Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.06.1999 abgeändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02.07.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.1998 verurteilt, die Zeit vom 24.11.1975 bis 29.10.1979 als Beitragszeit vorzumerken. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vormerkung von Beitragszeiten aufgrund einer im Beitrittsgebiet zurückgelegten Beschäftigungszeit nach § 248 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI).
Der am … geborene Kläger ist algerischer Staatsbürger. Vom 24.11.1975 bis zum 29.10.1979 war er als Abgrater bei dem VEB Press- und Schmiedewerke "Einheit" in B …-E …/Sachsen beschäftigt. Der Arbeitsvertrag basierte auf dem Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regie rung der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Zusammenarbeit bei der zeitweiligen Beschäftigung algerischer Werktätiger bei gleichzeitiger Vermittlung von beruflichen Erfahrungen sowie der Qualifizierung im Prozess produktiver Tätigkeit in sozialistischen Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. April 1974 sowie dem Protokoll zum Abkommen vom 27.04.1974 in Verbindung mit dem Zusatzprotokoll vom 23. Januar 1975 (Bl. 74 ff., 82 ff., 95 ff. Prozessakte). Der im Original vorliegende Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung, ausgestellt am 03.02.1976 enthält den Vermerk "ohne Rentenanspruch". In der Rubrik "beitragspflichtiger Gesamtarbeitsverdienst" findet sich keine Eintragung. Dem Kläger wurden jedoch ausweislich der vorliegenden Lohnlisten und der Auskunft der Nachfolgerin seines Arbeitgebers, der Press- und Schmiedewerk GmbH, vom 27.10.2000 Sozialversicherungsbeiträge vom Bruttolohn abgezogen.
Zwischen November 1979 und Oktober 1981 hielt sich der Kläger in Berlin (West) auf, ohne einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Am 09.10.1981 heiratete der Kläger eine DDR-Bürgerin und reiste mit ihr im Dezember 1981 nach Algerien. Im Mai 1982 gelang ihm und seiner Ehefrau die unmittelbare Einreise in die Bundesrepublik Deutschland. Hier geht der Kläger seitdem einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach.
Im Rahmen einer Kontenklärung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.1998 die Vormerkung von Beitragszeiten in dem oben genannten Zeitraum ab. Der Kläger sei als ausländischer Staatsangehöriger im Rahmen eines Arbeitskräfteabkommens beschäftigt gewesen. Diese hätten aus dem Beschäftigungsverhältnis keine Ansprüche auf Rentenleistung gegenüber der Sozialversicherung der ehemaligen DDR herleiten können, soweit das jeweilige Abkommen eine Versicherungslastregelung enthalten habe. Darin verpflichteten sich die Abkommenspartner gegen entsprechende Ausgleichszahlungen zur Übernahme der Sozialleistungen. Ein solches Arbeitskräfteabkommen habe die ehemalige DDR u.a. auch mit Algerien geschlossen. Ausgleichszahlungen seien aufgrund dieser völkerrechtlichen Übereinkunft an Algerien bis zum 30.06.1984 geleistet worden. Daraus folge, dass die vom Kläger im Zeitraum vom 24.11.1975 bis zum 29.10.1979 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zurückgelegten Beitragszeiten ausschließlich in die algerische Versicherungslast übergegangen seien. Ansprüche gegenüber der bundesdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung könnten insoweit nicht geltend gemacht werden. Eine Berücksichtigung der Beitragszeiten nach Maßgabe des § 248 Abs. 3 SGB VI scheide daher aus.
Hiergegen hat der Kläger am 29.10.1998 Klage beim Sozialgericht Duisburg erhoben. Der Kläger hat geltend gemacht, aufgrund seiner Heirat mit einer DDR-Staatsbürgerin sei das Arbeitskräfteabkommen nicht auf seine Person anzuwenden. Er werde außerdem nie mehr nach Algerien zurückkehren und deshalb von dort keinerlei Sozialversicherungsleistungen beziehen.
Die Beklagte hat demgegenüber ausgeführt, dass der Kläger aus seiner Eheschließung keinen anderen Status herleiten könne, da die Beschäftigungszeiträume vor der Eheschließung im Jahr 1981 lagen und er unmittelbar danach das DDR-Gebiet verlassen habe.
Mit Urteil vom 15.06.1999 hat das Sozialgericht – ohne mündliche Verhandlung – die Klage abgewiesen.
