Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.07.2003 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit in Anspruch. Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau wird ihm auf Grund eines Leistungsfalles mit Abkehr vom Bergbau im Dezember 2000 gewährt.
Der 1962 in der Türkei geborene Kläger wurde im Februar 1980 im Steinkohlebergbau angelegt. Von da an wurde er zunächst als Jungbergmann, dann als Neubergmann überwiegend in den Lohngruppen 10, 08 und 09 der Lohnordnung für die Arbeiter des Rheinisch Westfälischen Steinkohlebergbaus geführt. Von März 1983 an arbeitete er, mit Ausnahme des Monats April 1983, in dem er wieder als Neubergmann in Lohngruppe 10 geführt wurde, 13 Monate als Hauer in der Gewinnung nach Lohngruppe 11, dann als angelernter Metallhandwerker, Betonierer/Einpaster und übriger Facharbeiter, als Senkarbeiter und Anschläger sowie Förderaufseher und Lokomotivfahrer 2 überwiegend in Lohngruppe 7 bzw. einen Monat in Lohngruppe 8. Ab Februar 1993 war er durchgehend bis Dezember 1998 als Bohr- und Maschinenhauer nach Lohngruppe 10 eingesetzt. Seit Juli 2000 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Im August/September nahm er an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme teil, aus der er arbeitsunfähig für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit entlassen wurde. Im Übrigen wurde er für fähig erachtet, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten zu verrichten.
Auf den Rentenantrag vom September 2000 veranlasste die Beklagte im November 2000 eine sozialmedizinische Untersuchung. Die Internistin Amour führte im Gutachten vom 24.11.2000 aus, im Vordergrund stünden die vom Versicherten bei Erhebung der Anamnese stark hervorgehobenen Beschwerden im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates. Es sei von einem Halswirbelsäulensyndrom ohne Anhalt für eine neurologische Ausfallsymptomatik, von einem Lendenwirbelsäulensyndrom ohne höhergradige funktionelle Einschränkung, einer beginnenden Bandscheibendegeneration LWK 3/4, einer beginnenden Femoropatellararthrose rechts sowie einem ulcus duodeni und einer Refluxösophagitis Grad 1 auszugehen. Der Kläger könne noch vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten verrichten. Auch Arbeiten als Bohrhauer seien weiterhin abzuverlangen.
Mit Bescheid vom 22.02.2001 und Widerspruchsbescheid vom 29.10.2001 lehnte die Beklagte Rentenleistungen ab.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen weder als Hauer noch als Lampenwärter oder Verwieger arbeiten zu können. Er könne nicht mehr im Bücken arbeiten, wie das für die Lampenwärtertätigkeit erforderlich sei. Als Verwieger könne er ebenfalls nicht arbeiten, weil dort durchaus mit schweren Arbeiten sowie Nässe- und Kälteeinwirkung zu rechnen sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid vom 22.02.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ausgehend von einer am 04.07.2000 eingetretenen Berufsunfähigkeit Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Sozialgericht hat eine Begutachtung durch die Dr. L und Prof. Dr. N, beide Chefärzte am Evangelischen Krankenhaus V, veranlasst. Der internistische Sachverständige Prof.Dr. N hat in seinem Gutachten vom 14.09.2002 noch körperlich mittelschwere Tätigkeiten für möglich erachtet. Wechselschicht einschließlich Nachtschicht sei zumutbar. Was die internistischen Befunde und deren Bewertung anbelange, stimme er mit der Vorgutachterin im Verwaltungsverfahren überein. Dr. L hat sich dieser Leistungsbeurteilung in seinem Gutachten vom 23.10.2002 aus chirurgischer Sicht angeschlossen. Mit den festgestellten degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule und der minimalen beginnenden rechtsseitigen Femoropatellararthrose könnten Arbeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg, zeitweise im Freien unter Nässe, Kälte, Zugluft und Temperaturwechsel bei Verwendung geeigneter Schutzkleidung durchgeführt werden.
