Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung der Bescheide vom 16. April 2007, 02. Juni 2007 und 02. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2007 verurteilt, der Klägerin Leistungen für Mai bis Juli 2007 ohne Kürzung um monatlich 104,00 Euro zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Absenkung ihres Arbeitslosengeldes 2 nach § 31 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II).
Während des Leistungsbezuges der Klägerin erließ die Beklagte mit Bescheid vom 06. Februar 2007 einen eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt. In dem Bescheid heißt es, die Klägerin erhalte als Leistungen das Angebot zur Teilnahme am Projektunternehmen Wiedereinstieg durch Jugend in Arbeit. Sie sei verpflichtet, am Projektunternehmen teilzunehmen. Ferner findet sich in dem Bescheid ein Abschnitt von nahezu einer Seite mit der Überschrift Rechtsfolgenbelehrung. In diesem Abschnitt werden zahlreiche Verpflichtungen von Leistungsbeziehern nach SGB II und alle denkbaren Sanktionsmöglichkeiten der Beklagten abgehandelt.
Am 21. März 2007 schrieb Frau XXX (früher xxx), eine Mitarbeiterin des Projektes Jugend in Arbeit, eine Mail an die Beklagte. Die Klägerin und ihre Schwester seien am 14. März 2007 zum Probearbeiten bei dem Textil-Discounter xxx gewesen. Die Arbeit habe beiden gut gefallen, und sie hätten auch die Filialleiterin von ihrem Können überzeugt. Als es dann anschließend zur Unterzeichnung eines Vertrages habe kommen sollen, hätten beide aufgrund der schlechten Bezahlung, nämlich 4,50 Euro pro Stunde, abgelehnt. Sie und ihre Kollegin Frau xx (früher Frau xx) hätten mehrere Gespräche mit den Schwestern geführt, in denen sie versucht hätten, die Vorteile einer Arbeitsaufnahme darzulegen, wie z.B. kein Bezug von Arbeitslosengeld 2 mehr, Einzahlung in die Rentenversicherung, gesteigerte Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dies sei erfolglos gewesen. Im Anschluß an die Gespräche sei dies zu einem großen Thema innerhalb der ganzen Gruppe im Projekt geworden. Andere Teilnehmer hätten die Entscheidung der Schwestern unterstützt und auch für sich klar formuliert, daß sie unter diesen Bedingungen nicht arbeiten wollten. Dies erschwere ihre Arbeit und die ihrer Kollegin ungemein.
Die Klägerin wurde zu einer Sanktion angehört. Sie machte geltend, einem Aushang bei dem Textil-Discounter xx habe sie entnommen, daß dort eine Arbeitsstelle zu vergeben sei. Daraufhin habe sie sich dort am 02. März 2007 schriftlich beworben. Auf diese Bewerbung habe sie einen Probearbeitstag am 14. März 2007 angeboten erhalten. Der Probetag sei gut verlaufen. Die zuständige Mitarbeiterin der Firma xxx habe ihr dann einen Stundenlohn von 4,50 Euro zugesagt. Von der Firma xxx aus habe sie dann direkt mit Frau xxx telefoniert und ihre Situation geschildert. Frau xxx habe zugestimmt, daß der angebotene Stundenlohn tatsächlich sehr niedrig sei. Sie habe gesagt, sie könne sich dann doch eine Stelle mit einem höheren Arbeitslohn suchen. Als sie am nächsten Tag wieder beim Unternehmen Jugend in Arbeit erschienen sei, habe es ein Gespräch mit Frau xxx und Frau xxx gegeben. Es sei ihr geraten worden, die Tätigkeit bei der Firma xxx doch fortzuführen. Dies sei aber leider nicht mehr möglich gewesen, weil sie nach dem Telefongespräch am vorangegangenen Tag schon bei xxx abgesagt habe.
