Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 01.02.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Verwertbarkeit eines selbstgenutzten Wohnhauses als Vermögen. Die im Dezember 1956 geborene Klägerin bezieht seit dem Jahr 2008 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von dem Beklagten. Sie bewohnt ein Reihenendhaus, erbaut im Jahr 2002 mit nach den Bauakten rund 150 qm Wohnfläche. Im Jahr 2002 zahlten die Klägerin – und ihr damaliger Ehemann – einen Kaufpreis von 276.500 EUR. Von der Wohnfläche entfallen ca. 37,5 qm auf das Dachgeschoss, welches nicht ausgebaut war und ist. Das Haus wurde ursprünglich von der Klägerin mit einer Tochter und dem damaligen Ehemann bewohnt. Es stand zunächst im Miteigentum der beiden Eheleute. Ab dem 1.1.2016 wohnte die Klägerin dort nach Auszug des Mannes und der Tochter alleine.
Nach einem zum Stichtag 1.2.2008 erstellten Wertgutachten betrug der Verkehrswert des Hauses 283.000 EUR.
Nachdem der geschiedene Ehemann eine Teilungsversteigerung avisiert hatte, kaufte die Klägerin ihm den Miteigentumsanteil mit notariellem Vertrag vom 24.6.2016 zum 1.8.2016 ab; dieser übertrug ihr seinen Miteigentumsanteil an dem Haus. Nach einem Verkehrswertgutachten aus dem Jahr 2015 betrug der hälftige Wert des Hauses 145.000 EUR. Die Klägerin zahlte für den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils einen Betrag i.H.v. 85.000 EUR, welcher durch ein Darlehen ihres Schwagers finanziert wurde. Zu dessen Gunsten ist eine Grundschuld auf dem Grundstück eingetragen. Zum anderen übernahm die Klägerin Restverbindlichkeiten i.H.v. ca. 68.600 EUR und stellte ihren geschiedenen Ehegatten davon frei. Auf der Immobilie lasteten am 1.1.2017 insgesamt Verbindlichkeiten von ca. 68.300 EUR, insgesamt 85.000 EUR, insgesamt also ca. 153.300 EUR.
Zuletzt bewilligte der Beklagte auf den Fortzahlungsantrag der Klägerin vom 20.12.2016 mit Bescheid vom 28.12.2016 vorläufig Leistungen der Grundsicherung für die Zeit vom 1.1.2017 bis 30.6.2017. Bewilligt wurde lediglich die Regelleistung, für Januar 2017 darüberhinaus die Übernahme der Kosten für die Wohngebäudeversicherung.
Als Grund für die vorläufige Bewilligung gab der Beklagte an, dass der Nachweis der Schuldzinsen ab Januar 2017 abzuwarten bleibe, ferner der Nachweis der 2017 zu zahlenden Wasser- und Heizkostenabschläge und ebenso der einmalig anfallenden Wohnkosten.
Am 20.2.2017 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie seit dem 1.8.2016 Alleineigentümerin des Hausgrundstücks sei. Im Folgenden reichte die Klägerin einen Vermögensfragebogen, die genannten Wertgutachten, einen aktuellen Grundbuchauszug und den notariellen Vertrag über die Scheidungsfolgen von 24.6.2016 ein.
Mit Schreiben vom 23.3.2017 hörte der Beklagte die Klägerin dazu an, dass beabsichtigt sei, die Leistungsbewilligung ab dem 1.5.2017 ganz aufzuheben. Er berief sich dabei auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, da Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei. Die Klägerin trug vor, dass sie das Haus bereits zuvor alleine genutzt habe. Daran habe sich durch den Zuerwerb nichts geändert. Sie habe auch kein weiteres Vermögen hinzu erworben. Für den halben Miteigentumsanteil im Wert von 145.000 EUR habe sie einen Betrag i.H.v. 85.000 EUR und zusätzlich die Freistellung i.H.v. ca. 69.000 EUR hingeben müssen. Für den Miteigentumsanteil habe sie daher rechnerisch ca. 154.000 EUR gezahlt – letztlich, um eine Teilungsversteigerung abzuwenden. Darüber hinaus stelle eine Verwertung eine unbillige Härte dar. Sie habe durch den Hinzuerwerb ihre bereits genutzte Wohnmöglichkeit erhalten wollen. Bei einer Zwangsversteigerung hätte sie zudem ihren Miteigentumsanteil vermutlich zu einem geringeren Gebot verloren. Im Zuge der Finanzierung sei es zudem zu einer Umschuldung mit einem günstigeren Zinssatz gekommen.
