Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.07.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist nur noch die Zahlung von Insolvenzgeld, welche die Beklagte mit der Begründung ablehnt, dass der Kläger kein Arbeitnehmer gewesen sei.
Der 1959 geborene Kläger war seit 1989 bis 30.06.2003 Geschäftsführer der H S GmbH und seit ihrer Gründung im Jahr 1993 auch der W S GmbH. Überdies war er Geschäftsführer der H. S Verwaltungs-GmbH und Co.KG und der Firma f GmbH. Gesellschafter der H S GmbH waren der Zeuge H S (Vater des Klägers) mit 71,8%, der Kläger mit 23,9% und die G. S Verwaltungs-GmbH und Co.KG mit 4,3% des Stammkapitals. Komplementärin der G. S Verwaltungs-GmbH und Co.KG war die G. S Verwaltungs-GmbH. Kommanditisten waren der Zeuge H S mit einer Einlage von 16,4% und der Kläger mit einer Einlage von 83,6%. Gesellschafter der H. S Verwaltungs-GmbH waren Herr H S mit 75% sowie der Kläger mit 25% des Stammkapitals. Gesellschafterin der W S GmbH und der f GmbH war jeweils die H S GmbH mit 100% des Stammkapitals.
Auf Antrag des Klägers als Geschäftsführer wurde am 01.04.2003 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H S GmbH, der W S GmbH, der f GmbH und der H. S Verwaltungs-GmbH und Co.KG eröffnet.
Durch Kündigung vom 06.04.2003 kündigte der InsolvenzverI1 den Kläger zum 30.06.2003 und stellte ihn mit sofortiger Wirkung frei.
Da bereits ab 01.01.2003 keine Gehaltszahlungen mehr erfolgten, beantragte der Kläger am 26.02.2003 formlos Insolvenzgeld aus der Tätigkeit als Geschäftsführer für die W S GmbH und die H S GmbH. Am 07.04.2003 meldetet er sich arbeitslos und beantragte auch Arbeitslosengeld.
In dem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter- Geschäftsführers einer GmbH machte der Kläger hinsichtlich der Tätigkeit für die W S GmbH und die H S GmbH u.a. übereinstimmend folgende Angaben:
Innerhalb der Gesellschaften würden Entscheidungen mit einfacher Mehrheit gefasst. Das Stimmrecht werde nicht aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung zugunsten eines Dritten ausgeübt. Er habe nicht die Möglichkeit gehabt, durch Sonderrechte Gesellschaftsbeschlüsse herbeizuführen oder zu verhindern. Die Firmen seien von ihm als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer nach außen vertreten worden. Er sei vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 BGB befreit gewesen. Er verfüge als einziger Geschäftsführer/Gesellschafter/Betriebsangehöriger über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen Branchenkenntnisse. Seine Tätigkeit sei – aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen – durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt. Seine Tätigkeit sei in einem Dienstvertrag geregelt. Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit habe 38 Stunden betragen. In Personalunion seiner Geschäftsführertätigkeit für beide Firmen habe sich eine tatsächliche wöchentliche Arbeitszeit von 50 Stunden ergeben. Hinsichtlich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung habe er nicht wie ein fremder Arbeitnehmer dem Direktionsrecht der Gesellschaft unterlegen. Er habe seine Tätigkeit – von bestimmten wichtigen Geschäften abgesehen – in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten können. Die Gestaltung seiner Tätigkeit sei von den betrieblichen Erfordernissen, insbesondere von dem eigenen wirtschaftlichen Interesse zum Wohle und Gedeihen des Unternehmens abhängig gewesen. Er sei befugt gewesen, selbständig Personal einzustellen und/oder zu entlassen. Im Falle seiner Arbeitsunfähigkeit sei seine Vergütung für die Dauer von sechs Monaten weiter gewährt worden.
Hinsichtlich der Tätigkeit für die W S GmbH gab der Kläger an, ab 2001 eine reduzierte Vergütung in Höhe von 2.045,17 Euro monatlich bezogen zu haben. Eine Gewinnbeteiligung habe nicht bestanden. Über die Versicherungspflicht sei ein Beitragsbescheid nicht erlassen worden.
