Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.09.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis zum 31.08.2017.
Die am 00.00.1981 geborene Klägerin zu 1), ihr am 00.00.2003 geborener Sohn, der Kläger zu 2), sowie ihre am 00.00.2004 geborene Tochter, die Klägerin zu 3), sind bulgarische Staatsangehörige. Der Vater des Klägers zu 2) und der Klägerin zu 3) verstarb am 24.08.2006. Die Klägerin zu 1) ist seit dem 14.08.2012 wiederverheiratet, aber getrennt lebend.
Die Klägerin zu1) übte in Bulgarien keine Erwerbstätigkeit aus und verfügt über keine berufliche Ausbildung. Sie bezog eine bis zum 02.03.2016 befristete bulgarische Invaliditätsrente. Die territoriale ärztliche Expertenkommission für psychische Krankheiten, Sofia-Stadt, stellte am 11.03.2013 bei der Klägerin zu 1) einen (kontinuierliche) paranoide Schizophrenie mit erheblicher psychischer Belastung fest, die eine 71% dauerhaft verminderte Arbeitsfähigkeit bedingte. Einen Untersuchungstermin in Bulgarien im Jahr 2016 betreffend die Fortbewilligung der Rente nahm die Klägerin zu 1) nicht wahr.
Die Kläger sind nach eigenen Angaben am 25.04.2013 in das Bundesgebiet eingereist. Als Grund für die Einreise gab die Klägerin zu 1) an, dass sie ein besseres Leben erwartet und sie Hilfe gebraucht habe, um sich behandeln zu lassen. Sie habe eine Arbeit suchen wollen und die Kinder sollten eine Schule besuchen können. Von ihrem Ehemann habe sie sich getrennt. Zum Zeitpunkt der Einreise habe ihre Schwester sich in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten, ihre Mutter sei später nachgekommen. Um ihren Lebensunterhalt zu sichern, sei sie von einer Unterstützung durch die Stadt oder den Staat ausgegangen. Bei der Klägerin zu 1) ist ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Sie wird wegen Epilepsie und Schizophrenie behandelt.
Am 18.06.2013 meldeten sich die Kläger unter der Adresse T-straße 0 bei der Stadt L an; als Tag des Einzugs in die vorbezeichnete Wohnung vermerkte die Meldebehörde den 25.04.2013. Die Wohnung bewohnten die Kläger zusammen mit der Schwester der Klägerin zu 1). Die Kläger zu 2) und 3) besuchen ab dem Jahr 2014 durchgehend die Schule.
Am 05.09.2013 beantragten die Kläger erstmals Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 20.09.2013 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Dagegen legten die Kläger Widerspruch ein. Der Beklagte zahlte im Jahr 2014 aufgrund beim Sozialgericht Köln rechtshängiger Klageverfahren sowie im Anschluss an ein von den Klägern geführtes Eilverfahren, S 25 AS 3709/13 ER, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Regelleistungen an die Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache aus.
Am 25.11.2014 teilte die Klägerin mit, dass sie seit dem 01.11.2014 einer geringfügigen Beschäftigung nachgehe. Sie legte einen Arbeitsvertrag vom 15.10.2014 vor, wonach sie ab dem 01.11.2014 bei dem Zeugen U als Verkäuferin eingestellt wird. Das Bruttoarbeitsentgelt betrage monatlich 250,00 Euro und werde jeweils am 15. des Folgemonats gezahlt. Die Arbeitszeit betrage ca. 8 Stunden wöchentlich. Der Mitteilung waren eine Meldebescheinigung zur Sozialversicherung sowie eine Entgeltbescheinigung für November 2014 beigefügt. Mit Bescheid vom 12.01.2015 bewilligte der Beklagte daraufhin den Klägern Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.11.2014 bis zum 31.03.2015. Mit Schreiben vom 01.02.2015 kündigte der Zeuge das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen zum 28.02.2015. Die Klägerin zu 1) reichte dem Beklagten Entgeltbescheinigungen für die Monate Dezember 2014, Januar 2015 und Februar 2015 ein.
Seit dem 03.03.2015 wohnen die Kläger nach einer Zwangsräumung aufgrund ordnungsbehördlicher Beschlagnahme und Einweisungen in einer Wohnung, C Straße 00, L. Die Wohnung wird nach Angaben der Klägerin zu 1) mit einem Holzofen beheizt. Das Warmwasser wird über einen Durchlauferhitzer erzeugt. Seit dem 03.03.2015 sind die Kläger in dieser Wohnung gemeldet. Die Stadt L erhebt von der Klägerin zu 1) eine Nutzungsentschädigung für die Wohnung in Höhe des Mietwertes. Mit Ordnungsverfügungen vom 29.11.2016 und 28.03.2017 erhob die Stadt L für die Zeit vom 01.03.2017 bis 31.05.2017 eine Nutzungsentschädigung i.H.v. insgesamt 285,00 Euro monatlich (205,00 Euro Grundmiete und 80,00 Euro Betriebskostenvorauszahlung) und für die Zeit vom 01.06.2017 bis 31.08.2017 i.H.v. 287,00 Euro monatlich (205 Euro Grundmiete und 82,00 Euro Betriebskosten-Vorauszahlung).
