenze mit dem vollen Beitragssatz zugrunde zu legen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klageschrift enthalte keine neuen Aspekte, weshalb sie zur Begründung auf ihre bisherige Argumentation im Widerspruchsverfahren verweise.
Das Sozialgericht (SG) Detmold hat der Klage mit Urteil vom 10.06.2010 stattgegeben. Durch die verhältnismäßige Verbeitragung der Versorgungsbezüge gebe es keine Rechtsgrundlage. Die Beklagte unterlaufe in unzulässiger Weise den gesetzgeberischen Willen, die Bezieher landwirtschaftlicher Renten zu privilegieren.
Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Berufung vorgetragen: Die Beitragsbemessung aus den Versorgungsbezügen des Klägers sei in Anbetracht des Übersteigens der BBG im Rahmen einer Verhältnisrechnung in entsprechender Abwendung des § 22 (Abs. 2) Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) nach Maßgabe des § 256 Abs. 1 Satz 4 SGB V vorzunehmen. Die Anwendbarkeit des § 22 SGB IV sei bereits deshalb sachgerecht, da alle beitragspflichtigen Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner und Versorgungsempfänger mit beitragspflichtigen Einnahmen von Arbeitnehmern verglichen werden müssten. Dies folge daraus, dass die grundsätzliche Beitragspflicht der Versorgungsempfänger mit dem Bezug auf das Erwerbsleben begründet werde und die Versorgungsbezüge in § 229 SGB V als mit der Rente vergleichbare Einnahmen zu sehen seien. Die vom SG festgestellte Rangfolge entspreche nicht dem gesetzgeberischen Willen. § 229 SGB V definiere Versorgungsbezüge als beitragspflichtige Einnahme und enthalte auch eine Aufzählung. So würden unter anderem Versorgungsbezüge nach dem GAL vor den Versorgungsbezügen aus betrieblicher Altersvorsorge genannt. Eine Vorrangstellung bestimmter Versorgungsbezüge sei – auch in Bezug zur Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 228 SGB V – nicht erkennbar und auch nicht aus §§ 237 ff. SGB V ableitbar. Sowohl die sukzessive Erweiterung von § 229 SGB V als auch die Kommentare würden insoweit von einer zufälligen Reihenfolge ohne Vorrangstellungen sprechen, zumal es den verschiedenen Arten der Alterseinkünfte gemeinsam sei, dass sie auf einem früheren beruflichen Einkommen fußten und insoweit einen Maßstab für die Leistungsfähigkeit des Versicherten bildeten. Die Privilegierung durch den halben Beitragssatz auf Einkünfte aus der Altersversicherung der Landwirte komme auch im Rahmen der streitigen Verhältnisrechnung zum Tragen, wenn auch nicht in vollem Maße. Dieses sei einer Verhältnisrechnung immanent. Eine demgegenüber nachrangige Berücksichtigung aller weiteren beitragspflichtiger Einnahmen versicherungspflichtiger Rentner sei nicht rechtmäßig.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10.06.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest. Die Ausführungen der Beklagten zu § 22 SGB IV überzeugten bereits deshalb nicht, weil – anders als beitragspflichtige Einnahmen von Arbeitnehmern – Einkünfte aus der Altersversicherung der Landwirte nur mit dem halben Beitragssatz bemessen würden. Eine Vergleichbarkeit bestehe daher bereits vom Gesetz her nicht. Wie die Beklagte auch einräume, unterlaufe die von ihr praktizierte Verhältnisrechnung die gesetzlich normierte Privilegierung wenigstens teilweise. Um dem gesetzgeberischen Willen zur Privilegierung nachzukommen, sei daher das Einkommen aus der Altersversicherung für Landwirte bis zur BBG voll heranzuziehen, bevor andere Einkünfte, welche mit dem ganzen Beitragssatz belegt seien, herangezogen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet.
Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben; der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 13.03.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2009 ist rechtmäßig; der Kläger ist nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert.
