Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 06.10.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsmittel gegen eine in Bescheidform gefasste Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II.
Nach Nichtzustandekommen einer einvernehmlichen Eingliederungsvereinbarung verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid vom 29.08.2005 u.a., ab dem 01.09.2005 im Rahmen einer öffentlich geförderten Beschäftigung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung als Bibliotheksassistent bei der Stadt T im Stadtarchiv nachzugehen. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 01.09.2005 verschob die Antragsgegnerin den Beginn der Arbeitsgelegenheit auf den 15.09.2005. Mit Bescheid vom 12.09.2005 wies sie den Widerspruch des Antragstellers zurück.
Der Antragsteller hat zugleich mit der am 16.09.2005 erhobenen Klage den Antrag auf gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Im Gerichtsverfahren hat die Antragsgegnerin mit dem nach § 96 SGG erlassenen Änderungsbescheid vom 29.09.2005 die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes angeordnet und mit dem besonderen öffentlichen Interesse am Vollzug der Eingliederungsvereinbarung begründet, dem wichtige individuelle Gründe des Antragstellers nicht gegenüberstünden.
Mit Beschluss vom 06.10.2005, auf dessen weitere Begründung Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht das Rechtsschutzbegehren als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung angesehen und diesen abgelehnt.
Hiergegen hat der Antragsteller am 14.10.2005 Beschwerde eingelegt, mit der er rügt, die von ihm auszufüllende Stelle erfülle die Kriterien einer zusätzlichen Arbeitsgelegenheit deshalb nicht, weil der kommunale Träger an anderer Stelle Geld verschwende. Er sei trotz höchster Qualifikation und intensiver Bemühungen um eine Stelle seit Juni 1994 weiterhin ohne Beschäftigungsverhältnis. Die Zuweisungen der Tätigkeit sei eine Schikane, die seine Menschenwürde verletze. Seine Arbeitsbedingungen in der Tätigkeit seien ungünstiger als die festangestellter vergleichbarer Mitarbeiter.
Nach seinem erkennbaren Interesse beantragt der Antragsteller,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 06.10.2005 abzuändern und die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.09.2005 sowie des Änderungsbescheides vom 06.10.2005 wieder herzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde des Antragstellers zurückzuweisen.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen Auszüge aus der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Beschluss vom 17.10.2005) ist unbegründet.
Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage im Sinne von § 86b Abs. 1 SGG zu qualifizieren. Denn Widerspruch und Klage des Antragstellers hätten ohne die Anordnung des Sofortvollzuges nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG im Bescheid vom 06.10.2005 aufschiebende Wirkung. Wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, haben Widerspruch und Klage gegen einen Bescheid nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gemäß § 86a SGG aufschiebende Wirkung. Einer der in § 86a Abs. 2 Nrn. 1-4 SGG geregelten Ausnahmefälle liegt nicht vor. Die aufschiebende Wirkung entfällt nicht nach § 39 Nr. 1 SGB II. Hiernach haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet ( …) keine aufschiebende Wirkung. Denn mit der als Verwaltungsakte erlassenen Eingliederungsvereinbarung wird ein bestimmtes, die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (bei Befolgung) zunächst nicht beeinflussendes Verhalten des Leistungsempfängers gefordert (Eicher in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 39 Rnr. 16 m.w.N. zum vergleichbaren Fall der Zuweisung einer Arbeitsgelegenheit nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II).
Widerspruch und Klage des Antragstellers haben jedoch keine aufschiebende Wirkung (mehr), weil die Antragsgegnerin im Bescheid vom 06.10.2005 den Sofortvollzug ihrer Entscheidung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG angeordnet hat.
Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bleibt erfolglos, weil die formalen Voraussetzungen der Anordnung des Sofortvollzuges nach § 86a Nr. 5 SGG erfüllt sind und ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse bei einem Sofortvollzug des Verwaltungsaktes im Rahmen von § 86b Abs. 1 SGG nicht festzustellen ist.
Die Antragstellerin hat als den Verwaltungsakt erlassende und über den Widerspruch hiergegen entscheidende Stelle im Sinne von § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 06.10.2005 den Sofortvollzug angeordnet.
Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ist jedoch nicht wiederherzustellen, da ein das öffentliche Interesse an einem Sofortvollzug überwiegendes Interesse des Antragstellers nicht vorliegt und die mit der Beschwerdebegründung genannten Gesichtspunkte einen Erfolg in der Hauptsache nicht erwarten lassen.
Zur Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an einem Sofortvollzug der Entscheidung schließt sich der Senat der Argumentation des Sozialgerichts an und nimmt insoweit auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Ein das öffentliche Interesse überwiegendes Eigeninteresse des Antragstellers, von einer Beschäftigung als Bibliotheksassistent einstweilen oder auf Dauer verschont zu werden, ist weder dargetan noch aus dem Akteninhalt erkennbar. Insbesondere ergibt es sich nicht aus einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, die einen Erfolg in der Hauptsache erwarten ließe.
