Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Düsseldorf vom 11.07.2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 1.385,27 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Träger der Sozialhilfe den Ersatz weiterer Aufwendungen für die Gewährung von Leistungen zur Krankenbehandlung im Rahmen des § 264 Abs 7 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die Klägerin erbringt ua für nicht krankenversicherte Personen, die von dem Beklagten Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhalten, Leistungen zur Krankenbehandlung.
Mit Schreiben vom 29.04.2009 verlangte sie von dem Beklagten die Erstattung der Aufwendungen für das erste Quartal 2009. Hierbei berücksichtigte sie auch Leistungen zur Krankenbehandlung, die sie an verschiedene Empfänger von Sozialhilfe in dem Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2006 in Höhe von 1.168,86 Euro erbracht hatte. Zugleich beanspruchte sie einen Verwaltungskostenanteil in Höhe von 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen.
Unter dem 26.06.2009 erklärte der Beklagte, er werde von der vorgelegten Leistungsabrechnung einen Betrag von 1.227,31 Euro (Leistungsaufwendungen in Höhe von 1.168,86 Euro zzgl. eines hierauf entfallenden Verwaltungskostenanteils von 5 vom Hundert) in Abzug bringen. Zur Begründung berief er sich auf den – aus seiner Sicht jedenfalls analog anwendbaren – § 111 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit die Klägerin für einzelne Hilfeempfänger Leistungen zur Krankenhilfe in dem Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2006 erbrachten habe, unterlägen die insoweit abgerechneten Leistungen der Ausschlussfrist des § 111 SGB X. Dem Beklagten sei bewusst, dass die Leistungserbringung der Klägerin für die nach § 264 SGB V angemeldeten Hilfeempfänger im Rahmen eines gesetzliches Auftrags erfolge, weshalb gem § 93 SGB X auch die § 91 Abs 1 und 3 SGB X entsprechend Anwendung fänden. § 91 SGB X treffe jedoch keine Aussage, innerhalb welcher Frist der Erstattungsanspruch geltend zu machen sei, wann er verjähre oder, was bei zu Unrecht erfolgter Erstattung zu geschehen habe. Aufgrund der insoweit lückenhaften gesetzlichen Vorschriften seien die allgemeinen Regelungen der §§ 111 bis 113 SGB X analog anzuwenden, soweit nicht etwas anderes vereinbart worden sei.
Die Klägerin erwiderte hierzu mit Schreiben vom 03.07.2009, bei der Betreuung nach § 264 SGB V handele es sich um ein gesetzliches Auftragsverhältnis nach § 93 SGB X, auf das die Regelungen der §§ 102 ff SGB X keine Anwendung fänden. Die die auftragsweise Betreuung abschließend regelnde Bestimmung des § 264 SGB V enthalte weder Vorschriften zur Verjährung des Aufwendungsersatzanspruchs, noch sei dort eine Ausschlussfrist enthalten. Überhaupt stelle der Kostenersatzanspruch eines Trägers der Krankenversicherung gegenüber einem Träger der Sozialhilfe nach § 264 SGB V keinen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff SGB X dar.
Am 12.10.2009 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben und zur Begründung ihren vorprozessual vertretenen Standpunkt vertieft. Bei der Erstattung von Aufwendungen, die im Rahmen eines Auftragsverhältnisses gem §§ 88 ff SGB X erbracht würden, komme eine ergänzende Anwendung der allgemeinen Erstattungsregelungen, insbesondere der §§ 107 ff SGB X nicht in Betracht. Das gesetzliche Auftragsverhältnis stelle ein Sonderrechtsverhältnis dar, welches in § 91 SGB X eine abschließende Regelung erfahren habe. Dieses folge aus der differenzierten Ausgestaltung des gesetzlichen Auftragsverhältnisses einerseits und den Erstattungsregelungen nach den §§ 102 ff SGB X andererseits. Weder § 264 SGB V, noch das ebenfalls in sich geschlossene Regelwerk der §§ 88 ff SGB X ließen für eine Anwendung der §§ 107 ff SGB X Raum. Hinsichtlich der Verjährung sei auf die insoweit abschließenden § 45 Abs 1 SGB I, §§ 25, 27 SGB IV und § 113 SGB X zu verweisen.
