Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.01.2012 aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialgericht zurückgewiesen. Die Kostenentscheidung bleibt dem Sozialgericht vorbehalten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob dem Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) zustehen.
Der 1955 geborene Kläger und die erstinstanzlich von ihm schriftlich bevollmächtigte, 1956 geborene X haben eine gemeinsame, 1992 geborene Tochter. Er ist ausgebildeter Elektromechaniker, hat später längere Zeit studiert, teilweise auch Rechtswissenschaften, ohne jedoch einen Abschluss erworben zu haben.
Der Kläger bezog in der Vergangenheit über Jahre hinweg (Sozialhilfe-) Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Eine gegen die lediglich darlehensweise Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG für die Zeit von September 2002 bis Dezember 2004 gerichtete Klage blieb erfolglos. Dabei ging der erkennende Senat in dem die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf zurückweisenden Beschluss vom 29.04.2011 (L 20 SO 48/08) davon aus, dass der Kläger (jedenfalls) mit einem Baugrundstück in I über einzusetzendes Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG verfügte.
Ab Januar 2005 erhielt der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), welche wegen der offenen Vermögensfrage darlehensweise erbracht wurden. Die darlehensweise Leistungsgewährung nach dem SGB II wurde im Jahre 2006 eingestellt.
Mit dem vorliegend streitigen Bescheid vom 19.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2009 versagte die Beklagte dem Kläger (von diesem ausdrücklich beantragte) Leistungen nach dem SGB XII ab dem 24.04.2006.
Der Kläger hat hiergegen am 18.05.2009 per Telefax, vertreten – wie in der Vergangenheit bereits in zahlreichen gerichtlichen Verfahren – durch Frau X, Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Frau X hat zum Nachweis ihrer Legitimation eine vom Kläger am 04.02.2008 unterzeichnete Vollmacht vorgelegt. Auf entsprechende Aufforderung durch das Sozialgericht übersandte Frau X am 09.10.2009 eine vom Kläger am 06.10.2009 unterzeichnete, auf das hiesige sozialgerichtliche Verfahren bezogene Vollmacht.
Mit gerichtlicher Verfügung vom 06.11.2009 hat das Sozialgericht bei der Bevollmächtigten des Klägers angefragt, ob sie dessen Familienangehörige sei bzw. die Befähigung zum Richteramt besitze. Sofern entsprechende Nachweise nicht erbracht würden, werde das Gericht sie als Bevollmächtigte zurückweisen, weil eine wirksame Vertretung nicht vorliege.
Frau X hat daraufhin auf die vorgelegte Vollmacht vom 06.10.2009 verwiesen und angemerkt, es sei nicht ersichtlich, warum keine ordnungsgemäße Vertretung nach § 73 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorliegen solle. Aus dem Akteninhalt sei jedoch ersichtlich, dass sie weder Familienangehörige des Klägers noch zum Richteramt befähigt sei.
Nach weiterem Schriftwechsel, in dem die Bevollmächtigte des Klägers u.a. auf § 73 Abs. 3 Satz 2 SGG hingewiesen hat, und dem Hinweis des Gerichts, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hat das Sozialgericht nach einem Wechsel im Kammervorsitz einen gerichtlichen Hinweis zur Vertretungsproblematik erteilt und ausgeführt, der Kläger habe nicht in rechtlich zulässiger Weise Klage erhoben. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 2 SGG in der seit dem 01.07.2008 und damit dem Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung komme eine Vertretung nur noch durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt und durch (volljährige) Familienangehörige in Betracht; die Bevollmächtigung einer sonstigen Person scheide aus. Es werde gebeten, die Klage zurückzunehmen. Es bestehe die Möglichkeit, einen Antrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) zustellen.
Mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 hat das Sozialgericht die Klage sodann "als unzulässig zurückgewiesen". Zur Begründung hat es im Wesentlichen die Ausführungen des vorhergehenden richterlichen Hinweises wiederholt. Die Klage sei durch Frau X in rechtlich nicht zulässiger Weise erhoben worden. Die Klage sei daher aus prozessualen Gründen zurückzuweisen. Materiellrechtliche Ausführungen finden sich anschließend nicht.
Gegen den dem Kläger am 07.02.2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich dessen persönlich eingelegte Berufung vom 06.03.2012. Der Kläger hält an seinem Begehren der Fortzahlung von Leistungen nach dem SGB XII ab dem 24.04.2006 fest. Er weist darauf hin, dass das Sozialgericht nicht entsprechend § 73 Abs. 3 SGG verfahren sei, und dass es die nicht vertretungsbefugte Bevollmächtigte nicht durch unanfechtbaren Beschluss zurückgewiesen habe. Bis zu einer solchen Zurückweisung aber seien sämtliche Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten wirksam.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 31.01.2012 abzuändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 19.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.04.2009 zu verurteilen, ihm seit dem 24.04.2006 Leistungen nach Maßgabe des SGB XII zu gewähren.
Die Beklagte verneint eine Vertretungsbefugnis von Frau X, hält den Hinweis des Klägers auf § 73 Abs. 3 SGG jedoch für zutreffend. Sie stellt eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht anheim.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 29.04.2011 (L 20 SO 48/08) hingewiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht begründet.
Dabei hat der Senat in entsprechender Anwendung des § 138 SGG den Tenor dahin berichtigt, dass nicht – wie im Termin vom 20.08.2012 verkündet – "das Urteil" des Sozialgerichts vom 31.01.2012 aufgehoben wird, sondern "der Gerichtsbescheid" vom 31.01.2012. Es handelt sich insoweit um eine offenbare Unrichtigkeit. Materiell ergibt sich für die Beteiligten durch die Berichtigung keine Änderung, da ein Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 3, 1. Halbsatz SGG als Urteil wirkt und für ihn nach § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG die Vorschriften über Urteile entsprechend gelten. Die Aufhebung des "Gerichtsbescheides" entspricht auch der Absicht des Senats entsprechend der der Verkündung seines Urteils vorangegangenen Beratung.
I. Nach § 159 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden (Nr. 1).
1. Das Sozialgericht hat die Klage "als unzulässig zurückgewiesen". Es hat zu Unrecht (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 159 Rn. 2a) nicht in der Sache entschieden, weil es davon ausgegangen ist, dass die Klage nicht in zulässiger Weise durch die vom Kläger bevollmächtigte X erhoben worden ist.
a) Die Beteiligten können vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen, § 73 Abs. 1 SGG. Der Kreis der vertretungsberechtigten Personen vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht ist in § 73 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73 Rn. 6). Danach können sich die Beteiligten durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht vertretungsbefugt nur diejenigen Personen, die in § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG im Einzelnen aufgeführt sind. Die vom Kläger bevollmächtigte Frau X zählt nicht zu dem vertretungsberechtigten Personenkreis, da sie – wie vom Sozialgericht zu Recht ausgeführt und von ihr auch eingeräumt – insbesondere keine Familienangehörige des Klägers ist und auch keine Befähigung zum Richteramt besitzt. Die weiteren Alternativen des § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG sind ersichtlich nicht einschlägig. Dabei sind die hier maßgeblichen Regelungen des § 73 SGG in der ab dem 01.07.2008 geltenden Fassung (laut Artikel 12 des Gesetzes vom 12.12.2007, BGBl. I S. 2840, zuletzt geändert durch Artikel 6 des Gesetzes vom 12.06.2008, BGBl. I S. 1000) unverändert geblieben.