Mit Bescheid vom 12.03.2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 25.03.2015, 22.07.2015, 19.11.2015, 17.02.2016 und vom 04.03.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.04.2015 bis zum 29.02.2016 Grundsicherungsleistungen. Mit Bescheid vom 26.10.2015 hob der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.11.2015 auf. Den hiergegen eingelegten Widerspruch half der Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2015 ab. Mit Bescheid vom 17.02.2016 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 04.03.2016, 02.08.2016, 01.09.2016, 03.11.2016, 06.12.2016 und 13.12.2016 bewilligte der Beklagte den Klägern Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.03.2016 bis zum 28.02.2017.
Am 19.01.2017 beantragte die Klägerin zu 1) die Fortzahlung von Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab dem 01.03.2017. Als Einkommen gab sie Kindergeldzahlungen i.H.v. jeweils 190,00 Euro an, tatsächlich bezog sie Kindergeld jeweils 192,00 Euro. Die Klägerin zu 3) bezog eine bulgarische Waisenrente von umgerechnet monatlich 54,00 Euro.
Mit Bescheid vom 22.02.2017 lehnte der Beklagte den Antrag unter Berufung auf § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c SGB II ab. Hiergegen legte die Klägerin zu 1) durch anwaltliches Schreiben vom 09.03.2017 Widerspruch ein. Sie berief sich auf ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO 492/11 (EU). Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2c SGB II sei europarechts- und verfassungswidrig. Mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Bereits zuvor beantragten die Kläger die Gewährung von einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Köln, S 25 AS 1170/17 ER. Mit Beschluss vom 28.04.2017 verpflichtete das Sozialgericht Köln den Beklagten einstweilen dazu, den Klägern für die Zeit vom 22.03.2017 bis August 2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts monatlich in Höhe der gemäß Bescheid vom 14.12.2016 für den Monat Februar 2017 zuerkannten Leistungen zu zahlen, wobei Leistungen für Unterkunft (285,00) Euro nicht zu erbringen seien. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beklagten blieb erfolglos (LSG NRW, Beschluss vom 01.08.2017 – L 6 AS 860/17 B ER).
Der Beklagte bewilligte unter Verweis auf § 41a Abs. 1 SGB II mit Bescheid vom 19.05.2017 den Klägern vorläufig Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 22.03.2017 bis 31.08.2017 ohne Kosten der Unterkunft und Heizung. Der Beklagte berücksichtigte als Gesamtbedarf 1138,24 Euro (Regelbedarf 409,00 Euro + Mehrbedarf Alleinerziehung von 147,24 Euro für die Klägerin zu 1) + Regelbedarfe i.H.v. jeweils 291,00 Euro für die Kläger zu 2) und 3)). Als Einkommen berücksichtigte er bei der Klägerin zu 1) ein bulgarische Rente i.H.v. 70,00 Euro, beim Kläger zu 2) Kindergeld i.H.v. 192,00 Euro und bei der Klägerin zu 3) Kindergeld i.H.v. 192,00 Euro und eine bulgarische Waisenrente i.H.v. 54,00 Euro. Der Bescheid enthält eine Rechtsmittelbelehrung, die einen Widerspruch als zulässig ansieht. Ein Hinweis auf das Eilverfahren fehlt.
Mit Bescheid vom 31.08.2017 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin zu 1) auf Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen vom 16.06.2017 für die Zeit ab dem 01.09.2017 ab.
Gegen den Bescheid vom 22.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2017 haben die Kläger am 02.08.2017 Klage erhoben.
Zur Begründung haben die Kläger darauf verwiesen, dass sie über ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 402/2011 verfügen, da die Kläger zu 2) und 3) im streitigen Zeitraum weiterhin die Schule besuchten und die Klägerin zu 1) früher erwerbstätig gewesen sei. Zwar hätten sich die gesetzlichen Regelungen zum Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II dahingehend geändert, dass auch diejenigen von einem Leistungsausschluss erfasst seien, die ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 402/2011 ableiteten. Der Leistungsausschluss für Unionsbürger, die hierüber ein Aufenthaltsrecht ableiten könnten, sei aber weder mit Unionsrecht noch mit dem verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet noch mit Völkerrecht zu vereinbaren.