Das Sozialgericht hat eine Auskunft bei der Deutschen Steinkohle AG (DSK) hinsichtlich der Anforderungen an eine Lampenwärtertätigkeit eingeholt. Unter dem 17.12.2002 hat die DSK mitgeteilt, dass es sich um körperlich leichte Arbeiten, gelegentlich mitteschwerer Art handele; Arbeiten in gebeugter Haltung und häufigem Bücken wie auch in Zwangshaltung oder Knien kämen nicht vor; gelegentlich Arbeiten in Wechselschicht bei Bedarf.
Außerdem hat das Sozialgericht von der DSK bezüglich der Arbeitsmarktsituation für Lampenwärter und Verwieger eine unter dem Az. S 24 KN 251/01 eingeholte Auskunft vom 31.07.2003 zu den Akten genommen. Dort wird auf die Frage, ob ein leistungsgeminderter früherer Hauer, der nur noch leichte körperliche Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten kann, eine realistische, wenn auch schlechte Chance habe, auf einem anderen Bergwerk als Lampenwärter oder Verwieger unterzukommen, geantwortet: Aufgrund der Gesamtsituation im Bereich der DSK und der damit verbundenen Notwendigkeit, permanent Arbeitsplätze abbauen zu müssen, bestehe keine realistische Chance, einem leistungsgeminderten Arbeitnehmer, der nur noch leichte körperliche Arbeiten verrichten kann, einen Arbeitsplatz auf einem anderen Bergwerk anbieten zu können. Derartige Arbeitsplätze seien, soweit sie überhaupt zur Verfügung stünden, besetzt, teilweise sogar noch überbelegt. Im Übrigen seien die jeweiligen Bergwerke eigenverantwortlich für ihre leistungsgeminderten Mitarbeiter zuständig.
Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 29.07.2003 die Beklagte unter Annahme eines Leistungsfalles der Berufsunfähigkeit im Juli 2000 zur Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente verurteilt. Der Kläger sei berufsunfähig. Tätigkeiten außerhalb des Bergbaus wie die des Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel und auch des Kassierers an Selbstbedienungstankstellen kämen nicht mehr in Betracht, weil Belastungen durch Tragen von Lasten bis 25 kg anfielen; der Tankstellenkassierer sei gelegentlich Zwangshaltungen ausgesetzt. Soweit die Beklagte auf den Verwieger bzw. Lampenwärter verweise, könne der Kläger auch bis zum Zeitpunkt seiner Abkehr auf diese Tätigkeit nicht verwiesen werden, weil er keine Chance gehabt habe, eine solche Stelle zu erhalten. Von der Rechtsprechung sei seit langem anerkannt, dass die Erwerbsfähigkeit nicht losgelöst von der Wirklichkeit des Arbeitslebens betrachtet werden könne. Habe ein Versicherter praktisch keine Chance mehr, einen Arbeitsplatz im angedachten Verweisungsberuf zu erhalten, so sei eine die Berufsunfähigkeit ausschließende Verweisungsmöglichkeit nicht mehr gegeben. Schon 1995 habe es im Bereich der Ruhrkohle für die Verweisungstätigkeiten Verwieger und Lampenwärter jeweils weniger als 200 Arbeitsplätze gegeben. Wegen des allgemein bekannten Schrumpfungsprozesses im Bergbau sei davon auszugehen, dass es seit 1995 noch weniger Stellen geworden seien. Verwieger- und Lampenwärterstellen seien ausschließlich Betriebsangehörigen des jeweiligen Betriebes vorbehalten bzw. solchen die durch Betriebsangehörige einer stillgelegten Zeche besetzt werden müssten. Für den Kläger sei daher seit der Arbeitsunfähigkeit im Juli 2000 bis zur Abkehr lediglich eine Verweisungsmöglichkeit auf seinem Bergwerk Q in Betracht gekommen. Zu den dortigen Verhältnissen sei eine Auskunft eingeholt worden. Danach habe es seit Juli 2000 insgesamt 16 Arbeitsplätze für Verwieger und Lampenwärter gegeben, die alle besetzt seien. Von diesen sei auch kein einziger frei geworden.