Da sie für eine Empfängerin von Leistungen der Sozialhilfe im zweiten Quartal 2009 im Mai 2006 entstandene Aufwendungen für Arzneimittel in Höhe von 157,96 Euro zzgl. 5 vom Hundert Verwaltungskosten gegenüber dem Beklagten abgerechnet und von diesem nicht erhalten habe, erweiterte die Klägerin mit Schriftsatz vom 08.11.2010 die Klageforderung auf 1.385,27 Euro.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 1.385,27 Euro zu verurteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, § 264 SGB V sei nicht abschließend, sondern gerade im Hinblick auf Ausschlussfristen lückenhaft. § 91 SGB X stelle keine abschließende Regelung dar. Die Klägerin lasse bei dem Vergleich zwischen dem gesetzlichem Auftragsverhältnis einerseits und dem Erstattungsanspruch andererseits außer Acht, dass bei dem gesetzlichen Auftrag § 91 Abs 2 SGB X nicht zur Anwendung gelange. § 109 SGB X sei bei der Leistungserbringung nach § 264 SGB X deshalb nicht anwendbar, weil es eine speziellere Regelung gebe. Da hinsichtlich der Verjährung zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den Trägern der Sozialhilfe keine spezielle Abmachung getroffen worden sei, müsse auf allgemeine Regelungen zurückgegriffen werden. Auch unter dem Gesichtspunkt der für einen Sozialhilfeträger erforderlichen Planungssicherheit im jeweiligen Haushaltsjahr könne die Auffassung nicht überzeugen, dass in den Fällen vorliegender Art keine Verjährungsregelung zur Anwendung gelange. Dieses gelte umso mehr, als Kosten nach § 264 SGB V großen Schwankungen unterlägen. Ebenso wie der Bayerische Kommunale Prüfungsverband, der die von dem Beklagten vertretene Rechtsauffassung ausdrücklich teile, habe auch das Bundesausgleichsamt zur Frage der Erstattung nach § 276 Abs 1 und 3 Lastenausgleichsgesetz (LAG) – und damit zu vergleichbaren Leistungen – mitgeteilt, dass auch § 111 SGB X Anwendung finde.
Mit Urteil vom 11.11.2011 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Beklagten zur Zahlung von 1.385,27 Euro verurteilt. Anspruchsgrundlage für die zu Recht geltend gemachte Forderung sei § 264 Abs 7 SGB V. Nach dessen Satz 1 seien Krankenkassen die Aufwendungen, die durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach den § 264 Abs 2 bis 6 SGB V entstünden, von den für die Hilfe zuständigen Sozialhilfeträgern vierteljährlich zu erstatten. Als angemessene Verwaltungskosten einschließlich Personalaufwand seien bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt worden (§ 264 Abs 7 Satz 2 SGB V). Der Klägerin seien die in den Abrechnungen für das erste und zweite Quartal 2009 bezifferten Aufwendungen für die Krankenbehandlung von Personen, die von dem Beklagten Sozialhilfe erhalten hätten, unter Einschluss der Verwaltungskosten entstanden. Dies sei zwischen den Beteiligten unstreitig.
Der Aufwendungsersatzanspruch habe nicht innerhalb der Ausschlussfrist des § 111 SGB X geltend gemacht werden müssen. Der in § 264 Abs 7 SGB V geregelte Anspruch sei nicht nur anders ausgestaltet als die in §§ 102 ff SGB X geregelten Erstattungsansprüche; er sei auch anderer Art. Die Krankenversicherung erbringe die Krankenbehandlung von nicht gesetzlich krankenversicherten Sozialhilfeempfängern nach § 264 SGB V auf Grund gesetzlichen Auftrags iSd § 93 SGB X. Ohne die Spezialregelung des § 264 Abs 7 SGB V seien die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach den §§ 102 bis 105 SGB X nicht erfüllt, da die Krankenkassen die Krankenhilfe weder vorläufig, noch als unzuständiger Leistungsträger erbrächten, noch ihre Leistungsverpflichtung nachträglich entfalle. Ebenso wenig käme ein Erstattungsanspruch unter dem Gesichtspunkt einer nachrangigen Leistungsverpflichtung in Betracht. Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung seien vielmehr nach § 264 Abs 2 SGB V verpflichtet, die Krankenhilfe als eigene Leistung zu erbringen. Dem Wortlaut nach träfen weder § 264 SGB V noch § 93 SGB X zur Frage einer Ausschlussfrist eine eigene Regelung. Die Stellung der Nomen im Gesetz spreche jedoch gegen eine Anwendbarkeit des § 111 SGB X.
