Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2000 aufgehoben. Außergerichtliche Kosten des Klägers werden nicht erstattet. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger Entschädigung wegen eines Unfalles verlangen kann, den er im Juni 1980 während seines Dienstes als Wehrpflichtiger der Nationalen Volksarmee (NVA) erlitten hat.
Der 1960 geborene Kläger leistete in der Zeit vom 01.11.1979 bis 01.10.1980 seinen Wehrdienst als Wehrpflichtiger in der NVA ab.
Am 19.06.1980 erlitt er als Folge eines Motorradunfalles eine Unterschenkelfraktur rechts mit nachfolgender Infektion unter Ausbildung einer chronischen Ostetitis. Das Wehrbezirkskommando Leipzig der NVA erkannte mit Bescheid vom 13.04.1982 beim Kläger eine komplette Unterschenkeltorsionsfraktur im medialen/distalen Drittel rechts als Dienstbeschädigung an. Gemäß § 220 Abs. 4 Arbeitsgesetzbuch gelte dieser Körper- bzw. Gesundheitsschaden als Folge eines Arbeitsunfalls bzw. einer Berufskrankheit. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) bewilligte mit Bescheid vom 15.04.1982 dem Kläger eine Invalidenrente ab 01.04.1982. Mit Bescheid vom 27.10.1982 gewährte der FDGB dem Kläger eine Unfallteilrente nach einem Körperschaden von 70 % und stellte das Ruhen der Invalidenrente fest. Durch Änderungsbescheid vom 06.06.1983 setzte der FDGB wegen einer zwischenzeitlich eingetretenen Besserung des Gehvermögens den Körperschaden mit Wirkung zum 01.07.1983 von 70 % auf 35 % herab und stellte das Wiederaufleben der Invalidenrente bei gleichzeitigem Ruhen der Unfallteilrente ab 01.07.1983 fest. Mit Wirkung zum 01.09.1984 fiel die Invalidenrente weg und lebte die Unfallteilrente nach einem Körperschaden von 35 % wieder auf (Bescheide vom 11.07.1984 und 16.07.1984). In einem weiteren Bescheid vom 01.06.1986 setzte der FDGB wegen einer Besserung der Unfallfolgen den Körperschaden auf 25 % herab, da die Fistel geschlossen und eine Sequesterbildung röntgenologisch nicht mehr nachweisbar sei. Am 18.11.1989 siedelte der Kläger in die Bundesrepublik über. Die Zahlung der Unfallrente wurde eingestellt.
Im September 1990 beantragte der Kläger bei der Verwaltungs- und Berufsgenossenschaft in Hamburg die Gewährung einer Versorgung wegen der Unfallfolgen. Diese leitete den Antrag an den Beklagten weiter. Der Beklagte veranlaßte eine gutachterliche Untersuchung des Klägers durch den Chirurgen Dr. K. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 10 %. Mit Bescheid vom 22.10.1992 erkannte der Beklagte beim Kläger als Schädigungsfolgen "ausgedehnte, zum Teil am Knochen verwachsene Narbenbildung am rechten Unterschenkel, nach mehrfach operativen Eingriffen wegen posttraumatischer Osteomyelitis,Narben am rechten Oberschenkel" ohne rentenberechtigende MdE an. Die Gewährung einer Rente lehnte er ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, bei seinem Antrag handele es sich nicht um einen Neuantrag, sondern er sei als Überleitungsantrag aufzufassen. Deshalb sei bei einer Entscheidung die von den ehemaligen DDR-Behörden festgestellte MdE von 25 % zugrundezulegen. Daraufhin leitete der Beklagte die Unterlagen an die Tiefbau-Berufsgenossenschaft (TBG) als möglichen zuständigen Unfallversicherungsträger für im Beitrittsgebiet bis zum 31.12.1991 eingetretene Arbeitsunfälle weiter. Die TBG zog die Unterlagen des FDGB über den Unfall des Klägers bei und vertrat nach Auswertung der Unterlagen die Auffassung, daß die Zuständigkeit der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung hinsichtlich der Ansprüche des Klägers gegeben sei. Anspruchsgrundlage könnten die Bestimmungen des Fremdrentengesetzes (FRG) und § 643 Reichsversicherungsordnung (RVO) sein. Die TBG übersandte sodann die Unterlagen an die Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung zur weiteren Bearbeitung. Diese vertrat gegenüber dem Beklagten die Ansicht, dass ein Anspruch des Klägers gegenüber der Unfallversicherung aus dem FRG nicht bestehe. Nach Auswertung der von der TBG beigezogenen Unterlagen durch den Versorgungsärztlichen Dienst wies der Beklagte am 26.09.1996 den Widerspruch als unbegründet zurück.