Die Antragsgegnerin hat vielmehr eine nach der hier alleine möglichen summarischen Prüfung rechtmäßige Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erlassen, nachdem keine Eingliederungsvereinbarung mit dem Antragsteller zustande gekommen war. In dieser Eingliederungsvereinbarung hat sie dem Antragsteller eine zusätzliche Arbeitsgelegenheit im Sinne von § 16 Abs. 3 SGB II zugewiesen. Nach dieser Norm sollen für erwerbsfähige Hilfebedürftige, die keine Arbeit finden können, Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden. Der Antragsteller gehört zu den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die – dies trägt der Antragsteller selbst vor – trotz langjähriger Bemühungen keine Arbeit finden können. In solchen Fällen können nach § 16 Abs. 3 Satz 2 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten geschaffen werden, wenn diese Tätigkeiten im öffentlichen Interesse liegen, als zusätzliche Arbeiten nicht als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gefördert werden und hierfür eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen bezahlt werden.
Diese Voraussetzungen sind gewahrt, denn die dem Antragsteller angebotene Mitwirkung bei der Einrichtung und Zugangsoptimierung einer öffentlichen Bibliothek liegt im öffentlichen Interesse.
Die dem Antragsteller angebotene Tätigkeit wird auch nicht als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach § 16 Abs. 1 SGB II gefördert. Bei der im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens alleine möglichen Prüfungsdichte spricht gegenwärtig auch nichts gegen die Annahme, dass es sich um eine zusätzliche Tätigkeit im Sinne der Vorschrift handelt. Nach ihrer Art sind Arbeiten (nur dann) nicht zusätzlich, wenn sie ohne Verzug oder innerhalb bestimmter Fristen durchzuführen sind oder üblicherweise ohne Verzug durchgeführt werden (Eicher in Eicher/Spellbrink, § 16 Rnr. 220). Die digitale Erfassung regionalgeschichtlicher Buchbestände gehört jedenfalls nicht zu diesen Tätigkeiten, die etwa als kommunale Pflichtaufgaben wahrzunehmen wären; eine Konkurrenz bzw. drohende Verdrängung von nicht geförderten Tätigkeiten im sog. ersten, erwerbswirtschaftlichen Arbeitsmarkt (zu diesem Kriterium: Eicher, a.a.O., Rnr. 226; Niewald in LPK-SGB II, § 16, Rnr. 21) liegt nach dem Charakter der Aufgabenerledigung ebensowenig nahe.
Unstreitig enthält der Antragsteller für die Arbeitsgelegenheit bei der Stadt T eine Mehraufwandsentschädigung von 1,30 EUR, deren Unangemessenheit sich nach dem Vortrag des Antragstellers nicht feststellen lässt. (Zur Bemessung der angemessenen Aufwandsentschädigung u.a. Eicher, a.a.O., § 16 Rnr. 230).
Die zugewiesene Tätigkeit ist dem Antragsteller auch nicht aus den mit seiner Beschwerde vorgebrachten Gründen unzumutbar. Mit seinem Hinweis auf seine akademische Qualifikation und Promotion, die gleichermaßen für die Verrichtung der angebotenen Tätigkeit nicht erforderlich seien, verkennt der Antragsteller, dass ihm als erwerbsfähigem Hilfsbedürftigem nach § 10 SGB II jede Arbeit zumutbar ist, solange Ausnahmegründe nach § 10 Abs. 1 Nrn. 1-5 SGB II nicht vorliegen. Hierbei ist eine Arbeit nicht allein deshalb unzumutbar, weil sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit des erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen entspricht, für die er ausgebildet ist oder die er ausgeübt hat (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 SGB II); und auch nicht deshalb, weil sie im Hinblick auf die Ausbildung des erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen als geringerwertig anzusehen ist (§ 10 Abs. 2 Nr. 2 SGB II).
Gründe für eine ausnahmsweise fehlende Zumutbarkeit nach § 10 Abs. 1 Nrn. 1-5 SGB II trägt der Antragsteller nicht vor. Insbesondere ergeben sich Gründe für eine Unzumutbarkeit nicht aus dem Umstand, dass reguläre Mitarbeiter der Stadt T zu anderen Bedingungen beschäftigt werden. Denn es fehlt schon deswegen an der fehlenden Vergleichbarkeit, weil nach § 16 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz zugewiesene Arbeiten kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts darstellen. Soweit der Antragsteller darauf hinweist, ihm stehe lediglich ein jährlicher Urlaubsanspruch von 24 Tagen anstelle der 30 Tage Urlaub bei regulären Mitarbeitern zu, ist auf § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II zu verweisen. Danach sind die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz entsprechend anzuwenden. Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt nach § 3 Abs. 1 des Bundesurlaubsgesetzes 24 Werktage.
Eine Verletzung oder auch nur Berührung der durch Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützten Menschenwürde des Antragstellers durch die Zuweisung der Tätigkeit als Bibliotheksassistent ist nicht erkennbar. Darüberhinaus bestehen auch keine überwiegenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache aus anderen Gründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.
Gegen diesen Beschluss ist eine Beschwerde an das Bundessozialgericht nach § 177 SGG nicht zulässig.
Erstellt am: 24.01.2006
Zuletzt verändert am: 24.01.2006