Die Kläger haben beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2017 zu verurteilen, ihnen Leistungen nachdem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis zum 31.08.2017 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden verwiesen.
Mit Urteil vom 06.09.2018 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 19.09.2018 zugestellte Urteil haben die Kläger am 24.09.2018 Berufung eingelegt.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 06.09.2018 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2017 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 19.05.2017 zu verurteilen, ihnen Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.03.2017 bis zum 31.08.2017 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat den Zeugen U vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsniederschrift vom 05.12.2017 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte des Beklagten sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Stadt L Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 22.02.2017 in der Fassung des Bescheides vom 19.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2017. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist der Bescheid vom 19.05.2017, mit welchem der Beklagte für den Zeitraum 22.03.2017 bis 31.08.2017 den Klägern vorläufig Grundsicherungsleistungen gewährt hat, nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Bei dem Bescheid vom 19.05.2017 handelt es sich nicht um einen sog. Ausführungsbescheid, mit dem der Beklagte allein dem Tenor der Regelungsanordnung vom 28.04.2017 im Verfahren S 25 AS 1170/17 ER entsprochen hat, sondern um einen Bescheid mit eigenständiger Regelungsfunktion, nämlich die Bewilligung von vorläufigen Leistungen gemäß § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II für die Zeit vom 22.03.2017 bis zum 31.08.2017. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts treffen sog. Ausführungsbescheide grundsätzlich keine Regelung i.S.d. § 31 S. 1 SGB X (vgl. BSG, Beschluss vom 18.09.2003 – B 9 V 82/02 B – m.w.N.), soweit die Behörde nur der im Urteil auferlegten Verpflichtung entspricht (vgl. Engelmann in von Wulffen/Engelmann, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 31 Rn. 30f m.w.N.). Etwas anderes gilt nur, wenn das Urteil für den Leistungsausspruch zu unbestimmt und zur Feststellung der Leistungsdauer und -höhe noch eine Konkretisierung durch eine Regelung i.S. eines Verwaltungsaktes erforderlich ist; insoweit hat der Ausführungsbescheid dann eine Regelungsfunktion, die ihm die Eigenschaft eines Verwaltungsaktes i.S. von § 31 SGB X verleiht (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 16/09 R; BSG, Beschluss vom 18.09.2003 – B 9 V 82/02 B – m.w.N.). Als Ausführungsbescheide gekennzeichnete Bescheide werden bei einem noch nicht rechtskräftigen Urteil weder gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens (vgl. Leitherer a.a.O., § 96 Rn. 4b unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts), noch erledigen sie den ursprünglichen Ablehnungsbescheid (teilweise) gemäß § 39 Abs. 2 SGB X. Sie sind vielmehr lediglich vorläufig bis zum Abschluss des Verfahrens durch eine rechtskräftige Entscheidung getroffen. Mit dem das Verfahren abschließenden Urteil verlieren alle Ausführungsbescheide ihre Wirkung, sodass der Beklagte neue Bescheide für den gesamten streitbefangenen Zeitraum erlassen müsste. Dies gilt nicht nur dann, wenn das vorinstanzliche Urteil im Ergebnis bestätigt und der Beklagte durch das Rechtsmittelgericht verpflichtet wird, die Neubescheidung an den von ihm vorgegebenen Maßstäben vorzunehmen, sondern unabhängig von Ausgang und vom Inhalt des das Verfahren abschließenden Urteils (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2015 – B 7a/7 AL 76/04 R – und Beschluss vom 18.09.2003 – B 9 V 82/02 B -). Dies gilt auch für Ausführungsbescheide, soweit die Behörde nur der in einer Regelungsanordnung auferlegten Verpflichtung entspricht (vgl. BSG, Urteile vom 20.04.2016 – B 8 SO 20/14 R, vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – und vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 20/06 R -; LSG NRW, Beschlüsse vom 26.04.2017 – L 19 AS 2128/16 und vom 23.11.2016 – L 20 SO 588/16 B; LSG NRW, Urteil vom 27.03.2014 – L 9 SO 497/11; LSG Bayern, Urteil vom 16.01.2013 – L 11 AS 583/10; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.03.2012 – L 12 AS 3569/11).