Mit Bescheid vom 25.4.2017 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen ab dem 1.5.2017 ganz auf, weil die Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Die Klägerin verfüge seit dem 1.8.2016 über verwertbares Vermögen in Form einer unangemessenen Immobilie. Nach Abzug von Belastungen i.H.v. 153.300 EUR verbleibe ein Vermögenswert i.H.v. 136.700 EUR, welcher den Vermögensfreibetrag i.H.v. 9750 EUR übersteige. Die Entscheidung beruhe auf § 40 Abs. 1 und 2 SGB II, § 330 Abs. 3 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. In seinem Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass unter den gesetzlichen Voraussetzungen Leistungen mit entsprechenden Nachweisen als Darlehen erbracht werden könnten.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 2.5.2017 Widerspruch ein und übersandte den mit ihrem Schwager geschlossenen Darlehensvertrag über die (Bar)Kaufsumme von 85.000 EUR. Die Gewährung des Darlehens erfolgte ohne regelmäßige Tilgungsverpflichtung; eine Tilgung sollte mit Endfälligkeit spätestens am 20.9.2026 erfolgen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.8.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung nannte der Beklagte § 45 SGB X. Die Klägerin könne sich auf Vertrauen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X nicht berufen. Es erfolge eine Aufhebung für die Zukunft. Die Verwertung sei nicht als unwirtschaftlich anzusehen. Aus dem Verkauf des Hauses könne die Widerspruchsführerin einen Gewinn i.H.v. 146.300 EUR erzielen. Auch liege keine besondere Härte vor. Das Opfer, welches mit jeder Vermögensverwertung stets verbunden sei, könne keine Berücksichtigung finden. Die Klägerin befinde sich auch nicht nah am Rentenalter.
Daraufhin hat die Klägerin am 2.9.2017 Klage bei dem Sozialgericht Köln erhoben. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie zunächst ihre Ausführungen aus dem Anhörungsverfahren. Ergänzend wies sie darauf hin, dass ihr der Rechtsvorgänger des Beklagten im Jahr 2010 mitgeteilt habe, dass zum seinerzeitigen Zeitpunkt eine selbst bewohnte Immobilie von 120 qm Wohnfläche als angemessen anzusehen sei. Hieraus ergebe sich nach ihrer Auffassung, dass für sie eine Wohnfläche von 100 qm angemessen sei. Zudem dürften nicht 111 qm in Ansatz gebracht werden, weil der Hausflurbereich die Treppe zum Obergeschoss beinhalte. 10 qm müssten daher abgezogen werden. Es sei die angemessene Wohnfläche somit nur geringfügig überschritten, erst recht, wenn man eine Toleranz i.H.v. 10 % berücksichtige. Zudem dürfe nicht auf feste Werte abgestellt werden, es seien die Gesamtumstände zu würdigen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sie im rentenfähigen Alter Rentenansprüche in Höhe von weniger als 1000 EUR habe, weshalb sie auf ein mietfreies Wohnen angewiesen sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25.4.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.8.2017 zu verurteilen, ihr Leistungen der Grundsicherung endgültig in Höhe der mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 28.12.2016 bewilligten Leistung zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 1.2.2018 hat das Sozialgericht Köln die Klage abgewiesen. Der Aufhebungsescheid des Beklagten sei in eine abschließende Entscheidung über das streitbefangene Leistungsbegehren umzudeuten. Auszugehen sei von einer Angemessenheitsgrenze von 90 qm, welche mit den vorliegenden 111 qm überschritten werde. Da das Haus allein bewohnt werde, sei das Treppenhaus nicht abzuziehen. Selbst wenn man dies anders sähe, würde die angemessene Wohnfläche überschritten, selbst unter Zugrundelegung eine Toleranz von 10 %. Dass dieses Haus ursprünglich für eine dreiköpfige Familie genutzt worden und es zu einer Überschreitung der Wohnflächengrenze durch den Auszug von Personen gekommen sei, sei unerheblich. Der Vortrag der Klägerin, bei einer Teilungsversteigerung hätte sie keinen angemessenen Wert erzielen können, beruhe lediglich auf einer Annahme. Die Verwertung des Grundstücks sei auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich. Auch liege keine besondere Härte vor. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei die Klägerin 60 Jahre alt gewesen, das Eintrittsalter für die Altersrente würde für sie bei 65 Jahren und zehn Monaten liegen. Eine unmittelbare Nähe zur Rente sei damit nicht gegeben.