Im Berufungsverfahren hat die Beklagte u.a. gerügt, dass sich das Sozialgericht auf die im Verfahren S 24 KN 251/01 eingeholte Auskunft gestützt habe, obwohl diese erst nach Verkündung des angefochtenen Urteils abgegeben und der Beklagten erst mit der Urteilsausfertigung zugegangen sei. Im Übrigen scheitere eine Verweisung des Klägers auf die Lampenwärter- bzw. Verwiegertätigkeit dennoch nicht aus arbeitsmarktrechtlichen Gründen. Eine Verweisung dürfe nicht allein deshalb ausgeschlossen sein, weil sämtliche für die Verweisungstätigkeiten in Betracht kommenden Stellen besetzt sind. Dies sei rechtlich unerheblich. Selbst dann bestünde immer noch eine schlechte Chance, in diesem Vergleichsberuf erwerbswirtschaftlich tätig zu werden (Hinweis auf BSG vom 29.04.1997 8 RKn 19/96, 14.05.1996 4 RA 60/94). Ganz abgesehen davon seien die Feststellungen der gehörten Sachverständigen zur Hebe- und Tragefähigkeit von Gegenständen bis zu 10 kg nicht nachzuvollziehen. Es sei nicht erkennbar, weshalb Prof.Dr. N irgendwelche Einschränkungen vorgenommen habe. Soweit er diese auf die anamnestisch angegebene Refluxösophagitis mit Ulkusleiden gestützt habe, könne an eine dauerhafte Einschränkung der Leistungsfähigkeit erst zu denken sein, wenn ein wiederkehrendes Ulkusleiden bestünde. Auch die aus der orthopädischen Befunderhebung abgeleitete sozialmedizinische Beurteilung sei nicht überzeugend. Zwar seien radiologisch nachweisbare degenerative Veränderungen im Bereich der HWS und LWS vorhanden, die über die Altersnorm hinausgingen. Weshalb der chirurgische Sachverständige bei Annahme eines Leistungsvermögens für noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit darüber hinaus die Hebe- und Tragebeanspruchung auf Lasten bis 10 kg begrenze, könne nicht nachvollzogen werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 29.07.2003 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und meint im Übrigen, es entspreche nicht mehr der arbeitsrechtlichen Realität, dass ein kranker Arbeitnehmer während der Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses einen Anspruch auf einen Schonarbeitsplatz habe. Im Rahmen der sich immer weiter verschärfenden Personalabbaumaßnahmen bei der DSK würden Mitarbeiter, die wie der Kläger die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen könnten, rigoros abgebaut und zwar über die Möglichkeit einer krankheitsbedingten Kündigung. So sei dem Kläger im Rahmen der Beratungsgespräche mit der Personalbetreuung der Schachtanlage auch erklärt worden, dass freie Arbeitsplätze nicht vorhanden seien. Vor diesem Hintergrund sei unzweifelhaft anzunehmen, dass selbst intensivste Bemühungen des Klägers, die er natürlich in den Beratungsgesprächen unternommen habe, den Arbeitgeber nicht veranlassten, von der in Aussicht gestellten arbeitgeberseitigen krankheitsbedingten Kündigung abzusehen und den Kläger umzusetzen.
Dem Kläger sind im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.07.2004 Auskünfte und Unterlagen zur Lampenwärtertätigkeit zur Kenntnis gegeben worden.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streit- und Beklagtenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Das Sozialgericht hat insoweit zu Unrecht die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Der Kläger ist durch diese nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs.2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -.
Der geltend gemachte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit richtet sich nach § 43 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.). Der Kläger hat den Rentenantrag im September 2000 gestellt und macht Rentenleistungen ab diesem Zeitpunkt geltend (§ 300 Abs. 2 iVm § 302b Abs.1 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung).
Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Ausgangspunkt ist dementsprechend bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit der bisherige Beruf des Versicherten. Das ist in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, jedenfalls wenn sie die qualitativ höchste gewesen ist (vgl. BSG Urteile vom 22.03.1988 – 8 / 5a RKN 9/86, SozR 2200 § 1246 Nr. 158; 22.10.1996 – 13 RJ 35/96, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55 und vom 18.02.1998 – B 5 RJ 34/97 R, Sozr 3 – 2200 § 1246 Nr. 61 m.w.N.). Bisheriger Beruf in diesem Sinne war die des Hauers. Diese Tätigkeit kann der Kläger nach den Feststellungen der gehörten medizinischen Sachverständigen nicht mehr ausüben. Allein der Umstand, dass er nur noch über Tage tätig werden soll und nur noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten verrichten kann, spricht dagegen, dass er noch als Hauer arbeiten kann. Damit allein ist er aber noch nicht berufsunfähig. Das ist er nämlich nur dann, wenn es keine zumutbare Verweisungstätigkeit mehr gibt. Zumutbar im Sinne von § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind einem Versicherten alle, auch berufsfremden Tätigkeiten, soweit sie ihn weder in seinem Wissen und Können, noch gesundheitlich überfordern. Verlangt wird insoweit, dass er, bezogen auf seinen bisherigen Beruf einen zumutbaren beruflichen Abstieg in Kauf nimmt und sich vor Inanspruchnahme einer Rente mit einer geringerwertigen Erwerbstätigkeit zufrieden gibt. Ein Facharbeiter kann zudem auf ungelernte Tätigkeiten, die sich durch besondere Qualitätsmerkmale deutlich aus dem Kreis der sonst einfachen Tätigkeiten herausheben, dann verwiesen werden, wenn diese Tätigkeiten wegen ihrer Qualität, nicht aber wegen etwaiger Nachteile oder Erschwernisse in der Arbeitsumgebung tariflich wie sonstige Ausbildungsberufe eingestuft sind (BSG Urteil vom 28.05.1991 – 13/5 RJ 4/90, SozR 3 2200 § 1246 Nr. 12). Zur Konkretisierung des Verweisungsrahmens und zur praktischen Handhabung hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat in einer Vielzahl von Entscheidungen angeschlossen hat, die Arbeiterberufe in ein "Mehrstufenschema" eingeordnet (vgl. statt vieler BSG Urteil vom 12.09.1991 – 5 RJ 34/90, SozR 3-2200 § 1246 Nr.17). Ausgehend von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Hauer ist der Kläger nach diesem Schema der Gruppe der Versicherten mit dem Leitberuf des bergmännischen Facharbeiters zuzuordnen. Als solcher ist er grundsätzlich nur auf Anlerntätigkeiten im Sinne des Mehrstufenschemas verweisbar, auf Tätigkeiten also, die entweder zu den anerkannten Ausbildungsberufen mit einer Regelausbildung bis zu zwei Jahren gehören oder aber zumindest eine echte betriebliche Ausbildung, die eindeutig über eine bloße Einweisung und Einarbeitung hinausgeht, voraussetzen. Zu diesen Tätigkeiten gehören nach ständiger und gefestigter Rechsprechung des Senats wie auch der des 2. Senats des Landessozialgerichts NRW, der ebenfalls für knappschaftliche Rentenversicherungsangelegenheiten zuständig ist, die Tätigkeit als Lampenwärter (vgl. Urteil vom 22.08.1996 – L 2 KN 19/94; Urteil vom 07.06.2005 L 18 KN 87/03, vom 11.01.12005 – L 18 KN 54/03, vom 20.04.2004 L 18 KN 99/03). Dabei stellt der Senat Bedenken hinsichtlich des Facharbeiterschutzes zurück, die deshalb bleiben, weil der Kläger weder eine Knappen-/Hauerprüfung abgelegt noch eine Ausbildung zum Bergmechaniker oder Berg- und Maschinenmann durchlaufen hat und er darüber hinaus vom Arbeitgeber nachträglich auch nicht schriftlich bestätigt bekommen hat, dass er die Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt, die ihn befähigen, die in der Gewinnung, Aus-, Vor-, und Herrichtung vorkommenden wesentlichen bergmännischen Arbeiten zu verrichten. Auf die schriftliche Bestätigung kann dann verzichtet werden, wenn anderweitig der Nachweis einer entsprechenden Qualifikation geführt wird, d.h. nach den genannten Kriterien die schriftliche Bestätigung nach Maßgabe der Lohnordnung hätte erteilt werden müssen. Da der Kläger vor seiner ab 1993 in Lohngruppe 10 und damit in eine Facharbeiterlohngruppe eingestuften Tätigkeit auch schon früher als Hauer in der Gewinnung über dreizehn Monate in Lohngruppe 11 gearbeitet hat, spricht vieles dafür, dass der Kläger über das erforderliche Wissen und Können verfügte, um ihm die Facharbeiterqualifikation zuzusprechen. Letztlich brauchte der Senat wegen letzter Bedenken hinsichtlich des bergmännischen Facharbeiterschutzes auf Grund der dazwischen nur in Lohngruppen 07 und 08 verrichteten Tätigkeiten dennoch diese Frage nicht weiter zu vertiefen, weil der Kläger jedenfalls zumutbar auf die Lampenwärtertätigkeit verweisbar ist.