Einer Ausschlussfrist bedürfe es in einem gesetzlichen Auftragsverhältnis auch nicht. Soweit sich der Sozialleistungsträger regelmäßig der Krankenversicherung zur Erbringung der Leistung bediene, hätten beide Leistungsträger gleichermaßen ein Interesse an einer rechtzeitigen Abrechnung. Diesem Interesse werde durch die in § 264 Abs 7 SGB V normierten vierteljährlichen Erstattungsintervalle Rechnung getragen. Eine solche Regelmäßigkeit gebe es bei Erstattungsansprüchen nach den §§ 102 ff SGB X nicht, da solche von den betroffenen Leistungsträgern nicht turnusmäßig zu erwarten seien. Bei einem durch § 264 SGB V begründeten Dauerrechts(auftrags)verhältnis bestehe kein Schutzbedürfnis diesen Ausmaßes. Sofern der Beklagte vorbringe, er könne wegen der schwankenden Erstattungsbeträge nach § 267 Abs 7 SGB V nicht vorausschauend planen, sei er auf die Inanspruchnahme der in §§ 93, 89 Abs 3 bis 5 SGB X statuierten Mechanismen zu verweisen. Deren Wahrnehmung trage dem Interesse des Beklagten an Planungssicherheit ausreichend Rechnung.
Mit der vom Sozialgericht zugelassenen und am 06.12.2011 eingelegten Berufung wendet sich der Beklagte gegen die ihm am 17.11.2011 zugestellte Entscheidung. Das Urteil sei in rechtlicher Hinsicht widersprüchlich. Das Sozialgericht sei von einem anderen Sachverhalt ausgegangen als der Beklagte. So habe er nicht behauptet, dass ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen sei. Vielmehr sei es darum gegangen, dass die grundsätzlich erstattungsberechtigte Klägerin die zur Erstattung angefallenen Beträge nicht innerhalb eines Jahres angemeldet habe. Die Geltendmachung sei ein gesonderter Aspekt, wofür dann nach § 113 SGB X eine vierjährige Verjährung anzunehmen sei, wobei mangels rechtzeitiger Anmeldung die Frist iSd § 113 SGB X nicht habe zu laufen beginnen können.
Selbst wenn eine Ausschlussfrist nicht gesetzlich geregelt sei, wäre in den Fällen des § 264 SGB V zumindest von einer Vergleichbarkeit mit sonstigen sozialhilferechtlichen Konstellationen auszugehen, in denen ebenfalls – trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung – von einer Verfristung ausgegangen werde. Dieses zeige etwa § 74 SGB XII, bei dem ebenfalls nach einem gewissen Zeitablauf von einer Verfristung ausgegangen werde.
Vorliegend wiege besonders schwer, dass der Klägerin durch die Auftragserteilung über die Anmeldung der Hilfeempfänger nach § 264 SGB V bekannt gewesen sei, dass ein grundsätzlicher Erstattungsanspruch bestehe. Gerade bei zwischenzeitlich verstorbenen Hilfeempfängern sei die Vornahme einer zeitnahen Abrechnung eine Selbstverständlichkeit. Für den Sozialhilfeträger sei nicht zumutbar, auch Jahre nach dem Tod eines Hilfeempfängers nur deshalb noch mit der Abwicklung der Krankenhilfekosten beschäftigt zu werden, weil der Krankenversicherungsträger eine zeitnahe Abrechnung nicht vorgenommen habe. Dies sei auch mit Blick auf die gebotene Haushaltsplanung des Sozialhilfeträgers unbefriedigend. Soweit das Sozialgericht annehme, die Erbringung der Krankenhilfe im Rahmen des § 264 SGB V stelle eine eigene Leistung der Krankenversicherungsträger dar, sei ein Erstattungsanspruch ohnehin nicht gegeben.
