Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 20.11.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im zu Grunde liegenden Verfahren streiten die Beteiligten um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II in Form der Regelleistung (RL).
Der Antragsteller, der polnischer Staatsangehöriger ist, reiste im September 2012 in die Bundesrepublik ein und nahm eine Beschäftigung auf. Diese verlor er zum 14.03.2013. Sodann bezog er Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2013 bis 13.09.2013 (Bescheide vom 07.06.2013 und 04.09.2013). Mit weiterem Bescheid vom 26.09.2013 wurden für die Zeit danach Leistungen abgelehnt.
Den dagegen gerichteten Widerspruch des Antragstellers vom 28.10.2013 wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 27.11.2013 zurück. Der Widerspruchsbescheid gelangte nicht zu den Gerichtsakten. Aus dem Vortrag des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren geht hervor, dass dieser sich zur Ablehnung des Antrags auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II stützt, da der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben zur Arbeitssuche in die Bundesrepublik eingereist sei. Auf den beim Sozialgericht Dortmund am 30.10.2013 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 20.11.2013 den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller ab 30.10.2013 bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides, längstens bis Februar 2014 monatlich 345, 00 EUR auszuzahlen. Der für den Erlass der auf § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützten einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund seien glaubhaft gemacht. Der Anspruch des Antragstellers, der nach seiner eidesstattlichen Versicherung keine Einkünfte erziele und kein Vermögen habe, was sich aus den eingereichten Kontoauszügen ergebe, leite sich aus § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II ab. Der Antragsteller habe das 15. Lebensjahr vollendet, sei erwerbsfähig und habe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik. Ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, auf den der Antragsgegner sich stütze, eingreife, könne im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht abschließend geklärt werden. Angesichts dessen sei eine Folgenabwägung vorzunehmen, innerhalb deren die grundrechtlichen Belange des Antragstellers, der existenzsichernde Leistungen begehre, das Interesse des Antragsgegners überwiege. Letzteres bestehe nur darin, dass er unter Umständen zu Unrecht Leistungen erbringe, die er nicht zurückerhalte.
Gegen den ihm am 26.11.2013 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners vom 17.12.2013. Es sei schon kein Leistungsanspruch glaubhaft gemacht, da im Fall des Antragstellers diesem Anspruch die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entgegen stehe. Der Antragsteller sei nach seinem eigenen Vortrag zur Arbeitssuche eingereist. Das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) finde keine Anwendung, da die Bundesrepublik für Leistungen nach dem SGB II einen Vorbehalt erklärt habe, der mit Wirkung zum 19.12.2011 in Kraft getreten sei. Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sei bisher auch weder für verfassungswidrig noch für europarechtswidrig erklärt worden. Aus diesem Grunde müsse der Antragsgegner sich auf die Regelung als geltendes Recht stützen. Sofern der Antragsteller sich auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – stütze, mit der das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH zur Entscheidung über die Frage vorgelegt worden sei, ob der Leistungsausschluss europarechtskonform sei, rechtfertige sich hieraus nicht die Verpflichtung des Antragsgegners, Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. In Eilverfahren sei das Gericht an geltendes Recht gebunden, es sei denn, es sei evident verfassungswidrig. Durch die Vorlage des BSG an den EuGH werde diese Bindung der Gerichte nicht aufgehoben. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH hänge nicht davon ab, dass das vorlegende Gericht eine von ihm anzuwendende Rechtsnorm mit europäischem Recht für unvereinbar halte. Die Einholung einer solchen Vorabentscheidung stelle vielmehr nur einen Akt der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und der europäischen Judikatur dar und diene der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in der Europäischen Union.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, im tenorierten Umfang Leistungen an den Antragsteller nach dem SGB II in Form der Regelleistung zu zahlen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Auch das Vorbringen des Antragsgegners zur Begründung seiner Beschwerde führt zu keiner abweichenden Entscheidung. Es ist zwar zutreffend, dass die Gerichte im Rahmen ihrer Rechtsprechung an das geltende Recht gebunden sind. Ergeben sich aber im Rahmen der Rechtsanwendung und, wie vorliegend, bei der vor Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung vorzunehmenden Folgenabwägung Anhaltspunkte dafür, dass eine Vorschrift verfassungs- bzw. europarechtswidrig sein könnte, kann die Folgenabwägung nur zu Gunsten des Antragstellers ausfallen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 12.12.2013 dezidiert dargelegt, aus welchen Gründen sich Zweifel an der Europarechtskonformität der streitigen Vorschrift ergeben. Mit seiner Aussetzung- bzw. Vorlageentscheidung hat das BSG deutlich gemacht, dass es sich derzeit nicht in der Lage sieht, auf Grund geltenden Rechts eine eindeutige Entscheidung zu treffen. Bei einer solchen Sachlage hält der erkennende Senat es aber nicht für gerechtfertigt, diese Bedenken im Rahmen der zu überprüfenden Folgenabwägung des erstinstanzlichen Gerichts zu ignorieren. Der Senat teilt die Auffassung des BSG (a.a.o.) und hält aus diesem Grunde eine Leistungsgewährung an den Antragsteller aus den vom Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung genannten Gründen für geboten. Er vermag insbesondere der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung nicht zu folgen, die Einholung einer Vorabentscheidung stelle lediglich einen Akt der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und der europäischen Judikatur dar und diene der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung in der Europäischen Union. Die Vorlage an den EuGH beschränkt sich nicht auf diesen formalen Aspekt, sondern dient der höchstrichterlichen Klärung der Frage, ob die streitige Norm materiellrechtlich frei von Fehlern ist. Gerade hieraus ergibt sich, dass aufgetretene Bedenken zu berücksichtigen sind und im Rahmen der Folgenabwägung als gewichtig berücksichtigt werden müssen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 21.05.2014
Zuletzt verändert am: 21.05.2014