Mit Bescheid vom 16. April 2007 verfügte die Beklagte eine Senkung des Arbeitslosengeldes für die Zeit von Mai bis Juli 2007 um 30 Prozent, wobei sie den Betrag auf monatlich 104,00 Euro aufrundete. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, die Klägerin habe sich am 14. März 2007 trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert, eine nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II zumutbare Arbeit auszuführen. Gründe, die dieses Verhalten erklärten und als wichtig im Sinne der Vorschriften des SGB II anerkannt werden könnten, seien nicht erkennbar. Mit weiteren Bescheiden vom 02. Juni und 02. Juli 2007 wurde die Kürzung bei der Leistungsbewilligung umgesetzt. Der Widerspruch, mit dem die Klägerin ihren Vortrag aus der Anhörung wiederholte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. August 2007 zurückgewiesen. Zur weiteren Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, allein das geringe Arbeitsentgelt sei kein wichtiger Grund im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Wenn Frau xxx gesagt haben sollte, die Klägerin könne sich besser bezahlte Arbeiten suchen, dann sei dies nur dahingehend zu verstehen gewesen, daß die Stelle zunächst einmal anzunehmen sei, bis die Klägerin dann eine besser bezahlte Arbeit fände. Die Klägerin habe keinesfalls davon ausgehen dürfen, daß sie bis dahin sämtliche schlechter bezahlte Arbeitsangebote ablehnen dürfe. Sie – die Beklagte – gehe davon aus, daß dies der Klägerin auch bekannt gewesen sei. Sie sei auf ihre Pflichten in Bezug auf den Einsatz ihrer Arbeitskraft schriftlich in der Eingliederungsvereinbarung hingewiesen worden und mündlich von Frau xxx.
Daraufhin hat die Klägerin am 28. August 2007 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, sie habe mit ihrer Schwester zusammen bei der Firma xxx zur Probe gearbeitet. In dem Telefongespräch habe Frau xxx ihr gesagt, sie könne sich eine besser bezahlte Stelle suchen. Daraufhin habe sie die Stelle abgesagt. Außerdem sei ein Stundenlohn von 4,50 Euro für sie mit 2 unterhaltspflichtigen Kindern nicht zumutbar.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung der Bescheide vom 16. April 2007, 02. Juni 2007 und 02. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2007 zu verurteilen, ihr Leistungen für Mai bis Juli 2007 ohne Kürzung um monatlich 104,00 Euro zu gewähren, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Eine Rechtsfolgenbelehrung für die Klägerin sei in der Eingliederungsvereinbarung zu sehen. Darüber hinaus hätten Frau xxx und Frau xxx die Klägerin mündlich darauf hingewiesen, daß sie mit Sanktionen zu rechnen habe, wenn sie nicht bei xxx anfangen würde. Dazu hat sie einen Vermerk über ein Telefongespräch mit Frau xxx vorgelegt. Darin heißt es, Frau xxx habe dem Sachbearbeiter mitgeteilt, daß sie die Klägerin gemeinsam mit ihrer Kollegin xxx darüber belehrt habe, daß das Arbeitsangebot der Firma xxx zumutbar sei und bei Ablehnung eine entsprechende Mitteilung an die Beklagte erfolgen werde.
Das Gericht hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angehört sowie die Schwester der Klägerin, Frau xxx und Frau xxx als Zeuginnen vernommen.
Die Klägerin hat im Wesentlichen angegeben, sie habe damals von xxx aus Frau xxx angerufen. Sie habe erzählt, daß das Klima und die Arbeit bei xxx o.k. gewesen seien, und sie habe auch erzählt, was sie verdienen hätten können. Frau xxx habe dann gesagt, daß sei ja wirklich wenig. Sie habe dann gefragt, ob sie sich nicht eine andere Stelle suchen könnten. Frau xxx habe daraufhin gesagt, sie sollten morgen wieder zum Projekt kommen und sich dann eine andere Stelle suchen. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit sei noch nicht klar gewesen, weil der Chef der Filiale an diesem Tag nicht da gewesen sei. Auf jeden Fall sei klar gewesen, daß zunächst vor der Einstellung weitere Probearbeit zu leisten gewesen sei. An dem Probearbeitstag hätten sie Regale eingeräumt, Textilien sortiert und aufgehängt. Was für eine Arbeit sie genau hätten bekommen können, wisse sie nicht. Sie glaube nicht, daß sie am 14. März 2007 gleich einen Arbeitsvertrag erhalten hätten. Aber es sei ja ohnehin so gewesen, daß sie nach dem Telefongespräch mit Frau xxx bei xxx abgesagt hätten. Am nächsten Tag habe es ein Gespräch mit Frau xxx und Frau xxx gegeben. Von beiden sei aber nicht gesagt worden, daß sie eine Sanktion bekommen könnten. Es sei auch nicht gesagt worden, daß die Angelegenheit der Arge gemeldet werden solle.
