Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Absenkung des Arbeitslosengeldes II des Klägers um 30% der Regelleistung gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 c) des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) in der Zeit vom 01.12.2005 bis zum 28.02.2006, weil es der Kläger auf Grund seiner Weltanschauung zur Ausländerpolitik abgelehnt hat, eine Arbeitsgelegenheit beim Multikulturellen Forum e.V … (Multikulturelles Forum) anzunehmen.
Der Kläger bezieht seit Januar 2005 Leistungen von der Beklagten.
Am 19.10.2005 wurde er von dieser unter Übergabe eines entsprechenden Angebotsschreibens mit Belehrung über die Rechtsfolgen aufgefordert, sich beim Multikulturellen Forum zu bewerben. Dies lehnte der Kläger mit Schreiben vom gleichen Tage mit der Begründung ab, er sehe sich als Sympathisant einer rechten Partei wegen seiner politischen Einstellung nicht in der Lage, für eine Institution zu arbeiten, die die Integration von Ausländern befürwortet.
Daraufhin senkte die Beklagte mit Bescheid vom 08.11.2005 das Arbeitslosengeld II des Klägers für die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 um 30 % der Regelleistung gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 c) SGB II ab. Dies begründete sie damit, dass sich der Kläger geweigert habe, die ihm zumutbare Beschäftigung beim Multikulturellen Forum aufzunehmen ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.
Der hiergegen am 24.11.2005 vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde von der Be-klagten mit Bescheid vom 03.04.2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Dagegen hat der Kläger am 03.05.2006 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage trägt er vor, die ihm angebotene Arbeitsgelegenheit beim Multikulturellen Forum habe nicht seiner Eingliederung in den Arbeitsmarkt sondern seiner Disziplinierung und Demütigung gedient, da er in der Vergangenheit Entscheidungen der Beklagten kritisch hinterfragt habe. Ihm verbliebe neben der anvisierten 30-stündigen Wochenarbeitszeit und seiner fünf Wochenstunden umfassenden Nebenbeschäftigung bei einem Verlag kein Raum mehr für eine intensive Beschäftigungssuche. Eine über sechs Monate dauernde Arbeitsverpflichtung sei zu lang. Zudem habe die Beklagte bei der Auswahl der für ihn vorgesehenen Arbeitsgelegenheit seine individuellen Neigungen und seine Weltanschauung nicht berücksichtigt. Ihm sei es auf Grund seiner politischen Einstellungen nicht zumutbar und verstoße gegen die Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit aus Artikel 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), zu einer Tätigkeit bei einem Verein verpflichtet zu werden, der eine Integrationspolitik für Ausländer befürworte und von Ausländern geleitet werde. Die Absenkung seiner Leistung infolge der Arbeitsablehnung verletzte ferner das in Artikel 3 Abs. 1 GG normierte allgemeine Gleichheitsgebot sowie die Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union, da er gegenüber "normalen" Berufstätigen untertariflich bezahlt werde und die betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen für ihn nicht gelten würden. Sie verstoße auch gegen das in Artikel 12 Abs. 2 GG und Art. 2 des Übereinkommens über Zwangs- und Pflichtarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation normierte Verbot der Zwangsarbeit. Schließlich sei es unzulässig, die Absenkung des Arbeitslosengeldes II für sofort vollziehbar zu erklären.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 08.11.2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 01.12.2005 bis zum 28.02.2006 ungekürzte Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich zur Begründung ihrer Klageerwiderung auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Sie verweist insbesondere darauf, dass das Arbeitsangebot beim Multikulturellen Forum dem Kläger zumutbar war und ein wichtiger Grund für dessen Ablehnung durch den Klägers nicht zu erkennen ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid vom 08.11.2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2006 ist rechtmäßig und beeinträchtigt den Kläger nicht in seinen rechtlich geschützten Interessen. Die Beklagte hat das Arbeitslosengeld II des Klägers zu Recht gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 c) SGB II um 30 % der Regelleistung, dass heißt insgesamt EUR 310,50 (3 x EUR 103,50 ), für die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 abgesenkt, da dieser trotz Belehrung über die Rechtsfolgen ein ihm zumutbares Arbeitsangebot beim Multikulturellen Forum abgelehnt hat ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.