b) Aus dem Umstand der fehlenden Vertretungsberechtigung ergibt sich jedoch – entgegen der Annahme des Sozialgerichts – nicht die Unzulässigkeit der Klage. Konsequenz einer fehlenden Vertretungsbefugnis gemäß § 73 Abs. 2 SGG ist nach Maßgabe des § 73 Abs. 3 Satz 1 SGG, dass das Gericht solche Bevollmächtigte durch unanfechtbaren Beschluss zurückweist. Bis zu seiner Zurückweisung bleiben Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten sowie Zustellungen oder Mitteilungen an diesen wirksam, § 73 Abs. 3 Satz 1 SGG. Dem Zurückweisungsbeschluss kommt insoweit konstitutive Wirkung zu (Leitherer, a.a.O., § 73 Rn. 34; vgl. auch BT-Drs. 16/3655 S. 89 sowie – zur vergleichbaren Vorschrift des § 79 Abs. 3 Satz 2 ZPO – BGH, Beschluss vom 15.04.2010 – V ZB 122/09); Prozesshandlungen, die einem solchen Beschluss vorausgegangen sind, werden mit dem Beschluss keineswegs unbeachtlich oder unzulässig, sondern bleiben wirksam (vgl. hierzu unter Hinweis darauf, dass Art. 19 Abs. 4 GG verletzt werde, wenn eine gerichtliche Sachentscheidung ohne sachlichen Grund versagt werde, den Beschluss des BVerfG vom 23.12.2003 – 2 BvR 917/03).
Das Sozialgericht hat den Kläger dementsprechend zunächst darauf hingewiesen, dass eine Zurückweisung der Bevollmächtigten beabsichtigt sei. Eine Zurückweisung durch Beschluss ist jedoch – unbeschadet des Umstandes, dass dies an einer wirksamen Klageerhebung ohnehin nichts geändert hätte – nicht erfolgt. Insoweit hat die Bevollmächtigte des Klägers bereits im Vorfeld der Entscheidung des Sozialgerichts auf die Vorschrift des § 73 Abs. 3 SGG hingewiesen.
2. Der Senat verweist die Sache nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG an das SG zurück, um dem SG Gelegenheit zu geben, die ggf. erforderliche Beweisaufnahme nachzuholen und auch insoweit sicherzustellen, dass dem Kläger keine gerichtliche Instanz verloren geht. Diesem Umstand misst der Senat mit Blick auf die bisher vollständig unterbliebene Befassung mit materiellrechtlichen Fragen – auch angesichts der in erster Instanz zu bewältigenden Arbeitsbelastung durch die weiterhin allzu hohe Belastung der Sozialgerichte – im Rahmen der erforderlichen Abwägung (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 5a) maßgebende Bedeutung bei.
II. Der Senat weist darauf hin, dass das Sozialgericht zunächst den streitigen Zeitraum zu ermitteln haben wird. Angesichts der Ablehnung jeglicher Leistungen nach dem SGB XII könnte streitig der gesamte Zeitraum bis zur die Tatsacheninstanzen abschließenden mündlichen Verhandlung sein. Etwas anderes gölte jedoch dann, wenn durch eine nachfolgende Entscheidung der Beklagten etwa über einen neuerlichen Antrag des Klägers eine verfahrensrechtlich bedeutsame Zäsur eingetreten wäre. Im Übrigen hat der Senat im Verfahren L 20 SO 48/08 lediglich über Ansprüche nach dem Bundessozialhilfegesetz bis zum 31.12.2004 entschieden. Ob seither durch eine Änderung der Vermögenslage des Klägers eine rechtlich bedeutsame, weil Hilfebedürftigkeit ergebende Änderung eingetreten ist, wird das Sozialgericht zu prüfen haben. Der Kläger wird hierzu substantiiert vorzutragen haben, inwieweit etwa im Jahr 2010 – wie im Verfahren L 20 SO 48/08 vorgetragen wurde – eine Änderung der Eigentumsverhältnisse insbesondere an dem Grundstück in I eingetreten ist.
III. Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.
IV. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Erstellt am: 02.11.2012
Zuletzt verändert am: 02.11.2012