Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30. Oktober 2003 wird zurückgewiesen. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 14.05.2003.
Nachdem die Beklagte dem Kläger für den vorherigen Bewilligungsabschnitt Alhi nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 540,00 Euro zuerkannt hatte, bewilligte sie ihm für den neuen Abschnitt ab 14.04.2003 mit Bescheid vom 15.04.2003 Alhi nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 525,00 Euro. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Widerspruch, mit dem er eine höhere Alhi ausgehend von seiner angenommenen Qualifikation gemäß § 200 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) geltend machte. Ferner wies er darauf hin, dass er nicht dem Kirchensteuerabzug unterliege und dies bei der Berechnung des Leistungsentgelts zu berücksichtigen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 13.06.2003 zurück, weil sie das Recht (§§ 200, 136 SGB III) zutreffend angewandt habe. So seien insbesondere Kirchensteuerabzüge als pauschale gesetzliche Abzüge bei der Ermittlung des Leistungsentgelts zu berücksichtigen (abgesandt am 16.06.2003).
Hiergegen richtete sich die am 20.06.2003 erhobene Klage. Der Kläger hat zu deren Begründung vorgetragen, die Beklagte habe bei der Festsetzung des Bemessungsentgelts nicht von seinem früher erzielten Arbeitsentgelt bei der L Brauerei auszugehen, sondern eine fiktive Bemessung unter Berücksichtigung seiner theoretischen und praktischen Vorkenntnisse vorzunehmen. Sie habe daher bei der Berechnung von der Beitragsbemessungsgrenze für die Arbeitslosenversicherung auszugehen. Die Beklagte habe zudem zu Unrecht gemäß § 200 Abs. 3 SGB III bei der Neubemessung der Alhi den mindernden Anpassungsfaktor berücksichtigt. Es sei verfassungswidrig, ihn auf diese Weise von der wirtschaftlichen Entwicklung abzukoppeln. Im Übrigen dürfe die Beklagte bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts nicht den Kirchensteuerhebesatz berücksichtigen, weil er der Kirche nicht angehöre. Letztlich stehe ihm ein Leistungssatz für Alhi in Höhe von 57 % zu, da nicht nachvollziehbar sei, weshalb er als alleinstehender Arbeitsloser anders als andere behandelt würde.
Die Beklagte hat die angefochtenen Bescheide für Rechtens gehalten.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30.10.2003 abgewiesen. Es hat zur Begründung dargelegt, die Beklagte habe das Recht zutreffend angewandt. Sie habe bei der Neubemessung der Alhi den Anpassungsfaktor nach § 200 Abs. 3 SGB III mit Wirkung ab 14.05.2003 zu Recht zugrunde gelegt, da keine verfassungsrechtlichen Bedenken beständen. Die Arbeitslosenhilfe stelle eine steuerfinanzierte Leistung dar, für deren Ausgestaltung dem Gesetzgeber ein weitgehender Spielraum zustehe. Der Kläger habe auch keinen höheren Leistungsanspruch nach § 200 Abs. 2 SGB III, da er die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfülle. Es sei auch nicht verfassungswidrig, dass die Beklagte bei der Ermittlung des Bemessungsentgelts für die Alhi nicht Einmalzahlungen berücksichtigt habe. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 05.06.2003 (B 11 AL 67/02 R). Schließlich habe die Beklagte zu Recht bei der Ermittlung des Leistungsentgelts den Kirchensteuerhebesatz ausgesetzt. Dieser stelle einen gesetzlichen Entgeltabzug dar, der bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfalle. Auch ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.03.1994 (BSG SozR 3 – 4100 § 111 Nr. 6) könne unter Berücksichtigung der Lohn- und Einkommenssteuerstatistik 1998 des statistischen Bundesamtes noch nicht davon ausgegangen werden, dass der Anteil der kirchenlohnsteuerpflichtigen Arbeitnehmer/innen gegenüber dem Jahr 2001 auf unter 55 % gesunken sei. Es lägen noch keine neueren Statistiken hierzu vor. Schließlich stehe dem Kläger auch nur der Alhi-Leistungssatz in Höhe von 53 % zu, da er kinderlos sei. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass diese Differenzierung vorgenommen werde (vgl. BSG SozR 3 – 4100 § 111 Nr. 14).
