Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Versagung der Gewährung vorläufigen Rechtschutzes und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 15.06.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im Oktober 2006 nahm die Antragstellerin ein Studium an der S-universität C auf, welches sie nach Beginn des vierten Fachsemesters im September 2008 ohne Abschluss abbrach. Am 04.02.2010 schloss sie mit dem Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum C GmbH einen Vertrag über die Ausbildung zur medizinisch technischen Radiologie-Assistentin ab. Die Ausbildung dauert drei Jahre und begann im Oktober 2010. Für diese Ausbildung wurden ihr Leistungen nach dem BAföG versagt, da der Abbruch der Ausbildung ohne wichtigen Grund erst nach Beginn des vierten Fachsemesters erfolgt sei (Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Beschluss vom 08.04.2011 – 15 K 4546/10 – und OVG NRW Beschluss vom 30.09.2011 – 12 E 493/11 – ).
Am 04.11.2011 beantragte sie beim Antragsgegner Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Der Antrag wurde abgelehnt, da ein Leistungsausschlussgrund nach § 7 Abs. 5 SGB II vorläge und die Voraussetzungen des § 27 Abs. 3 und 4 SGB II nicht gegeben seien (Bescheid vom 01.12.2011 i. d. Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2011). Hiergegen richtet sich die Klage vom 03.02.2012 (S 31 AS 473/12 SG Dortmund).
Am 30.05.2012 beantragte sie die Gewährung einstweiligen Rechtschutzes und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Da sie kein BAföG erhalte, könne die Ablehnung des Antrags nicht auf § 7 Abs. 5 SGB II gestützt werden.
Das Sozialgericht Dortmund hat sowohl die Gewährung vorläufigen Rechtschutzes als auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 15.06.2012 versagt. Der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderliche Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht. Für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II komme es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht darauf an, ob sie tatsächlich Leistungen nach dem BAföG beziehe, entscheidend sei, dass die Ausbildung, die sie durchlaufe, dem Grunde nach förderungsfähig sei. Damit gehöre sie zum anspruchsberechtigten Personenkreis von Leistungen nach dem BAföG. Es läge auch keine besondere Härte nach § 27 Abs. 4 Satz 2 SGB II vor, denn eine solche könne nicht schon angenommen werden, wenn die Antragstellerin ihre Ausbildung und den Lebensunterhalt selbst finanzieren oder gar die Ausbildung abbrechen müsse. Ein Härtefall könne z. B. erst angenommen werden, wenn jemand finanziell gesichert eine Ausbildung begonnen habe, die finanzielle Sicherung dann unvorhergesehen wegbreche und die Ausbildung kurz vor dem Abschluss stehe. Auch für einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft (KdU) nach § 27 Abs. 3 SGB II seien die Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs nicht gegeben, denn nach dieser Vorschrift komme ein Zuschuss nur in Betracht, wenn BAföG tatsächlich bezogen oder nur wegen Einkommensanrechnung nicht bezogen werde. Im Übrigen fehle es hierfür auch an einem Anordnungsgrund, da die Antragstellerin kostenfrei bei ihrer Schwester wohne und daher nicht davon auszugehen sei, dass sie obdachlos würde. Die gegenteilige eidesstattliche Versicherung ihrer Schwester halte die Kammer schlicht für unglaubhaft.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 20.06.2012 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 22.06.2012, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie habe zumindest Anspruch auf darlehensweise Leistungsgewährung. Sie erfülle die Voraussetzungen eines Härtefalls, in dem Leistungen nach dem SGB II gewährt werden könnten. Der Sinn des Leistungsausschlusses, die SGB-II-Leistungen von den finanziellen Lasten einer Ausbildungsförderung frei zu halten, sei vorliegend gerade nicht gegeben. Das SGB II habe in Anlehnung an das soziale Rechtsstaatsprinzip das Ziel der Sicherung des Existenzminimums arbeitsfähiger Hilfebedürftiger, das BAföG habe das Ziel, Hilfebedürftigen eine Ausbildung zu ermöglichen. Im Fall der Klägerin träte eine finanzielle Notlage ein, deren Abdeckung gerade der Sinn der SGB-II-Leistungen sei. Vorliegend solle kein ausbildungsbedingter Mehrbedarf, sondern allein der Grundbedarf abgedeckt werden. Im Übrigen seien die Leistungen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht zu bewilligen. Wenn die Klägerin nicht finanziell gefördert werde, müsse sie die Ausbildung abbrechen und sei in ihrer Berufsfreiheit nach Artikel 12 GG beeinträchtigt. Ein Grundrechtseingriff sei nicht gerechtfertigt. Es wäre sinnwidrig, wenn die Antragstellerin die Ausbildung abbrechen müsste, um Leistungen nach dem SGB II zu beziehen.