Bei dem Bescheid vom 19.05.2017 handelt es sich nicht um einen Ausführungsbescheid, mit dem der Beklagte den Beschluss des Sozialgerichts Köln im einstweiligen Rechtschutzverfahren umgesetzt hat, sondern der Beklagte hat den Klägern in diesem Bescheid vorläufig Leistungen für die Zeit vom 22.03.2017 bis zum 31.08.2017 bewilligt und diese Entscheidung ausdrücklich auf § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II gestützt. Dabei handelt es sich aber um Vorschriften des materiellen Rechts, auf die ein Bescheid, der eine vom Sozialgericht erlassene einstweilige Anordnung ausführt, nicht gestützt werden kann (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 26.04.2017 – L 19 AS 2128/16; LSG Hessen, Beschluss vom 22.02.2016 – L 9 AS 66/16 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 12.09.2013 – L 8 AS 378/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11.07.2008 – L 25 B 1174/08 AS ER). Dass der Beklagte diesen Bescheid nur in Ausführung des nach prozessrechtlichen Vorschriften (§ 86b Abs. 2 SGG) ergangenen Beschlusses des Sozialgerichts einstweilen zunächst bis zum 31.08.2017 erlassen hat, kann dem Bescheid auch nicht entnommen werden. Maßgeblich dafür, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist nicht, von welcher Vorstellung die Behörde bei seinem Erlass ausgegangen ist. Die Auslegung eines Verwaltungsakts ist ausgehend von seinem Verfügungssatz unter Heranziehung des in § 133 BGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedankens vorzunehmen, wonach es nicht auf den buchstäblich geäußerten, sondern auf den wirklichen Willen ankommt. Zur Ermittlung des wirklichen Willens sind dabei auch die zur Aufhellung des Inhalts der Verfügung beitragenden Umstände und Gesichtspunkte heranzuziehen, wenn sie dem Beteiligten bekannt sind und der Verwaltungsakt sich erkennbar auf sie bezieht (BSG, Urteile vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R m.w.N. und vom 20.03.2013 – B 5 R 16/12 R – m.w.N). Maßstab der Auslegung eines Verwaltungsaktes ist daher der "Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat" (BSG, Urteile vom 13.08.2014 – B 6 KA 38/13 R m.w.N. und vom 20.03.2013 – B 5 R 16/12 R).
Vom objektiven Empfängerhorizont aus betrachtet handelt es sich bei dem Bescheid vom 19.05.2017 nicht um einen bloßen Ausführungsbescheid. Vielmehr liegt eine vorläufige Entscheidung i.S.v. § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II vor, die die von ihm ausgehende anspruchsbegründende Wirkung in aller Regel erst dann verliert, wenn er durch einen endgültigen Bescheid ersetzt wird und sich auf diese Weise erledigt. Denn im Tenor des Bescheides heißt es, dass auf den Antrag vom 19.01.2017 der Klägerin zu 1) und den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft unter Berücksichtigung der nachgewiesenen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin vorläufig Leistungen bewilligt würden. Dabei hat der Beklagte in der Begründung ausdrücklich die Rechtsgrundlagen der vorläufigen Entscheidung – § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II – aufgeführt. Ferner enthält der Bescheid Erläuterungen, die allein auf den eine vorläufige Entscheidung zugeschnitten sind und erkennen lassen, dass beabsichtigt ist, den Bescheid durch einen endgültigen Bescheid zu ersetzen, wenn über den Antrag der Klägerin zu 1) endgültig entschieden werden kann und der Anspruch der Kläger von dem im Bescheid bewilligten Leistungen abweicht. Auch enthält der Bescheid eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die Kläger Widerspruch einlegen können. Ein Hinweis darauf, dass der Bescheid in Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts Köln ergeht, ist an keiner Stelle erkennbar. Daher konnte aus der Sicht eines objektiven Bescheidempfängers nicht geschlossen werden, dass hier ein bloßer Ausführungsbescheid erlassen worden ist. Damit hat der Bescheid vom 19.05.2017 den Bescheid vom 22.02.2017 teilweise abgeändert und ist damit nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden.
Der streitige Zeitraum wird durch den Bescheid vom 31.08.2017, mit dem der Beklagte den Antrag der Klägerin zu 1) auf Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen vom 16.06.2017 für die Zeit ab dem 01.09.2017 abgelehnt hat, auf den 31.08.2017 prozessual begrenzt (BSG, Urteil vom 24.05.2017 – B 14 AS 16/16 R). Dieser Bescheid ist nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG geworden.
Die im Bescheid vom 19.05.2017 vorläufig bewilligten Grundsicherungsleistungen gelten gemäß § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II nach Ablauf der Jahresfrist als abschließend festgesetzt, so dass der Anspruch der Kläger auf Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.03.2017 bis 21.03.2017 in voller Höhe sowie für die Zeit vom 22.03.2017 bis 31.08.2017 hinsichtlich eines höheren Regelbedarfs, einschließlich eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II, sowie der Bedarfe nach § 22 SGB II streitig ist.
Die Kläger verfolgen ihr Begehren auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 1. Alt. SGG i.V.m. § 56 SGG.
Das Sozialgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen.