In den Entscheidungsgründen wird im wesentlichen ausgeführt, nach § 248 Abs. 3 SGB VI stünden den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 08.05.1945 im Beitrittsgebiet gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung (hier zum Rentenversicherungssystem der ehemaligen DDR) nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden seien. Diese Vorschrift erfasse Beitragszeiten in Gebieten, in denen Bundesrecht eingeführt worden sei, aber seinerzeit die Rentenversicherung nicht nach Bundesrecht durchgeführt worden sei. Es handele sich dabei um Beitragszeiten im Beitrittsgebiet (ehemalige DDR), im Saarland und in Großberlin/ Berlin(West) in der Zeit zwischen dem 08.05.1945 und dem Zeitpunkt der Einführung von Bundesrecht. Nach dem vor Einführung von Bundesrecht in der ehemaligen DDR geltenden Recht hätten ausländische Staatsangehörige, die in der ehemaligen DDR aufgrund eines Arbeitskräfteabkommens dem Grunde nach rentenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien, daraus keine Ansprüche auf Rentenleistungen gegenüber der Sozialversicherung der ehemaligen DDR herleiten können, soweit das jeweilige Abkommen eine Versicherungslastregelung enthalten habe. Darin verpflichteten sich die Abkommenspartner gegen entsprechende Ausgleichszahlungen zur Übernahme der Sozialleistungen. Diese in die Last des Heimatstaates gefallenen Beitragszeiten würden nicht von § 248 Abs. 3 SGB VI erfasst. Vertraglich vorgesehene Ausgleichszahlungen seien aufgrund der Sozialversicherungsabkommen der ehemaligen DDR u.a. mit Algerien bis zum 30.06.1984 geleistet worden. Es könne daher auch im Falle des Klägers davon ausgegangen werden, dass die von ihm im Beitrittsgebiet zurückgelegten Zeiten in die Versicherungslast des Heimatstaates Algerien gefallen seien. Dies belege auch der Inhalt des vom Kläger in Kopie vorgelegten Ausweises für Arbeit und Sozialversicherung, der den Zusatz enthalte "ohne Rentenanspruch". Darüber hinaus seien in diesem Ausweis keine Eintragungen in der Rubrik für die Angabe des beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienstes enthalten. Im Rahmen von Arbeitskräfteabkommen zurückgelegte Zeiten könnten nur dann anerkannt werden, wenn der ausländische Arbeitnehmer im Rahmen einer Heirat die Erlaubnis zum langfristigen Aufenthalt in der ehemaligen DDR erhalten habe. Würden solche Fälle der Familienzusammenführung nachgewiesen, könnten Beitragszeiten nach § 248 Abs. 3 SGB VI anerkannt werden, weil in diesem Falle auch nach dem Recht der ehemaligen DDR Sozialversicherungsbeiträge entrichtet worden sein könnten. Der Kläger habe jedoch nicht glaubhaft machen können, dass er im Rahmen einer Heirat noch in der ehemaligen DDR die Erlaubnis zum langfristigen Aufenthalt erhalten habe. Er habe nach seiner Heirat vielmehr alsbald mit seiner Ehefrau die ehe malige DDR verlassen und sei nach Algerien zurückgekehrt. Wenn er auch im Jahre 1982 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen sei, stelle sich dieser Umstand jedoch nicht als eine Familienzusammen führung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR dar. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, dass nach dem von der ehemaligen DDR mit Algerien geschlossenen Arbeitskräfteabkommen auch für den Kläger Ausgleichszahlungen zur Abgeltung der Versicherungslast geleistet worden seien und damit die streitigen Zeiten dem Grunde nach in die algerische Versicherungslast gefallen seien. § 248 Abs. 3 SGB VI bezwecke jedoch nicht die Übernahme einer ausländische Versicherungslast in das deutsche Rentenversicherungssystem. Dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift entspreche es in diesem Zusammenhang lediglich, dem Grunde nach versicherungspflichtige Beitragszeiten in der ehemaligen DDR für diejenigen ausländischen Arbeitnehmer anzuerkennen, die eine Erlaubnis zum ständigen Aufenthalt in der ehemaligen DDR erhalten hätten.
