Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.10.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Witwenrente der Klägerin auf die von ihr im Zeitraum vom 02.08.2001 bis 31.03.2003 bezogene Arbeitslosenhilfe anzurechnen ist.
Die am 00.004.1943 geborene Klägerin bezog vom 14.06.1999 bis 01.08.2001 Arbeitslosengeld. Im Anschluss daran bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28.08.2001 für einen Bewilligungsabschnitt vom 02.08.2001 bis 01.08.2002 Arbeitslosenhilfe (wöchentliches Bemessungsentgelt 590 DM; Lgr A/0). Auf die Leistung rechnete sie die von der Klägerin bezogene Witwenrente (565,12 DM monatlich) in voller Höhe, lediglich unter Abzug der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für Versicherungen (38,82 DM monatlich) an. Es kam zu einer entsprechenden Reduzierung des Zahlbetrages auf 103,32 DM wöchentlich. Gegen den Bescheid legte die Klägerin am 24.09.2001 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 11.01.2002 wurde sodann die Leistungsbewilligung ab 01.01.2002 an die Währungsumstellung und die geänderte Leistungsentgeltverordnung angepasst. Darüber hinaus entsprach die Beklagte mit Änderungsbescheiden vom 11.07.2002 der Rüge der Klägerin im Widerspruchsverfahren hinsichtlich der Ermittlung der Höhe des zugrunde zu legenden Bemessungsentgelts und korrigierte insofern die Zahlbeträge (Bemessungsentgelt 630 DM bzw. 320 Euro; Zahlbetrag 2001: 112, 98 DM, 2002: 57,82 Euro). Im August 2002 erfolgte außerdem hinaus die Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe bis 01.09.2003 (Bemessungsentgelt 315 Euro wöchentlich; Zahlbetrag 52,78 Euro).
Die Anrechnung der Witwenrente blieb stets unverändert, so dass die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2003 zurückwies. Sie führte zur Begründung aus, die Nettowitwenrente sei unter Berücksichtigung der Aufwendungen voll auf die Arbeitslosenhilfeleistung anrechenbar, da es sich um grundsätzlich zu berücksichtigendes Einkommen handele. Die Witwenrente sei jedenfalls kein Einkommen, für das die Anrechnung nach § 194 Abs. 3 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) ausgeschlossen sei.
Seit dem 01.04.2003 bezieht die Klägerin Altersrente. Der Arbeitslosenhilfebezug endete mit diesem Zeitpunkt. Zuvor hatte sie in einigen Monaten noch Nebeneinkünfte erzielt, die – unter Berücksichtigung des Freibetrages von 165 EUR – ebenfalls auf die Arbeitslosenhilfe angerechnet wurden.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.03.2003 hat die Klägerin am 22.04.2003 vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben, mit der sie sich nur gegen die Anrechnung der Witwenrente auf die gewährte Arbeitslosenhilfe wendet. Die Zulässigkeit der Anrechnung der Witwenrente sei nicht nur allein an § 194 Abs. 3 SGB III zu messen. Vielmehr müsse bei dem vorliegend bestehenden sehr niedrigen Einkommensniveau beachtet werden, dass sie selbst ohne Anrechnung über Einkommen verfüge, was unterhalb des steuerlichen Existenzminimums und auch unterhalb des Pfändungsfreibetrages und nur geringfügig über dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum liege. Da Sinn und Zweck der Witwenrente die Sicherung des Lebensunterhalts der Witwe sei, komme eine Anrechnung auf die Arbeitslosenhilfeleistung unter wertender Berücksichtigung der vorerwähnten Grenzen nicht in Betracht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 27.08.2001 und 11.01.2002 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 11.07.2002 und des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2003 zu verurteilen, der Klägerin ab 02.08.2001 Arbeitslosenhilfe nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ohne Anrechnung der ihr zustehenden Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das SG hat mit Urteil vom 14.10.2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen folgendes ausgeführt: Einkommen im Sinne der §§ 193,194 SGB III (in der bis 31.12.2004 geltenden Fassung) sei auch die von der Klägerin bezogene Witwenrente. Dementsprechend reduziere sich der Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe entsprechend den Berechnungen der Beklagten. Soweit die Klägerin monieren lasse, die Summe der nach Anrechnung gewährten Sozialleistungen (Witwenrente, Arbeitslosenhilfe) erreiche nicht sozialhilferechtliches Niveau und bliebe weit unter dem steuerrechtlichen Existenzminimum und auch weit unter der Pfändungsfreigrenze, so möge dies zwar richtig sein, sei für den vorliegenden Rechtsstreit aber irrelevant. Aus dem Gesetz ergäben sich keine Anhaltspunkte, in welcher Weise diese Umstände Einfluss auf die Auslegung der vom Wortlaut eindeutigen Normierungen der §§ 193, 194 SGB III haben sollten. Darüber hinaus entspreche die Anrechnung der Witwenrente gerade dem subsidiären Charakter der Arbeitslosenhilfe. Der Klägerin sei es ferner unbenommen gewesen, ergänzend Sozialhilfe zu beantragen.