Die Schwester der Klägerin hat bekundet, sie sei dabei gewesen, als die Klägerin Frau xxx angerufen habe. Die Klägerin habe gesagt, daß das Arbeitsklima gut sei. Sie habe aber auch gesagt, daß der Stundenlohn von 4,50 Euro sehr niedrig sei, und gefragt, ob sie sich nicht eine andere Arbeit suchen könnten. Die Klägerin habe ihr dann als Ergebnis des Telefongesprächs berichtet, daß Frau xxx gesagt habe, sie könnten dann morgen wieder zum Projekt kommen und sich dann eine besser bezahlte Arbeit suchen. Am nächsten Tag habe es ein Gespräch mit Frau xxx und Frau xxx gegeben. Frau xxx habe gesagt, sie hätten bei xxx bleiben müssen. Es sei nicht gesagt worden, daß sie mit einer Sanktion zu rechnen hätten. Es sei auch nicht gesagt worden, daß dies an die Arge gemeldet werde. Allerdings habe ihr Frau xxx ein paar Tage später die Mail an die Arge gezeigt. Was für eine Arbeit sie genau hätten machen sollen und ob sie die Stelle überhaupt bekommen hätten, sei noch nicht klar gewesen. Der Chef sei an dem Tag nicht da gewesen. Klar sei auf jeden Fall gewesen, daß sie noch zwei oder drei Tage zur Probe hätten arbeiten müssen. Das Arbeitsklima habe sie so empfunden, daß sie bei xxx habe anfangen wollen. Allerdings sei der Stundenlohn eben sehr niedrig gewesen.
Die Zeugin xxx hat im Wesentlichen bekundet, an einen Anruf der Klägerin könne sie sich nicht mehr erinnern. Allerdings könne sie sich noch daran erinnern, daß sie mit Frau xxx ein Gespräch mit der Klägerin und deren Schwester geführt habe. Sie hätten die Gründe aufgezählt, die Stelle anzutreten. Es sei darum gegangen, daß bei Teilzeit die Anspruchsberechtigung nach SGB II wegfallen könne. Sie hätten auch darauf hingewiesen, daß es Vorteile bei der Rente bringe, die Stelle anzunehmen, und daß der Zugang zum Arbeitsmarkt dann leichter sei, wenn man erst einmal eine Stelle habe. Auf die Frage, ob auf eine Sanktion der Beklagten hingewiesen worden sei, hat sie bekundet, dies sei möglich. Auf jeden Fall würden sie immer sagen, daß sie die Sache an die Arge weitergeben würden. Die Zeugin xxx hat im Wesentlichen bekundet, ihr sei noch in Erinnerung, daß die Klägerin und ihre Schwester eine Stelle wegen des niedrigen Stundenlohnes nicht angetreten hätten. Frau xxx und sie hätten dann ein Gespräch mit ihnen geführt und darauf hingewiesen, daß die Stelle angetreten werden müsse. Als dies zwecklos gewesen sei, hätten sie darauf hingewiesen, daß dies an die Arge gemeldet werden müsse. Auf weitere Fragen des Gerichts hat Frau xxx bekundet, sie hätten auch darauf hingewiesen, daß möglicherweise eine Sanktion durch Leistungskürzung von Seiten der Arge erfolgen könne. Über ein Telefongespräch der Klägerin mit Frau xxx könne sie nichts sagen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird verwiesen auf die Streitakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne von § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert.
Zu Unrecht hat die Beklagte die Leistungen bei der Klägerin gekürzt.