Gegen das den Bevollmächtigten der Klägerin am 20.2.2018 zugestellte Urteil haben diese am 20.3.2018 bei dem Sozialgericht Köln Berufung eingelegt.
Im Rahmen des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten die bisher vorgebrachten Argumente wiederholt und vertieft. Die Klägerin wies noch einmal darauf hin, dass es nicht im Sinne des SGB II sein könne, durch eine Maßnahme zur Sicherung angemessenen Wohnraums – hier: Erwerb des Miteigentumsanteils zur Abwendung einer Teilungsversteigerung – diesen zu verlieren.
Der Senat hat mit Schreiben vom 28.12.2018 darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der angemessenen Wohnfläche von 90 qm auszugehen sei. Die Fläche des Treppenhauses könne nicht in Abzug gebracht werden. Die Angemessenheitsgrenzen sähen bei Häusern bereits eine um 10 qm größere Fläche vor als bei Eigentumswohnungen. Grund seien die Flächen für Flure. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Wohnflächenverordnung sowie § 39 des Zweiten Wohnbaugesetzes. Der Bevollmächtigte der Klägerin wies auf eine Entscheidung des SG Koblenz vom 3.5.2007 hin, wonach nicht allein auf die Angemessenheit der Wohn- bzw. Grundfläche abgestellt werden dürfe, zusätzlich müsse der Verkehrswert mit dem Durchschnittswert des Bundeslandes verglichen werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 1.2.2018 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25.4.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.08.2017 zu verurteilen, ihr ab dem 1.5.2017 bis zum 30.6.2017 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Begründung nimmt der Beklagte auf das bisherige, insbesondere erstinstanzliche Vorbringen Bezug.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache indes nicht begründet. Der Bescheid vom 25.4.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.8.2017 ist rechtmäßig, das Sozialgericht hat die Klage zutreffend abgewiesen.
1) Rechtsgrundlage für die Rücknahme des vorläufigen Bescheides vom 28.12.2016 ist § 45 Abs. 1 SGB X. Entgegen der ursprünglich von dem Beklagten vertretenen Auffassung handelte es sich bei dem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 28.12.2016 um einen (anfänglich) rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt.
2) Bereits bei Erlass des Bescheides lag bei der Klägerin Vermögen vor, welches die Hilfebedürftigkeit entfallen lässt.
a) Ab dem 1.8.2016 war die Klägerin Alleineigentümerin ihrer Immobilie. Maßgeblich ist nicht das wirtschaftliche Vermögen, sondern die Gesamtheit aller verwertbaren Vermögensgegenstände. Anders als der Bevollmächtigte vorträgt, hat es mit dem Erwerb des Miteigentumsanteils eine Vermögensveränderung in diesem verwertbaren Vermögen gegeben. Die Klägerin hat zu ihrem Vermögen einen halben Miteigentumsanteil abzüglich der übernommenen Verbindlichkeiten erhalten – mithin 145.000 – 68.300 = 76.700 EUR. Davon abzusetzen ist noch die Belastung aufgrund der Darlehenssicherung von 85.000 EUR. Insofern ist der Vortrag des Bevollmächtigten nachvollziehbar, es sei zu keiner Vermögensmehrung gekommen. Dennoch ist es zu einer Vermögensveränderung gekommen: Der ursprünglich bereits innegehabte Miteigentumsanteil der Klägerin ist Teil des Alleineigentums geworden, und das ist entscheidend. Insofern hat es eine Veränderung bei den "verwertbaren Vermögensgegenständen" – so der Wortlaut von § 12 Abs. 1 SGB II – gegeben.
