I. Der Bescheid der Beklagten vom 1. April 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 2010 wird aufgehoben.
\n\n
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
\n\n
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
\n\n
\n\n
T a t b e s t a n d :
\n\n
Streitig ist das Melde- und Beitragsverfahren zur Sozialversicherung, hier die Sofortmeldepflicht.
\n\n
Mit Schreiben vom 26.02.2010 wandte sich die Klägerin an die Beklagte wegen Feststellung der Sofortmeldepflicht. Als interner Dienstleister im Personal- und Abrechnungsbereich für die A. betreue sie auch rechtlich selbstständige Unternehmensteile. Das Kerngeschäft der A. bestehe in der Produktion der A. und deren Heimatzeitungen mit einer Auflage von ca. 360.000 Stück pro Monat. In der A. gebe es weiter drei Unternehmen, die sich mit der Zustellung beschäftigen. Dies sei einmal Unternehmen 1: Zeitungszustellung, Unternehmen 2: Briefzustellung und Unternehmen 3: Prospektverteilung. Fraglich sei, ob diese Unternehmen der Regelung des § 28a Abs. 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) unterlägen. Mit Bescheid vom 01.04.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass für das Unternehmen 1, 2 und 3 die Verpflichtung zur Abgabe von Sofortmeldungen bestehe. Die genannten Betriebe seien dem in § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IV aufgeführten Wirtschaftsbereich der Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbes zuzuordnen. Dieser erstrecke sich auch auf sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste (u.a. Brief- und Zeitungsdienste).
\n\n
Hiergegen legte die Klägerin am 20.04.2010 Widerspruch ein. Die Rechtslage sei diesbezüglich unklar. Die Klägerin sei bereit, zeitnah Lösungsansätze zur zielführenden Durchführung von Sofortmeldungen in den vorbenannten Bereichen unter Berücksichtigung der jeweiligen Branchenspezifika zu erörtern.
\n\n
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.08.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führt sie aus, dass die Pflicht zur Abgabe einer Sofortmeldung zum 01.01.2009 eingeführt worden sei. Der Tag des Beginns der Beschäftigung sei spätestens bei der Beschäftigungsaufnahme an die Datenaufnahmestelle der Träger der Rentenversicherung (DSRV) zu melden. Dadurch werde dem Anreiz der Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung nachhaltig entgegengewirkt, da die Möglichkeit des Arbeitgebers erschwert werde, im Rahmen der Prüfung durch die Ermittlungsbehörde die Meldepflicht zu fingieren und zu behaupten, die Beschäftigung sei erst an diesem Tage aufgenommen worden. Die A. sei der Branche der sonstigen bzw. privaten Kurierdienste zuzuordnen, die dem Personen- und Güterbeförderungsgewerbe zugehörig sei. Nach Auffassung der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung gehörten Zeitungs- und Briefdienste dem Personen- und Güterbeförderungsgewerbe bzw. dem Personenbeförderungsgewerbe und Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe an. Die Zweckausrichtung des Gewerbes erstrecke sich auf sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste (u.a. Brief-, Zeitungsliefer- und Botendienste). Deshalb bestehe die Pflicht zur Abgabe von Sofortmeldungen.
\n\n
Hiergegen legte die Klägerin am 22.09.2010 Klage beim Sozialgericht Augsburg ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin eine Dienstleistungsgesellschaft sei, die folgende Firmen als externe Personalabteilung betreue. Darunter fielen die Z. GmbH & Co.KG, die N. GmbH und die D. GmbH und damit einhergehend auch die Klägerin im Rahmen ihrer Dienstleistungstätigkeit für diese Firmen. An diesen Firmen sei die A. und deren Heimatzeitungen gesellschaftsrechtlich beteiligt. Die Firmenadressen seien jeweils identisch, mit Ausnahme der D. GmbH. Es bestünden auch personelle Verflechtungen zwischen dem Verlag und diesen Gesellschaften, wie auch Personenidentität bezüglich der Geschäftsführung der Gesellschaften. Die Z. GmbH & Co.KG trage mit ihren 2.500 Zustellern im Wesentlichen die Tageszeitung A., die verlagseigenen Anzeigenblätter und gemäß vertraglicher Vereinbarungen mit anderen Verlagen deren Zeitungen aus. Die „N. GmbH“ sei mit ihren ca. 70 Zustellern hauptsächlich im Bereich des Briefzustellungsgeschäfts in den Bereichen A-Stadt, G-Stadt und F-Stadt tätig. Die „D. GmbH“ verteile schließlich mit über 5.000 Direktverteilern überwiegend sonstige Werbeprospekte vor allem in Mittel- und Nordschwaben. Es sei zu beanstanden, dass die Beklagte nicht nach den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen der genannten Unternehmen unterscheide, ganz abgesehen davon, dass die Klägerin und auch keines der betroffenen drei Unternehmen zu den in § 28a Abs. 4 Nr. 4 SGB IV