Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 22.05.2007 aufgehoben. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens ab dem 11.05.2007 bewilligt und Rechtsanwalt Dr. T aus B beigeordnet. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
1. Die Klägerin beantragte am 24.04.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 30.05.2006 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin sei aufgrund ihres Einkommens (§ 11 SGB II) nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Im Berechnungsbogenbescheid vom 30.05.2007 ist aufgeführt: "Die Berechnung der Leistung gilt für den Zeitraum vom 24.04.2006 bis 31.10.2006".
Den gegen den Bescheid vom 30.05.2006 gerichteten Widerspruch (vom 21.06.2006) nahm der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 13.07.2006 zurück.
2. Mit Schreiben vom 19.07.2006 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine Überprüfung des Bescheides vom 30.05.2006.
Mit Bescheid vom 28.08.2006 setzte die Beklagte die der Klägerin zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 24.04.2006 bis 31.07.2006 neu fest. Es ergab sich ein geringfügiger Zahlungsanspruch der Klägerin für diesen Leistungszeitraum. Grund für die Neufestsetzung war, dass bei Erlass des Bescheides vom 30.05.2006 von der Beklagten übersehen worden war, den Mehrbedarf für Alleinerziehende (§ 21 Abs. 3 SGB II) zu berücksichtigen.
Auf den (nicht begründeten) Widerspruch des Prozessbevollmächtigten der Klägerin entschied die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2006 folgendes: "Ihrem Widerspruch vom 04.09.2006 gegen den Bescheid der ARGE P vom 28.08.2006 gebe ich statt". Die Beklagte nahm eine erneute Neufestsetzung der Leistung für den Zeitraum April bis Juli 2006 vor und errechnete höhere Leistungen für die Klägerin. Der Grund für diese Neufestsetzung war offenbar, dass die Beklagte nunmehr davon ausging, D L gehöre nicht (mehr) zur Bedarfsgemeinschaft, weil er aufgrund seiner Ausbildung auf T nicht dem Haushalt der Klägerin angehöre (vgl. S. 2 des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2006.
3. Mit Schreiben vom 16.10.2006 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin eine Überprüfung des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2006 gemäß § 44 SGB X. Zur Begründung führte er aus, dass die Beklagte eine Nachzahlung lediglich bis Ende Juli 2006 gewährt habe. Der Klägerin habe jedoch auch für den Monat August 2006 Anspruch auf Leistungen.
4. Am 20.10.2006 erhob die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 28.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.09.2006. Er wies zur Begründung darauf hin, dass die Klage vorsorglich erhoben werde, weil die Beklagte über den Überprüfungsantrag vom 16.10.2006 noch nicht entschieden habe. Insofern – so der Prozessbevollmächtigte derr Klägerin – "mag die vorliegende Klage zugleich auch als Untätigkeitsklage mitgewertet werden" (Schriftsatz vom 19.01.2007, S. 2).
5. Mit Schriftsatz vom 08.05.2007 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Rahmen einer Klageerweiterung einen Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten (vom 21.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2007) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Mit Beschluss vom 22.05.2007 hat das SG den Rechtstreit insoweit abgetrennt und unter einem neuen Aktenzeichen geführt.
II.
Die Beschwerde der Klägerin, der das SG mit Beschluss vom 11.06.2007 nicht abgeholfen hat, ist zulässig und begründet.
Prozesskostenhilfe wird nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, nur gewährt, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
1. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Klägerin bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Zunächst ist das Ziel der von ihr erhobenen Klage zu ermitteln. Maßgeblich hierfür ist ihr Begehren (§ 123 SGG). Dieses ist – trotz der anwaltlichen Vertretung der Klägerin – durch Auslegung zu bestimmen.
a) Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Monat August 2006; seit dem 01.09.2006 bezieht die Klägerin nach eigenen Angaben eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Über dieses Begehren der Klägerin hat die Beklagte bislang nicht entschieden.
Mit Bescheid vom 30.05.2006 lehnte die Beklagte Leistungen für die Klägerin nach dem SGB II ab und dabei bezog sie sich ausdrücklich auf den Leistungszeitraum vom 24.04.2006 (Antragstellung) bis zum 30.10.2006. Dieser 6-monatige Zeitraum entspricht § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach die Leistungen jeweils für 6 Monate bewilligt werden sollen.