Das Urteil ist der Klägerin am 08.11.2005 zugestellt worden. Am 05.12.2005 hat sie dagegen Berufung eingelegt, die sie damit begründet, dass die Witwenrente, die als Ersatz für das Einkommen des Ehemannes anzusehen sei, nur bis zu 60 % des Freibetrages gem. § 194 Abs. 1 S. 2 SGB III a.F. – also 361,74 – EUR entspr. anzurechnen sei. Dieser Freibetrag werde jedoch von der Witwenrente in der Höhe nicht erreicht. Sie könne als Arbeitslosenhilfebezieherin nicht durch den Tod ihres Ehemannes in ihren Rechten beschränkt werden. Zu dessen Lebzeiten werde sein Einkommen nur in gewissen Freigrenzen berücksichtigt. Im Falle des Ablebens werde dem Umstand, dass das Einkommen des Ehepartners immer auch für die Sozialleistungsempfängerin existenzsichernden Charakter habe, keine Rechnung mehr getragen. Dafür gebe es keinen sachlichen Grund. Durch wechselseitige Anrechnung von Sozialleistungen dürfe eine Leistungsempfängerin nicht in die Lage geraten, wegen Unterschreitung des Existenzminimums nach altem Recht sozialhilfebedürftig zu werden. In einem solchen Fall habe zumindest in entsprechender Anwendung der oben erwähnten Freigrenzen eine wechselseitige Anrechnung zu unterbleiben. Außerdem sei auch der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt zu berücksichtigen, der ebenfalls höher sei, als die Witwenrente, die bezogen werde.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 14.10.2005 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 27.08.2001, 11.01.2002 und 11.07.2002, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2003, zu verurteilen, ihr vom 02.02.2001 bis 31.03.2003 Arbeitslosenhilfe ohne Anrechnung der Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil für zutreffen und führt ergänzend aus: Grundsätzlich sei jedes Einkommen des Arbeitslosen als (anzurechnendes) Einkommen anzusehen und damit von der steuerfinanzierten Arbeitslosenhilfe abzusetzen, soweit es nicht als Nebeneinkommen anzurechnen ist. Die Witwenrente sei nicht privilegiert. Die Forderung der Klägerin, ihr insoweit einen Freibetrag gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 SGB III einzuräumen, sei gänzlich unberechtigt. Der Freibetrag in Höhe einer hypothetischen Arbeitslosenhilfe werde nämlich lediglich den in der vorstehend genannten Regelung näher bezeichneten Personen, mithin Dritten, zugestanden. Die Klägerin hingegen sei selbst Anspruchsinhaberin der Witwenrente. Es handele sich also um ihr eigenes Einkommen, so dass es auch als solches zu berücksichtigen ist. Die "normale" Witwenrente habe Unterhaltsfunktion. Sie diene dem Lebensunterhalt und könne daher auch nicht als eine der Anrechnung entzogene zweckgebundene Leistung angesehen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Der Zulässigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass die Beteiligten nur noch über ein Berechnungselement des Arbeitslosenhilfeanspruchs der Klägerin – Anrechnung der Witwenrente – streiten. Die übrigen Teilelemente des Anspruchs haben die Beteiligten "unstreitig" gestellt, was nach der Rechtsprechung des BSG zulässig ist (so zuletzt BSG 07.11.2006 – B 7 b AS 8/06 R – Rz. 22 mwN.).
