I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Der 1972 geborene Kläger hat ursprünglich den Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs erlernt. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung umfasste die Ausbildung auch die Vermittlung von Spenglerarbeiten. Nach bestandener Lehre war er noch ca. ein Jahr im Lehrbetrieb berufstätig und arbeitete anschließend für etwa zwei Jahre bei einer Firma für Flachdachbauten, wo er auch Spenglerarbeiten verrichtete.
Am 08.05.2004 war der Kläger damit beschäftigt an dem vom Zeugen R. bis dahin in ausschließlicher Eigenleistung erstellten Carport und zusammen mit diesem die Spenglerarbeiten vorzunehmen. Nachdem der Kläger und der Zeuge gemeinsam das Maß genommen hatten, hatte der Kläger die notwendigen Bleche in einer ihm bekannten Spenglerei besorgt und dort auch gekantet. Er brachte sie später auch zur Baustelle des Zeugen, wo mittels der von ihm in oben genannter Spenglerei ausgeliehenen rechten und linken Blechschere sowie einem Biegegerät die Feinarbeiten vorgenommen wurden, um die Bleche anschließend gemeinsam zu montieren. Bei der Verschraubung des Giebelblechs stürzte der Kläger aus ca. 3,5 bis 3,9 Meter mit den Beinen voraus zu Boden und schlug nach dem Aufprall mit dem Kopf auf eine Betonrandplatte. Am übernächsten Tag meldete der Zeuge den Unfall als Arbeitsunfall bei der Beklagten an und teilte mit, dass sich ein Freund von ihm schwere Verletzungen zugezogen habe, der ihm bei der Montage von Ortgangblechen behilflich gewesen sei.
Die Beklagte zog die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten bei. In der dort niedergelegten Zeugenvernehmung sagte der Kläger aus, dass er mit dem Zeugen R. gut befreundet sei und sie sich gegenseitig bei der einen oder anderen Tätigkeit im privaten Bereich schon öfter unentgeltlich Hilfe geleistet hätten. Gegenüber der Beigeladenen bestätigte der Kläger das freundschaftliche Verhältnis sowie die frühere Aussage, dass sie sich, wenn es erforderlich ist, gegenseitig helfen. Der Zeuge R. erklärte gegenüber der Beigeladenen, dass er den Kläger um Mithilfe gebeten habe, da er Spenglererfahrung habe, er mit diesem befreundet sei. Die Frage, ob es zwischen ihm und seiner Familie sowie dem/der des Klägers im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Verhältnisses üblich sei, kleine Arbeiten oder Gefälligkeiten unentgeltlich bzw. im Rahmen der Gegenhilfe für einander zu verrichten, beantwortete er mit "ja" und der Begründung, dass Freunde sich gegenseitig helfen, wenn eine Arbeit alleine nicht oder nur schwer durchführbar ist.
Am 08.09.2005 erhob der Kläger gegen den Zeugen R. Schadensersatz- und Schmerzengeldklage zum Landgericht Memmingen. Dieses setzte mit Beschluss vom 26.01.2006 das Verfahren bis zum Ergehen einer unanfechtbaren Entscheidung des Sozialgerichts aus.
Mit Bescheid vom 12.01.2005 lehnte die Beklagte die Erbringung von Leistungen ab, weil der Kläger nicht bei einer versicherten Tätigkeit verunfallt sei. Er sei nämlich nicht arbeitnehmer-, sondern unternehmerähnlich tätig gewesen. Den hiergegen erhobenen Widespruch wies sie mit Bescheid vom 23.05.2006 als unbegründet zurück.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage vom 06.06.2006. Die Ablehnung einer arbeitnehmerähnlichen Stellung des Klägers durch die Beklagte sei rechtswidrig. Der Kläger habe keine andere Tätigkeit verrichtet, wie wenn er die Arbeiten im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eines Betriebes erledigt hätte.
Die Beklagte hält an ihrer bisherigen Rechtsauffassung fest. Auf ihre Anregung wurde der Bayer. Gemeindeunfallversicherungsverband zum Verfahren beigeladen.
Der Beigeladene wertet die Tätigkeit des Klägers beim Zeugen als unternehmerähnlich. Aus dem Gesamtbild seiner Beteiligung an der Fertigstellung des Bauwerks ergebe sich am ehesten eine Ähnlichkeit mit einem Auftrag im Werkvertragscharakter. Im Übrigen habe der Kläger im Rahmen einer Freundschaft gehandelt und auch aus diesem Grund gerade nicht als Arbeitnehmer.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 12.01.2005 in der Gestalt des Wider- spruchsbescheides vom 23.05.2006 aufzuheben und den Beigeladenen zu verpflichten das Ereignis als Arbeits- unfall anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte und der Beigeladene beantragen jeweils,
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Kläger sowie den Zeugen R. zu den Umständen des Unfallereignisses sowie ihrer persönlichen Beziehung gehört und befragt.
