Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.02.2000 abgeändert.
Hinsichtlich des Begehrens auf Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "B" wird dem Kläger ab Februar 2000 Prozesskostenhilfe ohne Kostenbeteiligung bewilligt und Rechtsanwalt L beigeordnet.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Klägers ist teilweise begründet.
Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet insoweit hinreichende Aussicht auf Erfolg, als der Kläger die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "B" begehrt. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg ist bereits dann anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Beweiserhebung von Amts wegen erforderlich ist und die Ermittlungen eine reale Möglichkeit eröffnen, dass sich die rechtserheblichen Tatsachen (hier: Gesundheitsstörung, deren funktionellen Auswirkungen die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung i.S.v. § 60 SchwbG begründen) nachweisen lassen. Die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "Notwendigkeit der ständigen Begleitung" (B) setzt nach Nr. 32 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AP) 1996, die rechtsnormähnliche Wirkung haben und für die Sozialgerichte im Regelfall bindend sind, voraus, dass ein Behinderter in Folge seiner Behinderung zur Vermeidung von Gefahren für sich oder andere bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen ist. Diese Notwendigkeit besteht nicht nur dann, wenn der Behinderte auf Grund von Gesundheitsstörungen öffentliche Verkehrsmittel nur mit Hilfe einer Begleitperson benutzen kann. Vielmehr reicht schon die gesteigerte Möglichkeit des Eintritts von Gefährdungen des Behinderten aus, wenn diese durch die Anwesenheit einer Begleitperson ausgeschlossen oder verringert werden können, um die Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "B" zu bejahen (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.10.1996, L 4 Vs 145/95; LSG Berlin, Urteil vom 19.11.1991, L 13 Vs 5/90). Die Gefahren müssen möglich, sie brauchen weder mit Sicherheit einzutreten noch wahrscheinlich sein (Rohr/Sträßer BVG, NA 32 der Anhaltspunkte, A 295). Nach Auswertung des Gutachtens von Dr. C und den Einlassungen des Klägers sind weitere Ermittlungen geboten, ob die Einschränkung der Geh- und Stehfähigkeit des Klägers als Folge der spastisch-ataktischen Gangstörung und der Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule sowie die Gangunsicherheit eine gesteigerte Möglichkeit für den Eintritt einer Gefährdung des Klägers beim Besteigen und/oder Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel begründen und ob diese Gefahren durch Benutzen von technischen Hilfsmitteln, z.B. Gehhilfen zu vermeiden sind. Die Erforderlichkeit zu weiteren Ermittlungen genügt, ungeachtet des Ergebnisses, eine hinreichende Erfolgsaussicht zu bejahen.
Soweit der Kläger die Feststellungen der gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "aussergewöhnliche Gehbehinderung" (aG) begehrt, besteht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach Auswertung der Akten sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Voraussetzung dieses Nachteilsausgleiches beim Kläger vorliegen. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Schwerbehinderten-Ausweisverordnung i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 14 Strassenverkehrsgesetz ist aussergewöhnlich gehbehindert, wer sich wegen der Schwere seines Leidens nur mit fremder Hilfe oder mit grosser Anstrengung ausserhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann. Hierzu zählen etwa Querschnittsgelähmte, Oberschenkelamputierte und Doppelunterschenkelamputierte (vgl. VV zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 StvO; Nr. 31 Abs. 3 S. 122 AP 1996). Zu dem im Einzelnen angesprochenen Personenkreis gehört der Kläger nicht. Er kann auch diesem Personenkreis nicht gleichgestellt werden. Maßgebend für die Gleichstellung ist nach gefestigter Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass die Fortbewegung wegen einer aussergewöhnlichen Gehbehinderung beim Gehen aufs Schwerste eingeschränkt oder ausgeschlossen sein muss. Dabei müssen die Auswirkungen der Gehstörung funktional in Hinblick auf die Fortbewegung des Personenkreises der Vergleichsgruppe vergleichbar sein. Entscheidend sind Art und Aussmaß der Behinderung im Hinblick auf den Schweregrad der Beeinträchtigung des Gehvermögens. Auf die Möglichkeit der prothetischen Versorgung zur Fortbewegung mit Hilfsmitteln (Rollstühlen) ist nicht abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.1997, 9 RVs 16/96 m.w.N.; Urteil vom 12.02.1997, 9 RVs 11/95). Diese Voraussetzungen sind beim Kläger nicht erfüllt. Nach den Feststellungen des Prof. Dr. C besteht beim Kläger zwar als Folge der spastisch-ataktischen Gangstörung eine deutliche Gehbehinderung, jedoch ist diese funktional nicht vergleichbar mit der Fortbewegung der Vergleichsgruppe, da eine eigenständige Fortbewegung des Klägers ohne zu Hilfenahme von technischen Hilfsmitteln, wie z.B. Gehhilfen, Rollstuhl, mit Bodenberührungsgefühl möglich ist. Der Kläger ist nach Einschätzung des Sachverständigen Dr. C und nach eigenen anamnestischen Angaben in der Lage, eine Gehstrecke von mehr als 200 Metern zurückzulegen (BSG, Beschluss vom 15.02.1995, 9 BH (Vs) 1/94).
Entgegen der Auffassung des Klägerbevollmächtigten ist zur Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage hinsichtlich des Nachteilsausgleiches "aG" nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung, am 24.11.1999, abzustellen. Vielmehr hat das Sozialgericht zu Recht auf die Rechts- und Beweislage nach Eingang des Gutachtens von Dr. C im Februar 2000 abgestellt. Für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist in der Regel der Erkenntnisstand des Prozess- oder Beschwerdegerichts zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe maßgebend. Aussnahmsweise ist auf die Rechts- und Beweislage zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuches abzustellen, wenn sich die gerichtliche Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch verzögert hat und zum Verzögerungszeitpunkt eine Änderung der zur Beurteilung der Erfolgsaussicht der erheblichen Verhältnisse zum Nachteil des Klägers eingetreten ist (LSG NW, Beschluss vom 25.06.1997, L 7 SV 3/97 m.w.N.). Die Entscheidungsreife eines Prozesskostenhilfegesuches ist gegeben, wenn der Kläger es schlüssig begründet hat, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die entsprechenden Belege vorgelegt worden sind, der Antragsgegner Gelegenheit gehabt hat, sich innerhalb einer angemessenen Frist zum Prozesskostenhilfegesuch zu äussern. Vorliegend ist das Prozesskostenhilfegesuch des Klägers frühestens mit Eingang des Prozesskostenhilfeantrages sowie Vorlage der vollständigen Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Sozialgericht am 29.02.2000 entscheidungsreif, also nach Eingang des Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Dr. C bei Gericht, gewesen.
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ausserstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, so dass Prozesskostenhilfe – ratenfrei – zu bewilligen ist. Der Kläger bezieht Sozialhilfe.
Der Beschluss ist unanfechtbar.
Erstellt am: 08.06.2007
Zuletzt verändert am: 08.06.2007