Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.07.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe endgültig festgesetzter Leistungen nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) und gegen eine Erstattungsforderung in Höhe von 15.086,16 EUR.
Die am 00.00.1971 geborene Klägerin ist italienische Staatsangehörige und selbständige Rechtsanwältin. Zusammen mit ihrem Ehemann war sie im streitigen Zeitraum Gesellschafterin der Kanzlei Dr. H & Q Rechtsanwälte GbR (heute Dr. H & Q Rechtsanwaltsgesellschaft mbH). 2006 wurde ihr erstes Kind H geboren, am 00.00.2012 ihr zweites Kind M.
Am 25.07.2012 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes M. Sie werde in dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Ehemann übernehme die Mandate. Außerdem sei ein Rechtsanwalt eingestellt worden. Auf Grundlage des hälftigen vorläufigen Ergebnisses der Kanzlei im Jahr 2011 abzüglich der Hälfte der 2011 geleisteten Steuervorauszahlungen bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 10.08.2012 Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes M in Höhe von 1.557,18 EUR monatlich. Die Leistungen würden nach § 8 Abs. 3 BEEG vorläufig erbracht.
Mit Bescheid vom 12.08.2014 setzte die Beklagte das Elterngeld endgültig fest in Höhe von 300 EUR je Lebensmonat und forderte die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 15.086,16 EUR. Dabei legte die Beklagte im Bemessungszeitraum das Einkommen der Klägerin und die Hälfte der von den Eheleuten zu zahlenden Steuern gemäß Einkommensteuerbescheid für die Eheleute für das Jahr 2011 zugrunde, was ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.201,99 EUR ergab. Im Bezugszeitraum legte die Beklagte als Einkommen die Hälfte des steuerlichen Gewinns der GbR zugrunde, wie er sich aus einer taggenauen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für den Zeitraum 03.07.2012 bis 02.07.2013 ergab und zog hiervon anteilig Steuern gemäß den Steuervorauszahlungsbescheiden für die Eheleute für 2012 und 2013 ab, was ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.357,75 EUR ergab. Da dieses das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen im Bemessungszeitraum überstieg, wurde nur Mindestelterngeld gewährt.
Die Klägerin legte am 12.09.2014 Widerspruch ein. Sie sei im Bezugszeitraum keinerlei Tätigkeit nachgegangen und habe auch keine Entnahmen getätigt. Anders als die GbR habe sie selbst kein Einkommen erzielt. Maßgeblich sei das Zufluss- bzw. das Realisationsprinzip. Eine Anrechnung von Einkommen widerspräche dem Zweck des Elterngeldes, während der Erziehungszeit einen finanziellen Ausgleich zu gewähren. Allein die hälftige Zuordnung des Einkommens in den Einkommensteuerbescheiden könne die Anrechnung nicht begründen. Die Klägerin nahm darüber hinaus Bezug auf einen Gesellschafterbeschluss vom 12.09.2014, mit dem die gelebte Praxis, insbesondere die Vereinnahmung sämtlicher Gewinne durch den Ehemann, gesellschaftsrechtlich bestätigt worden sei. Gerade weil mit diesem Beschluss nur die gelebte Praxis bestätigt worden sei, sei diese Gestaltung auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2014 zurück und setzte die Vollziehung der Erstattungsforderung aus.
Die Klägerin hat am 09.01.2015 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, das Vorgehen der Beklagten führe zu einer grundgesetzwidrigen Ungleichbehandlung im Vergleich mit Arbeitnehmerinnen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26.03.2014 (B 10 EG 4/13) sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Es fehle bereits am Zufluss von Einkommen. Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative hätten ausweislich des Gesellschafterbeschlusses vom 12.09.2014 vollständig beim Ehemann gelegen. Zudem sei die Rechtsprechung nicht auf Freiberufler anzuwenden. Wegen deren höchstpersönlicher Leistungserbringung sei anders als bei Personen- und Kapitalgesellschaften eine Weiterführung des Betriebs durch Dritte bei Steuerung durch den in Elternzeit befindlichen Gesellschafter nicht möglich. Im Übrigen sei sie während der Elternzeit beim Versorgungswerk beitragsfrei gestellt worden.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.07.2017 abgewiesen. Die Berechnung des Einkommens im Bezugszeitraum durch die Beklagte sei zutreffend. Dies ergebe sich insbesondere aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 21.06.2016 (B 10 EG 3/15 R).
Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 12.09.2017 zugestellte Urteil am 09.10.2017 Berufung eingelegt und ergänzend den Einkommensteuerbescheid für 2013 vorgelegt. Das Sozialgericht habe übersehen, dass das Bundessozialgericht im Urteil vom 21.06.2016 eine Ausnahme von der Einkommensanrechnung für möglich halte, wenn der Betreffende auf Gewinn verzichte und von Verlusten freigestellt sei. Genau das sei hier durch den Gesellschafterbeschluss vom 12.09.2014 geschehen. Die Anrechnung von Einkommen bedeute im Übrigen einen Verstoß gegen Verfassungsrecht, insbesondere gegen Art. 12, 14 Grundgesetz (GG), da sie damit zu einer Aufgabe der selbständigen Tätigkeit gezwungen werde, wenn sie Elterngeld erlangen wolle. Der Gesetzgeber habe die Benachteiligung Selbständiger erkannt und darauf mit der Einführung von § 2d Abs. 3 BEEG reagiert.
Der Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.07.2017 zu ändern und den Bescheid vom 12.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 10.12.2014 aufzuheben, soweit darin Elterngeld in Höhe von weniger als 1.557,18 EUR je Lebensmonat des Kindes M festgesetzt und ein Betrag von 15.086,16 EUR erstattet verlangt wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, bei Berechnung des Einkommens im Bezugszeitraum auf Basis der Einkommensteuerbescheide für 2012 und 2013 ergebe sich kein höherer Anspruch und zwar unabhängig davon, ob einkommensmindernd die anteiligen Steuern laut dieser Einkommensteuerbescheide oder laut der jeweiligen Steuervorauszahlungsbescheide zugrunde gelegt würden. Es verbleibe daher bei der Erstattungsforderung. Wegen der Einzelheiten wird auf die Probeberechnungen der Beklagten in deren Schriftsätzen vom 15.03.2018 und 11.07.2018 Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung und durch den Berichterstatter als Einzelrichter einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet nach Zustimmung der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter gemäß § 155 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sowie ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht und nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG statthaft.
Richtiger Klagegegner ist die örtlich zuständige Stadt N, § 12 Abs. 1 Satz 1 BEEG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und nach dem Bundeskindergeldgesetz. Zuständig für die Erteilung des Widerspruchsbescheides war die Bezirksregierung Münster nach § 85 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGG i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz und nach dem Bundeskindergeldgesetz.
Statthafte Klageart ist eine reine Anfechtungsklage. Das Klagebegehren war dahingehend auszulegen, dass die Klägerin sowohl die niedrigere Festsetzung als in der vorläufigen Bewilligungsentscheidung, als auch die Erstattungsforderung angreift, während die Aufhebung des Vorläufigkeitsvorbehaltes in ihrem Interesse liegt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.04.2012 – B 10 EG 10/11 R, Rn 19; Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 13/13 R, Rn 11; Urteil vom 15.12.2015 – B 10 EG 6/14 R, Rn 9; Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 3/15 R, Rn 12).
Eine Anhörung vor Erlass des angefochtenen Bescheides war entbehrlich (vgl. BSG, Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 4/13 R, Rn 15).
Die Ermächtigungsgrundlage für die endgültige Festsetzung ergibt sich – indirekt – aus § 8 Abs. 3 Satz 1 BEEG in der Fassung vom 09.12.2010 (vgl. BSG, Urteil vom 05.04.2012 – B 10 EG 10/11 R, Rn 22). Danach wird Elterngeld bis zum Nachweis des tatsächlich zu berücksichtigenden Einkommens aus Erwerbstätigkeit vorläufig unter Berücksichtigung des glaubhaft gemachten Einkommens aus Erwerbstätigkeit gezahlt, wenn das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt nicht ermittelt werden kann oder die berechtigte Person nach den Angaben im Antrag auf Elterngeld im Bezugszeitraum voraussichtlich Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Hier lag zum Zeitpunkt der vorläufigen Bewilligung noch nicht der maßgebliche Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vor.
