Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 02.01.2019 geändert. Der Antrag des Antragstellers wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Der Antragsteller, der an einer Duchenne-Muskeldystrophie leidet, infolge derer er keine aktiven Bewegungen seiner Extremitäten mehr ausführen kann und auf eine kontinuierliche invasive Beatmung angewiesen ist, begehrt, die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihn von den Kosten häuslicher Krankenpflege während seines stationären Aufenthalts vom 17.11. bis 29.11.2018 i.H.v. 10.038,35 EUR freizustellen.
Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin antragsgemäß zur Kostenfreistellung verpflichtet.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.
Das Sozialgericht ist im angefochtenen Beschluss zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt sind.
Nach dieser Vorschrift kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrten Leistungen (Anordnungsanspruch) sowie einer Eilrechtsschutz rechtfertigenden Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden ein bewegliches System. Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und umgekehrt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/ Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 27a). Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigung, die durch das Hauptsachverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage im Rahmen der Prüfung des Anordnungsanspruchs nicht nur summarisch geprüft werden, sondern muss vollumfänglich erfolgen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen, da sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte zu stellen haben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.2005 – 1BvR 569705 – und vom 29.11.2007 – 1 BvR 2496/07).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die begehrte einstweilige Regelung nicht anzuordnen.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob sich der Anspruch auf die begehrte Behandlungspflege während eines stationären Aufenthalts aus einer entsprechenden Anwendung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V – Behandlungspflege an sonst einem geeigneten Ort – ergeben (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.07.2014 – L 1 KR 246/14 B ER R -, LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 02.09.2013 – L 5 KR 144/13 B ER -, beide unter juris; vgl. aber BSG, Urteil v. 22.04.2015 – B 3 KR 16/14 R -, juris Rn. 20; Padé in jurisPK-SGB V, § 37 Rn. 30; SG Osnabrück, Beschluss vom 14.07.2011 – S 13 KR 260/11 ER) oder unmittelbare Folge des Sachleistungsanspruch auf die notwendige stationäre Versorgung gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V sein kann. In Betracht kommt ein solcher Anspruch nämlich nur, wenn das Krankenhaus aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles weder in der Lage ist, die gebotene Behandlungspflege des Versicherten zu leisten, noch dieser in eine Einrichtung verlegt werden kann, wo seine ausreichende Versorgung gewährleistet ist (vgl. Padé in juris-PK-SGB V, 3. Aufl., § 37 Rn. 54). In einem solchen Fall wäre die Antragsgegnerin entgegen ihrer Auffassung nicht berechtigt, allgemein auf die Pflichten der stationären Einrichtung zu verweisen, sondern hätte selbst für die Erfüllung des Sachleistungsanspruchs des Versicherten Sorge zu tragen.
Es fehlen jedoch vorliegend hinreichende Anhaltspunkte, dass ein solcher Ausnahmefall während des hier maßgeblichen Krankenhausaufenthalts des Antragstellers gegeben war. Zwar ist nach der Bescheinigung des Dr. T davon auszugehen, dass der Antragsteller im Erregungszustand nicht mehr in der Lage ist, sich hinreichend zu artikulieren, und daher auf ganz besonders geschultes und mit seinen Bedürfnissen vertrautes Personal angewiesen ist. Gleichwohl ergibt sich aus der Bescheinigung der behandelnden Krankenhausärzte nicht, dass die Klinik nicht in der Lage gewesen ist, den Antragsteller adäquat zu versorgen oder ihn gegebenenfalls zu verlegen. Vielmehr hat PD Dr. C lediglich darauf verwiesen, dass die Begleitung des Antragstellers durch ihm vertrautes Pflegepersonal die beste und sicherste Möglichkeit der Versorgung darstelle. Auf eine solche optimale Versorgung besteht nach dem Regelungswerk des SGB V aber kein Anspruch, vielmehr sind gemäß dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs. 1 SGB V) nur solche Leistungen zu erbringen, die geeignet, zweckmäßig und wirtschaftlich sind (BSG, Urteil vom 24.04.2018 – B 1 KR 13/16 R -, juris Rn. 13). Dass der Antragsteller mit den Mitteln des Krankenhauses nicht ausreichend versorgt werden konnte, lässt sich den Erklärungen von PD Dr. C jedoch in keiner Weise entnehmen. Dabei verkennt der Senat nicht die Besonderheiten der Erkrankung des Antragstellers, es ist aber gerade Aufgabe entsprechender stationärer Spezialabteilungen auch die Versorgung Schwerstkranker im System des SGB V zu gewährleisten. Für ein Systemversagen, das hier ausnahmsweise einen besonderen Versorgungsanspruch auslösen könnte, fehlen hinreichende Anhaltspunkte.
Bei dieser Sachlage fehlt es auch an der Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsgrundes.
Der Antrag auf Erlass einer – grundsätzlich in die Zukunft gerichteten – einstweiligen Anordnung ist am 14.12.2018 gestellt worden, also zu einem Zeitpunkt, in dem der stationäre Aufenthalt des Antragstellers bereits beendet war. Zu diesem Zeitpunkt fand die erforderliche häusliche Krankenpflege wieder mit dem vom Antragsteller gewünschten Pflegepersonal statt und ihre finanzielle Absicherung durch Kranken- und Pflegekasse war gewährleistet.
Ein Grund für die begehrte einstweilige Anordnung in Form der vorläufigen Freistellung von den Kosten der in der Vergangenheit liegenden Behandlung besteht bei dieser Sachlage nicht. Die vom Sozialgericht gewählte Begründung über mittelbare Auswirkungen für die Sicherung der weiteren häuslichen Krankenpflege und für etwaige zukünftige Fälle stationärer Aufenthalte trägt nicht. Dies würde voraussetzen, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass in Zukunft ein Ausnahmefall wie zuvor dargelegt zu gewärtigen ist. Insoweit liegen aber keinerlei ärztliche Bestätigungen vor, dass der Antragsteller damit rechnen muss, zukünftig bei erneuter stationärer Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr adäquat versorgt werden zu können. Allein der Umstand, dass der Antragsteller infolge seines Erkrankungszustandes mit besonderen Angstzuständen auf Probleme während seiner Beatmung reagieren kann, besagt nichts darüber, dass er mittels sowohl personeller als auch apparativer Versorgung nicht hinreichend mit den Mitteln des Krankenhauses überwacht werden kann. Sollten sich jedoch zukünftig entsprechende Hinweise ergeben, wäre die Antragsgegnerin wie dargelegt zur Sicherstellung der Versorgung verpflichtet, wobei der Senat keinen Anhalt dafür hat, dass diese ihren Verpflichtungen in diesem Fall nicht nachkommen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 27.06.2019
Zuletzt verändert am: 27.06.2019