Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.11.2001 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wehrt sich gegen Honorarkürzungen in den Quartalen III und IV/1997.
Die Medizinischen Einrichtungen des Universitätsklinikums F, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist, waren seitens der Beklagten ermächtigt, in der Zeit vom 01.01.1996 bis zum 31.12.1997 in ihren Institutsambulanzen näher bezeichnete Leistungen zugunsten der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringen. Die Beklagte strich in den Streitquartalen insgesamt 482 Ansätze nach Nr. 63 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM-Ä), 568 Ansätze der Nr. 64 EBM-Ä, 289 Ansätze der Nr. 65 EBM-Ä und 81 Ansätze der Nr. 66 EBM-Ä (Bescheide vom 17.12.1997, 05.03.1998, 19.03.1998 und 01.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1998). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe die Leistungslegende der "Beobachtung und Betreuung eines Kranken mit konsumierender Erkrankung … in der Praxis unter parenteraler Behandlung mittels Kathetersystems …" nicht erbracht, weil sie keine "Praxis" im Sinne dieser Bestimmung unterhalte.
Mit der Klage zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) hat die Klägerin vorgetragen, auch ihre Institutsambulanzen seien "Praxen" im Sinne der Nrn. 63 ff. EBM-Ä. Denn der EBM-Ä, der für alle vertragsärztlichen Leistungen gelte, verwende die Begriffe "Praxis" und "Arztpraxis" in diesem Zusammenhang, um den Ort der Leistung, nicht den Status des Leistungserbringers zu beschreiben. Auch § 120 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) spreche im Zusammenhang mit Institutsambulanzen von "Praxiskosten". Die Institutsambulanzen verfügten dabei über Praxisräume, die denjenigen vertragsärztlicher Praxen mindestens vergleichbar seien.
Die Klägerin hat beantragt,
die Bescheide der Bezirksstelle Ruhr der Beklagten vom 17.12.1997, 05.03.1998, 19.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1998 hinsichtlich der Streichungen der Leistungen nach Nrn. 63 ff. EBM-Ä aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die entsprechenden Leistungen nachzuvergüten.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die angegriffenen Bescheide verteidigt.
Das SG hat der Klage stattgegeben (Urteil vom 28.11.2001). Nrn. 63 ff. EBM-Ä enthielten keinen ausreichend bestimmten Abrechnungsausschluss für ermächtigte Einrichtungen. Der Begriff "Praxis" meine den Ort der Leistungserbringung und schließe lediglich den Leistungsansatz z.B. im Falle eines Besuchs aus.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie weist darauf hin, dass mit den Nrn. 63 ff. EBM-Ä die Kosten abgegolten werden sollten, die durch die Bereithaltung von geeigneten Ruhemöglichkeiten in entsprechenden Räumen und durch die Aufwendungen für das beobachtende und betreuende Personal in der postoperativen Phase entstünden. Derartige zusätzliche Kosten hätten Institutsambulanzen in der Regel jedoch nicht, weil die erforderlichen Kapazitäten an Ruhemöglichkeiten und Personal ohnehin vorgehalten werden müssten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.11.2001 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.
Die Verwaltungsakte der Beklagten ist beigezogen worden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat die Gebührenansätze der Nrn. 63 ff. EBM-Ä in den Quartalen III und IV/1997 zu Unrecht gestrichen.
Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass der Anspruch der Klägerin auf Vergütung der entsprechenden Leistungen allein davon abhängt, ob die von ihr betriebenen Institutsambulanzen "Praxen" im Sinne der Nrn. 63 ff. EBM-Ä darstellen. Das ist entgegen der Auffassung der Beklagten jedoch der Fall.
Für die Auslegung von Gebührentatbeständen des EBM-Ä ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Vertragspartner der vertragsärztlichen Versorgung durch den Bewertungsausschuss den Wortlaut des EBM-Ä im Wege des Ausgleichs ihrer unterschiedlichen Standpunkte und Interessen vereinbart haben und dass es vorrangig ihre Sache ist, einen unklaren oder in der Praxis missverstandenen Wortlaut zu ändern oder zu präzisieren. Dementsprechend haben sich die Gerichte in erster Linie an den Wortlaut der maßgeblichen Bestimmung zu halten. Eine systematische Interpretation dürfen sie nur im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührentatbeständen vornehmen. Eine ausdehnende, an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der Leistungsbeschreibungen oder -bewertungen ist demgegenüber unzulässig (vgl. zu alledem BSG, SozR 3-5533 Nr. 100 Nr. 1; SozR 3-5533 Nr. 75 Nr. 1; SozR 3-5533 Nr. 2449 Nr. 1 m.w.N).
Dabei ist davon auszugehen, dass die im EBM-Ä erfassten Leistungen grundsätzlich auch von Institutsambulanzen abrechenbar sind. Denn er bestimmt den Inhalt der in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung abrechnungsfähigen Leistungen (§ 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V) und stellt damit u.a. diejenigen "Grundsätze" auf, nach denen auch die im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen der Polikliniken und der sonstigen ermächtigten ärztlich geleiteten Leistungen vergütet werden (§ 120 Abs. 1 Satz 1 SGB V).