Die Kläger sind nicht beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Kläger haben im Zeitraum von 01.03.2017 bis 31.08.2017 keinen weitergehenden Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II als bewilligt. Denn die Klägerin zu 1) ist vom Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Die beiden minderjährigen Kinder – der Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) – bildeten mit der Klägerin zu 1) im streitigen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II. Die Klägerin zu 1) erfüllte in diesem Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II. Sie hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (Nr. 1), und hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (Nr. 4). Sie war hilfebedürftig i.S.v. §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 9 SGB II, da sie ihren Bedarf weder durch Einkommen oder durch Vermögen decken konnte. Dahinstehen kann, ob die Klägerin zu 1) i.S.v. § § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II erwerbsfähig war.
Jedenfalls waren die Klägerin zu 1) und ihre beiden Kinder als Familienangehörige im streitigen Zeitraum vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Sie waren von dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II (i.d.F. des Gesetzes vom. 22.12.2016, BGBl I 3155 mit Wirkung zum 29.12.2016) erfasst. Hiernach sind Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, a) die kein Aufenthaltsrecht haben, b) deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt oder c) die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union ableiten (ABl. L 141 vom 27.05.2011, S. 1, geändert durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.04.2016, S. 1). Abweichend von Satz 2 Nr. 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach dem SGB II, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben (§ 7 Abs. 1 S. 4 Halbs. 1 SGB II).
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II findet auf die Klägerin zu 1) Anwendung. Sie konnte sich im streitigen Zeitraum nicht auf einen Aufenthalt von fünf Jahren in Deutschland berufen (§ 7 Abs. 1 S. 4 SGB II), da sie erst im April 2013 in Deutschland eingereist war und melderechtlich erfasst wurde.
Die Kläger waren nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) und b) SGB II von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Denn die Klägerin zu 1) verfügte allenfalls nur über ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU und davon abgeleitet ein Aufenthaltsrecht der beiden Kinder als Familienangehörige nach § 3 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, aufgrund dessen sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 b) SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen waren. Ein anderes Aufenthaltsrecht aus §§ 2 Abs. 2, 3, 4, 4a FreizügG/EU oder nach den Bestimmungen der RL 2004/38/EG – bis auf ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU – bestand für sie nicht. In der streitigen Zeit übte die Klägerin zu 1) keine (abhängige oder selbständige) Tätigkeit aus (§ 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FreizügG/EU, Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) RL 2004/38/EG). Sie hielt sich nicht zum Zweck in Deutschland auf, Dienstleistungen zu erbringen oder in Anspruch zu nehmen (§ 2 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 FreizügG/EU). Sie verfügte nicht über ausreichende Existenzmittel, um ihren Lebensunterhalt und Krankenversicherungsschutz selbst zu decken (§§ 2 Abs. 2 Nr. 5, 4 FreizügG/EU, Art. 7 Abs. 1 Buchst. c) RL 2004/38/EG). Die Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht lagen für die erstmals im April 2013 in Deutschland eingereisten Kläger ebenfalls nicht vor (§§ 2 Abs. 2 Nr. 7, 4a FreizügG/EU, Art. 16 RL 2004/38/EG).
Die Klägerin zu 1) konnte sich für den streitigen Zeitraum auch nicht auf ein nachwirkendes Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 FreizügG/EU berufen. Sie war zuletzt vom 01.11.2014 bis 28.02.2015 als Verkäuferin beschäftigt. Selbst wenn die Beschäftigung der Klägerin zu 1) eine Arbeitnehmereigenschaft i.S.v. Art. 45 AEUV vermittelte (siehe dazu unten), wirkte dieses Aufenthaltsrecht nicht fort. Auf die Fortwirkung des Aufenthaltsrechts als Arbeitnehmer wegen unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einem Jahr Tätigkeit nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 FreizügG/EU konnte sich die Klägerin zu 1) nicht berufen. Vielmehr würde für sie lediglich die Regelung des § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU gelten, wonach die durch eine Erwerbstätigkeit erworbene Arbeitnehmereigenschaft i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU bei unfreiwilliger und durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit nach weniger als einem Jahr Beschäftigung nur während der Dauer von sechs Monaten fortwirkt und nur solange ein Aufenthaltsrecht vermittelt. Die Sechs-Monats-Frist des § 2 Abs. 3 S. 2 FreizügG/EU liefe zum 28.08.2015 ab.
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Aufenthaltsrechts der Kläger aus § 11 Abs. 1 S. 11 FreizügG/EU i.V.m. Bestimmungen des AufenthG sind nicht ersichtlich und ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag der Kläger.
Der Senat lässt offen, ob die Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitsuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU für die Zeit ab dem 01.06.2017 vorgelegen haben. Denn auch ein solches Aufenthaltsrecht wird vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2b SGB II erfasst.