Die Berufung ist hingegen unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Witwenrente der Klägerin als Einkommen auf deren Anspruch auf Arbeitslosenhilfe angerechnet, so dass sich die angefochtenen Bescheide als rechtmäßig erweisen.
Der Senat folgt den Gründen des angefochtenen Urteils und sieht insoweit gem. § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe über die nachfolgenden Ergänzungen hinaus ab.
Soweit die Klägerin auf die Freibeträge bei der Anrechnung von Partnereinkommen verweist und aus verfassungsrechtlichen Gründen die entsprechende Anwendung fordert, ist ihr entgegenzuhalten, dass im Hinblick auf Partnereinkommen zu berücksichtigen ist, dass der Partner dieses auch für seinen eigenen Unterhalt benötigt und der Freibetrag allein aus diesem Grunde eingeräumt wird. Die Witwenrente steht im Unterschied dazu naturgemäß alleine der Klägerin zur Verfügung. Aus dem gleichen Gesichtspunkt heraus ist auch der Hinweis der Klägerin auf den unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt oder auf die Pfändungsfreigrenzen abwegig. Folge des unterhaltsrechtlichen Selbstbehalts ist nämlich allein, dass die Klägerin zu Lebzeiten des Ehemannes möglicherweise keinen Unterhaltsanspruch gehabt hätte. Dieser Umstand ist ohne Bedeutung für die Frage, ob ihr ein nach dem Tod des Ehemannes zuwachsender Unterhalt in Form einer Rente als Einkommen angerechnet wird.
Der Umstand, dass die Klägerin durch die Rentenanrechung möglicherweise sozialhilfebedürftig geworden ist, steht der Anrechnung der Witwenrente ebenfalls nicht entgegen. Die Klägerin verweist hier ua. auf die steuerrechtliche Freistellung des Existenzminimums. Dabei verkennt sie allerdings, dass es sich bei der Erhebung von Steuern um den Bereich der Eingriffsverwaltung handelt. Insoweit ist es dem Staat verboten, vom Existenzminimum noch etwas zu nehmen. Hier geht es aber darum, ob und in welcher Höhe welche steuerfinanzierte Sozialleistung gezahlt wird. Dabei ist allein zu beachten, dass das Existenzminimum überhaupt gewährleistet wird. Dies folgt aus der staatlichen Verpflichtung, die Menschenwürde zu achten und zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz -GG-). Wodurch dies geschieht, bleibt letztlich dem Staat überlassen. Verfassungsrechtliche Vorgaben, die den Staat verpflichten würden, das Existenzminimum im Rahmen eines bestimmten Sozialleistungssystems zu sichern, vermag der Senat weder Art. 1 GG noch Art. 3 GG oder dem Sozialstaatsprinzip zu entnehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, warum es mehr oder weniger "schamhaft" – um den von der Klägerin verwendeten Begriff aufzugreifen – sein soll, steuerfinanzierte Arbeitslosenhilfe statt steuerfinanzierter Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen. Dass es natürlich unpraktisch ist, den Bürger durch die Anrechnung von Einkommen bei der Arbeitslosenhilfe auf die Sozialhilfe zu verweisen, liegt auf der Hand. Verfassungswidrig ist es jedoch nicht, weil das Existenzminimum dann eben durch die Sozialhilfe sichergestellt wird. Letztlich sind diese Fälle ein Grund für die Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch das Zweite Buch Sozialgesetzbuch ab 2005 gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 12.02.2007
Zuletzt verändert am: 12.02.2007