Hinsichtlich der H S GmbH gab der Kläger an, ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 15.338,76 Euro zuzüglich Tantiemen erhalten zu haben. Überdies gab er an, der Firma ein Darlehen in Höhe von 61.355,03 Euro als stille Beteiligung gewährt zu haben.
Mit Bescheid vom 15.04.2003 lehnte die Beklagte den Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld und mit Bescheid vom 26.05.2003 den Antrag auf Zahlung von Arbeitslosengeld jeweils mit der Begründung ab, der Kläger sei kein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer gewesen.
Gegen beide Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er sei zwar alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der H S GmbH und der W S GmbH gewesen. Zutreffend sei auch, dass er jeweils von der Beschränkung des § 181 BGB befreit gewesen sei. Diese Befreiung sei aber allein deshalb notwendig gewesen, weil er eben auch Geschäfte unter den Gesellschaften habe tätigen müssen, nämlich zwischen den Firmen W S GmbH und der H S GmbH wie auch weiteren Gesellschaften im Ausland. Es seien auch mehrere einzelvertretungsberechtigte Prokuristen bestellt gewesen, denen ebenfalls Befreiung von der Vorschrift des § 181 BGB aus den vorgenannten Gründen erteilt worden sei. Die Darlegungen in dem angefochtenen Bescheid zu den "erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnissen" seien nicht nachvollziehbar. Es liege in der Natur der Sache, dass er aufgrund seiner mehr als 20jährigen Tätigkeit im Bereich des Gerüsthandels über Kenntnisse verfüge, wie dieses auch bei anderen Mitarbeitern zutreffe, die auf ähnlich lange Beschäftigungszeiten zurückblicken könnten. Aufgrund seiner Beteiligungen sei er nur Minderheitengesellschafter gewesen und habe nicht einmal qualifizierte Entscheidungen der Gesellschafterversammlung sperren oder blockieren können. Überdies werde verkannt, dass der Geschäftsführer einer jeden GmbH weisungsgebunden sei und – durch die Geschäftsführeranstellungsverträge konkretisiert – der Geschäftsführer "den Weisungen der Gesellschafterversammlung" unterlegen habe und er als Geschäftsführer "verpflichtet" gewesen sei, "die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung auszuführen".
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2003 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Versagung des Insolvenzgeldes und mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2003 den Widerspruch wegen der Versagung des Arbeitslosengeldes als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 08.12.2003 (Az.: S 33 AL 214/03) und am 10.12.2003 (Az.: S 33 AL 217/03) jeweils vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund Klage erhoben. Das SG hat die Klagen durch Beschluss vom 17.12.2003 unter dem Az. S 33 AL 214/03 verbunden.
Zur Klagebegründung hat der Kläger das Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, dass nicht nur er, sondern auch andere Personen in beiden Unternehmen aufgrund ihrer Stellung als EinzeIprokuristen befugt gewesen seien, Personal selbständig einzustellen und zu entlassen. Auch die Gewährung eines Darlehns stehe der Qualifikation als abhängig Beschäftigter nicht entgegen. Es gebe eine Vielzahl von Personen, die Dritten Darlehen gewährt hätten, ohne dass dadurch deren Stellung als Arbeitnehmer verändert worden wäre. Allein der Befund, dass er Sohn des Mehrheitsgesellschafters sei, begründe keine ArbeitgebersteIlung. Entscheidend sei, wem er rechenschaftspflichtig gewesen sei. Hier ignoriere die Beklagte die An- und Einbindung in den Geschäftsführeranstellungsverträgen, wonach er gegenüber Gesellschaftern und Gesellschafterversammlungen weisungsgebunden gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 07.04.2003 bis 31.07.2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen und
2. die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.04.2003 in der -Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2003 zu verurteilen, dem Kläger Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.03.2003 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Das SG hat zur Stellung und Aufgaben des Klägers innerhalb der H S GmbH und der W S GmbH sowie zur Frage der Leitung beider Firmen Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen H S, I I, S Q, X I1 und Q I2. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18.07.2005 konkret Bezug genommen.