Die Kläger zu 2) und 3) verfügten auch nicht über ein materielles Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU i.V.m. Art. 10 VO (EU) 492/2011 (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11.09.2019 – 1 C 48/18), das zwar den Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 c) SGB II auslöst, nach Auffassung des Senats aber europarechtswidrig ist (Vorlageentscheidung an den EuGH vom 14.02.2019 – L 19 AS 1104/18). Danach können die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Art. 10 VO (EU) 492/11 verleiht den Kindern eines Arbeitnehmers ein eigenes Recht auf Zugang zum Unterricht an einer allgemeinbildenden Schule und damit ein autonomes, d.h. nicht vom Aufenthaltsrecht ihrer Eltern abhängiges, eigenständiges Aufenthaltsrecht. Dieses Recht hängt weder von der Rechtsstellung als Kind, dem Unterhalt gewährt wird, noch von dem Recht der Eltern auf Aufenthalt im Aufnahmestaat ab. Es gilt für Kinder von Arbeitnehmern wie auch für die Kinder ehemaliger Arbeitnehmer. Art. 10 VO (EU) 492/11 verlangt nur, dass das Kind mit seinen Eltern oder einem Elternteil in der Zeit in einem Mitgliedstaat lebt, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. 09.2019 – 1 C 48/18 m.w.N.). Soweit und solange die regelmäßig minderjährigen Kinder eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers für die Wahrnehmung ihrer Ausbildungsrechte aus Art. 10 VO (EU) 492/11 weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge des Elternteils bedürfen, um ihre Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können, besteht darüber hinaus in gleicher Weise für die Eltern bzw. den Elternteil, die bzw. der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt aus Art 10 VO (EU) 492/11. Ohne Belang ist, ob der die elterliche Sorge tatsächlich wahrnehmende Elternteil nicht (mehr) (Wander)Arbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat ist (vgl. EuGH, Urteile vom 30.06.2016 – C-115/15 und vom 08.05.2013 – C-529/11). Das Aufenthaltsrecht für den tatsächlich die elterliche Sorge ausübenden Elternteil, dessen Kind sich auf Art. 10 VO (EU) 492/11 berufen kann, besteht auch dann, wenn dieser Elternteil nicht über ausreichende Existenzmittel oder einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt (EuGH, Urteile vom 23.02.2010 – C-310/08 und C-480/08). Zusammen mit dem in Ausbildung befindlichen Kind hat der sorgeberechtigte Elternteil daher ein von diesem abgeleitetes Aufenthaltsrecht, das ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU begründet (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. 09.2019 – 1 C 48/18 m.w.N.).
Vorliegend waren der Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) nicht Kinder einer ehemaligen (Wander-)Arbeitnehmerin. Die von ihrer Mutter, der Klägerin zu 1), ausgeübte abhängige Erwerbstätigkeit in der Zeit vom 01.11.2014 bis 28.02.2015 entsprach nicht den Anforderungen an eine Tätigkeit als Arbeitnehmerin i.S.v. Art. 45 AEUV.
Der Begriff des Arbeitnehmers in § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist europarechtlich geprägt. Arbeitnehmer nach Art. 45 AUEV ist jeder, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, wobei Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Dies ist gestützt auf objektive Kriterien und in einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen, festzustellen (EuGH, Urteile vom 6.11.2003 – C-413/01 und vom 21.02.2013 -C-46/12). Um Arbeitnehmer zu sein, muss die betreffende Person während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Für die Gesamtbewertung der Ausübung einer Tätigkeit als Beschäftigung und damit die Zuweisung des Arbeitnehmerstatus ist Bezug zu nehmen insbesondere auf die Arbeitszeit, den Inhalt der Tätigkeit, eine Weisungsgebundenheit, den wirtschaftlichen Wert der erbrachten Leistung, die Vergütung als Gegenleistung für die Tätigkeit, den Arbeitsvertrag und dessen Regelungen sowie die Beschäftigungsdauer (EuGH, Urteile vom 19.07.2017 – C – 143/16 m.w.N. und vom 04.02.2010 – C-14/09 – ; vgl. zusammenfassend: BSG, Urteile vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R und vom 12.09.2018 – B 14 AS 18/17 R).