Bereits dem Wortlaut der Nrn. 63 ff. EBM-Ä nach lässt sich eine Beschränkung der Leistung auf niedergelassene Ärzte bzw. ermächtigte Krankenhausärzte nicht erkennen. Im Gegenteil spricht die Fassung der Leistungslegende eher dafür, die Wendung "in der Praxis" als Beschreibung des Leistungsortes zu verstehen. Während es sich nämlich bei den übrigen Spiegelstrichen der Leistungslegende (Beobachtung und Betreuung "während der Aufwach- und/oder Erholungszeit bis zum Eintritt der Transportfähigkeit) von selbst versteht, dass die Leistung in den Räumlichkeiten des Leistungserbringers stattfindet, ist dies bei der hier streitigen Variante "Beobachtung und Betreuung eines Kranken mit konsumierender Erkrankung" nicht der Fall. Vielmehr wird die Gleichwertigkeit der Leistung mit den übrigen Tatbeständen hinsichtlich des Leistungsortes erst durch die Wendung "in der Praxis" hergestellt.
Eine Gesamtschau der Gebührentatbestände, in denen der Bewertungsausschuss den Begriff "Praxis" verwandt hat, bestätigt dieses Ergebnis. Ganz überwiegend wird dieser Begriff nämlich im räumlich-gegenständlichen Sinn gebraucht (z.B. Nrn. 40, 50, 7215 EBM-Ä ("in der Praxis"); Nr. 3707 EBM-Ä ("innerhalb der eigenen Praxis"); Abschn. A II. § 2 ("außerhalb der Praxis"); Abschn. A. II. 4 ("Praxissitz"); Nrn. 202, 7181 EBM-Ä ("weil er die Praxis nicht aufsuchen kann"); Nr. 793, vor Nr. 7266 EBM-Ä ("Praxisdialyse")). Einen abweichenden Sprachgebrauch hat der Bewertungsausschuss jeweils gesonders kenntlich gemacht. Das gilt einmal, wenn der Begriff "Praxis" im abrechnungstechnischen Sinn gemeint ist. In diesem Fall steht er entweder im Zusammenhang mit dem Zusatz "Arztnummer" (z.B. Nr. 2176 EBM-Ä sowie im Abschn. O) oder tritt in zusamengesetzten Begriffen wie "Gemeinschaftspraxis" oder "Praxisgemeinschaft" auf (z.B. Nrn. 44, 46, 50 EBM-Ä). Im statusrechtlichen Sinn, d.h. zur Abgrenzung von anderen Leistungserbringern, verwendet der Bewertungsausschuss ihn nur in eindeutiger Form (z.B. Abschn. A II § 1 ("gebietsbezogene Leistungen, die ein ermächtigter Krankenhausarzt oder Belegarzt im Krankenhaus von Angestellten des Krankenhauses für seine ambulante Praxis erbringen lässt"); vor Nr. 25 EBM-Ä ("in freier Praxis niedergelassener Arzt")). Das gilt insbesondere für statusbezogene Leistungsausschlüsse (z.B. Abschn. A II. § 1 ("Leistungen …, die ein Krankenhaus als Institutsleistungen durchführt, dürfen von einem ermächtigten Krankenhausarzt nicht berechnet werden") sowie bei den Laborleistungen nach Nrn. 3450, 3452 EBM-Ä). Für einen in diesem Sinne gemeinten, von der üblichen Bedeutung als Beschreibung des Leistungsortes abweichenden, Sprachgebrauch bestehen bei Nrn. 63 ff. EBM-Ä demgegenüber keinerlei Anhaltspunkte. Letztlich spricht auch der Umstand, dass der Bewertungsausschuss in der unzweifelhaft auch für die Klägerin geltenden Bestimmung der Abschn. A I. Teil A Nr. 2 EBM-Ä von "Praxiskosten" spricht, gegen die Annahme, der Begriff "Praxis" sei auf niedergelassene Vertragsärzte beschränkt.
Demgegenüber ist für die von der Beklagten befürwortete teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs der Nrn. 63 ff. EBM-Ä auf lediglich niedergelassene Vertragsärzte und ermächtigte Krankenhausärzte schon aus den bereits dargelegten methodischen Gründen kein Raum. Im Übrigen überzeugt die Argumentation der Beklagten aber auch insoweit nicht. Es steht außer Zweifel, dass die Nrn. 63 ff. EBM-Ä dazu dienen, besonderen Aufwand für den Einsatz von Räumlichkeiten und Personal bei der Beobachtung und Betreuung bestimmter Patientengruppen "in der Praxis" zu vergüten. Ein derartiger Aufwand entsteht jedoch auch bei Institutsambulanzen, die ebenso wie niedergelassene Praxen Räumlichkeiten und Personal vorhalten müssen, um die Beobachtungs- und Betreuungsleistungen erbringen zu können. Es ist nicht anzunehmen, dass es sich dabei, wie die Beklagte offenbar meint, ausschließlich um sog. Sowieso-Kosten handelt. Dass ein zusätzlicher Beobachtungs- und Betreuungsaufwand für ambulant behandelte Patienten zu erhöhtem Personalaufwand führt, liegt dabei auf der Hand. Hinsichtlich der Sachkosten hat der Gesetzgeber dem Umstand, dass jedenfalls öffentlich geförderte Krankenhäuser die nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz von den Ländern zu finanzierenden Investitionsgüter z.T. auch in der ambulanten Versorgung nutzen können, durch die in § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V vorgesehenen pauschalen Abschläge bereits Rechnung getragen. Jedenfalls hat die Annahme der Beklagten aber, wie dargelegt, in den normativen Festsetzungen des für die Leistungsbewertung ausschließlich zuständigen Bewertungsausschusses keinen Widerhall gefunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24).
Für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) besteht kein Anlass. Der Senat hat nach dem Ergebnis der Befragung der erschienenen Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nach weiteren Streitsachen nicht feststellen können, dass die durch den Rechtsstreit aufgeworfene Rechtsfrage über den Einzelfall hinaus gehende Bedeutung hat.
Erstellt am: 11.03.2004
Zuletzt verändert am: 11.03.2004