Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 20.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2012 verurteilt, dem Kläger für die Zeit ab dem 01.08.2012 bis zum 08.09.2013 dem Grunde nach Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagtes zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (nachfolgend: SGB II) dem Grunde nach.
Der am 18.03.1955 in Niscemi, Italien, geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger.
Er ist seit dem 01.11.2009 in Dortmund gemeldet.
Der Kläger sprach erstmals im Dezember 2009 bei dem Beklagten vor, um Leistungen zu beantragen. Er machte geltend, er habe zuvor in Italien gearbeitet. Er konnte dabei keine genauen Angaben zu seinem bisherigen Lebenslauf machen und erklärte, ihm sei bei bzw. nach der Einreise nach Deutschland, seine Tasche mit allen Unterlagen gestohlen worden.
Zunächst wurde er auf den möglichen Bezug von Arbeitslosengeld aus Italien hingewiesen und stellte jedenfalls keinen vollständigen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II.
Von März bis September 2010 ging der Kläger einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung als Bauhelfer bei der XXX nach.
Im März 2010 sprach er erneut vor und beantragte im Hinblick auf seine geringfügige Beschäftigung als Bauhelfer aufstockende Leistungen nach dem SGB II.
Er gab dabei u. a. die XXX als seine Krankenversicherung an und nannte eine Versicherungsnummer, kreuzte aber zugleich an, derzeit nicht krankenversichert zu sein.
Bei Abgabe des Antragsformulars legte er unter anderem einen ihm am 14.01.1997 von der ‚XXX ausgestellten Sozialversicherungsausweis (Vers.-Nr.XXX) vor. Ferner wurde ein von der Auskunfts- und Beratungsstelle der Deutschen Rentenversicherung erstellter "Druck Stammsatz" vom 25.03.2010 zu dem Kläger, diesmal mit der Vers.-Nr. XXX, vorgelegt. Aus den dortigen Angaben ergibt sich, dass es sich bei der Vers.-Nr. XXX um eine weitere zugehörige (aber am 18.11.2005 stillgelegte) Versicherungsnummer des Klägers handelt. Eine weitere bereits am 20.01.1982 stillgelegte Vers.-Nr. lautet XXX Ferner ergibt sich daraus die Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover.
Außerdem legte er einen italienischen Krankenversicherungsnachweis ("Documento per l’assistenza sanitaria") des Krankenversicherers "XXX" vor.
Nach einem anlässlich seiner SGB II-Antragstellung zusammen mit dem Beklagten erstellten "Lebenslauf" war er vom 01.01.1969 bis 31.12.1971 in Deutschland als Maurer tätig, anschließend bis zum 31.12.1983 als Gesundheits- und Krankenpflegehelfer, anschließend wieder bis zum 31.12.2004 als Maurer. Vom 01.01.205 bis zum 31.08.2009 hielt er sich in Italien auf. Am 01.09.2009 reiste er wieder nach Deutschland ein.
Nach den Angaben des Klägers in zwei – auf Anforderung des Beklagten erstellten – Schreiben an den Beklagten vom 13.04.2010 und 23.06.2010, in denen es um die Sicherung seines Lebensunterhaltes in der Zeit ab 2005 bis zur Antragstellung ging, lebte er vom 01.01.2005 bis 2006 (Schreiben vom 13.04.2010) bzw. bis zum einem unklaren Zeitpunkt im Verlauf des Jahres 2005 (Schreiben vom 23.06.2010) arbeitslos in Deutschland. Anschließend sei er nach Pisa in Italien gegangen, da er dort Arbeit gefunden habe. Ab 2007 (Schreiben vom 13.04.2010) bzw. 2006/2007 (Schreiben vom 23.06.2010) sei er in Italien arbeitslos gewesen und habe von Ersparnissen gelebt. Ab dem 09.03.2009 sei er zurück nach Deutschland gekommen, da er in Italien keine Arbeit gefunden habe. Im Schreiben vom 13.04.2010 gab er ferner an, er habe hier zunächst von Ersparnissen gelebt. Im Schreiben vom 23.06.2010 heißt es, er habe "von 2009 bis heute ( ) in einer Firma hier in Dortmund auf 400EUR-Basis" gearbeitet.
Mit Bescheid vom 11.08.2010 lehnte der Beklagte den Antrag wegen fehlender (ausreichender) Angaben zur Hilfebedürftigkeit ab. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Ausweislich seiner Angaben und einer von dem Beklagten angeforderten Arbeitsbescheinigung der arbeitete der Kläger vom 19.07.2010 bis zum 22.09.2010 als Bauhelfer für die XXX.
Nach seinen Angaben arbeitete er anschließend bei der XXX. Diese erklärte allerdings später auf Anfrage des Beklagten, nie ein Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger unterhalten zu haben.
Im Dezember 2010 sprach der Kläger erneut bei dem Beklagten vor. Am 09.12.2010 gab er an, dass er sich ausschließlich zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhalte. Nach dem Hinweis, dass sein Antrag wohl wieder abgelehnt werden müsse, falls er nicht weitere Nachweise beibringen könne, erklärte er, dass er dann auf seinen Antrag verzichte. Ein Bescheid wurde nicht erstellt.
Am 18.02.2011 stellte der Kläger erneut einen Antrag nach dem SGB II.
Hier gab er an, nicht krankenversichert zu sein. Er sei zuvor zunächst bei der XXX und anschließend bei der XXX beschäftigt gewesen sei. Gegen letzteres Unternehmen werde derzeit auf Zahlung von Überstundenvergütung geklagt.
Der Kläger reichte einen Versicherungsverlauf der Deutschen Rentenversicherung Schwaben vom 21.02.2011 über sein Konto mit der Vers.-Nr. XXX ein, aus dem sich (nicht kontinuierliche aber zahlreiche) Pflichtbeitragszeiten in der allgemeinen Rentenversicherung im Zeitraum vom 01.07.1979 bis zum 23.06.2004 und weitere Pflichtbeitragszeiten in den Zeiträumen vom 01.03.-31.03.2010, 01.05.-18.06.2010 und 19.07.-22.09.2010 ergeben. Beigefügt war ferner ein erneuter "Druck Stammsatz" vom 21.02.2011 der Deutschen Rentenversicherung zu dem Rentenversicherungskonto des Klägers mit der Vers.-Nr. 29 180355 R 008. Dieses Dokument enthielt vergleichbare Angaben wie der "Druck Stammsatz" vom 25.03.2010 (s. o.), wobei nun die Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Schwaben vermerkt ist.
Der Kläger legte ferner eine von der Stadt Dortmund am 04.03.2011 ausgestellte Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) in der bis zum 28.01.2013 geltenden Fassung vom 19.08.2007 (§ 5 FreizügG/EU a. F.) vor und eine Mitgliedsbescheinigung der AOK NordWest vom 28.02.2011 für die Zeit ab Beginn des SGB II-Leistungsbezuges.
Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundessozialgericht (BSG) am 19.10.2010 entschieden hatte, dass der Leistungsausschluss auf Staatsangehörige von Vertragsstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) keine Anwendung finde (BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – juris), bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 11.04.2011 für die Zeit ab Februar 2011 (vorläufig) Leistungen nach dem SGB II.
Auch in der Folgezeit wurden zunächst Leistungen gewährt.
Mit Bescheid vom 05.01.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2012 bis zum 31.07.2012 Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 18.06.2012 nahm der Beklagte die Entscheidung vom 05.01.2012 über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab dem 01.07.2012 ganz zurück.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein.
Ein Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz unter anderem gegen die Rücknahmeentscheidung endete für den Kläger mit teilweisem Erfolg insoweit, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet und die Aufhebung der Vollziehung angeordnet wurde (SG Dortmund, Beschluss vom 14.09.2012 – S 22 AS 2845/12 ER –). Die gegen diesen Beschluss zunächst vom Kläger erhobene Beschwerde wurde zurückgenommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.06.2012 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte zur Begründung aus, dass der Beschluss vom 14.09.2012 – S 22 AS 2845/12 ER – nichts an seiner Rechtsauffassung geändert habe.
Am 21.08.2012 beantragte der Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen. Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 20.09.2012 ab. Zur Begründung führte er aus, dass Personen, die nicht deutsche Staatsangehörige seien und sich allein wegen der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhielten, grundsätzlich keine Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II erhielten. Am 19.10.2010 habe das Bundessozialgericht entschieden, dass dieser Leistungsausschluss für Staatsangehörige von Vertragsstaaten des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) keine Anwendung finde. Die Bundesrepublik Deutschland habe jedoch am 19.12.2011 einen Vorbehalt gegen das EFA erklärt. Dieser Vorbehalt sei mit sofortiger Wirkung in Kraft getreten. Damit fänden die Ausschlussgründe nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB II auf die Staatsangehörigen der Vertragsstaaten des EFA wieder Anwendung. Bei dem Kläger liege kein fünfjähriger durchgehender Aufenthalt vor. Er habe auch keinen Arbeitnehmerstatus erlangt.
Am 08.10.2012 legte der Kläger gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch ein.
Ein wegen der Ablehnungsentscheidung vom 20.09.2012 am 18.10.2012 angestrengtes Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes endete für den Kläger erstinstanzlich insoweit mit teilweisem Erfolg, als der Beklagte im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet wurde, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.11. bis 30.11.2012 in Höhe von 374,00 EUR zu gewähren (SG Dortmund, Beschluss vom 29.10.2012 – S 22 AS 4278/12 ER –).
Mit (weiterem) Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 wurde der Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 20.09.2012 als unbegründet zurückgewiesen.
Am 03.12.2012 hat der Kläger die vorliegende Klage gegen den Ablehnungsbescheid vom 20.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2012 erhoben.
Nach Klageerhebung in der Hauptsache wurde auf die zum Teil erfolgreiche Beschwerde des Klägers hin der Beschluss des SG Dortmund vom 29.10.2012 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verpflichtet wurde, dem Kläger vorläufig auch für die Zeit ab 01.12.2012 bis zur Bestandskraft des angefochtenen Bescheides vom 20.09.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2012, längstens jedoch bis 31.05.2013 Regelbedarfe nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen (LSG NRW, Beschluss vom 12.12.2012 – L 12 AS 2225/12 B ER –).