Beigezogen war die Verwaltungsakte der Beklagten und die Akte des Landgerichts Memmingen (Az.: 3 O 1827/05). Sie waren ebenso wie die Gerichtsakte und die zu Protokoll genommenen Aussagen des Klägers und des Zeugen Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Grundlage der Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Unterlagen bzw. die Niederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist am 08.05.2004 nicht im Rahmen einer versicherten Tätigkeit verunglückt. Er hat deshalb weder gegen die Beklagte noch den Beigeladenen Anspruch auf berufsgenossenschaftliche Leistungen, ein Arbeitsunfall war nicht festzustellen.
Voraussetzung für die vom Kläger begehrten berufsgenossenschaftlichen Leistungen wäre das Vorliegen eines Arbeitsunfalles im Sinne von § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), also des Unfalls eines Versicherten infolge einer dem Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Als versicherte Tätigkeit kommt für den Kläger vorliegend nur eine solche nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII in Betracht, da ein Beschäftigungsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII, § 7 Abs. 1 SGB IV) zwischen ihm und dem Zeugen R. unstreitig und unzweifelhaft nicht vorlag.
Nach § 2 Abs. 2 SGB VII sind Personen gesetzlich unfallversichert, die wie nach Abs. 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Dazu müssen im Einzelnen folgende in ständiger Rechtsprechung erarbeitete und judizierte Voraussetzungen erfüllt sein:
1. Die Tätigkeit, bei der der Unfall eingetreten ist war von wirtschaftlichem Wert für das unterstützte (Fremd-)Unternehmen.
2. Die Tätigkeit entsprach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers.
3. Sie kann ihrer Art nach von Arbeitnehmern verrichtet werden.
4. Die Tätigkeit wurde konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen ausgeführt (vgl. Kasseler Kommentar, § 2 SGB VII Anm. 104).
Bei der Prüfung dieser Tatbestandsmerkmale wird auf das Gesamtbild der Tätigkeit abgestellt. Zu klären ist also, ob dieses in der Gesamtschau dem einer abhängigen Beschäftigung ähnlich ist oder vielmehr vorwiegend Züge einer unternehmerischen Tätigkeit trägt oder auf einer sog. Sonderbeziehung, z.B. Freundschaft beruht.
Die Prüfung der vorstehend aufgelisteten Tatbestandsmerkmale ergibt, dass der Kläger zweifelsfrei eine ernstliche, einem fremden Unternehmen, nämlich dem des Zeugen R. dienende und dessen wirklichen Willen ensprechende Tätigkeit verrichtet hat. Außer Zweifel steht, dass eine derartige Tätigkeit ihrer Art nach auch von Beschäftigten des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichtet wird. Die Kammer ist jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass die Verrichtung des Klägers unter Umständen geleistet wurde, die nicht mit einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses zu vergleichen sind und der Kläger folglich nicht "wie ein Beschäftigter", sondern aufgrund einer Sonderbeziehung, nämlich freundschaftlicher Verbundenheit mit dem Zeugen tätig wurde.
Dafür sprechen bereits die Angaben sowohl des Klägers wie auch des Zeugen gegenüber dem Beigeladenen sowie in der heutigen mündlichen Verhandlung. Sie haben übereinstimmend ihre Beziehung als gute Bekanntschaft bis Freundschaft beschrieben. Einig waren sie sich auch in deren Ausführungen, dass sie sich wiederholt wechselseitig bei Bedarf Hilfe geleistet haben. Die Intensität der freundschaftlichen Beziehung wird nach Auffassung des Gerichts noch dadurch unterstrichen, dass diese Hilfeleistungen erfolgten, obwohl Kläger und Zeuge ca. 15 km von einander entfernt ihren Wohnsitz haben, also die Bereitschaft besteht zur Hilfeleistung den Grad der Belanglosigkeit deutlich übersteigende und bei lebensnaher Betrachtung überlicherweise nicht mehr zu Fuß/per Fahrrad, sondern motorisiert (Pkw, Motorrad) zu überwindende Entfernungen zurückzulegen. Man lädt sich wechselseitig zu Geburtstagen ein, besucht gemeinsam Konzerte und unternimmt gelegentlich gemeinsam mit den Kindern etwas. Die Angaben des Klägers gegenüber dem Beigeladenen, dass es zwischen ihm und dem Zeugen bzw. ihren Familien im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden Verhältnisses möglich ist, kleinere Arbeiten oder Gefälligkeiten im Rahmen der Gegenhilfe für einander unentgeltlich zu verrichten und sich gegenseitig zu helfen, wenn es erforderlich ist, hat sich durch seine Ausführungen in der mündlichen Verhandlung, ebenso durch die des Zeugen in vollem Umfang bestätigt.
