Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 30.06.2017 gegen den Bescheid vom 22.06.2017 wird angeordnet. Der Antragsgegner erstattet die Kosten des Antragstellers. Dem Antragstellern wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T beigeordnet.
Gründe:
I. Der von dem Antragsteller schriftsätzlich gestellte Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 36.06.2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22.06.2017 anzuordnen,
ist zulässig und begründet.
Statthafter Rechtsbehelf für das von dem Antragsteller auch im Übrigen zulässig verfolgte Begehren ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Rechtsbehelfs gegen den Verwaltungsakt vom 31.05.2017 – Hausverbotsverfügung für die Zeit vom 22.06.2017 bis zum 31.12.2018 – gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.
Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Durch die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird der Antragsgegner grundsätzlich gehalten, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von der Vollziehung des Verwaltungsakts abzusehen.
Die angegriffene Entscheidung des Antragsgegners ist gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG aufgrund behördlicher Anordnung sofort vollziehbar.
Ein Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung und dem durch den Antragsgegner vertretenen Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers überwiegt. Bei der Interessenabwägung ist u. a. die nach summarischer Prüfung der Rechtslage zu bewertende Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 12c, m.w.N.; Berlit, info also 2005, S. 3, 6; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Auflage 2008, S. 92).
Dabei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber grundsätzlich die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet hat (§ 86a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SGG). Es besteht nur dann Anlass hiervon abzuweichen, wenn im Einzelfall gewichtige Argumente für eine Umkehr des gesetzgeberisch angenommenen Regelfalls sprechen, d. h. besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung in den Vordergrund treten lassen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 12i, m.w.N.).
Hat die Hauptsache offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheids kein öffentliches Interesse besteht. Bei einem als rechtmäßig zu beurteilenden Bescheid hingegen bedarf es noch eines besonderen Interesses am Vollzug schon vor Eintritt der Bestandskraft (vgl. § 86a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 5 SGG). Deshalb muss auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG formell und materiell rechtmäßig erfolgt sein (vgl. zu allem Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b, Rn. 12i).
Im vorliegenden Fall fällt die vorzunehmende Interessenabwägung unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 86a Abs. 1 SGG zu Gunsten des Antragstellers aus. Die Hausverbotsverfügung des Antragsgegners vom 22.06.2017 erscheint trotz der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausschließlich möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtswidrig. Damit ist ein Erfolg des Antragstellers im Widerspruchs- bzw. Klageverfahren überwiegend wahrscheinlich.
Rechtsgrundlage für das Hausverbot vom 22.06.2017 ist die Sachkompetenz des Antragsgegners zur Erfüllung der ihm übertragenen Verwaltungsaufgaben. Das Hausrecht ist notwendiger Annex dieser Sachkompetenz. Der Träger öffentlicher Gewalt, der die Erfüllung einer bestimmten Sachaufgabe im Rahmen der öffentlichen Verwaltung – wie hier der Antragsgegner – zugewiesen erhält, muss und kann selbst bestimmen, wem der Zutritt zum räumlichen Bereich zu gestatten und wem der Zutritt zu versagen ist, wenn eine ordnungsgemäße Tätigkeit im Rahmen des Widmungszwecks gefährdet oder gestört wird (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Oktober 1988 – 15 A 188/86 -, NWVBl. 1989, 91).
Zunächst setzt der Erlass eines Hausverbotes eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes voraus. Inwiefern der Dienstbetrieb betroffen sein kann, bestimmt sich nach dem Widmungszweck der jeweiligen Behörde oder öffentlichen Einrichtung. Sodann steht die Entscheidung, ob auf die nachhaltige Störung des Dienstbetriebes hin ein Hausverbot ausgesprochen und wie es gegebenenfalls ausgestaltet werden soll, im Ermessen des Inhabers des Hausrechts (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 19 B 1473/05 – NWVBl 2006, 101 = juris Rdnr. 11). Hierbei ist zum einen das Willkürverbot zu beachten, das heißt der Hausrechtsinhaber muss sich bei seiner Entscheidung von sachgerechten Erwägungen leiten lassen (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Oktober 1999 – 16 B 1677/99– juris Rdnr. 16). Zum anderen muss dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen werden (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 29. November 1989 – 6 TH 2982/89 – NJW 1990, 1250 = juris Rdnr. 4; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 20. September 1993 – 9 S 804/93 – juris Rdnr. 15; OVG Lüneburg, Beschluss vom 14. Juli 2010 – 2 ME 167/10 – NJW 2010, 2905 = juris Rdnr. 15).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist das bis zum 31.12.2018 befristete Hausverbot des Antragsgegners rechtswidrig.
Der Bescheid ist bereits formell rechtswidrig, denn er verstößt gegen § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X. Danach muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Hieran mangelt es.
Daneben ist der Bescheid auch in materieller Hinsicht rechtswidrig. Die oben genannten Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Der Widmungszweck eines Jobcenters (vgl. § 6d SGB II) besteht zum einen darin, wie jeder andere Leistungsträger seine Verpflichtungen nach Maßgabe der §§ 13 bis 16 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) in Bezug auf Aufklärung, Beratung, Auskunft und Antragstellung zu erfüllen. Zum anderen ist er verpflichtet, Leistungsberechtigte und sonstige Personen, die sich wegen einer Angelegenheit nach dem SGB II an ihn wenden, zu betreuen (ähnlich: OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 – juris Rdnr. 5). Diese Widmungszwecke setzen voraus, dass ein ordnungsgemäßer Geschäftsbetrieb des Jobcenters und insbesondere die Sicherheit der im Jobcenter tätigen Mitarbeiter sowie von Besuchern gewährleistet ist (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014, a. a. O.). Hierunter fällt auch der Antragssteller als Leistungsbezieher und in seiner Funktion als Beistand.