In der Folgezeit wurden dem Kläger mit Ausführungsbescheid vom 18.01.2013 in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des erkennenden Gerichts und des Landessozialgerichts vorläufig Regelbedarfe nach § 20 SGB II für den Zeitraum von 01.12.2012 bis zum 31.05.2013 gewährt.
Mit Schreiben vom 13.03.2013 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die Leistungen nach dem SGB II nach § 40 Abs. 2 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 331 Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) – Arbeitsförderung – (SGB III) vorläufig ganz eingestellt werden, da der Kläger Erwerbseinkommen aus Beschäftigungen bei der XXX und bei Herrn XXX erziele. Vor Auszahlung der Leistungen werden die Arbeitsverträge sowie sämtliche Lohnabrechnungen benötigt. Die vorläufig eingestellten laufenden Leistungen werden unverzüglich nachgezahlt, soweit der Bescheid, aus dem sich der Anspruch ergibt, 2 Monate nach der vorläufigen Einstellung der Zahlung nicht mit Wirkung für die Vergangenheit aufgehoben wird. Von diesen Beschäftigungen hatte der Beklagte durch einen Datenabgleich nach § 52 SGB II erfahren. Der Kläger macht insofern geltend, er habe bei der XXX nie gearbeitet und für Herrn XXX nur an 8 Tagen. Daraufhin nahm der Beklagte die Leistungen vorerst wieder auf.
Aus einer Meldebescheinigung zur Sozialversicherung und Einkommensbescheinigungen des Herrn XXX vom 15.04.2013 ergab sich das Bestehen einer geringfügigen Beschäftigung im Beschäftigungszeitraum vom 19.11.2012 bis zum 08.12.2012 bei einem Bruttoarbeitsentgelt von insgesamt 300 EUR.
Mit Schreiben vom 18.04.2013 hörte der Beklagte den Kläger zu einer teilweisen Aufhebung und Erstattung für den Zeitraum 01.11.2012 bis 31.12.2012 an. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.05.2013 hob der Beklagte den Bescheid vom 18.01.2013 für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 31.12.2012 teilweise in Höhe von 80 EUR auf und forderte diesen Betrag zur Erstattung an.
Bereits am 22.04.2013 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag für den Zeitraum ab dem 01.06.2013 mit der Angabe, dass sich an seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht geändert habe. Der Beklagte forderte den Kläger daraufhin mit Schreiben vom 10.05.2013 zur Mitwirkung auf und forderte unter Fristsetzung bis zum 14.05.2013 eine Daueraufenthaltsbescheinigung, eine aktuelle Vermieterbescheinigung, vollständige Kontoauszüge bzw. eine Zahlungsübersicht für alle vorhandenen Konten im Zeitraum 01.12.2012 bis 10.05.2013 sowie eine Arbeitsbescheinigung für das Beschäftigungsverhältnis bei Herrn XXX im Zeitraum 19.11.2012 bis 08.12.2012 an. Am 17.05.2013 teilte der Kläger mit, dass er sich seit 1969 dauerhaft in Deutschland aufhalte und daher "keine Aufenthaltsbescheinigung und keine Freizügigkeit" mehr benötige. Ferner reichte er an diesem Tag eine aktuelle Vermieterbescheinigung ein.
Mit Schreiben vom 21.05.2013 teilte die Stadt Dortmund (Ordnungsamt – Bürgerdienste International) dem Beklagten mit, dass der Kläger sich nach eigenen Angaben seit 1996 im Bundesgebiet aufhalte. Laut Ausländerzentralregister sei der Wiedereinzug jedoch erst im November 2009 erfolgt. Da der Kläger keine Nachweise für einen durchgehenden Aufenthalt erbringen könne, könne keine Daueraufenthaltsbescheinigung ausgestellt werden.
Mit Bescheid vom 14.06.2013 versagte der Beklagte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 01.06.2013 ganz gem. § 66 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) – Allgemeiner Teil – (SGB I). Die fehlenden Unterlagen bzw. Nachweise, die mit Schreiben vom 10.05.2013 angefordert worden seien und die für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zwingend benötigt werden, seien trotz Belehrung über die Rechtsfolgen nicht vollständig vorgelegt worden.
Am 18.06.2013 reichte der Kläger bei dem Beklagte bei einer Vorsprache u. a. eine Arbeitsbescheinigung des Herrn XXX vom 21.05.2013 bezüglich einer Aushilfstätigkeit im Zeitraum vom 19.11.2012 bis 08.12.2012 ein, nochmals die Sozialversicherungs-Meldebescheinigung und zwei Lohnabrechnungen.
Der Kläger erhob gegen den Versagungsbescheid vom 14.06.2013 mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 14.07.2013 Widerspruch, über den, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden worden ist.
Am 18.07.2013 suchte der Kläger erneut um einstweiligen Rechtsschutz nach. Das entsprechende Verfahren war bei der erkennenden Kammer unter dem Aktenzeichen S 32 AS 3330/13 ER anhängig. Er trug vor, dass der Versagungsbescheid vom 14.06.2013 rechtswidrig sei und ihm weiterhin Leistungen nach dem SGB II zustehen, und verwies auf die Entscheidungen des SG Dortmund in den Verfahren S 22 AS 2845/12 ER und S 22 AS 4278/12 ER. Ergänzend trug er vor, die der Versagungsentscheidung zu Grunde liegende Aufforderung, Nachweise vorzulegen, sei schon wegen der Mitteilung, dass die Verhältnisse des Klägers unverändert geblieben sein, unrechtmäßig gewesen; gleichwohl seien die entscheidungserheblichen Unterlagen auf Aufforderung vorsorglich eingereicht worden; welche Unterlagen angeblich noch fehlen und inwieweit diese entscheidungserheblich sind, werde im Bescheid nicht explizit genannt. Die Leistungsgewährung sei nicht von der Vorlage einer zeitlich irrelevanten Arbeitsbescheinigung für eine Aushilfstätigkeit abhängig. Auch das Erfordernis, Kontoauszüge im Zeitraum 01.02.2012 bis 10.05.2013 vorzulegen, erschließe sich nicht. Unabhängig davon seien die Kontoauszüge jedenfalls im überwiegenden Zeitraum dem Beklagten bereits aus den vorangegangenen Eilverfahren und den sich anschließenden Beschwerdeverfahren bekannt. Der Beklagte trug im Wesentlichen vor, bei der Bearbeitung des Weiterbewilligungsantrags für den Zeitraum ab dem 01.06.2013 sei es erforderlich gewesen, den Anspruch erneut zu prüfen. Wegen der vom Kläger verschwiegenen Erwerbstätigkeit für Herrn XXX sei es zu einer Aufhebung und Erstattung gekommen. Da der Kläger auf der Grundlage der gerichtlichen Entscheidungen lediglich vorläufig Regelbedarfe nach dem SGB II in Höhe von monatlich 382 EUR erhalten habe, sei auch zu prüfen gewesen, aus welchen Mitteln der Kläger seinen – von der Beklagten nicht genehmigten – Umzug finanziert habe. Deshalb sei auch die Anforderung lückenloser Kontoauszüge bzw. einer Zahlungsübersicht erforderlich gewesen. Er halte daran fest, dass nach der Erklärung des Vorbehaltes bezüglich der Leistungen nach dem SGB II durch die Bundesregierung am 19.12.2011 ab diesem Zeitpunkt das EFA keine Anwendung mehr finden könne und deshalb der Kläger, der sich nur zur Arbeitssuche in Deutschland aufhalte, unter den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II falle. Ob das Beschäftigungsverhältnis für Herrn XXX im Zeitraum vom 19.11.2012 bis 08.12.2012 dem Kläger nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU für sechs Monate, mithin bis zum 08.06.2013, einen Arbeitnehmerstatus verschafft habe, könne ohne die Vorlage der im Schreiben vom 10.05.2013 angeforderten Dokumente nicht beurteilt werden. Der Kläger legte in diesem Eilverfahren zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung vom 15.07.2013, lückenlose Kontoauszüge für den Zeitraum vom 07.01.2013 bis zum vom 20.07.2013 sowie eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III (Formular der Bundesagentur für Arbeit) vom 26.06.2013 für das Beschäftigungsverhältnis bei Herrn XXX vor. Der Beklagte erklärte nach Auswertung der Kontoauszüge, dass danach davon auszugehen sei, dass der Kläger hilfebedürftig gemäß § 9 SGB II sei. Das Gericht verpflichtete sodann den Beklagten in dem Verfahren S 32 AS 3330/13 ER mit Beschluss vom 21.10.2013 im Wege der einstweiligen Anordnung dazu, dem Kläger vorläufig für die Zeit vom 18.07.2013 bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens bis zum 31.12.2013, Leistungen nach dem SGB II im gesetzlichen Umfang – mit Ausnahme von Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II) – zu gewähren und lehnte den Antrag im Übrigen ab.
Vom 09.09.2013 bis zum 15.10.2013 war der Kläger als Arbeitnehmer bei der ZB Bauunternehmen GmbH beschäftigt und erzielte ein entsprechendes Erwerbseinkommen.
Am 14.10.2013 reichte der Kläger bei dem Beklagten den am 09.09.2013 mit Wirkung ab dem gleichen Tage abgeschlossenen Arbeitsvertrag, das Kündigungsschreiben des Arbeitgebers vom 10.10.2013 (Kündigung zum 15.10.2013) und Lohnabrechnungen sowie weitere Nachweise ein.
In dem Verfahren S 32 AS 3330/13 ER kam dieses Beschäftigungsverhältnis nicht zur Sprache; es war dem Gericht daher bei der Beschlussfassung am 21.10.2013 unbekannt.
Der Beklagte setzte zunächst den Beschluss vom 21.10.2013 durch (Ausführungs-) Bescheid vom 18.11.2013 um.