Das Arbeitslosengeld II wird unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 % der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 maßgebenden Regelleistungen abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit aufzunehmen oder fortzuführen ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund nachzuweisen, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 c) und S. 2 SGB II. Die Absenkung tritt mit Wirkung des Kalendermonats ein, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes, der die Absenkung der Leistung feststellt, folgt. Die Absenkung dauert drei Monate, § 31 Abs. 6 S. 1f. SGB II.
Nach Auffassung der Kammer war die dem Kläger beim Multikulturellen Forum angebotene Arbeitsgelegenheit ihm zumutbar und hat er diese abgelehnt ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.
Dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass 1. er zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist, 2. die Aus-übung der Arbeit ihm die künftige Ausübung seiner bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt, oder 3. der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht, § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 5 SGB II. Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil 1. sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen entspricht, für die er ausgebildet ist oder die er ausgeübt hat, 2. sie im Hinblick auf die Ausbildung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen als geringwertig anzusehen ist oder 3. die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, § 10 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 4 SGB II.
In Anwendung dieser Grundsätze ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass dem Kläger eine Tätigkeit bei dem Multikulturellen Forum zumutbar war.
Auch der Kläger macht nicht geltend, die ihm beim Multikulturellen Forum im Umfang von 30 Wochenstunden angebotene Tätigkeit habe seinem fünf Wochenstunden umfassenden Nebenjob erschwerend im Wege gestanden. Soweit er sich darauf beruft, neben einer Beschäftigung von insgesamt 35 Wochenstunden nicht mehr genügend Zeit zur Arbeitssuche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gehabt zu haben, muss er sich darauf verweisen lassen, dass eine Betätigung im Umfang von acht Stunden werktäglich zulässig ist, vgl. § 3 des Arbeitszeitgesetzes (ArbzG), und es allgemein üblich sein dürfte, dass sogar vollschichtig Arbeitende sich neben ihrer Tätigkeit bewerben wobei nach Absprache mit dem Arbeitgeber eine Freistellung zu erfolgen hat (vgl. hierzu Dauner-Lieb/Heidel/Ring-Franzen, BGB Band 2 – 2005, § 629 BGB).
Dass die Arbeitsgelegenheit vom Kläger länger als sechs Monate ausgeübt werden sollte, ist den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Eine bis zu sechs Monate dauernde Tätigkeit entspricht der Sollvorschrift für den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, § 15 Abs. 1 S. 3 SGB II, und den Bewilligungszeitraum, § 41 Abs. 1 S. 4 SGB II.
Dem Kläger stand für die Ablehnung der Arbeitsgelegenheit beim Multikulturellen Forum auch kein sonstiger wichtiger Grund zur Seite.
Er kann sich insbesondere nicht darauf berufen, ihm sei es wegen seiner politischen Einstellung zur Integration von Ausländern nicht zumutbar gewesen, für einen Verein zu arbeiten, der eine integrative Ausländerpolitik befürwortet und von Ausländern geleitet wird. Eine Verletzung der durch Art. 4 Abs. 1 GG gewährleisteten Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit vermag die Kammer insoweit nicht festzustellen. Dieses zunächst ohne Vorbehalt gewährleistete Grundrecht findet nämlich seine Grenze in kollidierendem Verfassungsrecht. Das in Art. 3 Abs. 3 GG normierte Verbot der Benachteiligung wegen der Herkunft, der Heimat, des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauung verbietet es in jedem Fall, die vom Kläger vorgetragene Gesinnung gegenüber Ausländern als rechtens anzuerkennen. Sein politischer Standpunkt gegenüber Ausländern konnte daher auch von der Beklagten bei der von ihr vorzunehmenden Ermessensausübung hinsichtlich eines für den Kläger geeigneten Arbeitsangebotes gänzlich außer Betracht gelassen werden.