Durch Urteil vom 18.07.2005 hat das SG den Klagen stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es u.a.folgendes ausgeführt: Der Kläger habe auf seinen Antrag vom 26.02.2003 Anspruch auf Zahlung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.03.2003. Die Voraussetzungen des § 183 Abs. 1 S. 1 SGB III lägen hier vor. Durch Beschluss des Amtsgerichts Hagen vom 01.04.2003 sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen der H S GmbH und der W S GmbH, eröffnet worden. Bereits vor diesem Beschluss und damit innerhalb der Frist des § 324 Abs. 3 SGB III habe der Kläger den Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld gestellt. Der Kläger habe für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses auch noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt. Schließlich sei der Kläger auch Arbeitnehmer gewesen, denn seine Tätigkeiten als Geschäftsführer der W S GmbH und der H S GmbH seien Arbeitnehmertätigkeiten, die ein Versicherungspflichtverhältnis begründet hätten. Nach der Definition des § 24 Abs. 1 SGB III stünden ua. Personen in einem Versicherungspflichtverhältnis, die als Beschäftigte versicherungspflichtig seien, also gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt seien (§ 25 Abs. 1 SGB III). Beschäftigung sei die nichtselbständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 SGB IV). Versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sei danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeute Eingliederung im Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Auch wenn das Weisungsrecht – vor allem bei Diensten höherer Art – erheblich eingeschränkt sein könne, dürfe es nicht vollständig entfallen. Demgegenüber werde die selbständige Tätigkeit durch das Unternehmerrisiko und das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen. Im Zweifelsfalle komme es darauf an, welche Merkmale überwiegen würden. Dies richte sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund stehe, die allerdings zurücktrete, wenn die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend davon abweichen würden. Bei einer Kapitalbeteiligung von 50 v.H. sei Selbständigkeit zu bejahen, soweit keine entgegenstehenden, die Kapitalbeteiligung betreffenden Umstände, wie z.B. ein Treuhandvertrag, vorliegen würden. Die Arbeitnehmereigenschaft könne aber auch in Fällen zu verneinen sein, in denen eine Kapitalbeteiligung am Unternehmen nicht vorliege. So sei die Arbeitnehmereigenschaft zu verneinen, wenn die Kapitalbeteiligung für die Beherrschung einer GmbH zwar unzureichend sei, der Gesellschafter-Geschäftsführer aber nach der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zur GmbH und der tatsächlichen Durchführung des Vertrages hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im Wesentlichen weisungsfrei sei. In diesen Fällen sei häufig auch die Kapitalbeteiligung der Gesellschafter-Geschäftsführer so hoch, dass sie ein nicht unerhebliches Unternehmerrisiko tragen würden, so dass sie ihre Geschäftsführertätigkeit, wirtschaftlich gesehen, nicht für ein ihnen fremdes Unternehmen, sondern im eigenen Unternehmen ausübten. Selbst wenn eine Beteiligung am Stammkapital nicht vorliege, sei ausnahmsweise Selbständigkeit anzunehmen, wenn der Betreffende maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausübe, der ihm nach seiner Stellung als Nichtgesellschafter an sich nicht zukomme. Diese Situation sei bisher insbesondere bei Familiengesellschaften anerkannt, wenn die familiären Beziehungen die (Geschäftsführer)- Tätigkeit prägten und ein Weisungsrecht (obwohl formal vorhanden) tatsächlich nicht ausgeübt werde. Ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis liege so nicht vor, wenn die Tätigkeit mehr durch familienhafte Rücksichtnahme und durch gleichberechtigtes Nebeneinander als durch einen für einen Arbeitnehmer-/ Arbeitgeberverhältnis typischen Interessengegensatz gekennzeichnet sei. Arbeitnehmereigenschaft von Familienangehörigen dürfe aber nur dann verneint werden, wenn diese den Geschäftsbetrieb bestimmten bzw. einen maßgebenden gestalterischen Einfluss auf die Gesellschaft nehmen könnten. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sei der Kläger sowohl für die Firma W S GmbH wie auch für die H S GmbH als Arbeitnehmer tätig gewesen. Der Kläger habe als Minderheitsgesellschafter keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Unternehmen gehabt. Gesellschafterbeschlüsse würden mit einfacher Mehrheit gefasst. Eine Sperrminorität zugunsten des Klägers bestehe nicht. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger unabhängig von seiner Stellung als Minderheitsgesellschafter maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausgeübt hätte. Das Gericht gehe aufgrund der Aussage des Zeugen H S und der Einlassung des Klägers davon aus, dass die maßgeblichen Entscheidungen für die Firmen letztlich durch den Zeugen S getroffen worden seien. So habe der Kläger glaubhaft vorgetragen, dass er niemals Entscheidungen gegen die Stimme seines Vaters getroffen hätte. In der Regel habe man aber einvernehmliche Entscheidungen getroffen. Der Zeuge H S habe ausgeführt, dass der Kläger und er bei wesentlichen Entscheidungen einig gewesen seien. In finanziellen Dingen habe er aufgrund des Gesellschaftsvertrages das letzte Wort gehabt. Die diesbezügliche Aussage des Zeugen H S sei nachvollziehbar und glaubhaft. Für die Richtigkeit dieser Aussage spreche insbesondere, dass der Zeuge H S – obwohl er nach übereinstimmender Aussage aller Zeugen seit seinem Ausscheiden als Geschäftsführer am operativen Tagesgeschäft nicht mehr beteiligt war – mehrmals wöchentlich sein Büro innerhalb der Firma aufgesucht und sich über die Belange der Firma erkundigt habe. Auch habe der Zeuge H S ausgeführt, dass er nach 1997 zwar nicht mehr in der Geschäftsleitung gewesen sei und auch nicht mehr regelmäßig an der Geschäftsleiterrunde teilgenommen habe. Er habe aber teilgenommen "wenn etwas Besonderes war". Auch hier werde deutlich, dass der Zeuge H S zwar am operativen Tagesgeschäft nicht mehr beteiligt war, sich aber andererseits über die wesentlichen Belange der Firma durchaus informiert und hier maßgebende Entscheidungen getroffen habe. Hierfür spreche auch die Aussage des Zeugen I1, Herr H S verfügte bis zur Insolvenz über einen erstaunlichen Informationsstand und ein gutes Urteilsvermögen in Firmendingen. Dafür, dass der Zeuge H S – entsprechend seinen Geschäftsanteilen – auch tatsächlich bis zur Insolvenz maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft genommen hat, spreche auch, dass der Kläger beispielsweise nicht einmal an der Festsetzung seines eigenen Gehaltes beteiligt gewesen sei. Insofern hätten der Kläger und der Zeuge H S übereinstimmend ausgeführt, dass die Bezüge des Klägers nach Absprache des Zeugen H S mit dem Steuerberater einseitig festgelegt worden seien. Hier werde deutlich, dass der Zeuge H S im Zusammenwirken mit dem Steuerberater die maßgebenden Geschicke der Firmen gelenkt habe. Dem stehe nicht entgegen, dass sich der Kläger und der Zeuge S bemüht hätten, die wesentlichen Entscheidungen möglichst übereinstimmend zu treffen. Denn zum einen habe der Kläger glaubhaft dargestellt, dass er gegen den Willen des Zeugen S nicht entschieden hätte. Zum anderen habe der Zeuge darauf hingewiesen, dass er das letzte Wort in finanziellen Dingen gehabt habe. Unerheblich sei auch, dass der Kläger im operativen Tagesgeschäft im Wesentlichen weisungsfrei hätte arbeiten können. Der Kläger habe als Geschäftsführer Dienste höherer Art verrichtet, bei denen eine weitgehende Weisungsfreiheit im Tagesgeschäft auch bei Fremdgeschäftsführern üblich sei. Eine untergeordnete Rolle sei der Tatsache beizumessen, dass der Kläger auf einen geringen Teil seiner Bezüge bei der W S GmbH verzichtet und im Jahr vor der Insolvenz ca. 200.000,- Euro an Eigenmitteln in die Firmen eingebracht habe. Zwar sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die weiteren leitenden Angestellten der Firmen weder einen Gehaltsverzicht geübt noch Eigenmittel in die Firma eingebracht hätten. Der Gehaltsverzicht im Rahmen der Geschäftsführertätigkeit für die W S GmbH in Höhe von etwa 1.000,- Euro brutto monatlich sei gemessen an der Gesamtvergütung