Unter dem 09.01.2014 erließ er einen Änderungsbescheid, mit dem er u. a. ab dem 09.09.2013 Kosten der Unterkunft und Heizung – allerdings im Hinblick auf einen ohne Zusicherung ausgeführten und aus Sicht des Beklagten nicht erforderlichen Umzug zum 01.03.2013 nur in Höhe der Kosten der bis zum 28.02.2013 bewohnten Wohnung – übernahm und zur Begründung ausführte, dass der Kläger aufgrund seiner Arbeitsaufnahme ab dem 09.09.2013 einen Arbeitnehmerstatus erworben habe und daher ab diesem Tag einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung besitze.
In einem weiteren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, das bei dem erkennenden Gericht am 22.01.2014 unter dem Aktenzeichen S 32 AS 277/14 ER anhängig gemacht wurde, ging es um das Begehren des Klägers, dass der Beklagte die im Zeitraum ab März 2013 aufgelaufenen Rückstände des Klägers in Bezug auf Miete bzw. nach erfolgter Verurteilung zur Räumung durch Versäumnisurteil des AG Dortmund vom 24.10.2013 – 426 C 7403/13 – Nutzungsentschädigung vorläufig nach § 22 Abs. 1 SGB II übernimmt, um eine Vollstreckung des Räumungstitels zu vermeiden. Der Beklagte trug vor, dass dem Kläger zwar ab dem 09.09.2013 bis zum 15.04.2014 wegen Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung am 09.09.2013 ein Anspruch nach dem SGB II zustehe. Jedoch seien ihm für die Zeit davor durch die ergangenen Eilentscheidungen nur Leistungen für den Regelbedarf vorläufig zugesprochen worden und auch soweit Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen seien, sei der Kläger ohne Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II und ohne, dass dies erforderlich gewesen sei, in eine teurere Wohnung umgezogen, so dass nur die angemessenen Kosten maximal in Höhe der Kosten der alten Wohnung zu übernehmen seien. Die Übernahme der hier streitigen "Mietschulden" komme ohnehin nur im Wege eines Darlehens in Frage. Das Verfahren S 32 AS 277/14 ER endete schließlich dadurch, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses nach § 101 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergangenen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichtes vom 12.02.2014 annahmen. Nach dem Vergleich hatte der Beklagte dem Kläger auf der Grundlage von § 22 Abs. 8 SGB II den zum Ausgleich der Rückstände erforderlichen Betrag von 2.965,65 EUR als Darlehen zu gewähren. Die weiteren Einzelheiten bezüglich der Konditionen des Darlehens, insbesondere bezüglich der Rückzahlung, sollten sich nach § 42a Abs. 2-6 SGB II und einem von dem Antragsgegner zu erlassenden Ausführungsbescheid richten. Die Beteiligten waren sich dabei darüber einig, dass der Darlehensbetrag unmittelbar an die Vermieterin ausgezahlt wird, und dass die Klärung der Frage, ob und ggf. in welcher Höhe ein Anspruch aus § 22 Abs. 1 SGB II auf Übernahme der im Zeitraum seit März 2013 entstandenen Mietzins- bzw. Nutzungsentschädigungs-Rückstände zusteht und ob / inwieweit dieser Anspruch durch die Gewährung einer Beihilfe zu erfüllen ist oder es bei einer Leistungserbringung in Form des vereinbarten Darlehens gem. § 22 Abs. 8 SGB II bleibt, in einem Hauptsacheverfahren erfolgen soll.
Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat der Kläger von Anfang an die Auffassung vertreten, der Beklagte berufe sich zu Unrecht auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Dieser sei nicht anwendbar. Insoweit werde auf die Entscheidungen des SG Dortmund in den Eilverfahren S 22 AS 2845/12 ER, S 22 AS 4278/12 ER und S 32 AS 3330/13 ER Bezug genommen. Der Kläger lebe seit 1969 bis auf eine etwa dreijährige Unterbrechung in Deutschland und habe hier seit langem seinen Lebensmittelpunkt. Er besitze ein Daueraufenthaltsrecht. Das EFA stehe der Anwendung des Leistungsausschlusses entgegen; der am 19.12.2011 von der Bundesrepublik Deutschland erklärte Vorbehalt gegen das EFA sei unwirksam. Außerdem verstoße der Ausschluss gegen das Diskriminierungsverbot der VO (EG) 883/2004.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 20.09.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.11.2012 den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger ab 01.08.2012 bis zum 08.09.2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist weiterhin der Auffassung, der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II schließe einen SGB II-Leistungsbezug des Klägers aus.
Der Leistungsausschluss sei europarechtskonform. Zudem werde er nicht durch das EFA verdrängt, da dieses wegen des am 19.12.2011 von der Bundesrepublik Deutschland erklärten Vorbehaltes, der seinerseits wirksam sei, nicht mehr auf Leistungen nach dem SGB II anzuwenden sei.
Mit Beschluss vom 17.04.2013 ist dem Kläger Prozesskostenhilfe gewährt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte S 32 AS 4882/12 und auf den Inhalt der Gerichtsakten zu den erledigten Eilverfahren S 32 AS 3330/13 ER und S 32 AS 277/14 ER Bezug genommen. Ferner wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und (unechte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 i. V. m. § 130 Abs. 1 SGG) zulässig.
Das beklagte Jobcenter ist nach § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig (vgl. BSG, Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 108/10 R – juris (Rn. 9); Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 23)).
Streitgegenstand ist nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgten, wirksamen zeitlichen Einschränkung des Klagebegehrens nur noch der Leistungsanspruch des Klägers im Zeitraum vom 01.08.2012 bis zum 08.09.2013, zumal sich das zeitlich darüber hinaus gehende Klagebegehren des Klägers nach Auffassung der Kammer durch den Bescheid vom 09.01.2014 erledigt hat. Denn mit diesem Bescheid wurde nicht nur der allein der Umsetzung der vorläufigen Verpflichtung aufgrund des gerichtlichen Beschlusses vom 21.10.2013 dienende Ausführungsbescheid vom 18.11.2013 abgeändert, sondern bei sachgerechter Auslegung auch eine eigenständige Regelung des Beklagten gem. § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) in Bezug auf den Leistungsanspruch des Klägers für die Zeit ab dem 09.09.2013 getroffen, die auf der Arbeitsaufnahme des Klägers ab dem 09.09.2013 und dem hierdurch bewirkten Erwerb eines Arbeitnehmerstatus’ und damit – eindeutig und unstreitig – eines Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung bis zum Ablauf von sechs Monaten ab Ende des Arbeitsverhältnisses beruhte. Dementsprechend hatte der Beklagte auch in dem Eilverfahren S 32 AS 277/14 ER vorgetragen, dass dem Kläger ab dem 09.09.2013 bis zum 15.04.2014 ein Anspruch nach dem SGB II zustehe. Der weitere Leistungsantrag für die Zeit ab dem 01.06.2013 schränkt demgegenüber den Streitgegenstand zeitlich nicht ein, da der Beklagte zu diesem Antrag keine Sachentscheidung vornahm, sondern nur eine Versagung nach § 66 SGB I. Eine solche Versagungsentscheidung besitzt nicht die Wirkung einer Ablehnungsentscheidung zu einem erneuten Leistungsantrag (Erledigung des vorangegangenen Ablehnungsbescheides für die von dem auf den Neuantrag ergangenen Ablehnungsbescheid erfasste Zeit nach § 39 Abs. 2 SGB X ohne gleichzeitige Anwendbarkeit von §§ 86, 96 SGG; vgl. hierzu BSG, Urteil vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 12/06 R – juris (Rn. 8); BSG, Urteil vom 31.10.2007 – B 14/11b AS 59/06 R – juris (Rn. 13); BSG, Beschluss vom 19.09.2008 – B 14 AS 44/08 B – juris (Rn. 8)).
Streitgegenstand ist nur der Anspruch des Klägers dem Grunde nach. Abgesehen davon, dass das Gericht es ohnehin für sachgerecht gehalten hätte, ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG zu erlassen, da sich die Höhe des Leistungsanspruchs des Klägers noch nicht abschließend beziffern lassen dürfte und sich zudem durch den Beklagten deutlich leichter berechnen lässt, jedoch zugleich feststeht, dass unter Zugrundelegung der vorstehenden Maßgaben der Höhe nach in irgendeiner Höhe Ansprüche bestehen (vgl. zur Zulässigkeit eines Grundurteils in einem Höhenstreit z. B. BSG, Urteil vom 09.12.2004 – B 7 AL 24/04 R – juris (Rn. 12); BSG, Urteil vom 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R – juris (Rn. 18); BSG, Urteil vom 16.04.2013 – B 14 AS 81/12 R – juris (Rn. 10)) sind hier schon vom Kläger keine bezifferten Leistungen begehrt worden. Es liegt kein Höhenstreit vor. Die Klage ist vielmehr eine auf den Erlass eines Grundurteils gerichtete Anfechtungs- und unechte Leistungsklage nach § 130 Abs. 1 SGG; nach der Klageschrift werden sinngemäß Leistungen in gesetzlicher Höhe beansprucht. Trotz der bereits (jedenfalls weitgehend) aus den vorangegangenen Eilverfahren erkennbaren Einkommens- und Vermögenssituation war keine Klageänderung auf eine bezifferte Antragstellung angezeigt, da der Beklagte nach wie vor den Anspruch dem Grunde nach bestreitet und unter isolierter Betrachtung des klägerischen Vortrags ein Auszahlungsanspruch bestünde (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12 – juris (Rn. 24)).