Gegen das am 17.06.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14.07.1999 Berufung eingelegt. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen und trägt vor, er könne keine weiteren Unterlagen zur Klärung seines damaligen Aufenthaltstatus vorlegen. Er gehe davon aus, dass die ehemalige DDR für ihn keine Ausgleichszahlungen nach Algerien geleistet habe. Er könne in Algerien auch keinerlei sozialversicherungsrechtliche Ansprüche geltend machen, da er in Algerien niemals versicherungspflichtig tätig gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 15.06.1999 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Be scheides vom 02.07.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.1998 zu verurteilen, die Zeit vom 24.11.1975 bis zum 29.10.1979 als Beitragszeit vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat von der Nachfolgerin des ehemaligen Arbeitgebers des Klägers die Kopie des Arbeitsvertrages vom 30.01.1976, den Ausweis für Arbeit- und Sozialversicherung sowie Kopien der Lohn- und Gehaltslisten beigezogen. Den Beteiligten sind außerdem die hier angesprochenen Vertragstexte des Abkommens vom 11. April 1974 und des Zusatzprotokolls sowie die Bekanntmachung über das Erlöschen völkerrechtlicher Übereinkünfte der Deutschen Demokratischen Republik mit Algerien vom 29. August 1994 (Bundesgesetzblatt II 2654) in Kopie zugeleitet worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte Bezug genommen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Vormerkung einer Beitragszeit vom 24.11.1975 bis zum 29.10.1979 gemäß § 149 Abs. 5 SGB VI in Verbindung mit §§ 248 Abs. 3, 286 b SGB VI.
Nach § 248 Abs. 3 SBG VI stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Machen Versicherte glaubhaft, dass sie im Beitrittsgebiet in der Zeit vom 9. Mai 1945 bis zum 31. Dezember 1991 ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben und von diesem entsprechende Beiträge gezahlt worden sind, sind die dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrundeliegenden Zeiträume als Beitragszeit anzuerkennen, § 286 b Satz 1 SGB VI.
Wie der Auskunft der Nachfolgerin des früheren Arbeitgebers des Klägers vom 27.10.2000 sowie den in Kopie vorliegenden Lohnlisten und schließlich auch dem Arbeitsvertrag vom 30.01.1976 zu entnehmen ist, stand der Kläger in dem hier streitigen Zeitraum in einem sowohl nach bundesdeutschen wie auch nach damaligen DDR-Vorschriften versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis. Ihm wurden auch Sozialversicherungsbeiträge vom Lohn abgezogen.
Damit sind grundsätzlich die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von in der ehemaligen DDR zurückgelegten Beitragszeiten i.S.d. §§ 248 Abs. 3, 286 b SGB VI erfüllt. Die Angaben im Sozialversicherungsausweis sind somit offensichtlich unvollständig.
Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts kann die Beklagte die Vormerkung dieser Beitragszeiten nicht unter Berufung auf das zwischen der DDR und der Volksrepublik Algerien geschlossene Arbeitskräfteabkommen verweigern. Dem Anspruch auf Vormerkung dieser Beitragszeiten nach dem SGB VI steht kein über- oder zwischenstaatlich wirksames Recht entgegen, das (als lex specialis) innerstaatlich wirksames Recht gleichen Ranges geworden ist und die Regelungen des SGB VI insoweit verdrängen würde.
Die DDR hatte mit zahlreichen ausländischen sozialistischen Staaten so genannte Arbeitskräfteabkommen geschlossen u. a. auch mit Algerien (vgl. Abendroth "Die Sozialversicherungsabkommen der DDR", DAngVers 1992, 339 ff und 1993, 209 ff).
Die Rentenversicherungsträger vertreten die Auffassung, dass Arbeitnehmer, die im Rahmen eines solchen Abkommens in der DDR beschäftigt waren, keine Beitragszeiten im Sinne von § 248 Abs. 3 SGB VI (oder § 286 b SGB VI) zurückgelegt haben, wenn die Abkommen Regelungen enthielten, nach denen sich der jeweilige Vertragspartner zur Übernahme der Sozialversicherungsleistungen gegen entsprechende Ausgleichszahlungen der DDR verpflichtet hatte, und soweit diese Zahlungen von der DDR erbracht worden sind. In ihrer rechtlichen Wirkung sollen diese Zahlungen dann den Versicherungsleistungsregelungen in den Sozialversicherungsabkommen der alten Bundesrepublik Deutschland entsprechen (vgl. Kassler-Kommentar zur Sozialversicherung – Polster § 248 Rdnr. 36, 37; Verbandskommentar, § 248 Rdnr. 9).
Der hier streitgegenständliche Vertrag enthält diesbezüglich folgende Regelungen: Art. 5 des Protokolls zum Abkommen zwischen der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik und der Regierung der Demokratischen Volksrepublik Algerien vom 11. April 1974:
Zu Artikel 4 Abs. 1: (1) Die Versicherungs- und Beitragspflicht der algerischen Werktätigen zur Sozialversicherung richtet sich nach den Rechtsvorschriften, die für die Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik gelten.
