In Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 14. Mai 2008 werden die zu erstattenden Kosten auf 202,30 EUR zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Antragstellung festgesetzt.
Gründe:
I. Streitig sind im Erinnerungsverfahren die Anwendung der Gebührentatbestände 3102 oder 3103 VV RVG sowie 1005/1006 VV RVG sowie die Höhe der jeweils konkret festzusetzenden Gebühr. Ausgangspunkt war eine Untätigkeitsklage. Die Erinnerungsführerin (Ef) hatte nach Anhörung vom 04.06.2007 dem Erinnerungsgegner (Eg) die Leistungen nach dem SGB II nur zu einem um 30 v.H. gekürzten Betrag ausbezahlt. Über den Widerspruch des Bevollmächtigten des Eg vom 17.07.2007, welchen dieser am 20.07.2007 begründete, wurde zunächst nicht entschieden. Am 22.10.2007 erhob der Bevollmächtigte des Eg daraufhin Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Augsburg. Am 04.12.2007 schloss die Ef das Widerspruchsverfahren mit Erlass eines (Abhilfe-)Bescheides ab. Die Untätigkeitsklage wurde für erledigt erklärt. Die Ef sagte die Übernahme der außergerichtlichen Kosten zu.
Mit Kostennote vom 10.01.2008 bezifferte der Bevollmächtigte des Eg die außergerichtlichen Kosten wie folgt:
Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, Nr. 2400 VV RVG 240,00 EUR
Einigungsgebühr, Nr. 1006, 1005 VV RVG 190,00 EUR
Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG 40,00 EUR
Mehrwertsteuer, Nr. 7008 VV RVG 89,30 EUR
zu zahlender Betrag 559,30 EUR.
Die Festsetzung der Mittelgebühr sei gerechtfertigt, weil auch im Rahmen der Untätigkeitsklage diverse Telefonate und Schriftverkehr erforderlich gewesen seien. Entsprechendes gelte für die Erledigungsgebühr. Letztlich hätten zwei 20-minütige Telefonate mit der zuständigen Sachbearbeiterin erst dazu geführt, dass die Ef eine positive Entscheidung erlassen habe.
Die Ef hielt demgegenüber einen Kostenbetrag von 172,55 EUR (ausgehend von einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG über 125,00 EUR und der Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG von 30,40 EUR) für angemessen. Im Rahmen einer Untätigkeitsklage könne eine Erledigungsgebühr nicht zum Tragen kommen.
Nach weiterem Schriftwechsel erließ die Urkundsbeamtin den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.05.2008, in dem sie die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten auf 452,20 EUR festsetzte. Dabei hielt sie eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG von 170,00 EUR, eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG in Höhe von 190,00 EUR (zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) für gerechtfertigt.
Hiergegen wendet sich die Ef mit ihrer Erinnerung vom 06.06.2008. Sie hält an ihrer bisherigen Einschätzung fest. Danach könne sinngemäß in einem Untätigkeitsverfahren eine Einigungsgebühr bzw. Erledigungsgebühr nicht anfallen. Im Übrigen sei entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin nicht die Verfahrensgebühr Nr. 3103, sondern Nr. 3102 VV RVG anzuwenden. Gründe für eine höhere Gebühr als der Hälfte der Mittelgebühr seien nicht ersichtlich.
Der Bevollmächtigte des Eg sieht keine Gründe, den Kostenfestsetzungsbeschluss in seiner Höhe zu beanstanden.
II.
Das Gericht ist zur Entscheidung befugt (§ 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die rechtzeitig eingelegte Erinnerung ist zulässig und teilweise begründet.
Für das Betreiben des Verfahrens der Untätigkeitsklage steht dem Bevollmächtigten des Eg eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG zu. Damit kommt ein Gebührenrahmen von 40,00 EUR bis 460,00 EUR zum Tragen. Zwar war der Bevollmächtigte des Eg für diesen auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 29.06.2007 tätig. Dies begründet aber nicht die Anwendung des Gebührentatbestandes Nr. 3103 VV RVG. Deren Anwendungsbereich – mit der Folge der Absenkung des Gebührenrahmens – setzt eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren oder in einem weiteren, der Nachprüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren voraus. Die damit verbundene Absenkung des Gebührenrahmens rechtfertigt der Gesetzgeber letztlich mit Synergieeffekten. Er geht also davon aus, dass ein Rechtsanwalt aufgrund der durch die vorausgegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren erworbenen Sach- und Rechtskenntnisse im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren einen geringeren Aufwand hat (BT-Ds 15/1971, S. 212). Die Sonderregelung der Nr. 3103 VV RVG soll also dann zum Tragen kommen, wenn Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ein Verwaltungsakt ist, der zuvor Gegenstand eines behördlichen Verfahrens (Verwaltungsverfahren bzw. Widerspruchsverfahren) war (LSG Nordrhein-Westfalen vom 05.05.2008, L 19b 24/08 AS).