Ebenso wenig stünden der Anwendbarkeit des § 111 SGB X systematische Erwägungen entgegen. Aus dem Umstand, dass Gesetzgeber § 111 SGB X außerhalb der Vorschriften über das Auftragsverhältnis (§§ 88 ff SGB X) in einem eigenen Titel des Dritten Kapitels des SGB X aufgenommen habe, lasse sich nichts herleiten. Folge man dieser Argumentation, wären im SGB XII etwa die §§ 102 ff SGB X nicht anwendbar, weil sie nicht in einem "Allgemeinen Teil" vorgelagert sind und sich in eigenem Kapitel befinden. Bei dem Hinweis, dem Interesse des Sozialhilfeträgers an einer rechtzeitigen Abrechnung werde durch die in § 264 Abs 7 SGB V geforderten vierteljährliche Abrechnungsintervalle Rechnung getragen, übersehe das Sozialgericht, dass jedenfalls die Klägerin diese Regelmäßigkeit ignoriere, wenn dort die Abrechnungsintervalle mehrere Jahre betragen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.11.2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Klägerin für die streitgegenständlichen Abrechnungen keine über die bereits geleisteten Beträge hinausgehende Kostenerstattung zusteht.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung wiederholt sie ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren und verweist ergänzend auf erstinstanzliche Entscheidungen des Sozialgerichts Hamburg (S 8 KR 839/08) und des Sozialgerichts Stuttgart (S 21 SO 3815/08).
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsatz vom 02.05.2012 und vom 07.05.2012 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beteiligten. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten gem §§ 124 Abs 2, 153 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die gem §§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 2, Abs 3 SGG kraft Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere gem § 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht Düsseldorf hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 1.385,27 Euro verurteilt.
I. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ist in Höhe von 1.385,27 Euro entstanden.
1. Anspruchsgrundlage für die mit der Klage verfolgte Erstattung der Aufwendungen zur Krankenbehandlung ist § 264 Abs 7 Satz 1 SGB V in der ab 01.01.2004 geltenden Fassung von Art 1 Nr 152 Gesundheitsmodernisierungsgesetz – GMG – vom 14.11.2003, (BGBl I 2190); mWv 01.01.2005 geändert durch Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl. I 3022). Hiernach werden die Aufwendungen, die den Krankenkassen durch die Übernahme der Krankenbehandlung nach § 264 Abs 2 bis 6 SGB V entstehen, von den für die Hilfe zuständigen Trägern der Sozialhilfe vierteljährlich erstattet. Die von der Klägerin erbrachten Aufwendungen für Krankenbehandlung von 1.319,30 Euro werden der Höhe nach von dem Beklagten nicht bestritten.
Der von der Klägerin beanspruchte Ersatz von Verwaltungsaufwendungen ist gem § 264 Abs 7 Satz 2 SGB V ebenfalls entstanden. Hiernach werden als angemessene Verwaltungsaufwendungen einschließlich Personalaufwand für den Personenkreis gem § 264 Abs 2 SGB V bis zu 5 vom Hundert der abgerechneten Leistungsaufwendungen festgelegt. Die – von dem Beklagten gleichfalls der Höhe nach nicht angefochtenen – Verwaltungsaufwendungen von 65,97 Euro übersteigen 5 vom Hundert der Leistungsaufwendungen von 1.319,30 EUR nicht.
2. Der Aufwendungsersatzanspruch ist nicht gem §§ 93, 91 Abs 1 Satz 2 SGB X ausgeschlossen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin Leistungen zur Krankenbehandlung ganz oder teilweise zu Unrecht erbracht hat und sie insoweit ein Verschulden trifft.
II. Der Anspruch auf Aufwendungsersatz ist nicht erloschen. Insbesondere kommt ein Anspruchsausschluss nach § 111 SGB X nicht in Betracht. Nach dessen Satz 1 ist ein Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, weshalb ein Erstattungsanspruch nach Ablauf nach Ablauf der Frist erlischt (BSG SozR 1300 § 111 Nr 8; BSG SozR 1300 § 111 Nr 1 und 4; Roller, in: von Wulffen (Hrsg.), SGB X (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz), 7. Aufl. 2010, § 111 Rn 16). Aufgrund dessen geht die von dem Beklagten in der Berufungsbegründung befürwortete Differenzierung zwischen dem Bestehen eines Erstattungsanspruchs als solchen und einer gesondert zu betrachtenden Geltendmachung des Erstattungsanspruchs an der Sache vorbei.
Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihrer Aufwendungen ist deshalb nicht gem § 111 SGB X erloschen, da diese Vorschrift bei der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruches eines Trägers der gesetzlichen Krankversicherung gegenüber einem Träger der Sozialhilfe im Rahmen des § 264 Abs 7 SGB V weder direkt, noch analog Anwendung findet.
1. Das BSG hat bereits entschieden, dass die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die Krankenbehandlung im Rahmen des § 264 Abs 2 SGB V im Rahmen eines gesetzlichen Auftragsverhältnisses iSd § 93 SGB X erbringen (SozR 4-2500 § 264 Nr 1). Dies folgt aus Wortlaut, Regelungszusammenhang, Entstehungsgeschichte und Zweck der Gesetzesbestimmungen. An dieser – auch in der Literatur vorwiegend vertretenen Auffassung (etwa Huck, in: Hauck/Noftz, SGB V, K 264 Rn 14; Marburger, WzS 2004, 289, 291; Baierl, in: jurisPK SGB V, 2. Aufl. 2012, Stand 01.04.2012 § 264 Rn 32; Böttiger, in: Wagner/Knittel, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Stand Januar 2012, § 264 Rn 97; Flint, in: Grube/Wahrendorf, Sozialhilfe, 3. Aufl. 2010 § 264 Rn 47) – hat das BSG mit Urteil vom 28.09.2010 ausdrücklich festgehalten (SozR 4-2500 § 264 Nr 3). Hiernach überträgt § 264 SGB V den Krankenkassen in Abstimmung mit dem SGB XII die den Sozialhilfeträgern dem Grunde nach obliegende Aufgabe, die den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechenden Leistungen zu gewähren (vgl § 48 SGB XII idF durch Art 1 Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I S 3022). Auf diese Weise wird nach § 264 Abs 2 SGB X die Krankenbehandlung der nicht versicherten Leistungsberechtigten nach dem SGB XII von der Krankenkasse "übernommen" (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 264 Nr 1).
2. Ob der Anspruch eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung auf Ersatz seiner Aufwendungen nach § 264 Abs 7 SGB V der materiell-rechtlichen Ausschlussfrist des § 111 SGB X unterworfen ist, hat das BSG bislang nicht beantwortet. Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei den für den Aufwendungsersatzanspruch nach § 264 Abs 7 SGB V maßgebenden Vorschriften über das gesetzliche Auftragsverhältnis gemäß §§ 93, 91 Abs 1 und 3 SGB X um ein in sich geschlossenes gesetzliches Regelungskonzept, das eine direkte oder analoge Anwendung des § 111 SGB X ausschließt.
a. Gegen eine Anwendbarkeit des § 111 SGB X sprechen bereits systematische Erwägungen. Der Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 111 SGB X außerhalb der Vorschriften über das Auftragsverhältnis (§§ 88 ff. SGB X) in dem die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander regelnden Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels SGB X im unmittelbaren Anschluss an die §§ 102 ff SGB X aufgenommen. Demgegenüber sind die Regelungen betreffend das Auftragsverhältnis (§§ 88 ff SGB X) innerhalb des Ersten Abschnitts des Dritten Kapitels enthalten, der im Zweiten Titel (§§ 87 bis 96 SGB X) die Zusammenarbeit der Leistungsträger untereinander regelt. Dass beide Regelungsabschnitte auch Vorschriften zum Ausgleich von Aufwendungen zwischen verschiedenen Leistungsträgern enthalten, stützt die Annahme, dass die das Auftragsverhältnis steuernden Bestimmungen (§§ 87 ff SGB X) einerseits und die Vorschriften zu etwaigen Erstattungsansprüchen der Leistungsträger untereinander (§§ 102 ff SGB X) andererseits in sich geschlossene Regelungskonzepte enthalten. Zudem legt diese äußere Normenstruktur nicht die Annahme nahe, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 111 SGB X auch auf Auftragsverhältnisse der vorliegenden Art ausdehnen wollte. Schließlich enthalten weder die §§ 93, 91 Abs 1 und 3 SGB X, noch der § 264 SGB V einen Verweis auf § 111 SGB X. Im Gegenteil ordnet § 93 SGB X für den – hier vorliegenden – gesetzlichen Auftrag nur punktuell die entsprechende Anwendbarkeit des § 89 Abs 3 und 5 SGB X sowie des § 93 Abs 1 und 3 SGB X an.