Mit der am 25.10.1996 vor dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf eingelegten Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt.
Er hat vorgetragen, er habe bis zur Übersiedlung 1989 eine Unfallrente nach einer MdE um 25 % bezogen. Der Eintritt einer Besserung der wehrdienstbedingten Gesundheitsstörungen sei nicht nachgewiesen. Die Feststellungen von Dr. K beruhten auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage, da diesem die ärztlichen Unterlagen aus den achtziger Jahren nicht zur Verfügung gestanden hätten.
Das SG hat die Akte der TBG und der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung beigezogen. Anschließend hat es ein Gutachten von dem Oberarzt der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik in D , Dr. K eingeholt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 26.11.1998 verwiesen.
Mit Urteil vom 27.11.2000 hat das SG Düsseldorf den Beklagten verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 20.10.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.1996 Rente nach einer MdE um 30 % zu zahlen.
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung einer Rente nach einer MdE um 30 % aus Art. 19 Satz 1 und 3 des Einigungsvertrages vom 31.08.2000 zu. Danach seien die Bescheide der Leistungsträger der ehemaligen DDR über den 02.10.1990 hinaus wirksam und bänden die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger. Der Kläger habe demnach Anspruch auf eine Rente, die einen Dauerschaden nach einer MdE um 25 % abdecke. Eine solche Rente sei nach dem BVG nach einer MdE um 30 % zu zahlen. Der weiterhin gültige Verwaltungsakt der ehemaligen DDR-Behörden, mit dem ein Dauerschaden von 25 % festgestellt worden sei, könne nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 11.05.1995, 2 RU 24/94) nur abgeändert werden, wenn die Voraussetzungen des § 45 oder 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) vorlägen. Eine Aufhebung nach § 45 sGB X komme wegen Ablaufes der Fristen nicht in Betracht. Es könne dahinstehen, ob die materiellen Voraussetzungen des § 48 SGB X im Falle des Klägers gegeben seien. Der Beklagte habe sich beim Erlaß des angefochtenen Bescheides nicht auf § 48 SGB X gestützt und auch nicht die erforderlichen verfahrensrechtlichen Vorschriften eingehalten. Die Auffassung des Beklagten, er sei zur Erstfeststellung berechtigt gewesen, weil der Unfall des Klägers nach DDR-Recht als Arbeitsunfall entschädigt worden sei, sei abwegig. Würde die Frage der wesentlichen Änderung bzw. Erstfestellung allein an der formalen Feststellung der DDR-Behörden, es handele sich um einen "Unfall", festgemacht werden, so wäre die Weiterzahlung der entsprechenden Rente in der Bundesrepublik Deutschland allein davon abhängig, welcher Leistungsträger hier in der Bundesrepublik zur Leistungserbringung zuständig wäre. An Verwaltungsakte des Unfallversicherungsträgers der DDR wäre nach Auffassung des Beklagten nur der hiesige Unfallversicherungsträger und nicht alle anderen Sozialversicherungsträger gebunden. Dies widerspreche dem Sinn und Zweck des Einigungsvertrages.