Maßgeblich ist gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG in der Fassung vom 23.10.2012 das BEEG in der bis zum 16.09.2012 gültigen Fassung.
Die Klägerin erfüllte dem Grunde nach die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld nach § 1 Abs. 1 BEEG a.F.
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG a.F. wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent – hier wegen § 2 Abs. 2 Satz 2 BEEG a.F. nur in Höhe von 65% – des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 EUR monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Für Monate nach der Geburt des Kindes, in denen die berechtigte Person ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt, das durchschnittlich geringer ist als das nach Abs. 1 berücksichtigte durchschnittlich erzielte Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt, wird Elterngeld in Höhe des nach Abs. 1 oder 2 maßgeblichen Prozentsatzes des Unterschiedsbetrages dieser durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit gezahlt, § 2 Abs. 3 Satz 1 BEEG a.F. Als Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit ist der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Gewinn zu berücksichtigen, § 2 Abs. 8 Satz 1 BEEG a.F. Ist die dem zu berücksichtigenden Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit zu Grunde liegende Erwerbstätigkeit sowohl während des gesamten für die Einkommensermittlung vor der Geburt des Kindes maßgeblichen Zeitraums als auch während des gesamten letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraums ausgeübt worden, gilt abweichend von Absatz 8 als vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzieltes monatliches Einkommen aus dieser Erwerbstätigkeit der durchschnittlich monatlich erzielte Gewinn, wie er sich aus dem für den Veranlagungszeitraum ergangenen Steuerbescheid ergibt, § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG a.F.
Hier liegt der in § 2 Abs. 9 Satz 1 BEEG a.F. beschriebene Fall vor, so dass als Einkommen im Bemessungszeitraum das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für 2011 ergebende Einkommen zu berücksichtigen ist. Bereinigt ergibt sich ein durchschnittliches monatliches Einkommen von 2.201,99 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berechnung der Beklagten im angefochtenen Bescheid Bezug genommen, der sich der Senat nach eigener Prüfung anschließt.
Im Bezugszeitraum ist Einkommen nach § 2 Abs. 8 BEEG a.F. anzurechnen.
Die Klägerin hatte im Bezugszeitraum Einkommen in Form eines Gewinnanteils aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft. Dieses ist grundsätzlich als Einkommen aus Gewerbebetrieb anzusehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Einkommensteuergesetz – EStG) und auf das Elterngeld anzurechnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 3/15 R, Rn 20; Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 4/13 R, Rn 25; vgl. auch Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 8/15 R, Rn 21).
Dass die Gesellschafter hier als selbständige Rechtsanwälte freiberuflich tätig sind und der Gewinn für die Gesellschafter damit Einkommen aus selbständiger Tätigkeit i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellt (vgl. BFH, Urteil vom 23.11.2000 – IV R 48/99, juris Rn 12), führt zu keinem anderen Ergebnis, da auch dieser Gewinn von § 2 Abs. 8 BEEG a.F. erfasst ist.
Der Anrechnung von Einkommen steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin im Bezugszeitraum keine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt hat. Ob die Tätigkeit der jeweiligen Einkunftsart mehr oder weniger zeitbezogen ausgeübt wird, ist im Rahmen von § 2 Abs. 8 BEEG a.F. nicht von Belang (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 3/15 R, Rn 21; Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 8/15 R, Rn 21; Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 4/13 R, Rn 26 ff.; Bayerisches LSG, Urteil vom 07.12.2016 – L 12 EG 70/15, juris Rn 25 a.E.; vgl. auch Urteil vom 27.06.2013 – B 10 EG 2/12 R, Rn 26 ff.).