Die zwischen den Beteiligten ebenfalls umstrittene Frage, in welcher Höhe dem Kläger Leistungen zustehen, insbesondere im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft, wird daher ggf. im Rahmen eines Widerspruchs- und Klageverfahrens zu dem Ausführungsbescheid zu klären sein, mit dem das vorliegende Grundurteil umgesetzt werden wird. Dabei weist das Gericht vorsorglich darauf hin, dass das Vorliegen einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II für die Höhe eines Anspruchs auf Übernahme der Kosten für die Unterkunft nicht konstitutiv ist (vgl. zu § 22 Abs. 2 SGB II a. F. BSG, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 219/10 R – juris (Rn. 19) m. w. N.; BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R – juris (Rn. 27) m. w. N.). Hält der Empfänger von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II die vom Grundsicherungsträger vorgenommene Einschätzung über die Angemessenheit der Kosten für nicht zutreffend, so ist der Streit hierüber unmittelbar bei der Frage auszutragen, welche tatsächlichen Aufwendungen der Unterkunft als angemessen bzw. – trotz Unangemessenheit – nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II weiterhin zu übernehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 219/10 R – juris (Rn. 20) m. w. N.). Die Ablehnung einer Zusicherung beinhaltet zwar einen feststellenden Verwaltungsakt nach § 31 SGB X dahingehend, dass der beabsichtigte Umzug nicht erforderlich ist und / oder die Kosten der neuen Wohnung nicht angemessen sind und dass der Antragsteller daher keinen Anspruch auf die begehrte Zusicherung hat (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 5/10 R – juris (Rn. 13)). Sobald aber der Umzug (dennoch) durchgeführt worden ist, erledigt sich ein solcher feststellender Verwaltungsakte "auf andere Weise" gem. § 39 Abs. 2 SGB X (vgl. Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 170; BSG, Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 5/10 R – juris (Rn. 14 f.); LSG NRW, Beschluss vom 08.03.2012 – L 19 AS 2025/11 B – juris).
Der Zulässigkeit der Klage stehen auch keine abweichenden bestandskräftigen Regelungen des Beklagten entgegen.
Der Versagungsbescheid vom 14.06.2013 für den Zeitraum ab dem 01.06.2013, gegen den der Kläger mit Schreiben vom 14.07.2013 Widerspruch erhoben hatte, steht einer Verurteilung schon deshalb nicht entgegen, weil der Widerspruch mangels Anwendbarkeit von § 39 SGB II aufschiebende Wirkung besitzt.
Und auch der bestandskräftige Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 24.05.2013 (teilweise Aufhebung der Leistungsbewilligung für den Zeitraum 01.11.2012 bis 31.12.2012 und Erstattung) steht der Verurteilung nicht entgegen, da er zum einen nur aufgrund einstweiliger Anordnung vorläufig gewährte Leistungen betrifft und zum anderen nur die Anspruchshöhe und nicht den Anspruchsgrund.
Die nach alledem zulässige Klage zu dem vorstehend beschriebenen Streitgegenstand ist auch begründet.
Die Kammer ist davon überzeugt, dass der angefochtene Ablehnungsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtswidrig ist und dem Kläger dem Grunde nach im streitigen Zeitraum ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zusteht. Insbesondere greift nicht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu Lasten des Klägers ein. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Der Kläger gehört zunächst zu dem Personenkreis, für den die im SGB II aufgeführten Leistungen vorgesehen sind, denn er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II).
Der Kläger ist auch erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 8 SGB II). Die gesundheitliche Erwerbsfähigkeit gem. § 8 Abs. 1 SGB II ist nicht fraglich und auch die rechtliche Erwerbsfähigkeit gem. § 8 Abs. 2 SGB II ist bei Staatsangehörigen von EU-Mitgliedstaaten – hier: Italien – unproblematisch gegeben. Für die Annahme, dass eine Beschäftigung i. S. d. § 8 Abs. 2 SGB II "erlaubt ist oder erlaubt werden könnte", reicht es aus, wenn die Aufnahme einer Tätigkeit im Sinne einer rechtlich-theoretischen Möglichkeit mit einer Zustimmung der Bundesagentur zur Beschäftigungsaufnahme erlaubt sein könnte, auch wenn dies im Einzelfall bezogen auf einen konkreten Arbeitsplatz durch die Verfügbarkeit geeigneter bevorrechtigter Bewerber (§ 39 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG)) verhindert wird. Dass auf eine abstrakt-rechtliche Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitsgenehmigung abzustellen ist, ergibt sich ausdrücklich aus § 8 Abs. 2 Satz 2 SGB II, wonach die rechtliche Möglichkeit, eine Beschäftigung vorbehaltlich einer Zustimmung nach § 39 AufenthG aufzunehmen, ausreichend ist (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 15 f.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 35); Hessisches LSG, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 726/12 – juris (Rn. 35)). Unionsbürger benötigen aber – derzeit mit Ausnahme der Staatsangehörigen Kroatiens – ohnehin keine Arbeitsgenehmigung mit Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit (§ 284 SGB III i. V. m. § 39 Abs. 2-4 und Abs. 6 AufenthG), bevor sie einer unselbständigen Beschäftigung nachgehen (vgl. § 13 FreizügG/EU in der seit dem 01.01.2014 geltenden Fassung vom 17.06.2013). Denn sie besitzen das sich aus § 2 Abs. 1 FreizügG/EU bzw. den dieser Norm zugrunde liegenden europäischen Rechtsvorschriften über die Freizügigkeit ergebende Recht auf Einreise und Aufenthalt mit allen damit zusammenhängenden Rechtsvorteilen, hier konkret das aus der Grundfreiheit der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)) folgende Recht, den Arbeitsplatz frei von nationalen Behinderungen zu suchen (freier Arbeitsmarktzugang).
Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen (dem Grunde nach, s. o.) als hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II i. V. m. §§ 9 ff. SGB II einzustufen ist. Davon geht auch der Beklagte aus. Dem Kläger stand aus seiner vorübergehenden ganz geringfügigen Erwerbstätigkeit jedenfalls kein bedarfsdeckendes Einkommen zur Verfügung; über verwertbares bzw. einzusetzendes Vermögen in Deutschland oder in Italien verfügt er nicht. Ansprüche auf ggf. vorrangige Sozialleistungen bestanden nicht. Der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit hat das Gericht die Angaben des Klägers im Verwaltungsverfahren, in den vorangegangenen Eilverfahren und im Verhandlungstermin vom 14.04.2014 zugrunde gelegt. Die Angaben sind schlüssig und in sich widerspruchsfrei; es ergaben sich keine Anhaltspunkte, die Darstellung des Klägers zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen in Zweifel zu ziehen. Dass der Kläger über kein Vermögen und nur vorübergehend über ein ganz geringfügiges Einkommen verfügte und seinen Lebensunterhalt im Wesentlichen aus den auf der Grundlage einstweiliger Anordnungen von dem Beklagten erhaltenen vorläufigen Leistungen für den Regelbedarf (§ 20 SGB II) bestritten hat, hält das Gericht auch vor dem Hintergrund für glaubhaft, dass er seine Miete nicht gezahlt hat, was letztlich auch zur Kündigung des Mietverhältnisses und zur Verurteilung zu einer Räumung der Wohnung führte. Hätte der Kläger Zugriff auf Vermögen oder weiteres Einkommen gehabt, hätte es nahe gelegen, dieses zum Erhalt der Wohnung einzusetzen (vgl. insoweit LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 29)).
Mit seiner (Wieder-)Einreise in die Bundesrepublik Deutschland in der Absicht, seinen Lebensmittelpunkt (wieder) hierhin zu verlegen, hat der Kläger hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i. V. m. § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I), denn der örtliche Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse ist faktisch dauerhaft – nämlich nicht auf Beendigung angelegt, sondern zukunftsoffen – im Inland (vgl. insoweit z. B. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 18 ff.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 35)). Auf rechtliche Erfordernisse zum Aufenthaltsstatus im Sinne einer "Einfärbungslehre" kommt es für die Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts jedenfalls für den Bereich des SGB II nicht an (vgl. BSG a. a. O. (Rn. 19); vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13 – juris (Rn. 23 ff.)). Dass der Kläger seinen Lebensmittelpunkt bzw. den örtlichen Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse in Deutschland hat, ergibt sich hier in zeitlicher Hinsicht aus seinem jahrzehntelangen früheren Aufenthalt in Deutschland (in der Zeit bis 2004 oder 2005) und aktuell aus dem auch seit 2009 schon wieder mehrere Jahre währenden Aufenthalt. Die genauen Aufenthaltszeiten lassen sich zwar aus den Akten und den Angaben des Klägers nicht eindeutig bzw. widerspruchsfrei entnehmen; darauf kommt es aber nach der Überzeugung der Kammer nicht an. Insgesamt war dieser Aufenthalt jedenfalls nur für einen – in Relation betrachtet – kurzen Zeitraum unterbrochen. Zudem ist weder ein Verfahren gem. § 2 Abs. 7 Satz 1 oder Satz 2 FreizügG/EU (Feststellung des Nichtbestehens des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU) noch ein Verfahren gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU oder § 6 FreizügG/EU (Feststellung des Verlusts des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU) durchgeführt oder auch nur eingeleitet worden, so dass auch keine Ausreisepflicht nach § 7 FreizügG/EU entstanden und der Aufenthalt folglich zukunftsoffen ist (vgl. BSG a. a. O. (Rn. 20) m. w. N.; LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 27)).
Die danach zwischen den Beteiligten letztlich allein umstrittene Frage, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (Nr. 1 und Nr. 3 sind ersichtlich nicht einschlägig) zu Lasten des Klägers eingreift, ist nach der Überzeugung der Kammer zu verneinen.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II werden Ausländerinnen und Ausländer einschließlich ihrer Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgenommen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU) ergibt.
Die Anwendbarkeit dieser Ausschlussregelung erfordert eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw. der Gründe der Aufenthaltsberechtigung nach dem FreizügG/EU. Das Vorliegen der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" i. S. v. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (vgl. BSG, Vorlage-Beschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 15); BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 22 ff.)).
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist außerdem als Ausschlussregelung von existenzsichernden Sozialleistungen eng auszulegen. Auch aus dem Aufbau der Norm ist abzuleiten, dass positiv feststellt werden muss, dass dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht allein zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris (Rn. 26 ff.); LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 57 ff.)).