1. Der Senat geht davon aus, dass das Rechtsschutzziel des Klägers auf die gerichtliche Feststellung gerichtet ist, dass die GAL-Rente in vollem Umfang (341,87 EUR) und die betriebliche Rente i.H.v. (3.675,00 EUR (BBG) abzüglich 1.362,42 EUR (Rente) und abzüglich 341,87 EUR (GAL-Rente)), mithin 1.970,71 EUR der Beitragspflicht unterliegen. Daran ändert auch nichts, dass er seinen Klageantrag im erstinstanzlichen Verfahren dahin gehend formuliert hatte, die Beklagte zu verpflichten, "bei der Beitragsbemessung" der Beiträge seine Auffassung (wird weiter ausgeführt) zugrunde zu legen. Als prozessrechtliche Willenserklärung war der Klageantrag analog §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch auszulegen. Dabei muss sich die Auslegung auf den auszulegenden Antrag in seiner Gesamtheit und das mit ihm erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel beziehen. Bei der Ermittlung des wirklichen Willens ist entsprechend den Geboten von Treu und Glauben zu Gunsten des Bürgers davon auszugehen, dass er denjenigen Rechtsbehelf einlegen will, der nach Lage der Sache seinen Belangen entspricht und eingelegt werden muss, um den erkennbar angestrebten Erfolg zu erreichen. Dies gilt im Grundsatz auch für anwaltliche Anträge und Rechtsbehelfe, soweit diese, wie hier, auslegungsfähig und -bedürftig sind (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28.01.2010 – 8 C 38/09 – m.w.N.). Das Begehren des Klägers war dem Wortlaut des Antrags nach nicht auf eine Verpflichtung der Beklagten "zur Beitragsbemessung" gerichtet, dem auch entgegenstünde, dass die Beklagte für die Beitragsbemessung originär nicht zuständig ist, sondern die von den Zahlstellen vorgenommene Beitragsbemessung nebst Einzug und Zahlung an sie lediglich überwacht (§ 256 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB V; vgl. ergänzend Ziff. 2a des Urteils) Dementsprechend wurde im angefochtenen Bescheid lediglich die Höhe der jeweils beitragspflichtigen Anteile der Betriebs- und GAL-Rente festgesetzt, deren Änderungen ausschließlich erkennbares Rechtsschutzziel des Klägers ist. Diese Entscheidung kann er indes nur durch eine Anfechtung des Bescheides der Beklagten und eine Feststellungsklage erreichen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 24.08.2005 – B 12 KR 29/04 R -, 13.06.2007 – B 12 KR 18/06 R – und 12.11.2008 – B 12 KR 7/08 R -).
2. Die gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 2 SGG zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage ist indes unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die begehrte Feststellung.
a. Die Beklagte war zur Festsetzung der Höhe der jeweiligen beitragspflichtigen Anteile der Betriebsrente und GAL-Rente befugt. Dem steht nicht entgegen, dass grundsätzlich die Zahlstellen dieser Bezüge für Versicherungspflichtige, die eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, gemäß § 256 Abs. 1 Satz 1 SGB V die Beiträge aus den Versorgungsbezügen einbehalten und an die Beklagte als zuständige Krankenkasse zahlen, wozu auch im Vorfeld auch die Beitragsberechnung gehört (Knispel in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, 19. Auflage, Stand Januar 2012, § 256 Rdn. 9). Denn nach § 256 Abs. 1 Satz 4 SGB V verteilt die Beklagte auf Antrag die Beiträge, soweit Versicherungspflichtige, wie hier der Kläger, Versorgungsbezüge von mehreren Zahlstellen beziehen und die Versorgungsbezüge zusammen mit der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung die BBG übersteigen. In diesem Fall ermittelt die Krankenkasse den beitragspflichtigen Anteil der Versorgungsbezüge (Knispel a.a.O. Rdn. 15). Vor der Berechnung und entsprechenden Mitteilungen an den Kläger, die Versorgungsklasse F und die LAK Nordrhein-Westfalen wurde zwar kein Antrag gestellt. Der Kläger hat vielmehr erst mit Schreiben vom 11.03.2009 um einen "widerspruchsfähigen Bescheid" gebeten und damit inzident einen Antrag gestellt, der zum Erlass des Bescheides vom 13.03.2009 geführt hat. Es kann aber dahin gestellt bleiben, ob das Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 09.02.2009 bereits ein Bescheid und der angefochtene Bescheid vom 13.03.2009 lediglich seinen Inhalt wiederholte, ohne eine weitere Sachentscheidung zu treffen. Selbst wenn bezogen auf die Erstmitteilung der für die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens vorgeschriebene Antrag fehlte, so ist ein von der Behörde dennoch erlassener Verwaltungsakt zwar grundsätzlich fehlerhaft. Der Mangel kann aber, wie sich aus § 41 Abs. 1 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ergibt, durch nachträgliche Antragstellung geheilt werden, sofern er sich nicht in dem jeweils maßgebenden rechtlichen Zusammenhang ausnahmsweise als so schwerwiegend erweist, dass daraus gemäß § 40 Abs. 1 SGB X die Nichtigkeit des Bescheides resultiert (BSG, Urteile vom 21.06.1995 – 6 RKa 54/94 – m.w.N. und 20.09.1995 – 6 RKa 63/94 -). Gegen einen solchen schwerwiegenden Mangel spricht indes, dass der Krankenkasse ohnehin gemäß § 256 Abs. 3 Satz 1 SGB V die Überwachung der Beitragszahlung obliegt, was auch die Kontrolle der Beitragsfestsetzung umfasst.