genannten Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbe gehöre. Die Beklagte übersehe in diesem Zusammenhang zudem, dass bereits seit dem 01.01.2009 keine Mitführungspflicht mehr für den Sozialversicherungsausweis bestehe. Dennoch stütze sie sich auf die entsprechenden früheren Bestimmungen und deren Auslegung, die nicht mehr existieren. Dass die Tätigkeit der genannten Firmen nicht unter die vorgenannte Bestimmung falle, zeige auch der Ablauf der Zustellung. Soweit die Zusteller unmittelbar beim Verlag angestellt sind, sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt erkennbar, dass § 28a Abs. 4 SGB IV überhaupt einschlägig sein könnte. Die Zeitungszustellung sei nämlich eine bloße Hilfstätigkeit zum eigentlichen Verlagsgeschäft. Dies müsse auch dann gelten, wenn die Zustellung von einer deswegen sogar mit Verlagsbeteiligung gegründeten Zeitungszustellungsgesellschaft durchgeführt werde. Solche Zeitungszustellgesellschaften seien gerade nicht im Verzeichnis der Wirtschaftsklassen des Statistischen Bundesamtes beim Speditionsgewerbe genannt. Auch die Bundesagentur für Arbeit zähle Zeitungszustellgesellschaften bei der Vergabe von Betriebsnummern nicht zum Speditionsgewerbe hinzu, wenn es um die Einordnung der Unternehmen in die verschiedenen Wirtschaftsklassen geht. Zum Beweis wurde ein Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 17.11.2010 vorgelegt; des Weiteren ein Schreiben der AOK Westfalen-Lippe. In diesem wird die NW Logistik GmbH und Co.KG dem Wirtschaftszweig der Verlage zugeordnet. Verlage gehörten grundsätzlich nicht zu den Wirtschaftszweigen, welche zur Abgabe von Sofortmeldungen verpflichtet wurden. Diese Beurteilung sei auch fachgerecht. Die Regelung zur Sofortmeldung solle in erster Linie Schwarzarbeit vorbeugen. Es sei bei der Einordnung in das jeweilige Gewerbe auf den Schwerpunkt des Unternehmens abzustellen. So zähle die Zeitungszustellung nicht zum privaten Kurierdienst, der unter den Normgehalt des § 28a Abs. 4 Nr. 4 SGB IV falle. Dies zeige nicht zuletzt der vor etwa zwei Jahren zwischen der Deutschen Post AG und der Gewerkschaft Ver.di abgeschlossene Mindestlohntarif im Briefdienst. Im Tarifvertrag wurde ausdrücklich bestimmt, dass die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften an die Abonnenten nicht zum Kurierdienst zähle.
\n\n
Die Beklagte verwies darauf, dass eine Arbeitsgruppe „Sofortmeldung“ eingerichtet worden sei. Die Vertreter der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung hätten festgelegt, dass Postdienste dem Wirtschaftsbereich des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes zuzuordnen seien. Dies habe zur Folge, dass für die Beschäftigten in dieser Branche seit dem 01.01.2009 eine Sofortmeldepflicht bestehe. Bei dem Schriftsatz der AOK Westfalen-Lippe vom 16.09.2010 handele es sich um eine Einzelfallentscheidung der Einzugstelle und sei deshalb nicht auf andere Betriebe übertragbar. Beigefügt war u.a. das Protokoll über die Sitzung der Arbeitsgruppe Sofortmeldung vom 24.04.2009 in Berlin.
\n\n
Der Bevollmächtigte der Klägerin wies darauf hin, dass es sich hierbei lediglich um interne Verlautbarungen und Rundschreiben der Sozialversicherungsträger handele, die allenfalls zur internen Selbstbindung der Verwaltung führten, ansonsten jedoch keinerlei verbindlichen Rechtscharakter zu Lasten der Versichertengemeinschaft und deren Arbeitgeber haben. Die Sofortmeldepflicht sei auf das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz zurückzuführen. Zweck dieses Gesetzes vom 23.07.2004 in der Fassung vom 22.04.2009 sei die Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit, ohne dass jedoch Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass im Bereich der Zeitungszustellungen eine derartige Intensivierung geboten sei. § 28a Abs. 4 Nr. 4 SGB IV sei nicht einschlägig, da die Klägerin mit dem Verlagshaus der A. verbunden sei, nicht dagegen, jedenfalls nicht überwiegend, mit einem Speditions- und Transportbetrieb. Die Beklagte unterscheide nicht unter den verschiedenen Firmen. Sie habe sich offenbar nur mit der D. auseinander gesetzt. Die Situation der Neuen Westfälischen Logistik GmbH und Co.KG sei mit dem vorliegenden Sachverhalt vergleichbar und auf diesen zu übertragen. Die Tätigkeitsschwerpunkte dieser Firma lägen ebenfalls in den Bereichen der Zeitungszustellung und Prospektverteilung, wie auch teilweise bei der Briefzustellung. Nichts anderes gelte für die im streitgegenständlichen Fall betroffenen Unternehmen, wie auch für die Mvn-Medien-vertrieb Nord GmbH & Co.KG Osnabrück, bezüglich derer die AOK Niedersachsen mit Schreiben vom 15.02.2011 ebenfalls festgestellt habe, dass für die Zustellungstätigkeit keine Pflicht zur Sofortmeldung bestehe.