Soweit in der Literatur teilweise die Anwendbarkeit des § 111 SGB X auf den Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen im Rahmen eines gesetzlichen Auftrags damit begründet wird, der Gesetzgeber habe auch in anderem Zusammenhang für Erstattungsansprüche aus anderen Rechtsgründen – wie etwa im Rahmen des § 21 Bundesversorgungsgesetz (BVG) idF des KOV-Anpassungsgesetzes 1990 vom 26.06.1990 (BGBl I 1211) – die Regelungen der §§ 107 ff SGB X für anwendbar erklärt, weshalb (zumindest eine analoge) Anwendung der §§ 107 ff SGB X geboten sei (Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, § 91 Rn 3; zugunsten der Anwendbarkeit der §§ 110 bis 113 SGB X auch Seewald, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 91 SGB X Rn 5) ist dem entgegen zu halten, dass sich die in Rede stehende Norm des § 21 BVG maßgeblich dadurch von § 264 SGB V unterscheidet, als § 21 Satz 1 BVG einen expliziten Anwendungsbefehl auf die §§ 107 bis 114 SGB X enthält. Gerade hieran fehlt es sowohl in § 264 SGB V als auch in den §§ 93, 91 SGB X. Ebenso wenig trägt der Hinweis auf die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg (Urteil v 10.02.2005 – BeckRS 2005, 31056940). Diese Entscheidung erging vor dem normativen Hintergrund des § 2 Abs 3 Satz 3 SGB X, der die entsprechende Anwendung des § 102 Abs 2 SGB X anordnet und sich mithin seinem Wortlaut nach gleichfalls wesentlich von § 264 Abs 7 SGB V bzw. den §§ 93, 91 Abs 1 und 3 SGB X abhebt.
Für die Auffassung des Senats spricht schließlich die Entstehungsgeschichte des § 111 SGB X. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum Zweiten Abschnitt sollten die §§ 107 bis §§ 114 SGB X "generell für die im Sozialgesetzbuch geregelten Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander ( )" gelten (vor §§ 108 ff. SGB-E, BT-Drucks. 9/95 S 24). Dass diese Norm auch auf den – gesetzessystematisch den Erstattungsansprüchen der Leistungsträger untereinander vorgelagerten – Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 91 SGB X Anwendung finden sollte, lässt sich den Materialien hingegen nicht entnehmen.
Schließlich stützen teleologische Erwägungen diesen Befund. Die §§ 102 bis 114 SGB X regeln – jenseits der unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 102 bis 105 SGB X – den Ausgleich unter Leistungsträgern für den Fall, dass der Ausgleichsberechtigte im Verhältnis zum Ausgleichspflichtigen eine Sozialleistung zu Unrecht erbracht hat, auch wenn die Leistungsgewährung im Verhältnis zum Berechtigten ggf gem § 107 SGB X rechtswirksam ist (Eichenhofer in: Wannagat, SGB X Drittes Kapitel, § 91 SGB X/3 Rn 4). Ziel des durch die §§ 102 ff SGB X normativ gesteuerten Erstattungskonzepts ist also ein Ausgleich unter Leistungsträgern, falls die Aufwendung im Verhältnis zum anderen Leistungsträger ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Der Ausgleich unter Beteiligten eines Auftragsverhältnisses unterfällt folglich nicht den Regeln des Erstattungsrechts, da es infolge des gesetzlichen Auftragsverhältnisses an einem Rechtsgrund gerade nicht mangelt. Zwischen § 91 und den §§ 102 ff SGB X besteht demzufolge keine Konkurrenz im Sinne einer Spezialität, sondern der Konkurrenzmodus der Alternativität (Eichenhofer, aaO, Rn 4).
