Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 20. Juni 2013 wird als unzulässig verworfen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 24. Juli 2013 war gemäß § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 572 Abs. 2 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht eingelegt wurde.
Die Beschwerde ist nach § 173 Satz 1 SGG binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung beim Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der genannten Frist bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 173 Satz 2 SGG).
Die Beschwerde ist von der Antragstellerin erst nach Ablauf der Monatsfrist eingelegt worden. Der angefochtene Beschluss ist der Antragstellerin ausweislich der gemäß § 202 SGG i.V.m. § 182 ZPO formell ordnungsgemäß ausgestellten und unterzeichneten Zustellungsurkunde vom 22. Juni 2013 an diesem Tag durch Einlegen in den Briefkasten entsprechend §§ 63, 202 SGG i.V.m. § 180 ZPO zugestellt worden. Ausgehend von diesem Zustellungsdatum lief die Monatsfrist zur Einlegung der Beschwerde gemäß § 64 SGG bis zum 22. Juli 2013 (einem Montag) und war am 24 Juli 2013, dem Tag der Einlegung, bereits abgelaufen. Da die Antragstellerin mit dem angefochtenen Beschluss über die Art des möglichen Rechtsbehelfs, den Ort seiner Anbringung und die einzuhaltende Frist ordnungsgemäß im Sinne von § 66 SGG belehrt wurde, greift hier nicht die in § 66 Abs. 2 SGG bei unrichtiger Belehrung vorgesehene Jahresfrist ein, sondern es verbleibt bei der Monatsfrist.
Das Vorbringen der Antragstellerin, sie habe das ihr zugestellte Schriftstück nicht erhalten, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Postzusteller hat in der über die Zustellung aufgenommenen Urkunde bezeugt, die zuzustellende Entscheidung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt zu haben, weil eine Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung bzw. in den Geschäftsräumen nicht möglich war. Dieser Vermerk hat auch dann, wenn er von einem Bediensteten der Deutschen Post AG ausgestellt wird, die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde im Sinne des §§ 418 ZPO, begründet also den vollen Beweis der in der Urkunde bezeichneten Tatsachen. Dieser Beweis kann zwar durch Gegenbeweis entkräftet werden (§ 418 Abs. 2 ZPO), die bloße Versicherung, das Schriftstück nicht erhalten zu haben, genügt dafür aber nicht. Die Unrichtigkeit der in der Urkunde bezeugten Tatsachen muss vielmehr zur vollen Überzeugung des Gerichts bewiesen werden (vergleiche Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 6.12.2004 zum Aktenzeichen AnwZ (B) 92/03 – zitiert nach juris). Bloße Zweifel an der Richtigkeit der urkundlichen Feststellungen reichen zur Führung des Gegenbeweises nicht aus. Ebenso kann der Gegenbeweis nicht durch die bloße Behauptung geführt werden, die zugestellte Sendung nicht erhalten zu haben. Für die Wirksamkeit der Zustellung kommt es nämlich nicht darauf an, ob und wann der Adressat das Schriftstück seinem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Der Nachweis der Unrichtigkeit der Postzustellungsurkunde ist vielmehr substantiiert anzutreten und kann nur durch die vollständige Entkräftung ihres Inhalts geführt werden. Erforderlich ist mithin mindestens die Glaubhaftmachung eines Sachverhalts, der zur Überzeugung des Gerichts jede Möglichkeit der Richtigkeit der beurkundeten Tatsachen ausschließt. Hier fehlt es schon mangels substantiierter Angaben der Antragstellerin an jeglichen Anhaltspunkten für einen solchen Sachverhalt. Angaben beispielsweise dazu, dass ein unbefugtes Entnehmen von Post aus dem zur Wohnung gehörenden Briefkasten möglich und gegebenenfalls schon vorgekommen ist, wurden nicht gemacht.
Von der Antragstellerin ist auch nach dem vom Gericht erfolgten Hinweis auf die verspätete Beschwerdeeinlegung nicht glaubhaft gemacht worden, dass sie von der zugestellten Entscheidung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat. Damit liegen die Voraussetzungen für eine Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumung ebenfalls nicht vor. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne sein Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Eine Verschulden begründende Sorgfaltspflichtverletzung liegt zwar nicht immer schon dann vor, wenn ein Empfänger keine Kenntnis von einer bewirkten Zustellung erlangt. Die Unkenntnis ist aber dann vorwerfbar, wenn weitere Umstände hinzutreten, die zu erhöhter Sorgfalt Anlass gegeben haben würden (siehe BGH am angegebenen Ort). Solche Umstände liegen hier vor. Die Antragstellerin hatte mit dem Zusatz "Eilt sehr!" am 27. Mai 2013 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht angebracht. Nachdem ihr die dazu ergangene Stellungnahme des Antragsgegners am 3. Juni 2013 zur Kenntnis- und eventuellen Stellungnahme übersandt worden war, musste sie jedenfalls nach Ablauf einer kurzen Frist, die ihr zur Abgabe einer freigestellten Stellungnahme einzuräumen war, mit einer Entscheidung des Sozialgerichts, die dann auch am 20. Juni 2013 ergangen ist, rechnen. Sie hätte deshalb besondere Sorgfalt darauf verwenden müssen, dass sie von allen bei ihr eingehenden Poststücken unverzüglich Kenntnis erhält und sich – bei fehlendem Eingang – zeitnah bei Gericht über den Stand des Verfahrens erkundigen müssen, um eine verschuldete Fristversäumnis auszuschließen. Dies ist jedoch nicht geschehen, die Antragstellerin hat mehr als sieben Wochen (gerechnet vom Zeitpunkt der Absendung der Verfahrensstellungnahme des Antragsgegners an sie) verstreichen lassen, bevor sie sich ans Sozialgericht wandte. In Anbetracht der geschilderten Gesamtumstände ist dieser Zeitraum zu lang, um eine unverschuldete Unkenntnis der Antragstellerin von der zwischenzeitlich ergangenen und ihr zugestellten Entscheidung bewirken zu können.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des §§ 193 SGG.
Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren kam mangels hinreichender Erfolgsaussichten nicht in Betracht (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 13.09.2013
Zuletzt verändert am: 13.09.2013