Da für Einkommen aus Gewinnbeteiligungen an Personengesellschaften das Jährlichkeitsprinzip gilt, war jedenfalls nach § 2 Abs. 8 BEEGF a.F. das Einkommen aus solchen Gewinnanteilen im Bezugszeitraum – der regelmäßig nicht dem Kalenderjahr entspricht – zu errechnen, indem für jeden einzelnen Monat des Bezugszeitraumes ein Zwölftel des sich aus dem jeweiligen Einkommensteuerbescheid ergebenden Jahresgewinns angesetzt wird (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 3/15 R, Rn 23; vgl. zur Neufassung in § 2d BEEG Bayerisches LSG, Urteil vom 07.12.2016 – L 12 EG 70/15, Revision anhängig unter B 10 EG 5/17 R sowie LSG Hamburg, Urteil vom 17.11.2016 – L 1 EG 3/15, juris Rn 34). Abzuziehen waren davon wiederum die anteiligen Steuervorauszahlungen, wie sie sich aus den aktenkundigen Steuervorauszahlungsbescheiden ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 3/15 R, Rn 26).
Nach den Berechnungen der Beklagten in ihren Schriftsätzen vom 15.03.2018 und 11.07.2018, auf die Bezug genommen wird, ergibt sich für den Bezugszeitraum ein bereinigtes monatliches Einkommen von 1.857,59 EUR bzw. 2.007,44 EUR, je nach dem, ob das Bruttoeinkommen der Klägerin um die anteiligen Steuern gemäß den Einkommensteuerbescheiden für 2012 und 2013 oder um die anteiligen Steuervorauszahlungen gemäß den Steuervorauszahlungsbescheiden für 2012 und 2013 bereinigt wird. In beiden Fällen ergeben 65% der Differenz zum bereinigten monatlichen Bemessungseinkommen von 2.201,99 EUR einen geringeren Betrag als das Mindestelterngeld von 300 EUR, wie es von der Beklagten im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurde. Der Senat kommt nach eigener Prüfung zu keinem für die Klägerin günstigeren Ergebnis.
Unerheblich ist, ob die Klägerin Entnahmen getätigt hat. Denn wie sich aus § 2 Abs. 8 Satz 1 BEEG a.F. ergibt, stellt – wie im Steuerrecht (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) – bereits der Gewinnanteil das Einkommen dar (vgl. auch BSG, Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 4/13 R, Rn 25, 28). Soweit die Klägerin auf das strenge Zuflussprinzip bzw. das Realisationsprinzip verweist, handelt es sich hierbei um Prinzipien, die maßgeblich der zeitlichen Zuordnung des Einkommens dienen (vgl. Ziffer 2.1.3.1.4 ff. RL-BEEG 2/18 und BT-Drs. 17/9841, S. 18: " die steuerlichen Grundsätze der zeitlichen Zuordnung von Einnahmen (Zufluss- und Realisationsprinzip ").
Die zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann als Gesellschaftern der GbR geschlossene Vereinbarung vom 12.09.2014 führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Vereinbarung ändert insbesondere nichts daran, dass die Klägerin entsprechend den Einkommensteuerbescheiden 2012 und 2013 tatsächlich Einkommen in Gestalt eines Gewinnanteils an der Gesellschaft hatte. Die Klägerin weist zwar zutreffend darauf hin, dass das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 21.06.2016 (B 10 EG 8/15 R, Rn 24) ausgeführt hat, dass bei einem Verzicht des Elterngeldberechtigten auf Gewinn und Freistellung vom Verlust in der Bezugszeit "erwogen werden könnte", einen Wegfall des Unternehmerrisikos anzunehmen und von einer Einkommensanrechnung abzusehen (vgl. hierzu auch Brose, Anm. zu BSG, Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 8/15 R, NZS 2017, S. 79). Zum einen aber stellt der Gesellschafterbeschluss vom 12.09.2014, insbesondere dessen § 2, keinen solchen Verzicht dar. Eine Freistellung von Verlusten wird jedenfalls nicht ausdrücklich erwähnt. Es wird lediglich allgemein und nur zeitlich begrenzt davon gesprochen, dass die