Die Kürzung ist nicht nach § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II gerechtfertigt. Dabei kann es dahin stehen, ob Frau xxx der Klägerin gesagt hat, sie könne sich eine besser bezahlte Arbeit suchen. Denn nach § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II erfolgt eine Kürzung nur dann, wenn der Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ohne wichtigen Grund weigert, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Zunächst einmal handelte es sich bei der Stelle bei xxx nicht um zumutbare Arbeit. Der Stundenlohn sollte 4,50 Euro brutto betragen. Das Arbeitsgericht XXX hat bereits entschieden, daß solche Stundenlöhne sittenwidriger Lohnwucher sind (vgl. Urteil vom 29. Mai 2008, 4 Ca 274/08 und vom 15. Juli 2008, 2 Ca 282/08). Die erkennende Kammer schließt sich dieser überzeugenden Rechtsprechung an. Die unterste Lohngruppe im Tarifvertrag Einzelhandel, Lohngruppe II a, sieht für die Zeit ab 01. September 2006 einen Bruttostundenlohn von 9,82 Euro vor. Der Stundenlohn bei xxx erreichte nicht einmal die Hälfte dessen. Solche Vergütung ist unzumutbar. Niemand sollte in Deutschland für solch einen Stundenlohn arbeiten müssen. Arbeitslosen solche Stellen mit Hilfe von Sanktionen aufzuzwingen, hieße, Lohndumping zu unterstützen und das Lohngefüge in Deutschland weiter nach unten zu schrauben.
Darüber hinaus fehlt es auch an der für eine Sanktion erforderlichen Rechtsfolgenbelehrung. Die Rechtsfolgenbelehrung hat eine Warn- und Erziehungsfunktion. Sie hat dem Leistungsbezieher konkret, eindeutig, verständlich, verbindlich und rechtlich zutreffend die unmittelbaren und konkreten Auswirkungen eines bestimmten Handelns vor Augen zu führen (vgl. z.B. Beschluss des Sozialgerichts S 5 AS 454/08 ER, Urteil des Bundessozialgerichts 7 RAR 90/85). Dies wird durch die Eingliederungsvereinbarung nicht erfüllt. Es liegt kein konkreter Hinweis verknüpft mit einem Stellenangebot vor. Die Beklagte handelt auf einer Seite alle möglichen Sanktionen ab, die nach dem SGB II denkbar sind. Es werden nicht die Folgen einer konkreten Pflichtverletzung herausgestellt, die sich bei dem übersandten Stellenangebot ergeben könnten, sondern zahllose Konsequenzen verschiedener Pflichtverletzungen aufgeführt. Ein konkreter Bezug zu bestimmten Verhalten ist dadurch nicht mehr erkennbar (vgl. auch Beschluss der erkennenden Kammer S 31 AS 346/08 ER). Einen Bezug zu der Stelle bei xxx gibt es ohnehin nicht, weil die Klägerin sich eigenständig um die Stelle bemüht hat.
Es ist auch nicht erwiesen, daß eine mündliche Rechtsfolgenbelehrung durch Mitarbeiter der Projektes Jugend in Arbeit erfolgt ist. Zwar hat die Zeugin xxx dies bekundet. Die Zeugin xxx hielt dies jedoch allenfalls für möglich, und die Klägerin sowie ihre Schwester haben dies bestritten. Ohnehin stellte eine Belehrung durch Mitarbeiter des Projektes Jugend in Arbeit keine Rechtsfolgenbelehrung im Sinne von § 31 SGB II dar. Eine Sanktion nach § 31 SGB II kann nur nach einer Rechtsfolgenbelehrung von Seiten der Stelle erfolgen, die die Zumutbarkeit eines Stellenangebotes und den Erlaß von Sanktionen zu entscheiden hat, nämlich die Beklagte. Belehrungen von dritter Seite reichen dazu nicht aus.
Schließlich kann die Sanktion auch nicht auf § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II gestützt werden. Denn eine Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) tritt nur bei mit Rechtsfolgenbelehrung versehenen Angeboten der Beklagten ein. Hier handelte es sich jedoch um eine Stelle, die sich die Klägerin selbst gesucht hatte.
Nach alledem war die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Kammer hat die an sich ausgeschlossene Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Erstellt am: 24.02.2009
Zuletzt verändert am: 24.02.2009