\n\n
Mit Schreiben vom 14.08.2012 bzw. 23.08.2012 erteilten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
\n\n
Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
\n\n
den Bescheid der Beklagten vom 01.04.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin dahingehend zu verbescheiden, dass dem Antrag der Klägerin vom 26.02.2010 stattgegeben und festgestellt wird, dass die Zustellungstätigkeiten der „Z. GmbH & Co.KG“, der „N. GmbH“ und der „D. GmbH“ und damit einhergehend auch die Klägerin im Rahmen ihrer Dienstleistungstätigkeit für diese Firmen nicht der Sofortmeldepflicht gemäß § 28a Abs. 4 SGB IV unterliegen.
\n\n
Die Beklagte beantragt,
\n\n
die Klage abzuweisen.
\n\n
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
\n\n
\nE n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
\n\n
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig und begründet.
\nDie Klägerin gehört nicht zu den in § 28a Abs. 4 SGB IV genannten Unternehmen.
\n\n
Sofortmeldepflichtig sind Arbeitgeber, die Personen in den in § 28a Abs. 4 SGB IV genannten Wirtschaftsbereichen beschäftigen. Die A. gehört nicht zu den in § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IV aufgeführten Wirtschaftsbereich der Speditions-, Transport- und damit verbundenen Logistikgewerbes. Dieser Bereich erstreckt sich auf sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste (u.a. Brief- und Zeitungsdienste).
\n\n
Um ein solches Unternehmen handelt es sich bei der Klägerin gerade nicht. Entscheidend ist hierbei der Sinn und Zweck des Gesetzes. Die Regelung zur Sofortmeldung soll in erster Linie Schwarzarbeit vorbeugen. Zur Verbesserung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung wurde mit Art. 1 des 2. Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 21.12.2008 für Arbeitgeber bestimmter Wirtschaftsbereiche die Pflicht zur Abgabe einer Sofortmeldung zum 01.01.2009 eingeführt (§ 28a Abs. 4 SGB IV). Die Sofortmeldung ist spätestens bei Beschäftigungsaufnahme an die Datenstelle der Träger der Rentenversicherung abzugeben (§ 7 Datenerfassungs- und Übermittlungsverordnung – DEÜV -).
\n\n
Das Kerngeschäft der A. besteht in der Produktion der A. und deren Heimatzeitungen. In der Mediengruppe sind drei Unternehmen, die sich mit Zeitungs- bzw. Briefzustellung und Prospektverteilung beschäftigen. Diese Unternehmen sind nicht mit privaten Kurierdiensten im Güterbeförderungsgewerbe (insbesondere Brief-, Zeitungs- und Paketdienste) gleichzustellen. Das zeigt nicht zuletzt der zwischen der Deutschen Post AG und der Gewerkschaft Ver.di abgeschlossene Mindestlohntarif im Briefdienst. Auch dort ging es um die Abgrenzung des Kurierdienstes zu anderen Zustelltätigkeiten. Wesensmerkmal des Kurierdienstes ist die Zustellung schriftlicher Mitteilungen. Im Tarifvertrag wurde gerade ausdrücklich bestimmt, dass dazu die Zustellung von Zeitungen und Zeitschriften an die Abonnenten nicht zählt.
\n\n
Die von der Beklagten übermittelte Niederschrift über die Sitzung der Arbeitsgruppe „Sofortmeldung“ vom 24.06.2009 in Berlin kann zu keiner anderen Rechtsauffassung führen. Es handelt sich hierbei um eine interne Verlautbarung, die jedoch der gesetzgeberischen Intention nicht widersprechen darf. In diese Richtung weisen auch die von der Klägerin vorgelegten Schreiben der AOK Westfalen-Lippe sowie der AOK Niedersachsen. Nach Auskunft der AOK Niedersachsen muss die dortige Antragstellerin Mvn-Medien-Vertrieb Nord GmbH & Co.KG keine Sofortmeldungen erstellen. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die AOK Niedersachsen die Deutsche Rentenversicherung Bund um eine entsprechende Auskunft gebeten hat. Diese wiederum verwies an die AOK zurück. Offensichtlich besteht zwischen den Rentenversicherungsträgern Uneinigkeit über die Einordnung von Firmen, die zu einem Zeitungsverlag gehören.
\n\n
Die Beklagte hat danach nicht den Beweis geführt, dass die Klägerin gemäß § 28a Abs. 4 SGB IV zur Sofortmeldung verpflichtet ist. Entsprechend waren die Bescheide aufzuheben.
\n\n
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
\n\n
Der Streitwert wird gemäß §§ 52, 53 Gerichtskostengesetz (GKG) auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
\n
Erstellt am: 09.12.2021
Zuletzt verändert am: 09.12.2021