Gegen das am 03.01.2001 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 19.01.2001 Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen eingelegt.
Er ist der Auffassung, daß der Kläger nicht zu dem Personenkreis zähle, der durch Kapitel III Art. 19 des Einigungsvertrages geschützt werden sollte. Der aufgrund des Einigungsvertrages eingeführte § 84a BVG betreffe nur Berechtigte, die am 18.05.1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in den Beitrittsländern gehabt hätten. Der Kläger sei aber schon am 18.11.1989, also vor dem 19.05.1990 aus der DDR in das Altbundesgebiet übergesiedelt und habe am 18.09.1990, also noch vor dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages wie auch des übergeleiteten Bundesversorgungsgesetzes, einen Antrag auf Eingliederung in das Sozialsystem der Bundesrepublik gestellt. Daher könne der Kläger einen Versorgungsanspruch aus dem Einigungsvertrag nicht herleiten. Vielmehr beruhe der vom Versorgungsamt Düsseldorf anerkannte Anspruch auf der Annahme, da es sich bei dem Unfall des Klägers um eine Wehrdienstbeschädigung handele, für die nach Sinn und Zweck des Bundesversorgungsgesetzes Versorgung zu gewähren sei.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.11.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Es könne bei der Beurteilung, ob die Feststellungen der DDR- Behörden für die Behörden der Bundesrepublik bindend seien, nicht auf den Zeitpunkt seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik abgestellt werden.
Durch Art. 1 § 3 Satz 1 des 2. Gesetzes zur Modernisierung von Regierung und Verwaltung in Nordrhein-Westfalen (2. ModernG) ist das Landesversorgungsamt mit Wirkung zum 31.12.2000 aufgelöst worden. Die dem Landesversorgungsamt durch Gesetz und Rechtsverordnung übertragenen Aufgaben sind gemäß Art. 1 § 3 Satz 1 des 2. ModernG auf die Bezirksregierung Münster übertragen worden, die in der Abteilung 10 "Soziales und Arbeit, Landesversorgungsamt" (Rderl. des Innenministeriums vom 13.12.2000) wahrgenommen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt in der Gerichts- und Verwaltungsakte des Beklagten sowie den beigezogenen Akten der Tiefbau-Berufsgenossenschaft und der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte entscheiden.
Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Prozessvertretung des Beklagten i.S. d. § 71 Abs. 5 SGG sind gewahrt. Als Folge der Auflösung der bisherigen Landesoberbehörde "Landesversorgungsamt" ist ab 01.01.2001 der bisherige gesetzliche Vertreter des Beklagten ausgewechselt worden. Die Bezirksregierung Münster tritt nunmehr für das Land Nordrhein-Westfalen (NW) auf.
Diese Behörde erfüllt als die auf dem Gebiet des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts fachkundigste Stelle der Verwaltung des Landes – jedenfalls in der jetzigen Ausgestaltung (Einsatz der Bediensteten des bisherigen Landesversorgungsamts in der Abteilung 10 der Bezirksregierung) – die in § 71 Abs. 5 SGG statuierten Voraussetzungen für den gesetzlichen Vertreter des Landes NW in Angelegenheiten des Bundesversorgungsgesetzes unabhängig davon, ob die Auflösung des Landesversorgungsamtes und die Übertragung seiner Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster – wofür einiges spricht – gegen die bundesgesetzlichen Bestimmungen verstößt (LSG NW, Urteile vom 25.01.2001, L 7 V 54/99 u. L 7 SB 47/99, vom 30.01.2001, L 6 SB 100/99, vom 31.01.2001, L 10 VS 28/00).
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Das SG hat den Beklagten zu Unrecht zur Zahlung einer Rente nach einer MdE um 30 % verurteilt.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten kein Anspruch auf Gewährung einer Rente weder aus Gesetz noch aus Verwaltungsakt zu.