Klägerin keine Pflichten träfen. Auf Seiten der Rechte der Klägerin wird allein auf das Recht auf Gewinnbeteiligung und Entnahmen verzichtet. Zum anderen ergibt sich aus den Ausführungen des Bundessozialgericht nicht, dass eine Ausnahme von der Anrechnung von Gewinnanteilen im Fall einer nachträglichen Verzichtsvereinbarung in Frage kommt. Eine solche nachträgliche gesellschaftsrechtliche Umverteilung des Gewinns wäre jedenfalls rechtsmissbräuchlich (vgl. zu den Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs BSG, Urteil vom 25.06.2009 – B 10 EG 3/08 R, Rn 25 ff. m.w.N.; Ziffer 0.2.2 RL-BEEG 2/18). Anders als die Klägerin meint, wurde mit dem Gesellschafterbeschluss vom 12.09.2014 nicht bloß eine tatsächliche Entwicklung nachvollzogen. Denn tatsächlich hat die Klägerin im Bezugszeitraum einen Gewinnanteil erworben, nur eben nicht aufgrund eigener Arbeitsleistung, sondern allein aufgrund ihrer Gesellschafterstellung. Dass das BSG einen Lohnsteuerklassenwechsel zum Zweck der Erhöhung des Elterngeldes für zulässig erachtet hat (BSG, Urteil vom 25.06.2009 – B 10 EG 3/08 R), führt zu keinem anderen Ergebnis, weil ein Lohnsteuerklassenwechsel nicht rückwirkend für einen abgelaufenen Veranlagungszeitraum erfolgen kann (vgl. § 39 Abs. 6 Satz 6 EStG).
Ein Verfassungsverstoß durch die Berücksichtigung des Gewinnanteils als anspruchsminderndes Einkommen ist nicht ersichtlich. Eine Ungleichbehandlung mit Angestellten kommt schon wegen der Andersartigkeit der Einkommensarten nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 21.06.2016 – B 10 EG 3/15 R, Rn 25 a.E. m.w.N.). Eine Verletzung von Art. 12 GG scheitert daran, dass dem BEEG keine den Schutzbereich der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit berührende Tendenz zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012 – B 10 EG 20/11 R, Rn 40 f. m.w.N.). Da der Elterngeldanspruch nicht auf Eigenleistungen der Klägerin beruht, ist er auch nicht vom Schutzbereich von Art. 14 GG erfasst (vgl. BSG, Urteil vom 26.03.2014, Rn 24; Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 6/12 R, Rn 44). Eine auch nur mittelbare Auswirkung auf den Anteil der Klägerin an der Gesellschaft hat das BEEG nicht.
Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsforderung ist wegen fehlenden Hinweises auf die Erstattungspflicht im Bescheid vom 10.08.2012 § 50 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. §§ 45 ff. SGB X in analoger Anwendung (vgl. hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 05.04.2012 – B 10 EG 10/11 R, Rn 39 ff. und Urteil vom 26.03.2014 – B 10 EG 13/13 R, Rn 34 f.).
Hier kommt § 48 SGB X zur Anwendung, konkret § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Bei Erlass des vorläufigen Bescheides stand zwar fest, dass die Klägerin weiterhin Gesellschafterin sein würde. Ob und ggf. welcher Gewinnanteil erzielt werden würde, stand dagegen noch nicht fest. Ein atypischer Fall, der die Ausübung von Ermessen erforderte (vgl. BSG, Urteil vom 05.04.2012 – B 10 EG 10/11 R, Rn 46), liegt nicht vor, so dass auch kein Ermessensfehler im Sinne eines Nichtgebrauches gegeben ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht. Das derzeit beim Bundessozialgericht anhängige Verfahren B 10 EG 5/17 R betrifft § 2d Abs. 3 BEEG in der ab dem 18.09.2012 gültigen und hier nicht anwendbaren Fassung. Anlass für die Zulassung der Revision durch die Vorinstanz war ausdrücklich diese Neuregelung (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 07.12.2016 – L 12 EG 70/15, juris Rn 27, 35).
Erstellt am: 01.07.2019
Zuletzt verändert am: 01.07.2019