b. Ebenso scheidet eine analoge Anwendung des § 111 SGB X auf den hier in Rede stehenden Aufwendungsersatzanspruch nach den § 264 Abs 7 SGB V aus. Es mangelt bereits an der für die Annahme einer Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat für gesetzliche Auftragsverhältnisse in §§ 93, 91 Abs 1 und 3 SGB X ein abschließendes Konzept zur Erstattung von Aufwendungen entwickelt. Diese Vorschriften regeln – jedenfalls in Verbindung mit § 264 Abs 7 SGB V – in sich stimmig und abschließend Inhalt und Grenzen des Aufwendungsersatzanspruchs. Diese Regelungen enthalten insbesondere auch Mechanismen, die den Schutz des (gesetzlichen) Auftraggebers bezwecken. So bestimmt etwa § 91 Abs 1 Satz 3 SGB X, dass eine Erstattungspflicht nicht besteht, soweit Sozialleistungen zu Unrecht erbracht worden sind und dem Beauftragten hierfür ein Verschulden trifft. Zudem bestimmt § 264 Abs 7 Satz 1 SGB V, dass Aufwendungen zur Krankenbehandlung vierteljährlich zu erstatten sind. Auch diese zeitlichen Erstattungsintervalle stellen sicher, dass der erstattungspflichtige Auftraggeber nicht infolge erheblicher zeitlicher Abrechnungsverzögerung durch den Beauftragten zu einem späteren Zeitpunkt exorbitant hohen Ausgleichsforderungen ausgesetzt wird. Schließlich kann der Träger der Sozialhilfe bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine unwirtschaftliche Leistungserbringung von der jeweiligen Krankenkasse verlangen, die Angemessenheit der Aufwendungen zu prüfen und nachzuweisen (§ 264 Abs 7 Satz 3 SGB V). Da der Gesetzgeber bei dieser Regelungskonzeption erkennbar auch die Interessen des gesetzlichen Auftraggebers berücksichtigt und insoweit seinem Schutz dienende Vorschriften normiert hat, hätte es – sofern der Gesetzgeber einen noch weiterreichenden Schutz, insbesondere durch einen Anwendungsbefehl zugunsten des § 111 SGB X – nahe gelegen, dieses normativ zum Ausdruck zu bringen. Nach Überzeugung des Senats rechtfertigt dieses Normengefüge nicht, extra legem weitergehende Schutzmechanismen zu Gunsten des Beklagten zu statuieren. Dieses gilt namentlich auf für das von dem Beklagten reklamierte Interesse an einer haushaltsrechtlichen Planungssicherheit.
Ohnehin ist die Interessenlage bei der Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruchs gem § 264 Abs 7 SGB V mit derjenigen im Fall eines Erstattungsanspruchs gem §§ 102 ff SGB X nicht vergleichbar. Für Erstattungsverhältnisse iSd §§ 102 ff SGB X ist es vielfach typisch, dass der erstattungspflichtige Leistungsträger von der Leistungserbringung durch den anderen, erstattungsberechtigten Leistungsträger keine frühzeitige Kenntnis hat. Gerade in diesen Fällen dient das Erfordernis der Anmeldung eines Erstattungsanspruchs nach § 111 SGB X dem Schutz des erstattungspflichtigen Leistungsträgers, frühzeitig darüber Kenntnis zu erlangen, welche Ansprüche auf ihn zukommen und welche Rückstellungen zu bilden sind (BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 4). Hiermit ist die Situation in einem "Betreuungsfall" nach § 264 SGB V qualitativ schon deshalb nicht vergleichbar, da der zum Aufwendungsersatz verpflichtete Träger der Sozialhilfe durch seine Anmeldung des Betreuungsverhältnisses frühzeitig Kenntnis von dem Leistungsfall und der infolgedessen grundsätzlich bestehenden Ersatzpflicht erlangt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Der Senat hat die Revision gem § 160 Abs 2 Nr 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, da die Frage der Anwendbarkeit des § 111 SGB X im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruchs nach § 264 Abs 7 SGB V bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG) und entspricht der mit der Klage geltend gemachten Forderung.
Erstellt am: 21.08.2013
Zuletzt verändert am: 21.08.2013