Der Bescheid ist auch im Übrigen formell nicht zu beanstanden. Einwendungen sind weder ersichtlich noch werden sie vom Kläger geltend gemacht.
b. Streit besteht zwischen den Beteiligten vielmehr ausschließlich über die materielle Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
Die Betriebsrente und die GAL-Rente sind als sog. Versorgungsbezüge – ebenso wie die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 228 Abs. 1 Satz 1 SGB V) – beitragspflichtige Einnahmen des Klägers (§ 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 4 SGB V). Die Erhebung von Beiträgen aus Versorgungsbezügen ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 06.12.1988 – 2 BvL 18/84 -). Gegen die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen aus seinen Versorgungsbezügen i.H.v. insgesamt 2.312,58 EUR wendet sich der Kläger auch nicht. Er beanstandet allein die von der Beklagten berechnete Aufteilung dieses Betrages in einem Anteil der Betriebsrente i.H.v. 2.087,64 EUR und der Betriebsrente und 224,94 EUR von der GAL-Rente. Relevanz hat die Aufteilung vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Beitragssätze: für die Betriebsrente gilt nach § 248 Satz 1 i.V.m. § 241 SGB V, dieser i.d.F. des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV – Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG (a.F.)) vom 26.03.2007 (BGBl. I 378) der volle allgemeine Beitragssatz, während für die GAL-Rente nach § 248 Satz 2 i.V.m. § 241 SGB V a.F. der halbe allgemeine Beitragssatz zuzüglich 0,45 Beitragssatzpunkte (wegen der Verfassungsmäßigkeit unterschiedlicher Beitragssatzregelungen vgl. BSG, Urteil vom 13.06.2007 – B 12 KR 18/06 R -) anzusetzen ist. Die von der Beklagten festgestellten beitragspflichtigen Anteile sind indes nicht zu beanstanden. Der Kläger vermag seiner Klage mit der Auffassung, die Rentenleistung der Landwirtschaftlichen Alterskasse Nordrhein-Westfalen sei gegenüber den Bezügen aus der gesetzlichen und betrieblichen Rentenversicherung vorrangig und daher in vollem Umfang (341,87 EUR) mit dem halben Beitragssatz zu verbeitragen, nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Beitragspflichtige Einnahmen, die für die Beitragsberechnung zugrunde gelegt werden können, sind gemäß § 223 Abs. 3 SGB V bis zu einem Betrag von einem Dreihundertsechzigstel der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 7 SGB V für den Kalendertag (die sog. BBG) zu berücksichtigen. Für das Jahr 2009 galt insoweit gemäß der Bekanntmachung der Rechengrößen in der Sozialversicherung (BAnz Nr. 193 vom 10.12.2008 Seite 4540 f.) ein BBG von 44.100,00 EUR im Jahr bzw. 3.675,00 EUR im Monat. Die Einnahmen des Klägers i.H.v. insgesamt (1.362,42 EUR + 3.172,89 EUR + 341,87 EUR =) 4.877,18 EUR/monatlich übersteigen diese Grenze. Der Betrag, der über der BBG liegt, bleibt außer Ansatz (§ 223 Abs. 3 SGB V). Da die gemäß § 238 SGB V vorrangig zu verbeitragende Rente der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. 1.362,42 EUR die BBG i.H.v. 3.675,00 EUR nicht erreicht, müssen auf die Versorgungsbezüge Beiträge i.H. des Differenzbetrages (2.312,58 EUR) geleistet werden, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Die Frage, welcher Beitragssatz (ein halber bzw. voller allgemeiner Beitragssatz) für diesen Differenzbetrag zugrunde zu legen ist, hat der Gesetzgeber nicht geregelt (aa.). Auch das Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 09.09. und 10.09.2003 und das Gemeinsame Rundschreiben der Krankenkassen vom 30.12.2008 bieten keine Rechtsgrundlage (bb.). Die von der Beklagten vorgenommene Verhältnismäßigkeitsrechnung findet ihre Grundlage indes in analoger Anwendung des § 22 SGB IV (cc.).