Auch der Zeitpunkt der Hilfeleistung spricht gegen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit. Die Bauarbeiten fanden an einem Samstag Nachmittag statt, zu einem Zeitpunkt also, der nach den gesellschaftlichen Gegebenheiten typischerweise in den Bereich der Freizeit fällt. Es ist tendentiell gerade nicht arbeitnehmerähnlich seine Freizeit mit unentgeltlicher Arbeitsleistung in einem fremden Betrieb zu verrichten, sondern vielmehr typischerweise ein Freundschaftsdienst, wenn man in seiner Freizeit unentgeltlich einem anderen hilft und dabei auch gewisse Risiken (hier: Arbeit auf dem Dach eines Carports) in Kauf nimmt.
Schließlich fehlt auch ein arbeitnehmerähnliches Über-Unterordnungsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Zeugen. Zwar verfügte der Kläger aufgrund einer früheren Ausbildung über qualifizierte Kenntnis in dem Berufsfeld eines Spenglers. Der Zeuge R. war darauf jedoch nur bedingt angewiesen. Im Rahmen verwandtschaftlicher Mithilfe bei der Errichtung von 6 – 7 Einfamilienhäusern hatte er schon öfters bei Spenglerarbeiten mitgeholfen. Auch hinsichtlich der vorbereitenden Schneide- und Kantarbeiten hätte er sich ohne die Mitarbeit des Klägers zu helfen gewusst, indem er die Bleche nach Feierabend an seinem Arbeitsplatz entsprechend vorbereitet hätte. Er verfügt über breite Kenntnisse und Fähigkeiten handwerklicher Art, wie selbst der Kläger bestätigte. Beide gaben übereinstimmend an, dass sie auf dem Dach und bei den Spenglerarbeiten gleichwertig miteinander gearbeitet haben, ohne dass der eine der Vorarbeiter und der andere der Hilfsarbeiter war. Damit fehlt die für ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis typische Über-Unterordnung.
Wie bereits ausgeführt, ist entscheidend das Gesamtbild. Dazu gehört vorliegend auch, dass der Kläger – völlig arbeitnehmeruntypisch – das zu verarbeitende Material in eigener Regie besorgte und sich eine eigenverantwortliche Gelegenheit organisierte, an diesem unentgeltlich die notwendigen bzw. möglichen Vorarbeiten vorzunehmen. Ein Arbeitnehmer erledigt die ihm übertragenen Aufgaben demgegenüber typischerweise auf der Betriebsstätte seines Arbeitgebers mit von diesem organisierten und bereit gestellten Materialien und Maschinen. Auch die Tatsache, dass der Kläger nicht nur eigenes allgemeines, sondern auch zusätzlich ausgeliehenes Spezialwerkzeug mitbrachte spricht gegen ein Arbeitnehmerverhältnis, weil im Rahmen eines Dienstverhältnisses (vgl. § 7 Abs. 1 SGB IV typischerweise der Arbeitnehmer kein eigenes Werkzeug verwendet, sondern dieses (erwartungsgemäß) vom Arbeitgeber gestellt bekommt.
Zusammenfassend und unter Würdigung aller Umstände war die Tätigkeit des Klägers für den Zeugen R. nicht arbeitnehmerähnlich, sondern vielmehr – auch von ihrer Handlungstendenz her – von der guten freundschaftlichen Beziehung der beiden Männer geprägt. Vor diesem Hintergrund tritt deshalb auch die potentielle Gefährlichkeit der vorgenommenen Spenglerarbeiten in den Hintergrund, zumal der Kläger insoweit nicht völlig unerfahren und berufsfremd agierte.
Nach alledem liegt kein Arbeitsunfall im Sinne des SGB VII vor. Ob die Annahme einer versicherten Tätigkeit unabhängig von vorstehenden Ausführungen auch aus den von der Beklagten angenommenen Gründen einer eher unternehmerähnlichen Tätigkeit des Klägers (wofür viel spricht) abzulehnen gewesen wäre/war muss nicht (mehr) entschieden werden.
Die Klage war daher mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.
Erstellt am: 17.04.2007
Zuletzt verändert am: 17.04.2007