Die Anhörungsrüge und die Gegenvorstellung der Antragsteller gegen den Beschluss des Senats vom 10.07.2015 werden zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die von dem Kläger erhobene Anhörungsrüge nach § 178a SGG ist zulässig. Gegen den Beschluss des Senats ist ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nach § 177 SGG nicht gegeben Die Rüge ist innerhalb der Zweiwochenfrist des 178a Abs. 2 Satz 1 SGG erhoben worden.
Die Rüge ist unbegründet.
Eine erfolgreiche Anhörungsrüge setzt nach § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG voraus, dass das Gericht den Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 GG und §§ 62, 128 Abs. 2 SGG soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen und Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen einbezogen wird (BSG, Beschluss vom 08.11.2006 – B 2 U 5/06). Das Gebot rechtlichen Gehörs erfordert, dass das Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht (Beschluss des Senats vom 26.06.2015 – L 7 AS 612/15 B RG; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.10.2010 – L 9 SO 309/10 B ER RG).
Der Senat hat den Anspruch der Antragsteller auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
Die Antragsteller rügen, der Umstand, dass sie Wohngeld beantragt haben, sei – obwohl entscheidungserheblich und vorgetragen – übergangen worden. Dies ist indes nicht der Fall. Der Senat hat die Antragsteller im angegriffenen Beschluss auf vorrangige Ansprüche auf Wohngeld und Kinderzuschlag hingewiesen und ausgeführt, dass es den Antragstellern zumutbar ist, "ggfs. gegenüber den zuständigen Trägern Vorschusszahlungen zu beantragen". Dies setzt notwendig eine Beantragung dieser Leistungen voraus.
Die Antragsteller sehen eine Verletzung des Gehörsanspruchs auch darin, dass der Senat die rechtlichen Ausführungen des Bevollmächtigten zum Zusammenhang zwischen Wohngeldbeantragung und Leistungsansprüchen gegen den Antragsgegner nicht zur Kenntnis genommen habe. Auch dies ist unzutreffend. Der Senat hat ausgeführt, dass es den Antragstellern zumutbar ist, vor Inanspruchnahme des Gegners vorrangige Leistungsansprüche zu verfolgen. Damit hat der Senat in Kenntnis der abweichenden Argumentation der Antragsteller zu dieser Rechtsfrage Stellung genommen.
Soweit die Antragsteller mit der Anhörungsrüge die Richtigkeit dieser Auffassung bezweifeln, den Antragsgegner für vorrangig leistungspflichtig halten und auf Erstattungsansprüche verweisen wollen, ist dies eine Rüge der inhaltlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung, die mit der Anhörungsrüge nicht mit Erfolg vorgebracht werden kann. Diese dient nicht der Fortsetzung der Auseinandersetzung nach einer unanfechtbaren Entscheidung, sondern nur der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs.
Dennoch sieht der Senat sich zu dem Hinweis veranlasst, dass der Bevollmächtigte der Antragsteller das Wesen des einstweiligen Rechtsschutzes verkennt. Eine Verpflichtung des Leistungsträgers im Wege der einstweiligen Anordnung darf nur erfolgen, wenn in Ansehung von Art. 19 Abs. 4 GG das Abwarten der Hauptsacheentscheidung unzumutbar wäre (Anordnungsgrund). Hieran fehlt es, wenn vorrangige Leistungsansprüche nicht effektiv geltend gemacht werden. Dies ist hier der Fall. Einen Antrag auf Kinderzuschlag nach § 6a BKGG haben die Antragsteller überhaupt erst auf Hinweis des Senats gestellt, obwohl der Kinderzuschlag – zusammen mit dem auf das Kind entfallenden Wohngeldanteil und dem Kindergeld – gerade dazu bestimmt ist, Hilfebedürftigkeit allein wegen der Betreuung des Kindes zu vermeiden. Einem Anspruch auf Wohngeld steht der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts – entgegen der Grundregel des § 8 Abs. 1 Satz 1 WoGG – nicht entgegen (§§ 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 8 Abs. 1 Satz 1 WoGG). Hierauf hat der Senat bereits im angefochtenen Beschluss hingewiesen. Die vom Kläger "hilfsweise" erhobene Gegenvorstellung ist unzulässig.
Bei der Gegenvorstellung handelt es sich um einen außergesetzlichen Rechtsbehelf, der auf die Überprüfung ergangener gerichtlicher Entscheidungen durch dieselbe Instanz und denselben Spruchkörper zielt, der sie erlassen hat (BGH, Beschluss vom 09.11.2010 – IX ZA 46/10). Zwar ist eine Gegenvorstellung auch nach Einführung der Anhörungsrüge durch Einfügung des § 178a in das SGG zum 01.01.2005 mit Anhörungsrügegesetz vom 09.12.2004 (BGBl. I, S. 3220) weiterhin zulässig (vgl. zur Statthaftigkeit der Gegenvorstellung BSG, Beschluss vom 25.02.2010 – B 11 AL 22/09 C – mit weiteren Rechtsprechungshinweisen). Eine Gegenvorstellung ist aber nur zulässig, wenn der Beschwerdeführer schlüssig geltend macht, dass ihm grobes prozessuales Unrecht durch die Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte oder des Willkürverbots nach Art. 3 GG zugefügt worden sei, das im Wege der richterlichen Selbstkontrolle beseitigt werden müsse (vgl. BSG, Beschlüsse vom 29.12.2005 – B 7a AL 292/05 B und vom 25.02.2010 – B 11 AL 22/09 C). Die Gegenvorstellung dient, wie die Anhörungsrüge, nicht der Überprüfung der Rechtsanwendung und damit der Fortführung des Verfahrens, sondern nur der Beseitigung groben prozessualen Unrechts.
Ungeachtet des Umstands, dass Prozesshandlungen grundsätzlich bedingungsfeindlich sind und deshalb nicht "hilfsweise" erfolgen können, haben die Antragsteller nicht einmal dargelegt, noch ist sonst ersichtlich, durch welche Handlung des Senats ihnen grobes prozessuales Unrecht widerfahren sein könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 178a Abs. 4 Satz 3, 177 SGG).
Erstellt am: 06.08.2015
Zuletzt verändert am: 06.08.2015