Gegen das am 08.11.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.11.2003 eingelegte Berufung des Klägers. Er verbleibt zu deren Begründung bei seiner bisherigen Auffassung. Er ist darüber hinaus der Meinung, dass aus dem gleichen Grunde der Bewilligungsbescheid vom 22.04.2004 für den Bewilligungsabschnitt vom 14.05.2004 bis 31.12.2004 rechtswidrig sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.10.2003 abzuändern und die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2003 sowie des Bescheides vom 22.04.2004 zu verurteilen, ihm ab 14.05.2003 Arbeitslosenhilfe ohne Berücksichtigung des Kirchensteuerhebesatzes sowie nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 1.190,00 Euro nach einem Leistungssatz von 57 % zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil sowie den Bescheid vom 22.04.2004 für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den In- halt der vorbereitenden Schriftsätze sowie der Verwaltungsakte der Beklagten – Kundennummer: 381A006855 – und der Akten des Sozialgerichts Dortmund – Az.: S 30 AL 155/01 = L 12 AL 172/02 und S 30 AL 349/02 = L 9 AL 222/03 – Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung und die Klage gegen den Bescheid vom 22.04.2004 sind unbegründet.
Der genannte Bescheid ist entsprechend § 96 SGG aus prozessökonomischen Gründen Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn es handelt sich um den Alhi-Fortbewilligungsbescheid für den neuen Bewilligungsabschnitt ab 14.05.2004 bis 31.12.2004, der auf derselben Berechnungsgrundlage wie der Bescheid vom 15.04.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2003 beruht. Die im Klageverfahren gegen diese Bescheide zu entscheidenden Fragen wirken sich daher unmittelbar auch auf die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 14.05.2004 aus.
Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe im Wesentlichen ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung, die er nach eigener Urteilsbildung und Überprüfung für zutreffend erachtet, zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte die Höhe des Bemessungsentgelts auch für die Alhi zutreffend ausgehend von dem bei der L Brauerei erzielten und bereits der Bemessung des Alg zugrunde gelegten Arbeitsentgelts ermittelt hat. Eine fiktive Erhöhung unter (nur) Berücksichtigug einer behaupteten höheren Qualifikation und Ausrichtung an den Vermittlungsbemühungen der Beklagten kommt gemäß § 200 Abs. 2 SGB III nicht in Betracht, weil der Kläger aus Gründen, die in seiner Person liegen, nicht gehindert ist, das früher erzielte Arbeitsentgelt zu verdienen. Nur auf dieses ist daher weiterhin abzustellen (vgl. BSG SozR 4 – 4300 § 200 Nr. 1).
Die Beklagte hat ferner zutreffend die pauschale Anpassung der Alhi durch Berücksichtigung des vom Gesetzgeber vorgegebenen Anpassungsfaktors nach § 200 Abs. 3 SGB III (in der Fassung ab 01.01.2003 – Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I S. 4607) – durchgeführt. Sie ist nicht gesetzes- und verfassungswidrig (vgl. BSG SozR 3 – 4100 § 242 Nr. 1 und § 136 Nr. 10).
Soweit der Kläger eine Erhöhung der Alhi für die hier relevanten Bewilligungsabschnitte vom 14.05.2003 bis 31.12.2004 unter Hinweis auf seinen im Verfahren S 30 AL 155/01 = L 12 AL 172/02 LSG NRW am 16.07.2002 geschlos- senen Vergleich begehrt, kann dem nicht entsprochen werden. Denn dieser Vergleich bezieht sich lediglich auf die Leistungen des vorherigen Bewilligungsabschnitts vom 14.05.2001 bis 13.05.2002, nicht aber auf folgende Zeitabschnitte. Im Übrigen bezieht sich der Senat auf die Ausführungen des Sozialgerichts und stimmt diesen nach eigener Prüfung zu. Für die Anwendung einer Erhöhungspauschale von 10 % bei der Berechnung der Alhi zum Ausgleich früher gezahlter Einmalleistungen besteht im Gegensatz zum Alg keine Rechtsgrundlage. Die §§ 200 Abs. 1, 434 c Abs. 4 SGB III stehen dieser Forderung des Klägers bereits nach dem Wortlaut entgegen. Im Übrigen hat das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 05.06.2003 – B 11 AL 67/02 R – dargelegt, dass die fehlende Anordnung einer pauschalen Erhöhung des Bemessungsentgelts für die Alhi wegen Nichtberücksichtigung von Einmalleistungen aufgrund des steuerfinanzierten Charakters der Leistung und des damit verbundenen weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nicht verfassungswidrig ist. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Dem Kläger steht auch nicht der erhöhte Leistungssatz für Alhi von 57 % (§ 195 Satz 1 Nr. 1 SGB III) zu, da er kinderlos ist. Das Sozialgericht hat zu Recht auf die durch das Bundessozialgericht bestätigte Rechtmäßigkeit der Vorschrift hingewiesen (vgl. BSG SozR 3 – 4100 § 111 Nr. 4).
Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf Nichtberücksichtigung des Kirchensteuerhebesatzes als gewöhnlichen gesetzlichen Abzug (§§ 198 Satz 2 Nr. 4, 136 Abs. 2 Nr. 2 SGB III). Ergänzend zu den Ausführungen des Sozialgerichts weist der Senat insbesondere darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1994 (vgl. BSG SozR 3 – 4100 § 111 Nr. 6 = BVerfGE 90, 226, 238) dem Gesetzgeber ausgehend von der verfassungsmäßig zulässigen pauschalen Berücksichtigung der Kirchensteuer lediglich eine Beobachtungs- und Handlungsverpflichtung zur Einhaltung der Verfassungsmäßigkeit der pauschalen Berechnung auferlegt, nicht aber einen Zeitpunkt bestimmt hat, ab dem die Berücksichtigung der Kirchensteuer verfassungswidrig ist. Es handelt sich nämlich um einen Entwicklungsprozess, in welchem Umfang Kirchenmitglieder aus der Kirche austreten. Dieser ist nur im Nachhinein nachzuvollziehen, was den Gesetzgeber berechtigt, sich auf die Auswertung des statistischen Zahlenmaterials, das zur Verfügung steht, zu beschränken (vgl. BSG vom 25.06.2002 in BSG SozR 3 – 4300 § 136 Nr. 1) und sodann – für die Zukunft – eine Entscheidung zu treffen. Es ist daher unerheblich, dass die maßgeblichen jährlichen Zahlen nach einer erfolgten Erhebung noch nicht für die nächste Zeit vorliegen. Denn die vom Bundesverfassungsgericht auferlegte Handlungspflicht kann erst ausgelöst werden, wenn der Gesetzgeber aufgrund statistischer Erkenntnisse davon ausgehen muss, dass nicht mehr eine deutliche Mehrheit von Arbeitnehmern einer zur Erhebung von Kirchensteuer ermächtigten Kirche angehört. Er entspricht dieser Beobachtungs- und Handlungspflicht dann, wenn er den Eintritt eines verfassungswidrigen Zustands vermeidet. Dementsprechend hat der Gesetzgeber vorliegend gehandelt, indem er festgelegt hat, dass die Kirchensteuer ab 01.01.2005 nicht mehr als Pauschale zu berücksichtigen ist. Ausgehend von den (bisher nur vorliegenden) statistischen Zahlen des Jahres 2001, die noch eine deutliche Mehrheit von kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmern ausweisen, hat der Gesetzgeber bereits jetzt, ohne dass einzelstatistische Zahlen vorliegen, auf die Annahme reagiert, dass die Zahl der kirchensteuerpflichtigen Arbeitnehmer kontinuierlich über die Zeit bis 31.12.2004 soweit abnehmen wird, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Mehrheit unterschritten werden wird. Der Senat hält daher das regelmäßige weitere nachträgliche Feststellen des statistischen Ist-Zustands, der sich wiederum nur für die danach liegende Zeit nach Veröffentlichung auswirken kann, angesichts der Einräumung eines Handlungsspielraums sowie der seit 2001 zurückliegenden und bis Ende 2004 ausstehenden kurzen Zeit, in der eine Veränderung des Schwellenwertes eintreten könnte, nicht für geboten und ein Unterlassen durch vorzeitiges Reagieren nicht für rechtswidrig. Denn der Gesetzgeber hat in Abwägung der Interessen einer Massenverwaltung beim Einsatz von Pauschalierungen – wie derjenigen der Berücksichtigung von Kirchensteuern – bei allen Leistungsempfängern zur Leistungsbemessung mit deren Einzelinteressen die Vorgaben eines Handlungsspielraums durch das Bundesverfassungsgericht pflichtgemäß genutzt. Selbst wenn ein später erstelltes statistisches Zahlenmaterial ergeben sollte, dass der Grenzwert früher als zum 01.01.2005 unterschritten worden sein sollte, ist dies ein Umstand, den ein Arbeitsloser angesichts des Rechts zur Pauschalierung noch hinnehmen muss, da er in dieser kurzen Übergangszeit nicht unzumutbar in seinen Leistungsrechten eingeschränkt wird. Dies gilt umso mehr, als es sich bei der Berücksichtigung der Kirchensteuer als gewöhnliche gesetzliche Abgabe nur um eine Rechengröße handelt, nicht aber Gelder zugunsten der steuerberechtigten Kirchen tatsächlich fließen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Erstellt am: 30.07.2004
Zuletzt verändert am: 30.07.2004