Der Kläger ist nach seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen, wie es sich nach den im Tatbestand wiedergegebenen Ergebnissen der medizinischen Begutachtungen darstellt, noch in der Lage, eine Lampenwärtertätigkeit zu verrichten. Danach liegen bei ihm auf internistischem Gebiet eine Struma diffusa, ein Ulcusleiden (anamnestisch), eine Refluxösophagetis (anamnestisch) sowie eine leichtgradige Einschränkung der Lungenfunktion vor. Die Vergrößerung der Schilddrüse hat keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit; insoweit wurde allein zur Vorbeugung eine medikamentöse Behandlung vorgeschlagen, um weiteres Wachstum im Bereich der Schilddrüse zu verhindern. Eine Beeinträchtigung der Atmung war nicht nachzuweisen. Die vom Kläger geschilderten Atemnotanfälle haben bei der Untersuchung kein objektivierbares Korrelat gefunden. Die Lungenfunktionsprüfung ergab keinen Hinweis auf eine stärker ausgeprägte restriktive oder obstruktive Ventilationsstörung. Der Sachverständige konnte bei der körperlichen Untersuchung nur einen mäßiggradigen Druckschmerz im Oberbauch feststellen, sodass sich eine endoskopische Untersuchung als nicht notwendig herausstellte. Der Senat sieht vor diesem Hintergrund die Einschätzung von Prof.Dr. N, dass der Kläger körperlich noch mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten kann, für überzeugend an, zumal auch nach dessen Feststellungen die schmerzhaften Veränderungen der Wirbelsäule im Vordergrund standen und die erhobenen internistischen Befunde nur von untergeordneter Bedeutung waren. Allerdings haben auch die festgestellten orthopädischen Leiden keine schwerwiegende Einschränkung der Leistungsfähigkeit ergeben. Dr. L hat, was die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule anbelangt, allenfalls beginnende Veränderungen und geringfügige Protrusionen festgestellt und dabei darauf hingewiesen, dass bei der klinischen Untersuchung ein ausgesprochen demonstratives Verhalten aufgefallen sei. Es bestanden jeweils deutliche Unterschiede zwischen aktiv vorgeführten Bewegungen und passiv erreichbarem Bewegungsausmaß. Im Bereich der HWS wurde eine erhebliche Schonhaltung demonstriert und eine erhebliche Bewegungsunfähigkeit angegeben, wogegen sich röntgenologisch dort nur diskrete degenerative Veränderungen haben finden lassen. Weder der röntgenologische, noch der kernspintomographische und neurologische Befund haben den Schluss zugelassen, dass die starken angegebenen Bewegungseinschränkungen und Behinderungen auf schwerwiegenden organischen Veränderungen beruhen könnten. Auch die rechtsseitig festgestellte Femoropatellararthrose bezeichnete Dr. L als minimal; klinisch hat er völlig unauffällige Kniegelenke vorgefunden, die keinerlei Anhalt für einen Innen, Außen- oder Kreuzbandschaden zeigten. Vor diesem Hintergrund ist Dr. L zu dem für den Senat nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass der Kläger körperlich noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten verrichten kann, wobei der Senat die Bedenken der ärztlichen Beraterin der Beklagten teilt, was die Begrenzung der Beanspruchung auf eine Tragebelastung bis zu 10 kg angelangt. Im Hinblick auf die Lampenwärtertätigkeit kann die Begrenzung auf eine Maximalbelastung von 10 kg letztlich unerörtert bleiben, weil bei dieser Tätigkeit derartige Belastungen nicht auftreten.