Gemäß § 89 Abs. 1 BVG kann mit Zustimmung des Bundesministers für Arbeit (BMA) ein Ausgleich gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen nach den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben. Voraussetzung für eine Ermessensleistung nach § 89 BVG ist, daß der Gesetzgeber besondere Einzelfälle oder auch Gruppen mit ihren Besonderheiten übersehen oder nicht vorausgesehen und/oder nicht genügend differenziert geregelt hat. § 89 BVG soll die Gewährung von Leistungen ermöglichen, wenn zwischen der konkreten Gesetzes anwendung und dem mit dem Recht der Kriegsopferversorgung angestrebten Ziel ein Mißverhältnis auftritt.
Nach § 82 Abs. 2 BVG kann Versorgung nach dem BVG an Vertriebene i. S. v. § 1 Bundesvertriebenengesetz, die Deutsche oder deutsche Volkszugehörige sind, gewährt werden, wenn sie nach dem 08.05.1945 in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht nach dem im Vertreibungsgebiet geltenden Vorschriften eine Schädigung i. S. d. § 1 Abs. 1 BVG erlitten haben. Der Kläger gehört nicht zu dem Personenkreis der Vertriebenen i. S. des Bundesvertriebenengesetzes. Der Bundesminister für Arbeit (BMA) hat im Einzelfall Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR Versorgung im Wege des Härteausgleiches nach § 89 BVG zuerkannt, wenn sie in Erfüllung ihrer gesetzlichen Wehrpflicht eine Schädigung erlitten und ihre Versorgungsansprüche wegen Flucht verloren haben (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1996, 9 RV 13/95; Urteil vom 04.02.1998, B 9 V 6/96 R). Ehemalige Wehrpflichtige der NVA, die vor dem 19.05.1990 in das (Alt-)Bundesgebiet übergesiedelt sind, können nach Zustimmung des BMA (RdSchr. des BMA vom 08.10.1991, VI a 1-52056, BArbl. 1991, 81) eine Versorgung nach § 82 Abs. 2 BVG i. V. m. § 89 Abs. 1 BVG erhalten, wenn keine Weiterzahlung der aus gleichen Ursachen gewährten Unfallrente durch die ehemalige NVA erfolgt.
Beim Kläger handelt es sich um einen ehemaligen Wehrpflichtigen der NVA. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 23.10.1992 bindend festgestellt, daß es sich bei der Gesundheitsstörung "ausgedehnte, zum Teil am Knochen verwachsene Narbenbildung am rechten Unterschenkel nach mehrfach operativen Eingriffen wegen posttrauma tischer Osteomyelitis, Narben am rechten Oberschenkel" um eine Schädigungsfolge i. S. d. § 1 BVG i. V. m. §§ 89 Abs. 1, 82 Abs. 2 BVG handelt. Eine Entschädigung für diese Gesundheitsstörungen hat der Kläger nach der Übersiedlung in das (Alt-)bundesgebiet im November 1989 nicht mehr erhalten. Die zuständigen Behörden der ehemaligen DDR haben die Zahlung der Unfallrente nach der Übersiedlung des Klägers eingestellt. Ein Anspruch auf Weitergewährung der von den ehemaligen DDR-Behörden bewilligten Unfallrente steht dem Kläger gegenüber Unfallversicherungsträgern nicht zu. In der DDR waren Dienstunfälle von Wehrpflichtigen Arbeitsunfällen gleichgestellt und wurden grundsätzlich aus der allgemeinen Sozialversicherung entschädigt. Die Unfallrenten in der ehemaligen DDR wurden mit Wirkung von 01.01.1992 durch das RÜG in das gesetzliche Unfallrecht nach der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw. des Sozialgesetzbuches Dritten Buches (SGB III) übergleitet. Nach § 1150 Abs. 2 RVO gelten Unfälle, die vor dem 01.01.1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle der Sozialversicherung