Wenn die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts (allein) aus dem Zweck der Arbeitssuche nicht möglich ist – was jedenfalls und insbesondere dann der Fall ist, wenn sich positiv ein anderes Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU feststellen lässt – findet der Leistungsausschluss schon tatbestandlich keine Anwendung.
Lässt sich hingegen positiv feststellen, dass sich ein Aufenthaltsrecht des Klägers im streitigen Zeitraum (allein) aus dem Zweck der Arbeitssuche i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU ergibt bzw. ergab, dann ist der Leistungsausschluss zwar tatbestandlich einschlägig. Er ist dann aber zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Europarecht nicht – oder jedenfalls nicht auf eine Person wie den Kläger – anwendbar.
Im Einzelnen:
Die Kammer konnte zunächst im Rahmen der "fiktiven Prüfung" (s. o.) nicht feststellen, dass die Voraussetzungen eines anderen explizit im FreizügG/EU geregelten Aufenthaltsrechtes als desjenigen zur Arbeitssuche gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU erfüllt sind.
Der Kläger besaß im streitigen Zeitraum nach Meinung der Kammer keinen Arbeitnehmerstatus nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU (ggf. i. V. m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1-3 oder Satz 2 FreizügG/EU). Aus der Tätigkeit für Herrn XXX an nach Angaben des Klägers acht Tagen bzw. im Beschäftigungszeitraum vom 19.11.2012 bis zum 08.12.2012 gegen ein Arbeitsentgelt von insgesamt 300 EUR ergab sich ein solcher Status nach Meinung der Kammer nicht, da diese Tätigkeit nicht von hinreichender Dauer und hinreichendem wirtschaftlichem Gewicht war. Abgesehen davon wäre dem Kläger dieser Status allenfalls bis zum 08.06.2013 und damit nur für einen Teil des streitigen Zeitraums erhalten geblieben (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU), da er nur kürzer als ein Jahr (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU) gearbeitet hatte.
Auch der Aufenthaltsgrund der selbständigen Erwerbstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU (ggf. i. V. m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 3 FreizügG/EU) lag nicht vor.
Ferner war der Antragstellerin weder Erbringer (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU) noch Empfänger von Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Nr. 4 FreizügG/EU).
Auch ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 i. V. m. § 4 FreizügG/EU kam nicht in Betracht, da es an ausreichendem Krankenversicherungsschutz und ausreichenden Existenzmitteln fehlte.
Ferner kam kein Aufenthaltsrecht für Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 i. V. m. § 3 FreizügG/EU in Frage.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass bereits im streitigen Zeitraum ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 4a FreizügG/EU bestand. Ein ggf. ursprünglich entstandenes Daueraufenthaltsrecht war durch den mehrjährigen Aufenthalt des Klägers im Ausland gemäß § 4a Abs. 7 FreizügG/EU erloschen. Die Kammer geht außerdem mangels abweichender Anhaltspunkte anhand der Meldebescheinigung (Anmeldung in Dortmund zum 01.11.2009) und des sonstigen Aktenstandes davon aus, dass der Kläger nicht schon im Jahr 2007, sondern – wie dem Beklagten vom Ordnungsamt der Stadt Dortmund mit dem Schreiben vom 21.05.2013 mitgeteilt wurde – erst im Jahr 2009 wieder nach Deutschland einreiste und sich damit im streitigen Zeitraum noch keine fünf Jahre wieder in Deutschland aufhielt. Abgesehen davon ist fraglich, ob ein – auch nur einmal unterstellter – "ständiger" Aufenthalt in Deutschland seit dem Jahr 2007 in einem zusammenhängenden Zeitraum von mindestens fünf Jahren als "rechtmäßig" i. S. v. § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU bezeichnet werden könnte. Rechtmäßig im Sinne des Unionsrechts ist nur ein Aufenthalt, der im Einklang mit den in der Richtlinie 2004/38/EG vorgesehenen, insbesondere mit den in Art. 7 der Richtlinie 2004/38/EG aufgeführten Voraussetzungen steht. Das Entstehen eines Rechts auf Daueraufenthalt setzt daher unionsrechtlich voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der RL 2004/38/EG erfüllt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.05.2012 – 10 C 8/12 – juris (Rn. 16); EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – C-424/10 u. a. "Ziolkowski u. a." – juris). Denn der Kläger hat möglicherweise in dem fraglichen Aufenthaltszeitraum phasenweise mangels Erwerbstätigkeit und mangels tatsächlicher (oder erfolgversprechender) Arbeitssuche usw. nicht die materiellen Voraussetzungen einer Freizügigkeitsberechtigung erfüllt (dazu sogleich).
Auch ein Aufenthaltsrecht aus § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU ("Das Aufenthaltsgesetz findet auch dann Anwendung, wenn es eine günstigere Rechtsstellung vermittelt als dieses Gesetz.") i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ("In begründeten Fällen kann eine Aufenthaltserlaubnis auch für einen von diesem Gesetz nicht vorgesehenen Aufenthaltszweck erteilt werden"; vgl. BSG, Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R – juris) oder i. V. m. einer anderen Vorschrift des AufenthG ist nicht ersichtlich.
Aus Art. 18 AEUV lässt sich nach Meinung der Kammer schließlich ebenfalls kein von der Arbeitssuche unabhängiges Aufenthaltsrecht ableiten. Das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, unterliegt der Beschränkung des Art. 7 Abs. 1 b der Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-RL), wonach das Aufenthaltsrecht, das nicht schon aufgrund anderer Bestimmungen des Gemeinschaftsrecht zuerkannt ist, davon abhängig ist, dass die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen über eine alle Risiken im Aufnahmestaat abdeckende Krankenversicherung und über ausreichende Existenzmittel verfügen, die sicherstellen, dass sie während ihres Aufenthaltes die Sozialhilfe des Aufnahmestaates nicht in Anspruch nehmen müssen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 34)). Diese Voraussetzungen waren – wie bereits erwähnt – nicht erfüllt.
Kam damit überhaupt nur ein Aufenthaltsrecht aus dem Grund der Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU in Betracht, war dieses damit noch nicht "automatisch" positiv festzustellen.
Denn für die positive Feststellung einer Arbeitssuche nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU bedarf es der ernsthaften Absicht, eine Arbeit aufzunehmen, was objektivierbar nach außen zum Ausdruck gebracht werden muss (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (VGH), Beschluss vom 16.01.2009 – 19 C 08.3271 – juris (Rn. 6 f.)). Zudem dürfen die Bemühungen zur Arbeitssuche nicht objektiv aussichtlos bzw. gescheitert sein (vgl. Bayerischer VGH a. a. O.; LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 39)). Dabei kennt das Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht keine starren Fristen, die den Zeitraum der Arbeitssuche beschränken. Auch nach Ablauf von etwa sechs Monaten (als allgemeiner Richtschnur für eine zeitliche Grenze) ist eine Aufenthaltsbeendigung nur dann zulässig, wenn nicht nachgewiesen wird, dass weiterhin mit konkreter Aussicht auf Erfolg nach Arbeit gesucht wird (vgl. Bayerischer VGH a. a. O.; Sächsisches Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 20.08.2012 – 3 B 202/12 – juris (Rn. 10 f.); LSG NRW a. a. O. (Rn. 40) m. w. N.; BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 19); EuGH, Urteil vom 26.02.1991 – C-292/89 "Antonissen" – juris; EuGH, Urteil vom 23.03.2004 – C-138/02 "Collins" – juris).
Sollte sich eine Arbeitssuche des Klägers, die noch Aussicht auf Erfolg bietet, nicht feststellen lassen, so wäre er eine Person ohne materielles Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU, die wirtschaftlich inaktiv ist, ohne über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen oder ein Daueraufenthaltsrecht zu haben (§ 2 Abs. 2 Nr. 5 und Nr. 7 i. V. m. § 4 Abs. 1 und § 4a FreizügG/EU), also ein Unionsbürger ohne (materielle) Freizügigkeitsberechtigung (vgl. zu dieser Personengruppe z. B. LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 – juris (Rn. 37 ff., insbes. Rn. 57 ff.) m. w. N.; VG Dresden, Beschluss vom 01.08.2013 – 3 L 300/13 – juris).
Auf die Personengruppe der entweder gar nicht oder objektiv ohne Aussicht auf Erfolg nach Arbeit Suchenden ist der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach umstrittener, aber wohl herrschender und – jedenfalls nach der Überzeugung der Kammer – zutreffender Auffassung u. a. des 19. Senats des LSG NRW weder vom Wortlaut her noch im Wege einer erweiternden Auslegung bzw. eines "Erst-recht-Schlusses" anwendbar. Der Aufenthaltszweck der Arbeitssuche stellt keinen Auffangtatbestand dar, der zur Anwendung gelangt, wenn ein anderer Zweck nicht feststellbar ist (vgl. LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013 a. a. O. (Rn. 57 ff.); LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 01.11.2013 – L 2 AS 841/13 B ER – juris (Rn. 30); Hessisches LSG, Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 378/12 – juris (Rn. 43 ff., insbes. Rn. 54 ff.) und Urteil vom 27.11.2013 – L 6 AS 726/12 – juris (Rn. 50 ff., insbes. Rn. 57 ff.); LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13 – juris (Rn. 25 ff.); ebenso Dienelt in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, Kommentar, 10. Auflage, § 2 FreizügG/EU, Rn. 59; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 22); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 35 ff.); LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 30.01.2014 – L 13 AS 266/13 B ER – juris (Rn. 17); LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 26.03.2014 – L 15 AS 16/14 B ER – juris (Rn. 4)).