b) Das Vermögen ist nicht als selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II von der Berücksichtigung ausgenommen (dazu aa) und weder ist eine Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 1 SGB II (dazu bb) noch bedeutet die Verwertung eine besondere Härte i.S. von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II (dazu cc).
aa) Die Wohnfläche´des Hauses überschreitet die angemessene Größe.
Maßgebend für die Angemessenheit sind gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 SGB II die Lebensumstände während des Bezugs der Leistungen zur Grundsicherung. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit, der der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt, ist durch die Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG dahingehend konkretisiert worden, dass die angemessene Größe eines Hausgrundstücks mit Blick auf die Gesamtwohnfläche des darauf errichteten Hauses und insoweit bundeseinheitlich nach den Wohnflächengrenzen des zum 1.1.2002 außer Kraft getretenen Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG), differenziert nach der Anzahl der Personen, zu bestimmen ist. Für Familienheime mit nur einer Wohnung, die von bis zu vier Personen bewohnt werden, sah das II. WoBauG eine Wohnflächengrenze von 130 qm vor (§ 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 II. WoBauG). Diese Wohnflächengrenze ist bei einer Belegung mit weniger als vier Personen um jeweils 20 qm pro Person zu reduzieren, typisierend begrenzt auf eine Belegung mit bis zu zwei Personen (zum Gesamten BSG, 12.10.2016 – B 4 AS 4/16 R -, Rn. 28, juris, mit zahlreichen Nachweisen).
(1) Als angemessen ist daher für die Klägerin eine Wohnfläche von 90qm anzusehen. Ob die Klägerin in der Vergangenheit – im Jahr 2010 – eine andere Auskunft erhalten hat – spielt für die Festlegung der Angemessenheitsgrenze keine Rolle. Tatsächlich hat ihr Wohneigentum eine Wohnfläche von (mindestens) 111qm. Ein Abzug für den Flur, welcher den Treppenaufgang enthält, ist nicht vorzunehmen. Wegen des Vorhandenseins solcher Flächen sind die Angemessenheitsgrenzen für ein Haus gegenüber solchen für eine Eigentumswohnung bereits typisierend um 10qm erhöht (BSG, 15.4.2008 – B 14/7b AS 34/06 R -, Rn. 27, juris). Ein Abzug dieser Fläche würde daher zu einer doppelten Berücksichtigung führen.
(2) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann die genannte Wohnflächengrenzen nach dem II. WoBauG nicht als quasi normative Größe herangezogen werden, sondern bedarf beim Vorliegen besonderer Umstände einer Anpassung, da Entscheidungsspielraum für außergewöhnliche, vom Regelfall abweichende Bedarfslagen im Einzelfall bestehen bleiben muss. Insbesondere kann danach im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG bei einer Überschreitung der angemessenen Wohnfläche um nicht mehr als 10% noch von einer angemessenen Wohnfläche auszugehen sein. Umstände, die ein Abweichen von der sich nach dem II. WoBauG ergebenden angemessenen Wohnfläche rechtfertigen, hat das BSG darüber hinaus angenommen beim Zusammenleben von Pflegeeltern mit Pflegekindern in einem Haus und bei Ausübung eines Berufs oder Gewerbes im selbst genutzten Haus (BSG, 12.10.2016 – B 4 AS 4/16 R -, Rn. 29, juris, mit zahlreichen Nachweisen). Besondere Umstände solcher Art liegen hier nicht vor. Die tatsächliche Wohnfläche von 111 qm überschreitet zudem die Wohnflächengrenze von 90 qm um (deutlich) mehr 10%.