aa. Der Berechnungsmodus ergibt sich insbesondere nicht aus der gesetzlich geregelten "Rangfolge der Einnahmearten versicherungspflichtiger Rentner" in § 238 SGB V. Danach gilt: Erreicht der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung nicht die BBG, werden nacheinander der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge und das Arbeitseinkommen des Mitglieds bis zur BBG berücksichtigt. M.a.W.: Erreicht der Zahlbetrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die BBG nicht, werden – soweit der Rentner Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen erzielt – zunächst Versorgungsbezüge bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Erreicht auch die Summe des Zahlbetrages der Rente und der Versorgungsbezüge die Beitragsbemessungsgrenze nicht, wird auch das Arbeitseinkommen beitragspflichtig (Peters in jurisPK-SGB V, 2. Auflage 2012, § 238 Rdn. 11). Diese Regelung führt dazu, dass vorrangig der Zahlbetrag der Rente berücksichtigt wird, was sich für den Versicherten günstiger auswirkt, da die auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessenden Beiträge nach § 249a Satz 1 SGB V vom Rentner nur zur Hälfte (zzgl. des Zusatzbeitrags) zu zahlen sind, während Beiträge auf Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen von dem Versicherten nach § 250 Abs. 1 SGB V allein zu tragen sind. Eine Rangfolge mehrerer Versorgungsbezüge kann der Vorschrift indes nicht entnommen werden, auch wenn für diese, wie hier, verschiedene Beitragssätze gelten. Eben so wenig lässt das Tatbestandsmerkmal "nacheinander" auf eine zeitliche Reihenfolge der zu berücksichtigenden Versorgungsbezüge schließen, sondern bezieht sich ausschließlich auf die Reihenfolge der genannten (wie in § 237 SGB V gleichermaßen aufgezählten) drei Einnahmearten, ohne zwischen diesen nochmals zu differenzieren.
Auch § 229 SGB I, der Einnahmearten, die als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten, definiert, enthält – anders als die §§ 230, 238 und 238a SGB V, die bereits nach ihren amtlichen Überschriften "Rangfolgen" enthalten – keine Prioritätenliste, sondern lediglich eine in der Reihenfolge beliebige Aufzählung.
§ 22 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IV findet ebenfalls keine (unmittelbare) Anwendung. Danach gilt: Treffen beitragspflichtige Einnahmen aus mehreren Versicherungsverhältnissen zusammen und übersteigen sie die für das jeweilige Versicherungsverhältnis maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze, so vermindern sie sich zum Zwecke der Beitragsberechnung nach dem Verhältnis ihrer Höhe so zueinander, dass sie zusammen höchstens die Beitragsbemessungsgrenze erreichen (Satz 1). Die beitragspflichtigen Einnahmen aus dem jeweiligen Versicherungsverhältnis sind vor der Verhältnisrechnung nach Satz 1 auf die maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze zu reduzieren (Satz 2). Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Verhältnismäßigkeitsberechnung sind nicht erfüllt. Der Kläger hat keine beitragspflichtigen Einnahmen aus mehreren Versicherungsverhältnissen, sondern nur aus einem Versicherungsverhältnis, das allein auf seinem Anspruch auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß §§ 5 Abs. 1 Nr. 11, 186 Abs. 9 SGB V, 33 ff. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) beruht.