Das LSG Berlin-Brandenburg hat insoweit u. a. wie folgt argumentiert (Urteil vom 06.03.2014 a. a. O. (Rn. 26)): "Für eine erweiternde Auslegung besteht auch kein Bedürfnis. Sinn und Zweck der Norm ist es, EU-Bürger, die sich auf Arbeitssuche befinden und deshalb unzweifelhaft ein Freizügigkeitsrecht in Anspruch nehmen können, vom Leistungsbezug auszuschließen. Nach der Systematik der Vorschrift kann es nicht beabsichtigt gewesen sein, solche EU-Bürger vom Leistungsbezug auszuschließen, die sich gar nicht auf Arbeitssuche befinden, sondern allein zum Zwecke des Sozialleistungsbezugs eingereist sind. Denn dieser Personenkreis ist rechtstechnisch schon dadurch vom Bezug ausgeschlossen, dass er kein Freizügigkeitsrecht geltend machen kann, so dass jederzeit aufenthaltsbeendende Maßnahmen der Ausländerbehörde nach §§ 6, 7 FreizügG/EU ergriffen werden können, die den Aufenthalt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz Nr. 4 SGB II als anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung entfallen lassen. Systematisch wird der gewollte Ausschluss dieses Personenkreises vom Leistungsbezug, der als Sozialleistungsmissbrauch angesehen wird, durch das Ausländerrecht bewerkstelligt. Eine Lücke im Gesetz, die durch eine Auslegung zu schließen wäre, besteht damit nach allem nicht. Das Ergebnis, dass allein arbeitssuchende Unionsbürger von Leistungen (möglicherweise) ausgeschlossen werden können, während diejenigen, die eine Arbeitsaufnahme von vornherein ablehnen, nicht vom Ausschluss erfasst sind, führt dann nicht zu einem dauerhaften Leistungsbezug der nicht arbeitswilligen Unionsbürger, wenn diese – wie dies nach §§ 6 und 7 FreizügG/EU vorgesehen ist – von der Ausländerbehörde zur Ausreise gezwungen werden. Die Einleitung dieses Verfahrens wäre von dem Beklagten zu veranlassen gewesen. Insbesondere rechtfertigen etwaige Mängel im Gesetzesvollzug wie z.B. das Fehlen einer institutionalisierten Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Ausländerbehörde bei der Anwendung der rechtstechnisch korrekt verzahnten Vorschriften des SGB II und des Ausländerrechts (§§ 6, 7 FreizügG/EU) nicht die Annahme einer Regelungslücke. Abschließend erscheint es auch nicht sinnvoll, eine europarechtlich umstrittene Norm, die noch dazu einen Ausnahmetatbestand regelt, auch noch erweiternd auszulegen."
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Im Falle materiell nicht freizügigkeitsberechtigter Personen sind ggf. die Verfahren gem. § 2 Abs. 7 Satz 1 oder Satz 2 FreizügG/EU (Feststellung des Nichtbestehens des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU), § 5 Abs. 4 FreizügG/EU oder § 6 FreizügG/EU (Feststellung des Verlusts des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU) durchzuführen, um eine Ausreisepflicht nach § 7 FreizügG/EU zu begründen. Soweit und solange dies nicht geschehen ist, sind Leistungen nach dem SGB II zu erbringen.
Die Kammer versteht schließlich auch die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts tendenziell so, dass es diese Auffassung teilt (vgl. BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (insbes. Rn. 19-20, 42 und 48)).
Würde man im vorliegenden Fall eine tatsächliche und hinreichend erfolgversprechende Arbeitssuche im fraglichen Zeitraum verneinen, so wäre daher der Leistungsausschluss schon tatbestandlich nicht anwendbar.
Nach Auffassung der Kammer lässt sich im Fall des Klägers jedoch positiv feststellen, dass sich sein Aufenthaltsrecht im streitigen Zeitraum (allein) aus dem Zweck der Arbeitssuche i. S. d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU ergibt bzw. ergab. Dass die klägerischen Bemühungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt im Leistungszeitraum von vorneherein objektiv nicht hätten erfolgreich sein können / sollen, zumindest wieder als Hilfsarbeiter im Baugewerbe (o. ä.) tätig zu sein, ist angesichts seiner bisherigen Erwerbsbiografie nicht ersichtlich. Hier gab es sogar im streitigen Leistungszeitraum eine – wenn auch kurze und geringfügige – Erwerbstätigkeit (Beschäftigungsverhältnis bei Herrn Coniglio im Zeitraum 19.11.2012 bis 08.12.2012) und auch zuvor gab es – schon ausweislich des eingereichten Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung – immer wieder (unterbrochene) Phasen der Erwerbstätigkeit. Dieser Umstand und auch die Tatsache, dass der Kläger ab dem 09.09.2013 wieder eine Arbeitsstelle gefunden hat, belegen, dass er zum einen tatsächlich Arbeit gesucht hat und dass seine Bemühungen zum anderen nicht objektiv aussichtslos waren. Der Kläger galt daher im streitigen Zeitraum als arbeitssuchend, selbst wenn seine Arbeitssuche zwischen dem Abschluss der Tätigkeit für XXX am 22.09.2010 und dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses bei Herrn XXX am 19.11.2012 für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten erfolglos geblieben war.
Die Kammer geht daher davon aus, dass hier i. S. d. höchstrichterlichen Rechtsprechung positiv festzustellen ist, dass sich das Aufenthaltsrecht des Klägers als Unionsbürger allein auf den Zweck der Arbeitssuche gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU gründete.
Damit ist zwar der Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II vom Wortlaut her eröffnet. Jedoch führt dies nicht dazu, dass der Leistungsausschluss auch tatsächlich eingreift.
Denn der Leistungsausschluss ist nach Auffassung der Kammer (vgl. zuletzt den Beschluss vom 12.02.2014 – S 32 AS 5677/13 ER – juris (Rn. 75 ff.)) nicht "europarechtskonform" und daher wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sekundärrechts nicht anzuwenden.
Der Leistungsausschluss verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004). Dabei widerspricht er zugleich dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (nachfolgend: Unionsbürger-Richtlinie bzw. Richtlinie 2004/38/EG oder RL 2004/38/EG) und ist auch nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 dieser Richtlinie, den Zugang zu nationalen Systemen der Sozialhilfe für Unionsbürger zu beschränken, gedeckt. Denn der Leistungsausschluss ist von genereller, nur auf die Staatsangehörigkeit abstellender Natur, nimmt nicht auf individuelle Lebensumstände bzw. Einzelfallgesichtspunkte Rücksicht und ermöglicht keine Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. insoweit – mit teilweise unterschiedlichen Begründungen bzw. dogmatischen Ansätzen – insbesondere: LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 39-62); Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 25-38); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67); a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris (Rn. 23 ff.); vgl. zum Ganzen ferner (u. a.): Frings, ZAR 2012, 317; Schreiber, NZS 2012, 647; Kingreen, SGb 2013, 132; Thym, NZS 2014, 81).
Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt hat, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (vgl. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der Verordnung (EG) 987/2009, der Durchführungsverordnung zur VO (EG) 883/2004). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 40)).
Der Kläger unterfiel im streitigen Zeitraum dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004).
Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. LSG NRW a. a. O. (Rn. 41); Frings, ZAR 2012, 317 (319)).
Nach Art. 2 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 gilt die Verordnung für Staatsangehörige eines Mitgliedstaats, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten sowie für ihre Familienangehörigen. Unter "Rechtsvorschriften" sind nach Art. 1 lit. l VO (EG) 883/2004 für jeden Mitgliedstaat die Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Art 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten Zweige der sozialen Sicherheit zu verstehen. Damit wird ein (früherer oder aktueller) Bezug zu einem Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem in einem der Mitgliedstaaten gefordert (vgl. BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 32); Schreiber, NZS 2012, 647 (649)).
Hier ist festzustellen, dass der persönliche Anwendungsbereich für den Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum eröffnet war. Zum einen galten für ihn während seiner früheren und jüngeren Tätigkeiten im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen in Deutschland (wie auch in Italien) mehrere der in Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 883/2004 genannten Rechtsvorschriften, u. a. war er krankenversichert (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. a VO (EG) 883/2004). Zum anderen und insbesondere gelten für den Kläger die deutschen Vorschriften über die gesetzliche Rentenversicherung (vgl. Art 3 Abs. 1 lit. d VO (EG) 883/2004), denn der Kläger hat ausweislich des in der Verwaltungsakte befindlichen Versicherungsverlaufs der Deutschen Rentenversicherung seit Juli 1979 erhebliche Pflichtbeitragszeiten in der Deutschen Rentenversicherung zurückgelegt.
Auch der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet, denn diese gilt nach Art. 3 Abs. 3 VO (EG) 883/2004 auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen gem. Art. 70 VO (EG) 883/2004. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II sind besondere beitragsunabhängige Geldleistungen im Sinne von Art. 70 VO (EG) 883/2004. Diese Zuordnung setzt voraus, dass die Leistung einem besonderen Schutzzweck im Sinne eines zusätzlichen, ersatzweisen oder ergänzendem Schutzes zu einem System der sozialen Sicherheit oder im Sinne eines besonderen Schutzes behinderter Menschen dient (Sonderleistung), beitragsunabhängig finanziert wird und im Anhang X der VO (EG) 883/2004 aufgeführt ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der besondere Schutzzweck des Arbeitslosengeldes II gem. Art. 70 Abs. 2 lit. a VO (EG) 883/2004 liegt darin, dass es sich um eine ergänzende Leistung im Rahmen des Leistungssystems zur Überwindung von Arbeitslosigkeit handelt. Durch das Erfordernis der Erwerbsfähigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) als Voraussetzung für die Leistungsberechtigung eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft besteht ein Bezug zu den Leistungen bei Arbeitslosigkeit i. S. des Art 3 Abs. 1 lit. h VO (EG) 883/2004. Anders als die beitragsbezogene Versicherungsleistung des Arbeitslosengeldes I (ALG I) nach dem SGB III werden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II aber unabhängig von Beschäftigungs-, Mitglieds- oder Beitragszeiten gewährt und haben keine an den bisherigen Verdienst anknüpfende Entgeltersatzfunktion. Die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hängt allein vom Vorliegen von Bedürftigkeit ab. Es erfolgt eine beitragsunabhängige Finanzierung durch Steuermittel (Art. 70 Abs. 2 lit. b VO (EG) 883/2004). Des Weiteren werden die Leistungen nach dem SGB II – wie es Art. 70 Abs. 2 lit. c VO (EG) 883/2004 verlangt – in Anhang X der Verordnung aufgeführt (vgl. BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 33); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 42 ff.); Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 28 ff.); Kingreen, SGb 2013, 132 (135 f.); Frings, ZAR 2012, 317 (320 f.); Schreiber, NZS 2012, 647 (648)).