(3) Die Wohnfläche ist nicht deshalb zu erhöhen, weil ursprünglich mehr Personen in dem Haus gewohnt haben. Für die Bemessung der Wohnflächengrenze ist es ohne Bedeutung, ob bei der Erbauung oder dem Bezug des Hauses wegen der größeren Zahl der Bewohner höhere Wohnflächengrenze gegolten haben (BSG, 12.10.2016 – B 4 AS 4/16 R -, Rn. 35, juris).
bb) Die Verwertung des Hausgrundstückes ist nicht offensichtlich unwirtschaftlich gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 1 SGB II.
Nach der ständigen Formel des Bundessozialgerichts ist von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Wert in einem deutlichen Missverhältnis zum "wirklichen Wert" oder Substanzwert steht. Bei einem Hausgrundstück oder einer Eigentumswohnung komme eine solche Unwirtschaftlichkeit in Betracht, wenn bei einer Veräußerung nach Abzug der verkaufsbedingten Aufwendungen vom erzielten Verkaufspreis wesentlich weniger als der zum Erwerb und zur Herstellung der Immobilie aufgewendete Gesamtbetrag (so etwa zuletzt BSG, 30.8.2017 – B 14 AS 30/16 R -, Rn. 20, juris) erzielt werden könnte. Die Klägerin und ihr damaliger Ehemann haben für den Erwerb der Immobilie ursprünglich einen Betrag von 276.500 EUR aufgewendet, wovon 1/2 der Klägerin zuzurechnen ist. Für die Klägerin hinzuzurechnen sind die (späteren) Kosten für den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils. Die Erwerbskosten betragen daher 223.250 EUR (276.500: 2 + Aufwendungen zum Erwerb des Miteigentumsanteils von 85.000 EUR). Der Verkehrswert betrug 2015 290.000 EUR abzüglich Verbindlichkeiten in Höhe von 68.600 EUR. Der erzielbare Wert liegt lediglich 1.850 EUR und damit weniger als 1 Prozent unter dem "Substanzwert"; ein deutliches Missverhältnis ist nicht gegeben.
cc) Die Verwertung bedeutet keine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alt. 2 SGB II. Eine besondere Härte erfordert außergewöhnliche Umstände, die nicht durch die ausdrücklichen Freistellungen über das Schonvermögen und die Absetzungsbeträge erfasst werden und die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (Lange, in: Eicher&8201;/&8201;Luik -Hrsg.-, SGB II, 2017, § 12 Rn. 113).
(1) Dass die Klägerin im September 2021 die Regelaltersrente erreicht, ist keine besondere Härte.
Ab dem hier streitgegenständlichen Zeitraum verblieben damit noch knapp fünf Jahre. Zur Bestimmung der "Rentennähe" stellt das BSG bei Lebensversicherungen darauf ab, inwieweit der Betroffene noch in der Lage ist, durch Erwerbstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt das seinerzeit erreichte Niveau einer Altersvorsorge zu erhalten oder zu verbessern (etwa BSG, 7.5.2009 – B 14 AS 35/08 R -, Rn. 23, juris). Fraglich erscheint, ob dieser Maßstab auf Immobilien übertragbar ist; entscheidend könnte dann der Aspekt eines mietfreien Wohnens sein. Dies kann hier aber dahinstehen. Denn Maßstab wäre dann, ob bei einer Verwertung einer Immobilie die Möglichkeit bestünde, noch einmal Eigentum zu erwerben bzw. langfristig eine Miete zu zahlen. Jedenfalls letzteres wäre hier, wenn auch auf niedrigem Niveau, möglich, wenn die Klägerin ihr Haus verkauft und davon eine Wohnungsimmobilie erwirbt. Der Sonderfall eines Selbständigen, der privat für das Alter vorsorgen muss, liegt nicht vor.