Insgesamt geht der Senat in Übereinstimmung mit den medizinischen Sachverständigen davon aus, dass der Kläger noch durchweg leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ohne Zwangshaltung in Wechsel- und Nachtschicht verrichten kann. Einschränkungen bestehen bei Arbeiten mit häufigem Bücken, häufigem Knien und in gebeugter Haltung sowie Zwangshaltung. Darüber hinaus verbietet sich nach Auffassung von Prof.Dr. N das Arbeiten unter Zeitdruck oder "sonstigem Stress".
Auch mit Rücksicht auf diese Einschränkungen ist der Kläger in der Lage, die Tätigkeit eines Lampenwärters auszuüben. Bei körperlich leichter Beanspruchung und der Möglichkeit im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen zu arbeiten, muss der Lampenwärter weder in gebeugter Haltung noch unter häufigem Bücken oder Knien arbeiten, er ist keinen Zwangshaltungen ausgesetzt. Die Arbeiten finden außerdem nicht unter Stress oder Zeitdruck statt.
Als Hauer verfügt der Kläger auch über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten, um nach kurzer Einarbeitungszeit diese Tätigkeit zu verrichten.
Die Verweisungstätigkeit des Lampenwärters ist dem Kläger auch unter Berücksichtigung des Schutzes als bergmännischer Facharbeiter zumutbar. Nach den eingangs erwähnten Grundsätzen des Mehrstufenschemas des BSG erfüllt die Tätigkeit des Lampenwärters die genannten Kriterien. Der Lampenwärter ist tarifvertraglich in Lohngruppe VI (über Tage) eingestuft, die beispielsweise auch angelernte Handwerker erfasst. Der sachliche Grund für ihren tariflichen Rang liegt darin begründet, dass die regelmäßige Wartung des Geleuchts und der Atemschutzgeräte der Sicherheit des Untertagebergbaus dient und deshalb von deutlich gehobener betrieblicher Wichtigkeit ist. Sie ist damit nicht aus Gründen besonderer Arbeitserschwernisse und aus sozialen Gründen einer Anlerntätigkeit tariflich gleichwertig behandelt, sondern weil sie von deutlich gehobener betrieblicher Bedeutung ist.
Eine Verweisung auf die Lampenwärtertätigkeit scheitert schließlich auch nicht aus "Arbeitsmarktgründen", weil etwa im Steinkohlebergbau nur noch wenige Arbeitsplätze zur Verfügung stünden.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, auf die auch die Beklagte Bezug genommen hat, muss sich ein Versicherter auf eine entsprechende Tätigkeit verweisen lassen, wenn noch eine reale, wenn auch schlechte Chance auf eine entsprechende Beschäftigung besteht, also nicht nur eine theoretische Möglichkeit vorhanden ist, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erlangen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Wie der Senat in den dem Klägerbevollmächtigten zur Kenntnis gegebenen Urteilen ausgeführt hat, kommen wegen des seit 1983 im Steinkohlenbergbau bestehenden Einstellungsstops nur Bewerber in Betracht, die noch dem Bergbau angehören, so dass der Kläger wegen seiner Tätigkeit auf der Zeche des Bergwerks Q bis zum Ende des Jahres 2000 durchaus noch eine Chance auf eine entsprechende Beschäftigung hatte. Er gehörte als Belegschaftsangehöriger dieses Bergwerks der damaligen Ruhrkohle AG an und zählte mithin zu einem Personenkreis, dem die körperlich leichten Arbeiten im Übertagebetrieb des Steinkohlebergbaus allein vorbehalten waren. Dieser Einschätzung steht auch die der Beklagten erst mit der Zustellung des Urteils zur Kenntnis gegebene Auskunft der DSK vom 31.07.2003 nicht entgegen. Ungeachtet des Umstands, dass diese