Der "Wohnort" i. S. v. Art. 1 lit. j und Art. 70 VO (EG) 883/2004 i. V. m. den Kriterien für die Feststellung des Wohnortes in Art. 11 VO (EG) 987/2009, der Durchführungsverordnung zu VO (EG) 883/2004, befindet sich – wie der "gewöhnliche Aufenthalt" gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II (s. o.) – nach Auffassung der Kammer in Deutschland und nicht in Italien. Zur Bestimmung des Wohnorts ist insbesondere auf Dauer und Kontinuität des Aufenthalts im betreffenden Mitgliedstaat und die Situation der Person abzustellen. Für die Situation sind insbesondere die Qualität ihrer (un)selbstständigen Tätigkeit (Beschäftigungsort, Dauerhaftigkeit, Laufzeit des Vertrages), die familiären Verhältnisse und Bindungen, die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit, die Finanzierungsform eines etwaigen Studiums, die Wohnsituation (Dauerhaftigkeit) und der steuerliche Wohnsitz bedeutsam. Nach Art. 11 Abs. 2 VO (EG) 987/2009 ist zudem in Zweifelsfällen der Wille der Person, insbesondere der Grund für einen Wohnortwechsel ausschlaggebend (vgl. Schreiber, NZS 2012, 647 (649)). Nach diesen Kriterien und dem insoweit besonders wichtigen subjektiven Faktor des "Mittelpunktes des Interesses" des Klägers befindet sich sein Wohnort nach der Überzeugung der Kammer aufgrund der Gesamtdauer seiner Aufenthalte in Deutschland, seiner Rückkehr und der Dauer seines aktuellen Aufenthaltes (seit zumindest 2009) in Deutschland und nicht in Italien.
Nach der Überzeugung der Kammer gilt auch das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 gerade auch für die besonderen beitragsunabhängigen Leistungen gem. Art. 3 Abs. 3 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004, und zwar völlig unabhängig vom Vorliegen eines Aufenthaltsgrundes nach Art. 7 Abs. 1 der RL 2004/38/EG oder § 2 FreizügG/EU und auch für wirtschaftlich inaktive Unionsbürger (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 (319 f. und 321 f.)). Art. 70 VO (EG) 883/2004 nimmt nicht die besonderen beitragsunabhängige Geldleistungen vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 aus (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 46) m. w. N.; Kingreen, SGb 2013, 132 (136); so tendenziell auch BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 34 f.)).
Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt, sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 47) m. w. N.; Schreiber, NZS 2012, 647 (650)).
Art. 4 VO (EG) 883/2004 verschafft dem diskriminierten Unionsbürger damit einen individuellen Anspruch auf Gewährung der besonderen beitragsunabhängigen Leistungen nach den gleichen Voraussetzungen, wie sie auch für Inländer – hier: Deutsche – gelten (a. A. offenbar Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER – juris).
Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 47 f.); Schreiber, NZS 2012, 647 (650)).
Ob schon deshalb die Ungleichbehandlung durch § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht gerechtfertigt ist, oder ob trotz des eindeutig scheinenden Wortlautes von Art. 4 VO (EG) 883/2004 ("sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist") Rechtfertigungsgründe außerhalb der Verordnung – insbesondere durch Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG – zulässig sind, ist umstritten (vgl. z. B. – diese Frage verneinend – Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 35) m. w. N.; so auch Schreiber, NZS 2012, 647 (650 f.); vgl. – wohl bejahend – LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 49 f.); so wohl auch Thym, NZS 2014, 81 (84 und 87 f.); vgl. ferner – noch unentschlossen – BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 37 ff.)).
Selbst wenn man aber diese Frage bejaht, ist der Leistungsausschluss nicht zu rechtfertigen, denn er ist nicht von der Ermächtigung in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG gedeckt (vgl. insoweit z. B. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 47-62) m. w. N.; Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 36-37); Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 44-67); vgl. ferner – auch insoweit noch unentschlossen – BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 40 ff.)) und ein sonstiger Rechtfertigungsgrund ist nicht erkennbar.
Zwar ist nach der "Brey"-Entscheidung des EuGH (Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 "Brey" – juris; vgl. hierzu Behrend, jurisPR-SozR 3/2014 Anm. 1) davon auszugehen, dass die Leistungen nach dem SGB II zugleich "besondere beitragsunabhängige Leistungen" i. S. d. VO (EG) 883/2004 und "Sozialhilfeleistungen" i. S. d. RL 2004/38/EG sein können, weil es sich bei diesen Begriffen nicht um Gegensätze handelt (vgl. LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 50 ff.); so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 19.11.2013 – L 7 AS 753/13 B ER – juris; Bayerisches LSG, Beschluss vom 06.11.2013 – L 7 AS 639/13 B ER – juris; anders insoweit noch Bayerisches LSG, Urteil vom 19.06.2013 – L 16 AS 847/12 – juris (Rn. 47-54)). Dabei dürfte auch davon auszugehen sein, dass der Begriff der "Sozialhilfeleistung" in Art. 7 Abs. 1 lt. b RL 2004/38/EG – nur auf diese Norm bezog sich streng genommen das EuGH-Urteil i. S. "Brey" – nicht anders zu verstehen ist als in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG (vgl. Thym, NZS 2014, 81 (83)).
Selbst wenn jedoch danach eine deutsche Rechtsnorm möglich wäre, die in Umsetzung von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG den Bezug besonderer beitragsunabhängiger Leistungen i. S. d. VO (EG) 883/2004 ausschließt, so erfüllt der derzeitige Leistungsausschluss nicht die an eine solche Regelung zu stellenden Anforderungen.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.09.2013 – C-140/12 "Brey" – (Rn. 64 ff.) betont, dass ein "automatischer", nur an die Staatsangehörigkeit anknüpfender, nicht auf individuelle Lebensumstände bzw. Einzelfallgesichtspunkte abstellender und keine Verhältnismäßigkeitsprüfung ermöglichender Leistungsausschluss wie der für die im dortigen Ausgangsverfahren streitige österreichische Ausgleichszulage nach § 292 Abs. 1 ASVG nicht von Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG gedeckt und daher nicht europarechtskonform ist. Er hat insbesondere (Rn. 76 ff.) bemängelt, dass bei der dort fraglichen österreichischen Regelung "bereits der bloße Umstand, dass ein wirtschaftlich nicht aktiver Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats sie beantragt, ausreichend ist, um ihn unabhängig von der Dauer des Aufenthalts, der Höhe dieser Leistung und dem Zeitraum ihrer Gewährung, und somit unabhängig von der aus dieser Leistung für das gesamte Sozialhilfesystem dieses Staates erwachsenden Belastung, von dem Bezug" der Leistung auszuschließen. Es sei "festzustellen, dass ein solcher automatischer Ausschluss der wirtschaftlich nicht aktiven Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten von der Gewährung einer bestimmten Sozialhilfeleistung durch den Aufnahmemitgliedstaat selbst für die in Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 genannte Zeit nach einem dreimonatigen Aufenthalt es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats nicht erlaubt, im Einklang mit den Anforderungen, die sich insbesondere aus den Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und 8 Abs. 4 dieser Richtlinie sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergeben, in Fällen, in denen die Existenzmittel des Betroffenen geringer sind als der Richtsatz für die Gewährung dieser Leistung, eine umfassende Beurteilung der Frage vorzunehmen, welche Belastung die Gewährung dieser Leistung nach Maßgabe der die Lage des Betroffenen kennzeichnenden individuellen Umstände konkret für das gesamte Sozialhilfesystem darstellen würde."
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ermöglicht nicht ansatzweise die Berücksichtigung von Einzelfallgesichtspunkten. Die Regelung entspricht vielmehr dem vom EuGH kritisierten Automatismus; sie erschöpft sich im Falle der Arbeitssuche in einem automatischen Ausschluss vom Leistungsbezug ohne Prüfung nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten (vgl. Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 37); LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – juris (Rn. 55 ff.) m. w. N.).
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II kann auch nicht im Wege europarechts- bzw. richtlinienkonformer Auslegung bzw. Rechtsfortbildung teleologisch dahingehend reduziert werden, dass die vom EuGH angesprochenen, auf den Einzelfall bezogenen Kriterien in den Tatbestand "hineingelesen" werden. Eine derartige "geltungserhaltende Reduktion" des Anwendungsbereichs durch die Rechtsprechung erscheint der Kammer im Fall des Leistungsausschlusses nicht möglich.
Zwar geht die Kammer davon aus, dass in bestimmten Fällen eine richtlinienkonforme Auslegung bzw. eine über den Wortlaut der nationalen Vorschrift hinausgehende richtlinienkonforme Rechtsfortbildung geboten sein kann (vgl. hierzu grundlegend BGH, Urteil vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 – BGHZ 179, 27 = juris (insbes. Rn. 21, 25, 29) m. w. N. zur entsprechenden ständigen Rechtsprechung des EuGH; vgl. zur richtlinienkonformen Auslegung und Rechtsfortbildung u. a. auch Tonikidis, JA 2013, 598; Herresthal, JuS 2014, 289; Herresthal, NJW 2008, 2475; Gebauer, GPR 2009, 82; Gröning, jurisPR-WettbR 1-2010 Anm. 2; Grosche & Hoft, NJOZ 2009, 2294; Grosche & Hoft, NJW 2009, 2416; Lorenz, LMK 2009, 273611; Pfeiffer, NJW 2009, 412; vgl. ferner Stelkens in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, Europäisches Verwaltungsrecht, Europäisierung des Verwaltungsrechts und Internationales Verwaltungsrecht Rn. 61 ff.).