waren, als Arbeitsunfälle i. S. der RVO. Diese Grundregel gilt dann nicht, wenn der Versorgungsberechtigte den vor dem 19.05.1990 aus der DDR in das (Alt-)Bundesgebiet verlegten gewöhnlichen Aufenthalt dort über den 31.12.1991 hinaus beibehalten hat (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2000, B 2 U 8/99 R). Da der Kläger vor dem 19.05.1990 in das (Alt-)Bundesgebiet übergesiedelt ist und dort seinen Wohnsitz über den 31.12.1991 beibehalten hat, ist sein Anspruch auf Unfallentschädigung gegenüber der allgemeinen Sozialversicherung der DDR nicht übergeleitet worden. Als ehemaliger Wehrpflichtiger kann er auch keinen Anspruch auf Unfallentschädigung aus den Bestimmungen des FRG ableiten (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2000, B 2 U 8/99 R; Urteil vom 25.10.1989, 2 RU 50/86). Ein Anspruch des Klägers auf Weitergewährung der Unfallrente als Folge der Bindungswirkung des Bewilligungsbescheides des FDGB vom 01.04.1986 gegenüber den Unfallversicherungsträgern als Schuldner wird von der unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung nicht angenommen (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2000, B 2 U 8/99 R; anders für Dienstbeschädigungsrenten von Berufs- und Zeitsoldaten, BSG, Urteil vom 18.11.1996, 4 RA 67/94; LSG NW, Urteil vom 03.12.1998, L 7 VS 27/98; Urteil vom 24.98.1998, L 10 (6) V 250/94). Da der Kläger kein Soldat der Bundeswehr und bei Inkrafttreten des SVG für das Beitrittsgebiet schon aus dem Wehrdienstverhältnis der ehemaligen NVA ausgeschieden war, ist ein Anspruch nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) ebenfalls nicht gegeben (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1996, 9 RV 13/95). Damit sind die Voraussetzungen für die Zustimmung des BMA zur Gewährung einer Versorgung im Wege des Härteausgleiches an den Kläger erfüllt.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Versorgung in Form der Heilbehandlung, nicht aber in Form der Gewährung einer Versorgungsgrundrente aus § 89 BVG zu.
Nach §§ 31, 33 BVG setzt ein Anspruch auf Versorgungsgrundrente das Vorliegen von Schädigungsfolgen mit einer MdE um mindestens 25 % voraus. Eine solche MdE bedingen die wehrdienstbedingten Schädigungsfolgen seit Antragstellung im September 1990 nicht. Dabei stützt sich der Senat auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. K. Das Gutachten ist in sich schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar begründet. Es beruht auf einer eingehenden klinischen Untersuchung des Klägers sowie kritischen Auswertung der beigezogenen Unterlagen. Es steht nicht im Widerspruch zu den übrigen beigezogenen ärztlichen Unterlagen. Insbesondere stimmt es mit den Vorgaben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AP) 1983 und 1996 überein, die normähnliche Wirkungen haben und von den Sozialgerichten wie untergesetzliche Normen anzuwenden sind. Die anerkannten Schädigungsfolgen "ausgedehnte, zum Teil am Knochen verwachsene Narbenbildung am rechten Unterschenkel nach mehrfach operativen Eingriffen wegen posttraumatischer Osteomyelitis, Narben am rechten Oberschenekl" bedingen nach den Erfahrungssätzen AP 1983 und 1996 allenfalls eine MdE um 10 %. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. K besteht als Folge des Unterschenkelbruches rechts beim Kläger eine ausgedehnte druckempfindliche Narbenplatte an der Vorderseite des rechten Unterschenkels, eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes (Heben/Senken 15/0/30 und Bewegungseinschränkung des unteren Sprunggelenkes um 2/3) und eine geringe Umfangsvermehrung im Bereich des rechten Knöchels. Die Feststellungen stimmen im wesentlichen überein mit den von Dr. K 1982 und Dr. S 1985 und 1986, deren Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, erhobenen Befunden überein. Dr. K und Dr. S berichten von einer knöchern ohne Achsabweichung fest konsilidierten Unterschenkelfraktur rechts mit flächenhafter Narbenbildung am rechten Unterschenkel, wobei die Narben zum Teil am Knochen verwachsen sind, die Haut pergamentartig und leicht verletzbar ist. Ebenso werden endgradige Bewegungseinschränkungen im oberen rechten Sprunggelenk (1985 15/0/45; 1986 4/0/50, 1992 15/0/40) beschrieben. Nach den AP 193 und 1996 (Nr. 26.17 S. 98, 126) können Narben durch Ausdehnung, Beschaffenheit, Sitz oder Einwirkung auf ihre Umgebung zu Störungen führen sowie flächen hafte Narben die Haut als Schutz-, Ausscheidungs- und Sinnesorgan beeinträchtigen. Da die Narben am rechten Unterschenkel ausgedehnt sind (u.a. ein Narbenareal von 18 x 7 cm Breite) und von allen begutachtenden Ärzten seit 1985 eine Druck- bzw. Stoßempfindlichkeit des Narbenareals, also eine Beeinträchtigung der Haut als Schutzorgan, beschrieben wird, ist die Narbenbildung am rechten Unterschenkel mit einer MdE um 10 % zu bewerten. Bei dieser MdE-Bewertung sind die unfallbedingten endgradigen Bewegungseinschränkungen im rechten oberen und unteren Sprunggelenk mit berücksichtigt. Eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk geringen Grades (Heben/Senken bis 0/0/30) und eine Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk verursachen nach den AP 1983 jeweils eine MdE von 0 bis 10 (Nr. 26.18 S. 17). Nach den AP 1996 bedingt eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk geringen Grades keine meßbare MdE, mittleren Grades (Heben/Senken 0/0/30) eine MdE um 10 % sowie eine Bewegungseinschränkung im unteren Sprunggelenk eine MdE um 0 bis 10 % (Nr.26.18 S. 153). Eine Bewegungseinschränkung im oberen rechten Sprunggelenk mittleren Grades i. S. v. Nr. 26.18 S. 153 AP 1996 hat der Sachverständige Dr. K beim Kläger nicht festgestellt.
Die Folgen der Osteomyelitis führen seit Antragstellung, d. h. im November 1990, nicht zu einer Erhöhung der MdE. Nach Nr. 26.18 S. 137 AP 1996 wird einer ruhenden Osteomyelitis (Inaktivität wenigstens 5 Jahre) eine MdE um 0 bis 10 % beigemessen. Dabei kann nach den AP 1983 und 1996 (Nr. 26.18 S. 100, 137) eine wesentliche Besserung wegen Beruhigung des Prozesses erst angenommen werden, wenn nach einem Leidensverlauf von mehreren Jahren seit wenigstens zwei Jahren keine Fistel mehr bestanden hat und auch aus den weiteren Befunden (einschließlich Röntgenbildern und Laborbefunden) keine Aktivitätszeichen mehr erkennbar gewesen sind. Seit der Untersuchung im Dezember 1985 durch Dr. S sind beim Kläger weder eine Fistel- oder Sequesterbildung noch andere sonstige Aktivitätszeichen feststellbar gewesen, so daß die unfallbedingte Osteomyelitis seit Antragstellung als ruhend zu bewerten ist und damit allenfalls eine MdE um 0 bis 10 % beizumessen ist. Zusammenfassend sind die Unfallfolgen am rechten Bein seit 1990 mit einer MdE um 10 % zu bewerten.