Auskunft vom Juli 2003 nicht aussagekräftig für die im Dezember 2000 bei der DSK bestehende Personalsituation sein kann, gab und gibt es auf den Zechen Arbeitsplätze für Lampenwärter (und Verwieger). Dass alle für eine Verweisungstätigkeit in Betracht kommenden Stellen besetzt sind, ist nach der Rechtsprechung des BSG ganz grundsätzlich unerheblich. Daraus kann nicht der Schluss gezogen werden, dass hierauf im Rahmen der Prüfung der Berufsunfähigkeit nicht verwiesen werden könnte (so z.B. BSG vom 14.05.1996 Az.: 4 RA 60/94 BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Die Auskunft vom 31.07.2003 gibt ganz abgesehen davon vielmehr Anlass zu der Annahme, dass die Lampenwärterstellen- bzw. arbeitsplätze nach wie vor existieren und keineswegs ganz weggefallen sind oder wegfallen. Wie die Auskunft zeigt, stehen sogar auf Prosper Haniel, dem ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers, Lampenwärterstellen zur Verfügung.
Die Umstände, die zur Abkehr des Klägers vom Bergbau führten, vermögen an der Verweisbarkeit ebenfalls nichts zu ändern. Der Vortrag des Klägers macht insoweit gerade deutlich, dass nicht das versicherte Risiko des gesundheitlichen Unvermögens ursächlich für die Nichtausübung des Verweisungsberufs war, sondern betriebliche Gründe. Dass der Kläger der Lampenwärtertätigkeit gesundheitlich auch im Zeitpunkt der Abkehr gewachsen war, ergab sich schon aus dem Entlassungsbericht über die in der Zeit vom 16.08. – 06.09.2000 durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Danach konnte er zwar die Hauertätigkeit nicht mehr verrichten, im Übrigen war er aber in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten vollschichtig zu verrichten. Dass generell im Zeitpunkt der Abkehr auf den Zechen Arbeitsplätze für Lampenwärter vorhanden waren, ergibt sich aus den dem Kläger im Termin vom 06.07.2004 überreichten Unterlagen. Der Kläger selbst räumt ein, dass die DSK in ihrer Auskunft vom 28.03.2001 für die Schachtanlage Q, auf der der Kläger beschäftigt war, 11 Lampenwärterarbeitsplätze gemeldet hat. Soweit diese Stellen später bis zum 17.12.2002 auf 5 Lampenwärterstellen reduziert worden sind, ist das für den geltend gemachten Anspruch ohne Belang, weil die Arbeitsplätze immer noch nicht weggefallen waren und auch jetzt noch nicht weggefallen sind, so dass die Verweisbarkeit des Klägers auf die Lampenwärtertätigkeit im Zeitpunkt der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Dezember 2000 daran nicht scheitert. Vor diesem Hintergrund können auch Zusammenlegungsmaßnahmen oder der vom Kläger geltend gemachte "Personalanpassungsdruck" nicht berücksichtigt werden. Denn nach der Auskunft der DSK vom 14.10.1994 sind, solange Zechen bestehen, betriebsübergreifende Umsetzungen von einem Bergwerk zum anderen nicht ausgeschlossen. Im übrigen widerspricht dem Vortrag des Klägers, sich intensiv um einen leidensgerechten Arbeitsplatz bemüht zu haben, der rein tatsächliche Ablauf bis zu dessen Abkehr. Er hat nach seiner Arbeitsunfähigkeit von August bis September an der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen, aus der er mit einem Leistungsvermögen für leichte und mittelschwere Arbeiten entlassen worden ist. Er hätte sich mithin ab diesem Zeitpunkt um eine entsprechende Tätigkeit bemühen können. Derart intensive Bemühungen sind allein deshalb nicht ersichtlich, weil der Kläger bereits am 28.11.2000 den Aufhebungsvertrag geschlossen hat.