Zwar besteht grundsätzlich bei Bezug einer Rente aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung eine Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung der Landwirte (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG)) und damit ebenfalls ein Versicherungsverhältnis. Diese Versicherungspflicht kommt jedoch nicht zum Tragen, wenn, wie hier, nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V Versicherungspflicht besteht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KVLG) und der Ausnahmetatbestand des § 3 Abs. 2 Nr. 2 KVLG nicht erfüllt ist.
Auch der Anspruch auf bzw. der Erhalt einer Betriebsrente begründet für sich kein Verhältnis zwischen Rentner und der gesetzlichen Krankenversicherung (Versicherungsverhältnis). Die Pflicht zur Leistung von Beiträgen auf die Betriebsrente (§§ 237 Abs. 1 Nr. 2, 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB V) folgt allein aus dem auf § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V beruhenden Versicherungsverhältnis.
bb. Das von der Beklagten zur Begründung ihres Bescheides angeführte Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 09. und 10.09.2003 bietet ebenso wie das gleichlautende Gemeinsame Rundschreiben der Krankenkassen vom 30.12.2008 keine Rechtsgrundlage für die von der Beklagten vorgenommenen Verhältnismäßigkeitsrechnung. Bei einem solchen "Besprechungsergebnis" kann es sich allenfalls um eine Verwaltungsrichtlinie handeln, die allein im Bereich von Ermessensvorschriften zulässig sein kann, um bei der Ermessensausübung dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz Rechnung zu tragen und zu einer Selbstbindung der Verwaltung im Rahmen dieser Gleichbehandlung zu kommen. Bei der Frage, ob und inwieweit Beiträge bei Bezug einer gesetzlichen Rente und mehreren, gemeinsam die BBG überschreitenden Versorgungsbezügen zu erheben sind, handelt es sich indes nicht um eine Ermessensentscheidung eines Sozialleistungsträgers.
cc. Die von der Beklagten vorgenommene Verhältnisrechnung zur Ermittlung der beitragspflichtigen Anteile der Versorgungsbezüge findet indessen in analoger Anwendung des § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB IV eine Rechtsgrundlage.
Für die vorliegende Fallkonstellation (Zusammentreffen von mehreren beitragspflichtigen, der Rente vergleichbaren Einnahmen, die mit der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung die BBG überschreiten), die – wie ausgeführt – weder der allgemeinen Regelung des § 22 Abs. 2 SGB IV noch den speziellen Vorrangregelungen des SGB V unterworfen ist, liegt eine planwidrige Gesetzeslücke vor, die im Wege der Gesetzesanalogie zu schließen ist. Nach herrschender Methodenlehre (vgl. Rüthers, Rechtstheorie, 3. Auflage, 2007, § 23 II.1., Cramer, Juristische Methodenlehre, 2. Auflage 2005, Seite 178 f., jeweils m.w.N.) wird im Fall der Gesetzesanalogie eine Norm, die für einen bestimmten Tatbestand eine gesetzliche Regelung enthält, auf einen anderen gesetzlich (planwidrig) nicht geregelten Tatbestand entsprechend angewendet, nachdem sich bei einem Vergleich ergeben hat, dass beide Tatbestände vergleichbar und deshalb rechtlich gleich zu bewerten sind, also zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangen (vgl. auch Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 9. Auflage, 2007, Einleitung Rdn. 7a m.w.N.; ebenso Urteil des Senats vom 27.10.2010 – L 11 KA 31/09 – ). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Der Tatbestand des § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB IV (Zusammentreffen beitragspflichtige Einnahmen aus mehreren Versicherungsverhältnissen, die die für das jeweilige Versicherungsverhältnis maßgebliche BBG überschreiten) ist mit dem vorliegenden (ungeregelten) Tatbestand (Zusammentreffen von mehreren beitragspflichtigen der Rente vergleichbaren Einnahmen, die mit der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung die BBG überschreiten) vergleichbar. Beide Konstellationen betreffen den Fall, dass der Versicherte aufgrund verschiedener Tatbestände in mehrfacher Hinsicht der Beitragspflicht unterliegt, im ersten Fall etwa wegen Zusammentreffen von Einnahmen aus mehreren Arbeitsverhältnissen und im zweiten Fall wegen Zusammentreffen von mehreren Versorgungsbezügen. Für beide Fälle ist gleichermaßen geboten, zum Zwecke der Beitragsberechnung die Einnahmen nach dem Verhältnis ihrer Höhe so zueinander zu vermindern, dass sie (im vorliegenden zusammen mit der gesetzlichen Renten) höchstens die Bemessungsgrenze erreichen.