(2) Bei einer Immobilie kann nach der Rechtsprechung eine Verwertung besonders hart sein, wenn dadurch die Lebenssituation naher Angehöriger, die in dem Haus / der Eigentumswohnung leben, unzumutbar erschwert würde, tiefgreifende, familiäre Zerwürfnisse drohen, bevorstehende familiäre Gründe Vermögensschutz geben würden oder wenn ein Auszug des Hilfesuchenden wegen Krankheit oder Behinderung unzumutbar ist (Beispiele nach Münder, SGB II, 2017, § 12 Rn. 82, dort mit Quellenangaben). Dies liegt hier nicht vor.
c) Es fehlte daher an den Voraussetzungen einer Leistungsbewilligung. Der Bescheid vom 28.12.2016 war bei seinem Erlass, also seiner Bekanntgabe (§ 37 Abs. 1 Satz 1 SGB X), objektiv rechtswidrig.
3) Auch die weiteren Voraussetzungen einer Rücknahme liegen vor. Nach § 41a Abs. 2 Satz 4 SGB II ist eine vorläufige Entscheidung, die rechtswidrig ist, für die Zukunft zurückzunehmen; § 45 Abs. 2 SGB X soll keine Anwendung finden.
a) Der Senat kann die Frage offenlassen, ob die Vorläufigkeit immer den gesamten Leistungsbescheid erfasst oder auf Teile beschränkt werden kann. Für letzteres könnte sprechen, dass es sich bei Regelleistung und Kosten der Unterkunft und Heizung um abtrennbare Streitgegenstände handeln soll (siehe zuletzt etwa BSG, 12.2.2017 – B 4 AS 37/16 R -, Rn. 14, juris). Nach der Gesetzesbegründung zu § 41 a SGB II erstreckt sich die Vorläufigkeit grundsätzlich auf alle Regelungsgegenstände des Bescheides, denn "die Bewilligung von Geldleistungen [ ] in einen vorläufigen und einen abschließenden Teil" sei nicht möglich; deshalb müsse nur der Grund der Vorläufigkeit, nicht mehr dessen Umfang angegeben werden (BT-Drucks. 18/8041, S. 52). Durch den Bescheid vom 28.12.2016 wurde (bis auf den Betrag der Versicherung für Januar 2017) allein die Regelleistung bewilligt, so dass sich die Vorläufigkeit in jedem Fall auf sie bezieht. Der vorläufige Bescheid ist nicht mit einem Widerspruch angegriffen worden.
b) Wie dargelegt war die Entscheidung des Beklagten über eine – wenn auch nur vorläufige – Leistungsbewilligung rechtswidrig, da es bereits anfänglich an einer Hilfebedürftigkeit i.S.d. § 9 SGB II fehlte.
c) Ob hier auch eine Rücknahme der Bewilligung für die Vergangenheit möglich war, hatte der Senat nicht zu entscheiden. Mit dem streitgegenständlichen Aufhebungsbescheid vom 25.4.2017 hob der Beklagte die vorläufige Leistungsbewilligung ab dem 1.5.2017 und damit für die Zukunft auf. Nach der Gesetzesbegründung sind leistungserhebliche Tatsachen, die bereits im Zeitpunkt des Erlasses der vorläufigen Entscheidung vorlagen, aber nicht berücksichtigt wurden, mit Wirkung für die Zukunft umzusetzen, wobei § 45 SGB X insoweit angepasst wird, dass eine Rücknahme mit Wirkung für die Zukunft zwingend und ohne die Prüfung von Vertrauensschutz nach § 45 Absatz 2 SGB X erfolgt (so die Begründung zu dem Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung, BT-Drucks. 18/8041, S. 53). Dies hat der Beklagte beachtet.
d) Anlass für eine Umdeutung (siehe dazu auch LSG NRW, 21.3.2018 – L 12 AS 2101/15 – Rn. 31, juris) in eine endgültige Bewilligung mit einer Nullfestsetzung – wie vom Sozialgericht vorgenommen – besteht daher nicht.
4) Die Rücknahme ist auch in formeller Hinsicht rechtmäßig. Der Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 23.3.2017 zu der beabsichtigten Aufhebung gemäß § 24 Abs. 1 SGB X an. Unschädlich ist dabei die Nennung der falschen Rechtsgrundlage; für eine Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X (ohne Anwendung von Absatz 2) sind alle entscheidungserheblichen Tatsachen genannt worden.
3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
4) Gründe, im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Erstellt am: 21.01.2020
Zuletzt verändert am: 21.01.2020