Ein Anspruch nach der Regelung des § 240 SGB VI scheitert daran, dass der Kläger nach dem 01.01.1961 geboren ist.
Ungeachtet der Zumutbarkeit der Lampenwärtertätigkeit ist der Kläger aber auch den typischen Aufgaben eines Zigarettenautomatenauffüllers gewachsen, bei der es sich nach den dem Kläger zur Kenntnis gegebenen berufskundlichen Gutachten und Stellungnahmen des Dr. N1 um eine leichte Tätigkeit handelt. Als Zigarettenautomatenauffüller werden auch Ungelernte und berufsfremde Kräfte beschäftigt, die den Führerschein der Kl. 3 besitzen. Die – an sich – ungelernte, allenfalls kurzfristig angelernte Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers ist in Lohngruppe VI (Verkaufsfahrer) nach dem Lohnrahmenabkommen des Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen vom 14.03.1980 (Lohnrahmenabkommen) eingestuft. Gemäß der Umschreibung der Lohngruppe werden hier "Tätigkeiten, die eine abgeschlossene Arbeiterausbildung voraussetzen" bzw. "Tätigkeiten, deren Ausführung Fertigkeiten und Kenntnisse erfordern, die denen von Facharbeitern gleichzusetzen sind" entlohnt. Wegen der Höhe des Wertes der überlassenen Zigarettenwaren und der verwalteten Geldbeträge und der daraus resultierenden Vertrauensstellung ist eine entsprechend hohe tarifliche Einstufung der Tätigkeit des Zigarettenautomatenauffüllers in die Lohngruppe VI des Lohnrahmenabkommens, nach der u.a. Tätigkeiten entlohnt werden, die eine abgeschlossene Facharbeiterausbildung voraussetzen, vorgenommen worden. Die Vertrauensstellung des Zigarettenautomatenauffüllers bestimmt die qualitative Wertigkeit der Tätigkeit, d.h. deren hohe tarifliche Einstufung beruht nicht auf qualitatsunabhängigen Merkmalen, sondern dem Wert der zu verrichtenden Tätigkeit.
Eine hinreichende Anzahl von Arbeitsplätzen ist im Bundesgebiet vorhanden; die rund 780.000 Zigarettenautomaten in Deutschland werden von etwa 2500 in der Regel in Vollzeit abhängig Beschäftigten Zigarettenautomatenauffüllern betreut.
In gesundheitlicher Hinsicht war der Kläger bis Dezember 2000 dieser Tätigkeit gewachsen, weil schwere Lasten nicht gehoben bzw. getragen werden müssen. Weder beim Beladen des Fahrzeugs oder der Automaten mit Zigarettenwaren noch bei der Entnahme des Geldes aus dem Automaten fallen Gewichte von über 10 kg an. Etwa anfallende höhere Gewichte aufgrund höherer Geldeinnahmen können dadurch reduziert werden, dass mehrere Wege zwischen Automaten und Fahrzeug gemacht werden. Der Kläger muss auch nicht dauerhaft in Kälte, Nässe oder Zugluft arbeiten. Sollten derartige Witterungsbedingungen vorkommen, kann er sich durch der Witterung angepasste Kleidung schützen. Das haben die Sachverständigen für ausreichend erachtet. Arbeiten unter Zeitdruck kann deshalb nicht entstehen, weil der Automatenauffüller den Arbeitsbeginn in der Regel selbst festlegt und auch den Tourablauf selbst organisiert. Ihm sind allein die Automaten vorgegeben, die er am jeweiligen Tag aufzusuchen hat. Bei weitgehender Gestaltungsfreiheit sieht der Senat nicht, inwieweit eine außergewöhnliche Stressbelastung auftreten könnte. Wie Dr. N1 ausgeführt hat, setzen sich die Automatenauffüller häufig selbst unter Druck, um früh Feierabend zu haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Erstellt am: 28.06.2006
Zuletzt verändert am: 28.06.2006