(7) Die in der Deutschen Demokratischen Republik beschäftigten algerischen Werktätigen erhalten nach ihrer endgültigen Rückkehr in die Demokratische Volksrepublik Algerien nach Beendigung des Arbeitsrechtsverhältnisses Sach-, Geld- und Rentenleistungen der Sozialversicherung nach den Rechtsvorschriften und zu Lasten der zuständigen Institution der Demokratischen Volksrepublik Algerien. Bei der Gewährung vorstehender Leistungen werden die Dauer der Tätigkeit sowie die Dauer des Bezuges entsprechender Leistungen in der Deutschen Demokratischen Republik berücksichtigt.
(8) Der Ausgleich für die von der Demokratischen Volksrepublik Algerien übernommenen Verpflichtungen beträgt fünfundfünfzig (55) % der auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen der Deutschen Demokratischen Republik vom Arbeitslohn der algerischen Werktätigen in Abzug gebrachten Beiträge zur Sozialversicherung, des Betriebsanteiles zur Sozialversicherung und der Unfallumlage und wird vierteljährlich von den Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik an die Banque Centrale d Algérie zugunsten der Caisse Nationale Algérienne de Sécurité Sociale überwiesen.
Nach dem Kenntnisstand der Rentenversicherungsträger wurden von der DDR bis zum 30.06.1984 Ausgleichszahlungen an Algerien geleistet.
Die Auffassung der Beklagten, wonach die Existenz eines solchen Vertrages grundsätzlich der Berücksichtigung von Beitragszeiten algerischer Werktätiger im Beitrittsgebiet entgegen steht, findet im Gesetz keine Grundlage und berücksichtigt insbesondere nicht die völkerrechtlichen Besonderheiten, die durch die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten eingetreten sind.
Diesbezüglich verweist der Senat zunächst auf mehrere Entscheidungen des Bundessozialgerichts, die sich mit den versicherungsrecht lichen Auswirkungen solcher Verträge nach dem 3. Oktober 1990 befassen: Urteil vom 27.01.1999 – Az.: B 4 RA 44/98 R – Ungarn -; Urteil vom 22.09.1999 – Az.: B 5 RJ 36/98 R – Griechenland -; Urteil vom 01.02.2000 – Az.: B 8 KN 8/97 R – Tschecheslowakische Republik -.
Hinsichtlich der Abkommen mit diesen Staaten besteht die Besonderheit, dass die Bundesregierung von der in Artikel 3 Abs. 1 des Einigungsvertragsgesetzes in Verbindung mit Artikel 12 des Einigungsvertrages enthaltenen Ermächtigung Gebrauch gemacht und durch die Rechtsverordnung vom 03.04.1991 (Bundesgesetzblatt 1991 II 614) in der Fassung der Verordnung vom 18.12.1992 (Bundesgesetzblatt 1992 II 1231) bestimmt hatte, dass auf deutscher Seite die völkerrechtlichen Verträge mit diesen Staaten im Bereich der sozialen Sicherheit weiter anzuwenden sind, soweit sie sich auf die gesetzliche Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung, Arbeitsförderung sowie Familienleistungen beziehen.
Hinsichtlich Artikel 7 Abs. 7 der Verordnung über die vorübergehende weitere Anwendung verschiedener völkerrechtlicher Verträge der Deutschen Demokratischen Republik im Bereich der sozialen Sicherheit hat das Bundessozialgericht in den genannten Urteilen die Auffassung vertreten, dass diese Verordnung derzeit nichtig und unbeachtlich sei, da es an einem für die Umsetzung eines völkerrechtlichen Vertrags erforderlichen Zustimmungsgesetz fehle.
Eines näheren Eingehens auf die dieser Streitfrage zugrundeliegen de verfassungsrechtliche Problematik bedarf es jedoch vorliegend nicht.
Der Vertrag zwischen Algerien und der DDR vom 11. April 1974 ist in der genannten Verordnung über die Weitergeltung völkerrechtlicher Verträge im Bereich der sozialen Sicherheit nicht aufgeführt. Vielmehr hat die Regierung der Bundesrepublik Deutschland durch an die Regierung von Algerien gerichtete Verbalnoten vom 14. und 22. April 1994 aufgrund der nach Artikel 12 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 (Bundesgesetzblatt 1990 II 885) in Algerien stattgefundenen Konsultationen festgestellt, dass die Vereinbarung vom 11. April 1974 über die zeitweilige Beschäftigung von algerischen Arbeitern in sozialistischen Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik mit Zusatzprotokoll mit der Herstellung der Einheit Deutschlands erloschen sind (Bundesgesetzblatt 1994 II 2654). Soweit in der Anlage von der Vereinbarung vom 11. Juli 1974 gesprochen wird, handelt es sich ersichtlich um einen Redaktionsfehler. Gemeint ist das hier genannte Abkommen über die zeitweilige Beschäftigung von algerischen Arbeitern in soziallistischen Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik mit Zusatzprotokoll vom 11. April 1974 mit den hier genannten Protokollen und Zusatzprotokollen.