Auf den gemäß § 44 SGB X gestellten Überprüfungsantrag der Klägerin vom 19.07.2006 änderte die Beklagte den Bescheid vom 30.05.2006 mit Bescheid vom 28.08.2006 ab und bewilligte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 24.04.2006 bis zum 31.07.2006. Eine Entscheidung über den weiteren Leistungszeitraum vom 01.08.2006 bis zum 30.10.2006, der – wie erwähnt – ebenfalls Gegenstand des Bescheides vom 30.05.2006 war, traf die Beklagte nicht. Zwei Aktenvermerke vom 30.05.2006 und 28.08.2006 (Bl. 54 und 98 Verwaltungsakte) zeigen, dass die Beklagte irrigerweise offenbar davon ausging, zu einer Entscheidung nicht verpflichtet zu sein, weil die Klägerin für den Monat August 2006 Wohngeld erhalten habe. Ob dies materiell-rechtlich zutrifft, kann dahinstehen. Die Beklagte war und ist jedenfalls verpflichtet, das weitergehende Begehren der Antragstellerin hinsichtlich des Leistungszeitraums vom 01.08.2006 bis 30.10.2006 zu bescheiden. Denn der Überprüfungsantrag der Klägerin vom 19.07.2006 bezog sich auf den Bescheid vom 30.05.2006 insgesamt und ließ keine Einschränkung des Begehrens in zeitlicher Hinsicht erkennen.
Mit "Widerspruchsbescheid" vom 21.09.2006 stellte die Beklagte die Leistungen erneut fest. Entgegen ihrer Rechtsauffassung gab sie dem Widerspruch der Klägerin dabei nicht insgesamt statt, sondern nur zum Teil. Es handelt sich damit um einen Teilabhilfebescheid. Denn die Beklagte entschied mit dem "Widerspruchsbescheid" wiederum nur über den Zeitraum vom 24.04.2006 bis 31.07.2006.
b) Da die Beklagte über die von der Klägerin begehrten Leistungen für den Monat August 2006 (auf den sich die Klägerin mit ihrer Klage beschränkte), bislang nicht entschieden hat, entspricht die Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 1 SGG dem Begehren der Klägerin.
Diese Klage bietet hinreichend Aussicht auf Erfolg. Zwar war die Untätigkeitsklage anfangs unzulässig, weil die Klägerin sie vor Ablauf der sechsmonatigen Sperrfrist des § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben hat. Die Klage wird jedoch zulässig, wenn diese Frist während des Rechtsstreits ergebnislos verstreicht (BSGE 75, 56 (58); vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 88 RdNr. 5c). Das SG wird zu entscheiden haben, ob ein zureichender Grund dafür vorliegt, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist (§ 88 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Über dieses noch nicht beschiedene Begehren der Klägerin hat die Beklagte auch nicht konkludent – etwa durch die Abgabe von Erklärungen während des anhängigen Rechtsstreits – entschieden. Die Beklagte ist vielmehr der Auffassung, zu einer Entscheidung gerade nicht verpflichtet zu sein, weil – wie sie rechtsirrig meint – die Klägerin keinen entsprechenden Leistungsantrag für den Monat August 2006 gestellt habe.
2. Die Klägerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO), so dass ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren war. Der Senat hat den Antrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin auf Prozesskostenhilfe dahingehend ausgelegt, dass zugleich seine Beiordnung als Rechtsanwalt begehrt wird.
3. Der Senat regt am Rande an, dass die Klägerin ihren weiteren, mit Schreiben vom 16.10.2006 gestellten Antrag gemäß § 44 SGB X zurücknimmt. Der Überprüfungsantrag ist überflüssig, weil der Bescheid vom 28.08.2006 in der Gestalt des "Widerspruchsbescheides" (Teilabhilfebscheides) vom 21.09.2006, gegen den sich dieser erneute Überprüfungsantrag richtet, bereits Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits ist. Zur Erhebung einer weiteren Untätigkeitsklage besteht daher weder Anlass noch Notwendigkeit.
Die Beklagte wird aus den vorgenannten Gründen darüber zu entscheiden haben, ob der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Monat August 2006 zustehen. Sie wird dabei entsprechend der zuvor erwähnten Aktenvermerke vom 30.05.2006 und 28.08.2006 zu prüfen haben, ob der (möglicherweise bestehende) Bezug von Wohngeld im August 2006 einem Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II anspruchsvernichtend entgegensteht.
4. Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 18.10.2007
Zuletzt verändert am: 18.10.2007