Der Antragsgegner hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Das Recht der Antragstellerin einen Beruf, Arbeitsplatz oder eine Ausbildungsstätte frei zu wählen, sei nicht beschränkt.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht es abgelehnt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch das Vorbringen der Antragstellerin zur Begründung ihrer Beschwerde führt zu keiner abweichenden Entscheidung. Die Antragstellerin verkennt Sinn und Zweck der Leistungen nach dem SGB II. Aufgabe des SGB II ist es allein, das Existenzminimum zu sichern. Sofern der Gesetzgeber hierfür u. a. als Tatbestandsvoraussetzung das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit voraussetzt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), handelt es sich dabei nicht nur um ein formales Kriterium. Hintergrund ist vielmehr, dass bei bestehender Erwerbsfähigkeit, an deren Vorliegen im Falle der Klägerin kein Zweifel besteht, auch jederzeit die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich ist, um aus dem Leistungsbezug auszuscheiden und den Lebensunterhalt aus eigener Kraft sicher stellen zu können. Diese Voraussetzung ist bei der Antragstellerin nicht gegeben, denn trotz bestehender Erwerbsfähigkeit könnte sie ihren Lebensunterhalt nicht durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sicher stellen, da sie durch ihre Ausbildung zur medizinisch technischen Radiologie-Assistentin zeitlich gebunden und somit an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Gerade dieser Umstand macht deutlich, dass die SGB-II-Leistungen vorliegend somit zweckwidrig dazu erbracht würden, um das Absolvieren einer Ausbildung zu fördern. Hierfür hat der Gesetzgeber jedoch andere Instrumentarien geschaffen (z. B. das BAföG) und gerade deshalb in § 7 Abs. 5 SGB II einen Leistungsausschlussgrund normiert. Würde man der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II bewilligen, würde sowohl der Zweck der SGB-II-Leistung unterlaufen als auch die Regelungen umgangen, nach denen entsprechend dem BAföG keine Leistungen mehr zu bewilligen sind.
Die Antragstellerin hat ausweislich der Aktenunterlagen nach dem vierten Fachsemester ein begonnenes Studium abgebrochen und damit nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 BAföG keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach diesem Gesetz. Hierbei handelt es sich um eine individuelle Gegebenheit, die für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II unbeachtlich ist (vgl. hierzu BSG Urteil vom 27.09.2011 – B 4 AS 145/10 R – bei Überschreiten der Förderungshöchstdauer), weil die sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 BAföG ergebende grundsätzliche Förderungsfähigkeit der Ausbildung der Klägerin dadurch nicht berührt wird. Hierin vermag der Senat auch keine besondere Härte zu erkennen, da sich in dieser Rechtsfolge nicht mehr als der gesetzgeberische Wille realisiert (vgl. zum Ganzen auch LSG NRW Beschluss vom 20.03.2012 – L 19 AS 363/12 B -).
Mit dem Antragsgegner geht der Senat davon aus, dass vorliegend verfassungsrechtliche Belange der Antragstellerin nicht betroffen sind, da sie in ihrer grundrechtlich geschützten Freiheit der Berufswahl und der -ausübung nach Artikel 12 GG nicht betroffen ist. Dessen ungeachtet wäre ein Eingriff in den Schutzbereich des Artikel 12 GG auch aus Gründen des Gemeinwohls hinzunehmen. Sowohl die Leistungen nach dem SGB II als auch nach dem BAföG werden aus Mitteln der Allgemeinheit, nämlich dem Steueraufkommen finanziert. Der Gesetzgeber hat daher aus Gemeinwohlgründen das Recht, die Inanspruchnahme der jeweiligen Leistungen einschränkend zu reglementieren und dem Interesse des Einzelnen eine untergeordnete Bedeutung beizumessen. Ein rechtswidriger Eingriff in ein Grundrecht ist damit nicht verbunden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Da dem Verfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg beschieden ist, war auch die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen (§§ 73a SGG, 114ff. Zivilprozessordnung (ZPO)).
Insoweit richtet sich die Kostenentscheidung nach §§ 73a SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.10.2012
Zuletzt verändert am: 09.10.2012