Für eine unterschiedliche rechtliche Behandlung der Tatbestände bietet insbesondere die vom SG hervorgehobene Privilegierung der Bezieher von Renten aus der landwirtschaftlichen Altersversicherung durch die Einräumung eines verminderten Beitragssatz in § 248 Satz 2 SGB V keine Veranlassung.
§ 248 SGB V sah bis zur seiner Änderung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) v. 14.11.2003 (BGBl. I 2190) zum 01.01.2004 für alle beitragspflichtigen Versorgungsbezüge (und Arbeitseinkommen) einen halben allgemeinen Beitragssatz vor. Maßgeblich für den bis 31.12.2003 halbierten allgemeinen Beitragssatz war die Überlegung, dass es insoweit keinen "Arbeitgeber" oder "Träger der Rentenversicherung" gibt, der die "andere" Hälfte des zu zahlenden Beitrages übernimmt (Propp in jurisPK – SGB V, 2. Auflage, 2012, § 248 Rdn. 11); es ging daher letztlich nicht um eine Privilegierung der Versicherten, sondern um eine Gleichstellung mit den Arbeitnehmern. Ziel der Neuregelung (vgl. BT-Drs. 11/1170 zu Art. 1 Nr. 128) war es, die Rentner, die Versorgungsbezüge und Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit erhalten, in angemessenem Umfang an der Finanzierung der Leistungsaufwendungen für sie zu beteiligen. Als die Beitragszahlung aus Versorgungsbezügen und Arbeitseinkommen durch das Rentenanpassungsgesetz 1982 mit Wirkung vom 01.01.1983 eingeführt wurde, deckten die Beiträge der Rentner noch ca. 60 % der für sie aufgewandten Leistungen. Inzwischen beläuft sich die Rente auf nur noch ca. 43 % der Leistungsaufwendungen. Der Gesetzgeber befand es daher als Gebot der Solidarität der Rentner mit den Erwerbstätigen, den Anteil der Finanzierung der Leistungen durch die Erwerbstätigen nicht noch höher werden zu lassen. Für die Bezieher von Renten und Landabgaberenten nach dem GAL galt nach § 248 Satz 2 SGB V zwar weiterhin die Hälfte des nach Satz 1 maßgeblichen Beitragssatzes der jeweiligen Krankenkasse. Damit sollte dieser Personenkreis letztlich aber nicht (unmittelbar) privilegiert werden. Dies ergab sich vielmehr reflexartig aus dem Umstand, dass die GAL-Renten (ebenso wie die Landwirtschaftlichen Krankenkassen, vgl. insofern § 37 Abs. 1 KVLG) durch Zuschüsse des Bundes mitfinanziert werden. Eine Erhöhung der Beitragslast aus der Rente hätte wegen der erhöhten Einnahmen einen verminderten Zuschussbedarf zur Krankenversicherung zur Folge gehabt. Als Folge wäre die Forderung nach entsprechender Erhöhung der im Wesentlichen nicht beitragsgedeckten Rentenleistung durch entsprechende Erhöhung des Zuschusses zu den Aufwendungen der Alterskassen zu erwarten gewesen, weshalb das BSG auch die Regelung zur Vermeidung dieses Verschiebens von Zuschüssen nicht sachwidrig erachtete und einen Verstoß gegen Art. 3 GG ausschloss (BSG, Urteil vom 13.06.2007 – B 12 KR 18/06 R -).
Vor diesem Hintergrund ist eine weitere Besserstellung des Klägers, der trotz höherer Einnahmen ab 01.01.2009 weniger Beiträge zur Krankenversicherung zahlt als vorher, nicht vom Gesetz intendiert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen wegen Grundsätzlichkeit der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsfrage vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 16.06.2015
Zuletzt verändert am: 16.06.2015