Der Senat kommt unter Abwägung der Gesamtumstände und dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass die Beschäftigung der Klägerin zu 1) bei dem Zeugen U vom 01.11.2014 bis 28.02.2015 keine Arbeitnehmereigenschaft i.S.d. Art. 45 AEUV begründete. Diese Tätigkeit ist als völlig untergeordnet und unwesentlich einzustufen (vgl. zum Arbeitnehmerbegriff: EuGH, Urteil vom 19.07.2017 – C-143/16, m.w.N.). Der Senat hat hierbei berücksichtigt, dass die Klägerin zu 1) und der Zeuge zwar einen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen haben, die Klägerin zu 1) einen Bruttoarbeitslohn von monatlich 250,00 Euro hatte, wobei schon augenfällig ist, dass die im Arbeitsvertrag vereinbarte Arbeitszeit von ca. acht Stunden wöchentlich von der Angabe des Zeugen im Termin über eine Arbeitszeit von 15 Stunden monatlich abweicht. Der Zeuge hat die Klägerin zu 1) auch im Vollzug des Arbeitsvertrages bei der Minijob-Zentrale der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See angemeldet. Aus der Aussage des Zeugen U ergibt sich jedoch das Bild, dass der Zeuge die Klägerin zu 1) nur vergönnungsweise beschäftigt hat, es sich damit nicht um eine echte und tatsächliche Tätigkeit gehandelt hat. Der Zeuge hat bekundet, dass die Klägerin unzuverlässig gewesen und unregelmäßig zur Arbeit erschienen sei. Manchmal habe sie eine Woche lang gefehlt. Er habe das Arbeitsverhältnis nach einem Monat kündigen wollen. Da er helfen wollte, habe er auf Bitten der Klägerin zu 1) sie noch weiter beschäftigt. Sowohl die Art der Tätigkeit als auch die Durchführung der Tätigkeit durch die Klägerin zu 1) sprechen für eine Tätigkeit von völlig unwesentlicher Bedeutung.
Da der Senat die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin zu 1) verneint, kann dahinstehen, ob die Berufung der Klägerin zu 1) auf ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO 492/11 (EU) rechtsmißbräuchlich ist (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 12.03.2014 – C-456/12; LSG Hessen, Beschluss vom 09.10.2019 – L 4 SO 160/19 B ER; VGH Bayern, Beschlüsse vom 09.07.2019 – 10 CS 19.1165 und vom 27.11.2018 – 10 CS 18.2180; OVG NRW, Beschluss vom 28.03.2017 – 18 B 274/17; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 20.09.2016 – 7 B 10406/16), falls angenommen wird, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 1) für den Zeugen eine Arbeitnehmereigenschaft begründete.
Die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) und b) SGB II sind europarechtskonform (vgl. EuGH, Urteile vom 20.05.2014- C-333/13, vom 15.09.2015 – C-67/14 und vom 22.04.2015 – C-299/14).
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 a) und b) SGB II betreffend den Ausschluss von Unionsbürgern von den Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bei fehlenden materiellen Aufenthaltsrecht bzw. Bestehen eines Aufenthaltsrechts zur Arbeitssuche ist verfassungsgemäß (vgl. Beschluss des Senats vom 19.03.2017 – L 19 AS 190/17 B ER; LSG Hessen, Beschlüsse vom 21.08.2019 – L 7 AS 285/19 B ER und vom 27.03. 2019 – L 7 AS 7/19; LSG NRW, Beschluss vom 05.08.2017 – L 6 AS 783/17 B ER; siehe zu inhaltsgleichen § 23 Abs. 3 S. 1 Nrn. 1-3 SGB XII: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 07.11.2019 – L 7 SO 934/19; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.07.2019 – L 15 SO 181/18; LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 27.11.2019 – L 7 SO 3873/19 ER-B und vom 03.12.2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B; LSG NRW, Beschlüsse vom 08.05.2017 – L 20 SO 138/17 B ER und vom 05.04.2017 – L 9 SO 83/17 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2017 – L 23 SO 30/17 B ER; LSG Bayern, Beschluss vom 24.04.2017 – L 8 SO 77/17 B ER; a.A. SG Kassel, Beschluss vom 14.02.2017 – S 4 AS 20/17 ER; siehe auch. Dollinger, Ausschussdrs. 18(11) 851 S. 7 ff. und Berlit a.a.O. S. 55 ff.; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Ausschluss von EU-Ausländern von Grundsicherungsleistungen – WD 6-30000-025/16; Kannalan, ZESAR 2016, 365ff, 414ff).
Der Ausschluss von Unionsbürgern ohne materielles Aufenthaltsrecht bzw. nur mit einem Recht zur Arbeitsuche von laufenden Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II bzw. Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII ist mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG) vereinbar, das durch das BVerfG näher konturiert worden ist (BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 – 1 BvL 1, 3, 4/09 ; Urteil vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10, 2/11 – ; Beschluss vom 23.07.2014 – 1 BvL 10, 12/12, 1 BvR 1691/13 ). Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums ist als Gewährleistungsrecht von vornherein auf die Ausgestaltung durch den Gesetzgeber angelegt. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen gesetzlichen Leistungsanspruch ein-gelöst werden, der indes der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber bedarf. Das Gewährleistungsrecht bedingt nicht, dass existenzsichernde Leistungen voraussetzungslos zur Verfügung gestellt werden müssten, und es fordert nicht, die gesetzliche Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchende in Richtung auf ein bedingungsloses Grundeinkommen zu entwickeln. Bei der Ausgestaltung des Grundrechts steht dem Gesetzgeber vielmehr ein Gestaltungsspielraum zu, innerhalb dessen er die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat (BSG, Urteil vom 09.03.2016 – B 14 AS 20/15 R.).