Da die Unfallfolgen keine MdE um 20 % bedingen, kann dahinstehen, ob die Härtefallregelung des § 89 BVG dahingehend verfassungskonform auszulegen ist, daß ehemalige Wehrpflichtige der NVA, deren Wehrdienstbeschädigung eine MdE um 20 % bedingen und die vor dem 19.05.1990 in das (Alt-)Bundesgebiet übergesiedelt sind und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt über den 31.12.1991 hinaus beibehalten haben, ein Anspruch auf Entschädigung in Form einer Rente im Wege des Härteausgleiches zusteht. Denn nur dieser Personenkreis aus der Gruppe der ehemaligen Soldaten der NVA unterfällt seit dem 19.05.1990 keinem Versorgungssystem der Bundesrepublik hinsichtlich des Bezuges einer Rente. Den ehemaligen Berufs- und Zeitsoldaten der NVA steht zumindest ab 01.01.1997 (Dienstbeschädigungsgesetz) wie auch den ehemaligen Wehrpflichtigen der NVA, die am 31.12.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet hatten, eine eigenständige Entschädigung für wehrdienstbedingte Gesundheitsschäden mit einer MdE um mindestens 20 % nach unterschiedlichen Berechnungsmethoden zu, falls sie von den DDR-Behörden eine Rente wegen einer Wehrdienstbeschädigung bei einem Körperschaden von 20 % bezogen haben. In der Zeit vom 18.05.1990 bis 31.12.1996 hat dieser Personenkreis die Leistungen für wehrdienstbedingte Gesundheitsschäden entweder aus Gesetz oder aus Verwaltungsakt (vgl. Urteil des BSG vom 18.07.1996, 4 RA 67/94 zur Bindungswirkung von DDR-Verwal tungsakten) bezogen. Ebenfalls haben ehemalige Wehrpflichtige, die vor dem 19.05.1990 in das (Alt-)Bundesgebiet übergesiedelt sind und einen wehrdienstbedingten Gesundheitsschaden mit einer MdE um mindestens 25 % haben, Anspruch auf Versorgung inne.
Ein Anspruch auf Gewährung einer Rente aus Vertrag steht dem Kläger gegenüber dem Beklagten nicht zu. Die Pflichten aus dem Rentenvertrag mit der Staatlichen Versicherung der DDR sind nicht auf den Beklagten übergegangen.
Ebenso kann der Kläger entgegen der Auffassung des SG Düsseldorf keinen Rentenanspruch aus Verwaltungsakt herleiten. Die Gewährung der Invalidenrente ist durch Bescheid vom 16.7.1984 durch die ehemaligen DDR-Behörden aufgehoben worden. Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Unfallrente als Folge der Bindungswirkung des Bewilligungsbescheides des FDGB gegenüber dem Unfallversicherungs träger als Schuldner, unabhängig von der materiell-rechtlichen Rechtslage, wird von der unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung nicht angenommen (vgl. BSG, Urteil vom 24.02.2000, B 2 U 8/99 R; anders für Dienstbeschädigungsrenten von Berufs- und Zeitsoldaten, BSG, Urteil vom 18.11.1996, 4 RA 67/94). Dies gilt auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Versorgungsrecht (vgl. BSG, Urteil vom 18.06.1996, 9 RV 13/95; vom 04.02.1998 B 9 V 6/96 R). Der 9. Senat des Bundessozialgerichts stellt bei der Beurteilung der Frage, ob einem ehemaligen Soldat der NVA ein Versorgungsanspruch gegenüber dem Beklagten zusteht ausschließlich auf die materiell-rechtliche Rechtslage ab; die Tatsache, daß die ehemaligen DDR-Behörden einem NVA-Soldat eine Rente wegen wehrdienstbedingter Gesundheitsschädigungen bewilligt hatten und diese nach Übersiedlung des Beschädigten in das (Alt-)Bundesgebiet vor dem 19.05.1990 ohne Aufhebung des Bewilligungsbescheides eingestellt haben, wird nicht als entscheidungserheblich angesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 SGG zugelassen.
Erstellt am: 14.08.2003
Zuletzt verändert am: 14.08.2003