Für einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Artikel 3 Abs. 1 GG durch die Absenkung der Leistungen des Klägers infolge seiner Arbeitsablehnung fehlt es nach Auffassung der Kammer bereits an einer Vergleichbarkeit der vorgetragenen Sachverhalte. Da der Kläger seinen Unterhalt sichernde Leistungen von der Beklagten in Anspruch nimmt, ist er nicht mit einem auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Berufstätigen in Hinblick auf die Geltung von tarif- und betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften vergleichbar. Die ihm von der Beklagten vermittelte Arbeitsgelegenheit hätte kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts begründet, vgl. § 16 Abs. 3 S. 2 2. HS SGB II. Zusätzlich ist wohl in der Leistungsgewährung nach dem SGB II eine sachliche Rechtfertigung für die Heranziehung zu einer Arbeitsangelegenheit zu sehen. Nichts anderes ergibt sich aus der Antidiskriminierungsrichtlinie der Europäischen Union, welche zwischenzeitlich durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in nationales Recht umgesetzt worden ist.
Die Kammer konnte gleichfalls eine Verletzung des in Artikel 12 Abs. 2 GG normierten Verbotes der Zwangsarbeit nicht feststellen. Sieht man – der allgemeinen Tendenz in der Grundrechtslehre folgend – auch mittelbare Zwangsauswirkungen als grundrechtsrelevant an, dürfte bereits die Auferlegung finanzieller Nachteile in Form der Absenkung des Arbeitslosengeldes bei Nichtannahme einer angebotenen zumutbaren Arbeit an Art. 12 Abs. 2 GG zu messen sein. Der Sinn dieses grundrechtlich gewährleisteten Abwehrrechtes verbietet jedoch eine Interpretation, die im Ergebnis auf ein Recht zur mißbräuchlichen Inanspruchnahme der sozialversicherungsrechtlichen Solidar-gemeinschaft hinauslaufen könnte (vgl. hierzu Sachs-Tettinger, Grundgesetz, 3. Auflage – 2002, Art. 12 GG, Rn. 152f. m.w.N.). Das Übereinkommen über Zwangs- und Pflichtarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation stellt hingegen kein unmittelbar geltendes nationales Recht dar und dürfte durch Art. 12 Abs. 2f. GG in der Bundesrepublik Deutschland hinlänglich umgesetzt worden sein.
Durch das dem Kläger am 19.10.2005 überreichte Angebotsschreiben war dieser hinreichend über die Rechtsfolgen seiner Arbeitsablehnung belehrt. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, das Schreiben erhalten und die Belehrung über die Rechtsfolgen einer Arbeitsablehnung im Übrigen gekannt und verstanden zu haben.
Die Höhe und Dauer der Absenkung des Arbeitslosengeldes II des Klägers um 30 % der Regelleistung für drei Monate ab Dezember 2005, dass heisst dem Monat, der auf das Wirksamwerden des Verwaltungsaktes mit seiner Bekanntmachung gegenüber dem Kläger folgte, ergibt sich aus § 31 Abs. 1 und 6 S. 1f. SGB II. Der Kläger hat das Angebot, beim Multikulturellen Forum zu arbeiten, im Oktober 2005 abgelehnt. Die Absenkung wurde daraufhin von der Beklagten im November 2005 für die Monate Dezember 2005 bis Februar 2006 festgestellt.
Die sofortige Vollziehbarkeit der Absenkungsentscheidung resultiert aus § 39 Nr. 1 SGB II. Die hier angefochtene Verwaltungsentscheidung betrifft Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem
Sozialgericht Dortmund, Ruhrallee 1-3, 44139 Dortmund,
schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Dortmund schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
Erstellt am: 19.12.2006
Zuletzt verändert am: 19.12.2006