Gegenstand der Ausgestaltung des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums als Gewährleistungsrecht durch den Gesetzgeber sind nicht nur die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und das Verfahren ihrer Bemessung und Anpassung. Gegenstand können vielmehr auch Leistungsvoraussetzungen und -ausschlüsse, Leistungsminderungen und Leistungsmodalitäten sein. Der Gesetzgeber hat die Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht bzw. nur mit einem Recht zur Arbeitsuche nicht gänzlich aus den existenzsichernden Leistungssystemen ausgeschlossen, sondern für diesen Personenkreis in § 23 Abs. 3 S. 3 – 6 SGB XII einen eigenständigen, differenziert ausgestalteten Anspruch auf Erhalt von existenzsichernden Leistungen, die in der Höhe und im zeitlichen Umfang von existenzsichernden Leistungen für Unionsbürger mit einem materiellen Aufenthaltsrecht abweichen, geschaffen. Die damit statuierte unterschiedliche Ausgestaltung der Leistungen zur Existenzsicherung von Unionsbürgern, die über ein materielles, auf Dauer angelegtes Aufenthaltsrecht verfügen, und von Unionsbürgern, die über kein Aufenthaltsrecht bzw. ein zeitlich befristetes Aufenthaltsrecht, nämlich zur Arbeitsuche verfügen, kann im Hinblick auf den unterschiedlichen Aufenthaltsstatus dieser Personengruppen noch als sachlich gerechtfertigt angesehen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.10.2016 – 1 BVR 2778/13 m.w.N.).
Der Senat hat von einer notwendigen Beiladung der Stadt L als zuständigen Sozialhilfeträger abgesehen. Denn ein Anspruch ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Beiladung und möglichen Verurteilung des zuständigen Sozialhilfeträgers nach § 75 Abs. 2 2. Alt, Abs. 5 SGG in Hinblick auf die Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 3 Sätze 3, 5 und 6 SGB XII in der ab 22.12.2016 geltenden Fassung.
Eine Beiladung und eine Verurteilung nach § 75 Abs. 2 2. Alt, Abs. 5 SGG setzt zwar nicht voraus, dass der mit der Klage geltend gemachte Anspruch und der Anspruch gegen den anderen Träger inhaltlich derselbe Anspruch ist oder sich diese Ansprüche inhaltlich vollständig decken, sie dürfen sich aber nach Rechtsgrund und Rechtsfolge nicht wesentlich unterscheiden (Schmidt, in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Auf. 2017, § 75 Rn. 18 m.w.N.; Straßfeld, in: Roos/Wahrendorf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 75 Rn. 296; siehe auch BSG, Urteil vom 08.05.2007, B 2 U 3/06 R). Die Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 S. 3, 5 und 6 SGB XII stellen jedoch gegenüber den beim Beklagten beantragten und im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nach Auffassung des Senats, die sich in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtsprechung der Landessozialgerichte befindet, ein aliud dar und sind daher prozessual getrennte Streitgegenstände (Beschlüsse des Senats vom 14.11.2018 – L 19 AS 1434/18 B ER – m.w.N. und vom 26.02.2018 – L 19 AS 249/18 B ER – m.w.N.; LSG Hessen, Beschlüsse vom 21.08.2019 – L 7 AS 285/19 B ER und vom 27.03.2019 – L 7 AS 7/19; LSG Bayern, Beschluss vom 02.08.2017 – L 8 SO 130/17 B ER – m.w.N.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.05.2017 – L 15 AS 62/17 B ER – m.w.N.; vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.02.2017 – L 23 SO 30/17 B ER – m.w.N.; Schlette in: Hauck/Noftz, SGB, Stand Juni 2019, § 23 SGB XII, Rn. 86; a.A. LSG NRW, Beschluss vom 28.01.2018 – L 7 AS 2299/17 B), so dass eine Beiladung des Sozialhilfeträgers nicht erfolgen muss. Denn der Bezug der Überbrückungsleistungen ist – anders als bei laufenden Leistungen – auf eine kurze überbrückbare Absicherung des Aufenthalts bis zur Ausreise gerichtet und dient der Vorbereitung dieser Ausreise aus dem Bundesgebiet und besitzt Ausnahmecharakter (a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.07.2019 – L 15 SO 181/18, Revision anhängig unter B 8 SO 7/19 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Erstellt am: 01.04.2020
Zuletzt verändert am: 01.04.2020