Eine Störung des Dienstbetriebes, der mit einem Hausverbot begegnet werden soll, kann gegenwärtig oder – in der Regel – zukünftig sein. In letzterem Fall muss mit einer Wiederholung der Störung oder bei einer Drohung mit der Verwirklichung des angedrohten Verhaltens zu rechnen sein. Eine Störung des Dienstbetriebs vermag die Kammer in der Fertigung von Lichtbildaufnahmen entgegen des Verbots des Antragsgegners zu erblicken. Die Gefahr einer Wiederholung ist dagegen nicht glaubhaft gemacht. Es gibt für die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, anzunehmen, dass der Antragssteller beabsichtigte, in der Zukunft weiterhin Lichtbildaufnahmen in den Geschäftsräumen des Antragsgegners zu tätigen.
Das Merkmal der Störung erfährt weiterhin eine Einschränkung dahingehend, dass die Störung nachhaltig sein muss (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2005 – 7 B 10104/05 – juris Rdnr. 9; Sächs. LSG, Beschluss vom 12. November 2010 – L 7 AS 593/10 B ER – NZS 2011, 353 f. = juris Rdnr. 19). Zum Teil wird auch formuliert, dass der Dienstbetrieb oder die Sicherheit von Mitarbeitern oder Besuchern in schwerem Maße beeinträchtigt sein muss (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014 – 15 B 69/14 –juris Rdnr. 5), oder dass es zu massiven Störungen gekommen sein muss (vgl. Müller, VR 2010, 152 [154]). Diese Einschränkung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Denn eine Behörde ist grundsätzlich verpflichtet, auch mit aus ihrer Sicht schwierigen Besuchern zurechtkommen und ihnen das ungehinderte Vortragen ihrer Anliegen zu ermöglichen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2005, a. a. O.; Sächs. LSG, Beschluss vom 12. November 2010, a. a. O.; OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Februar 2014, a. a. O.).
Wann eine nachhaltige Störung in diesem Sinne gegeben ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Eine nachhaltige Störung wurde in der Rechtsprechung zum Beispiel bejaht, wenn Bedienstete beleidigt wurden oder der Besucher in nicht hinnehmbarer Weise aggressiv reagierte (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 7. März 2005, a. a. O.; VG Bremen, Beschluss vom 26. März 2015 –2 V 50/15 – juris Rdnr. 16). Auch wenn ein Leistungsempfänger die Dienststelle und seine Fallmanagerin über das übliche Maß hinaus mit persönlichen Vorsprachen in Anspruch nimmt, weil er fordert, die Dienststelle täglich aufsuchen und telefonische Erstkontakte über die Telefonanlage der Dienststelle ausführen zu können, soll dies ein Hausverbot rechtfertigen (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 12. November 2010, a. a. O.). Demgegenüber reicht eine geringfügige und erstmalige Störung nicht aus (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 22. August 1994 – 9 S 732/92 – NVwZ-RR 1995, 88 = juris Rdnr. 29 [Überziehen der Nutzungszeit eines für eine Veranstaltung überlassenen Raumes einer Hochschule]).
Eine dergestalt nachhaltige Störung des Geschäftsbetriebs vermag die Kammer im Verhalten des Antragsstellers nicht zu erblicken. Der Antragssteller hat in der Wartezone des Antragsgegners nach seinem unwidersprochenen und unwiderlegbaren Sachvortrag eine Aufnahme von einem Vordruck des Antragsgegners gemacht. Dass er Aufnahmen von Mitarbeitern des Antragsgegners gefertigt hat, was das Persönlichkeitsrecht dieser Mitarbeiter verletzen könnte und deshalb seitens des Antragsgegners zu unterbinden wäre, oder dass er dies beabsichtigte, liegt nach dem Akteninhalt weder nahe, noch ist aus anderen Gründen ersichtlich. Damit verbleibt als Störung des Geschäftsbetriebs nur der einmalige Verstoß gegen das allgemeine Verbot von Lichtbildaufnahmen in den Räumen des Antragsgegners. Eine massive oder nachhaltige Störung des Geschäftsbetriebs, die eine mit den oben genannten Beispielen vergleichbare Qualität hätte, liegt hierin nicht.
Daneben hat der Antragssteller den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt. Das Hausverbot stellt sich nicht als das mildeste Mittel dar, um weitere Verstöße gegen das Verbot der Fertigung von Lichtbildaufnahmen zu verhindern. Insbesondere angesichts des erstmaligen Verstoßes des Antragsstellers gegen das Verbot von Lichtbildaufnahmen in den Räumlichkeiten des Antragsstellers wäre die Erteilung eines Hausverbots zuvor anzudrohen gewesen. Daneben erscheint auch die Dauer des ausgesprochenen Hausverbots unverhältnismäßig lang. Dabei verkennt die Kammer insgesamt nicht, dass das ausgesprochene Hausverbot dadurch abgemildert wird, dass es dem Antragssteller offen bleibt, seine persönlichen Anliegen als Leistungsempfänger nach telefonischer Terminabsprache mündlich oder schriftlich vorzutragen. Dennoch erscheint es der Kammer angesichts der einmaligen Störung des Dienstbetriebs nicht notwendig, den Antragssteller für mehr als 18 Monate vollständig von einer Tätigkeit als Beistand auszuschließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
II. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO.
Erstellt am: 27.11.2017
Zuletzt verändert am: 27.11.2017