Für eine solche teleologische Reduktion des Leistungsausschlusses durch "Hineinlesen" einer Einzelfallprüfung (s. o.) mag hier auch sprechen, dass der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich von der "Option" des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch machen wollte und insofern prinzipiell eine europarechtskonforme Regelung erlassen wollte.
Jedoch ist die vorliegende Konstellation nicht mit der vom BGH entschiedenen Konstellation vergleichbar. Im Fall des BGH war das deutsche Recht bei Beachtung seines Wortlauts nicht mit einer EU-Richtlinie vereinbar. Das war durch eine entsprechende Reduktion zu vermeiden. Hier hingegen führt bereits der Anwendungsvorrang der VO (EG) 883/2004 dazu, dass die deutsche Norm im Anwendungsbereich der Verordnung unanwendbar ist (s. o.). Eine europarechtskonforme Auslegung bzw. Rechtsfortbildung würde daher hier dazu führen, dass der nationalen Umsetzungsnorm zu einer Ausnahmevorschrift zur Anwendung verholfen würde, obwohl das deutsche Recht auch ohne eine solche Norm schon europarechtskonform ist. Denn § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wird europarechtlich nur ermöglicht, nicht hingegen determiniert (vgl. Kingreen, SGb 2013, 132 (137)). Es widerspricht m. a. W. nicht dem Unionsrecht, wenn das deutsche nationale Recht nicht von der "Option" des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch macht.
Hinzu kommt, dass hier nach Meinung der Kammer – anders als im Fall des BGH – auch keine "verdeckte Reglungslücke" vorliegt, dass – wiederum anders als im Fall des BGH – auch keine konkrete Umsetzungsabsicht des Gesetzgebers vorliegt, sondern nur ein allgemein formulierter Umsetzungswille, und dass eine entsprechende Rechtsfortbildung wohl auch zu einer unzulässigen Drittwirkung zu Lasten Privater führen würde (vgl. zu diesen Kriterien BGH a. a. O. (insbes. Rn. 25, 29, 34)). Bei dieser Sachlage ist eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung nicht geboten.
Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass die Entscheidung des EuGH i. S. "Brey" nach Auffassung der Kammer auch keine hinreichend klaren Prüfkriterien, z. B. in Bezug auf eine "unangemessene Belastung" des Sozialleistungssystems, definiert und solche Kriterien auch anderweitig nicht hinreichend klar erkennbar sind, und eine teleologische Rechtsfortbildung durch das Gericht hier daher notwendigerweise mehr oder weniger "ins Blaue hinein" hätte erfolgen müssen. Nach Meinung der Kammer darf sich die Justiz in einem solchen Fall nicht als Ersatzgesetzgeber betätigen, sondern ist eine (etwaige) Korrektur durch den Gesetzgeber abzuwarten.
Die Kammer geht schließlich davon aus, dass Art. 4 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 zu dem in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten primärrechtlichen Diskriminierungsschutz in Bezug auf Unionsbürger und Arbeitnehmer nach Art. 18 i. V. m. Art. 21 AEUV bzw. Art. 45 Abs. 2 AEUV, insbesondere in Bezug auf Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern (vgl. hierzu z. B. EuGH, Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08, C-23/08 "Vatsouras/Koupatanze" – juris), lex specialis ist (vgl. Schreiber, NZS 2012, 647 (650) m. w. N. auch zur EuGH-Rechtsprechung; wohl anders zum Verhältnis zwischen der Verordnung und dem Primärrecht BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 44 f.)) und sich demnach auch die engeren "Schranken-Schranken” des Art. 4 VO (EG) 883/2004 gegenüber den Rechtfertigungstopoi eines "gewissen Integrationsgrades" in dem Aufnahmemitgliedsstaat oder einer "tatsächlichen Verbindung" zu diesem Staat bzw. dem dortigen Arbeitsmarkt durchsetzen (vgl. Schreiber a. a. O.). Dabei dürften die Leistungen nach dem SGB II solche sein, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern (vgl. auch BSG, Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 45), wobei dem nicht entgegensteht, wenn man diese Leistungen – wie die Kammer – auch als besondere beitragsunabhängige Geldleistungen i. S. d. Art. 4 i. V. m. Art. 70 VO (EG) 883/2004 und als Sozialhilfeleistungen i. S. d. RL 2004/38/EG einordnet.
Es sei daher nur vorsorglich ergänzend darauf hingewiesen, dass der Kläger aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes und seiner ebenfalls langjährigen Arbeitnehmerstellung in Deutschland und seiner Versicherungszeiten in der deutschen Sozialversicherung nach der Überzeugung der Kammer auch geradezu das Paradebeispiel eines Falles darstellt, in dem die Kriterien des EuGH (Integration / tatsächliche Verbindung) vorliegen und daher auch zur Vermeidung einer Diskriminierung nach dem Unions-Primärrecht eine Anwendung des Leistungsausschlusses ausgeschlossen ist.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass "die allein an der Ausländereigenschaft anknüpfende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II am Maßstab von Art. 70 i. V. m. Art. 4 VO (EG) 883/2004 und Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG in Bezug auf die Rechtstellung der Antragsteller nicht zu rechtfertigen ist; sie bleibt aufgrund des unionsrechtlichen Anwendungsvorranges unangewendet" (so wörtlich Hessisches LSG, Beschluss vom 30.09.2013 – L 6 AS 433/13 B ER – juris (Rn. 37)).
Dass das Bundessozialgericht mit dem Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – (vgl. hierzu Tischler, jurisPR-SozR 8/2014 Anm. 2; Karl, jM 2014, 159) ein Verfahren, in dem es um die Europarechtskonformität von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geht, ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) auf der Grundlage von Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der den Mitgliedstaaten eine einheitliche Auslegung und Anwendung des Unionsrechts ermöglichen soll, Fragen zu Art. 4 und Art. 70 VO (EG) 883/2004, Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG sowie Art. 45 Abs. 2 AEUV i. V. m. Art. 18 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt hat, ändert nichts an der Überzeugung der Kammer bzgl. der Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebots des Art. 4 VO (EG) 883/2004 auch auf die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen i. S. v. Art. 70 VO (EG) 883/2004, der fehlenden Rechtfertigung des "automatischen" Leistungsausschlusses über die Ermächtigung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG und der Unmöglichkeit einer europarechtskonformen Auslegung bzw. Rechtsfortbildung.
Die Kammer war – bzw. wäre, wenn sie Zweifel in Bezug auf die Auslegung von Unionsrecht gehabt hätte – nicht verpflichtet sondern nur berechtigt (gewesen), das vorliegende Klageverfahren auszusetzen und den EuGH nach Art. 267 AEUV anzurufen. Denn die vorliegende Entscheidung kann "mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden" (vgl. Art. 267 Abs. 2 und 3 AEUV). Für ein Vorabentscheidungsersuchen sah die Kammer vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH und auch der ihm bereits vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen – außer dem des Ersuchen BSG ist hier das des SG Leipzig zu nennen (Rechtssache C-333/13 "Dano"; vgl. hierzu die nach der mündlichen Verhandlung der Kammer auf der Internetseite des EuGH (http://curia.europa.eu) veröffentlichten Schlussanträge des Generalanwalts Melchior Wathelet vom 20.05.2014) – keinen Anlass.
Die Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II wird für den Kläger als italienischen Staatsangehörigen schließlich auch (oder zumindest hilfsweise zu den vorstehenden Erwägungen) durch das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) vom 11.12.1953 (BGBl. II 1956, S. 564) verdrängt. Dies gilt zumindest im Fall der Unanwendbarkeit von Art. 4 VO (EG) 883/2004 (vgl. zum Verhältnis zwischen der VO (EG) 883/2004 und dem EFA u. a. Frings, ZAR 2012, 317 (325 f.)). Bei Art. 1 EFA handelt es sich um unmittelbar geltendes Bundesrecht, von dessen Schutzbereich der Kläger als Angehöriger eines Staates, der den Vertrag ebenso wie die Bundesrepublik unterzeichnet hat, erfasst ist (vgl. zur Nichtgeltung des Ausschlusses für Ausländer nach dem EFA: BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – BSGE 107, 66 = juris). Der von der Bundesregierung am 15.12.2011 erklärte völkerrechtliche Vorbehalt gegen das EFA ist unzulässig, weil die vertraglichen Voraussetzungen für einen solchen Vorbehalt nicht vorliegen (vgl. z. B. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.05.2012 – L 19 AS 794/12 B ER – juris (Rn. 6 ff.); vgl. ausführlich auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.01.2013 – L 2 AS 903-12 B ER – juris (Rn. 21 ff.); LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.05.2012 – L 25 AS 837/12 B ER – juris (Rn. 7 f.); LSG NRW, Beschluss vom 22.01.2013 – L 6 AS 1033/12 B – juris (Rn. 14); vgl. ferner Steffen / Keßler, "Pacta sunt servanda – Ist der deutsche Vorbehalt zum Europäischen Fürsorgeabkommen wirksam?", ZAR 2012, 245). Zudem ist weder der Beklagte noch das Gericht an den Vorbehalt gebunden, denn bei der Vorbehaltserklärung durch die Bundesregierung handelt es sich nicht um ein Gesetz im Sinne eines Parlamentsgesetzes (vgl. SG Berlin, Beschluss vom 25.04.2012 – S 55 AS 9238/12 – juris). Der Umstand, dass das BSG in seinem Vorlage-Beschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R – juris (Rn. 23) ausgeführt hat, dass "der Senat ( ) nach seiner Vorprüfung im Rahmen des Vorlageverfahrens davon aus(gehe), dass der Vorbehalt wirksam ist", vermag die Kammer von der Unrichtigkeit ihrer Auffassung nicht zu überzeugen, da das BSG für seine Einschätzung keine Begründung angeführt hat.
Nach alledem kann schließlich dahinstehen, ob der Leistungsausschluss auch gegen deutsches Verfassungsrecht verstoßen würde (vgl. hierzu Kingreen a. a. O. (137 f.)).
Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 193 SGG.
Erstellt am: 28.05.2014
Zuletzt verändert am: 28.05.2014