Davon unterscheidet sich das vorliegend zu beurteilende Verfahren der Untätigkeitsklage. Gegenstand der Untätigkeitsklage ist nicht die Überprüfung eines erlassenen Bescheides, sondern ein als prozessuales Druckelement der Versicherten ausgestaltetes Recht überhaupt einen behördlichen Entscheidungsakt zu "erzwingen". Materiell-rechtliche Fragen stehen dabei nicht im Fokus der gerichtlichen Betrachtung. Denn die Begründetheit der Untätigkeitsklage setzt neben dem Ablauf der in § 88 SGG gesetzten Frist nur die Prüfung der Untätigkeit der Behörde voraus. Synergieeffekte, die bei Anwendung der Gebühren-Nr. 3103 VV RVG nach dem gesetzgeberischen Willen das Absenken des Gebührenrahmens bewirken, kommen folglich nicht zum Tragen.
Bei Ausfüllung des Gebührenrahmens von Nr. 3102 VV RVG sind die einzelnen Tatbestandsmerkmale und Kriterien, wie sie in § 14 RVG niedergelegt sind, zu beachten. Danach bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu erstatten, ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.
Davon ist vorliegend auszugehen. Bezogen auf den Auftraggeber waren die Einkommens- und Vermögensverhältnisse zweifelsfrei klar unterdurchschnittlich. Zur Bedeutung der Angelegenheit für den Eg hat das Gericht bereits mehrfach in rechtskräftigen Beschlüssen klargestellt, dass allein aus der Zugehörigkeit des Auftraggebers und Mandanten zum anspruchsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II eine überdurchschnittliche Bedeutung im Sinne von § 14 RVG nicht abgeleitet werden kann. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers steht dem Anwalt in Verfahren mit durchschnittlicher Schwierigkeit, durchschnittlichem Aufwand und durchschnittlicher Bedeutung für den Mandanten die Mittelgebühr zu. Im Schnitt betrachtet, wird vor den Sozialgerichten in der überwiegenden Anzahl der Fälle um existenzsichernde Leistungen gestritten. Daraus folgt, dass auch vorliegend mit der vorgetragenen Argumentation eine Gebührenerhöhung nicht erreicht werden kann. Mit Blick auf den Bevollmächtigten des Eg ist festzustellen, dass das Führen einer Untätigkeitsklage zweifelsfrei eine nach Umfang und Schwierigkeit äußerst einfache anwaltliche Tätigkeit darstellt. Auch vorliegend dauerte das Verfahren lediglich sechs Wochen. Zweifelsfrei liegt nach Aktenlage beim Eg eine problematische Persönlichkeit vor. Die Kammer hat keine konkreten Anhaltspunkte, dass sich dieser Umstand im Rahmen der Untätigkeitsklage besonders ausgewirkt hätte. Der entsprechende Vortrag des Anwalts des Eg erscheint jedoch insgesamt nachvollziehbar und schlüssig, denn erfahrungsgemäß zeigen Personen mit einer Persönlichkeitsstruktur wie der Eg ihren schwierigen menschlichen Charakter in vergleichbaren Verfahren nicht nur gegenüber dem Leistungsträger sondern auch gegenüber den ihnen beiseite stehenden Bevollmächtigten.
Im Regelfall geht das Gericht – in Übereinstimmung mit der Kostenrechtsprechung der gesamten bayerischen Sozialgerichtsbarkeit davon aus, dass bei einer Untätigkeitsklage eine Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 125,00 EUR angemessen ist. Der abweichenden Einschätzung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (a.a.O.), die bei einer durchschnittlichen Untätigkeitsklage den Ansatz der doppelten Mindestgebühr, d.h. von 80,00 EUR, für gerechtfertigt hält, folgt das Gericht also nicht. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände dieses Einzelfalls hält die Kammer schließlich eine Gebühr nach Nr. 3102 VV RVG in Höhe von 150,00 EUR für zutreffend und angemessen.
Ein Gebührentatbestand nach Nr. 1006 VV RVG ist nicht angefallen. Zur Begründung verweist die Kammer in diesem Punkt auf ihre ständige Rechtsprechung (vgl. u.a. S 9 AS 286/06 KO) sowie auf die überzeugenden Erläuterungen des LSG Nordrhein-Westfalen (a.a.O.) zum Nichtanfall dieses Gebührentatbestandes. Gemäß § 136 Abs. 3 SGG sieht das Gericht daher von einer weiteren Darlegung der Entscheidungsgründe ab. Soweit der Bevollmächtigte des Eg argumentiert, dass er mit seinen beiden Telefonaten bei der Ef das Widerspruchsverfahren beeinflusst habe, kann ihm insoweit zugestimmt werden, als er durch dieses Zutun wohl Einfluss auf den Entscheidungsinhalt genommen hat. Streitgegenständlich war im Rahmen des Hauptsacheverfahrens aber nicht die Rechtmäßigkeit der von der Ef getroffenen Entscheidung, sondern eben nur ihre Verpflichtung über einen Widerspruch überhaupt zu entscheiden. Dazu ist sie als Behörde gesetzlich verpflichtet.
Zusammenfassend sind daher folgende außergerichtlichen Kosten angefallen:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 150,00 EUR
Dokumentenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 32,30 EUR
Summe 202,30 EUR
Der Anspruch auf Verzinsung folgt aus §§ 197 Abs. 1 SGG, 104 ZPO und war nachträglich noch auszusprechen.
Die Entscheidung ergeht kostenfrei. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 31.07.2008
Zuletzt verändert am: 31.07.2008