Unabhängig von den politischen oder gesetzgeberischen Aktivitäten in Bezug auf den Umgang mit völkerrechtlichen Verträgen und Sozialversicherungsabkommen der DDR nach der Herstellung der Einheit Deutschlands hat das Bundessozialgericht ausgeführt, dass derartige Abkommen mit Ablauf des 2. Oktober 1990 nach den Regeln des Völkergewohnheitsrechts erloschen sind. Denn mit dem Wirksam werden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 23 Satz 2 Grundgesetz (GG) alter Fassung ist die DDR als Gebietskörperschaft sowie als Völkerrechtssubjekt – und damit als Partei völkerrechtlicher Verträge – untergegangen. Dagegen wurde das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland um das Beitrittsgebiet erweitert, wobei deren Identität als Völkerrechtssubjekt erhalten blieb. Aus völkerrechtlicher Sicht war deshalb der Beitritt der DDR ein Fall der Inkorporation. Weitgehend unbestritten sind in diesem Falle zum einen der Grundsatz der Diskontinuität der Verträge des inkorporierten Staates (d. h. dessen Verträge werden unwirksam), zum anderen der Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen des aufnehmenden Staates (d. h. dessen Verträge erstrecken sich auf das neue Staatsgebiet, vergleiche Art. 11 Einigungsvertrag). Nur die Anwendung beider Grundsätze garantiert, dass im neuen Staatsgebiet kein divergierendes Recht herrscht. Die möglichen Ausnahmen vom Diskontinuitätsprinzip bei so genannten radizierten Verträgen sowie ganz oder teilweise erfüllten Austauschverträgen sind für Sozialabkommen nicht einschlägig (BSG, Urteil vom 01.02.2000 a. a. O. mit zahlreichen Nennungen).
Der erkennende Senat schließt sich den Ausführungen des Bundessozialgerichts an und weist insbesondere darauf hin, dass es in soweit um völkerrechtliche Grundsätze geht, die hinsichtlich der Anwendung aller von der ehemaligen DDR getroffenen völkerrechtlichen Vereinbarungen zu beachten sind. Selbst wenn die Bundesregierung im Verhältnis zu Algerien keine Feststellung hinsichtlich des Erlöschens der damaligen völkerrechtlichen Übereinkünfte im Sinne der Bekanntmachung vom 29. August 1994 getroffen hätte, wäre das hier streitgegenständliche Arbeitskräfteabkommen bereits aus den dargelegten allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen nicht mehr anzuwenden.
Sonstige anspruchsvernichtende Normen, welche die Anwendung der §§ 248 Abs. 3, 286 b SGB VI im Verhältnis zum Kläger ausschließen würden, sind nicht ersichtlich.
Bei dieser Sach- und Rechtslage können die ausländer- und statusrechtlichen Fragen, die das Sozialgericht in dem angefochte nen Urteil aufgeworfen hat, unberücksichtigt bleiben. Ebensowenig bedarf es der Klärung der Frage, ob der Kläger überhaupt im Sinne von Art. 5 Abs. 7 des Protokolls zum Abkommen endgültig in seinen Heimatstaat zurückgekehrt ist – und nur dies hätte die Ausgleichspflicht der ehemaligen DDR mit dem entsprechenden Übergang der Versicherungslast in den Heimatstaat des Klägers ausgelöst – was angesichts der Tatsache, dass sich der Kläger nach dem Ende seines Arbeitsvertrages überwiegend in Berlin (West) bzw. der Bundesrepublik und nur wenige Wochen in Algerien aufgehalten hat, mehr als fraglich erscheint. Ob und inwieweit die DDR ihre Verpflichtungen aus dem Abkommen tatsächlich erfüllt hat, war im Hinblick auf das für Sozialabkommen ausnahmslos geltende Diskontinuitäts prinzip (BSG aaO) ebenfalls nicht entscheidungserheblich.
Aus alledem war der Berufung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 bzw. 2 SGG liegen nach Ansicht des Senats im Hinblick auf die bereits ergangenen Urteile des Bundessozialgerichts nicht vor.
Erstellt am: 15.08.2003
Zuletzt verändert am: 15.08.2003