des Klägers, welche für die Tätigkeit für die H S GmbH monatlich 15.338,72 Euro zuzüglich Tantiemen und für die Tätigkeit bei der Firma W S GmbH 2.045,17 Euro brutto monatlich betrug, zu vernachlässigen. Hierin liege kein derart schwerwiegendes Indiz, dass allein aufgrund des Gehaltsverzichts die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers verneint werden könnte. Auch die Tatsache, dass der Kläger zuletzt noch ca. 200.000,- Euro an Eigenmittel in die Firmen eingebracht habe führe zu keinem anderen Ergebnis. Der Kläger habe auch als Minderheitsgesellschafter ein nachvollziehbares Interesse an der Sicherung des Fortbestandes der Firmen, welches seine ArbeitnehmersteIlung nicht automatisch entfallen lasse. Zu berücksichtigen sei insofern, dass die in die Firmen eingebrachten Mittel gemessen an der Gesamtvergütung des Klägers (2001 alleine 388.154,- DM für die Tätigkeit für die H S GmbH zuzüglich der Vergütung der Tätigkeit für die W S GmbH in Höhe von 2.045,17 brutto monatlich) die wirtschaftliche Leistungskraft des Klägers als Privatperson nicht erschöpft haben dürfte. Auch habe der Kläger bei der Einbringung der Mittel keinen wesentlich, über den Umfang seiner Geschäftsbeteiligung hinausgehenden Beitrag zur Erhaltung der Firmen geleistet. Denn der MehrheitsgeseIlschafter, der Zeuge H S, habe sich durch das Einbringen von Eigenmitteln in Höhe von mindestens 500.000,- Euro entsprechend seiner Beteiligung an den Geschäftsanteilen deutlich stärker engagiert.
Das Urteil ist der Beklagten am 12.08.2005 zugestellt worden. Am 08.09.2005 hat sie dagegen Berufung eingelegt. Sie hält die rechtliche und tatsächliche Würdigung des Sachverhalts durch das SG für unrichtig und vertritt weiter die Auffassung, der Kläger sei aufgrund seiner Entscheidungskompetenzen und Beteiligungen an der S-Firmengruppe nicht abhängig Beschäftigter gewesen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger die Klage zurückgenommen, die den Anspruch auf Arbeitslosengeld betraf.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.07.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Streitgegenstand ist nur noch der Anspruch des Klägers auf Insolvenzgeld. Das SG hat insoweit zu Recht festgestellt, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Insolvenzgeld hat für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis 31.03.2003 wegen noch ausstehender Entgeltanspüche aufgrund der Tätigkeit als Geschäftsführer für die H S GmbH und die W S GmbH. Der Senat folgt nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage den vollständig überzeugenden Ausführungen in dem Urteil des SG, auf die er anstelle einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Soweit die Beklagte nach wie vor bezweifelt, dass der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt war, verkennt sie das in den vorliegenden Konstellationen bestehende Regel-Ausnahme-Verhältnis. Bei einer unter 50 %-Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers ist die abhängige Beschäftigung die Regel und eine selbständige Tätigkeit die Ausnahme, die nur in ganz besonders gelagerten Fällen anzunehmen ist. Dies sind Fälle, in denen die Geschäfte faktisch wie von einem Alleininhaber nach eigenem Gutdünken geführt wurden, der Geschäftsführer also in der GmbH "schalten und walten" kann, wie er will (vgl. etwa BSG 18.12.2001 – B 12 KR 10/01 R – Rz 14). Dass dies vorliegend nicht der Fall war, hat die Beweisaufnahme des SG ergeben. Ein bedeutsamer Einfluss des Zeugen S (Mehrheitsgesellschafters und Vaters des Kläger) ist bis zur Insolvenz vorhanden gewesen. Die Tätigkeit des Kläger war durch den Geschäftsführervertrag geregelt. Es ist nicht ersichtlich, dass diese Regelungen nicht praktiziert wurden. Der Zeuge S hat seinen Mehrheitsanteil nach seinem Ausscheiden aus der Geschäftsführung behalten. Warum dies geschehen sein soll, wenn nicht mit dem Ziel, Einflussmöglichkeiten zu erhalten, ist nicht erkennbar. Hinzu kommt, dass neben den rechtlichen Möglichkeiten auch noch tatsächlich die Möglichkeit zur Einflussnahme bestand, wie es nicht zuletzt durch den vorgelegten Beratervertrag dokumentiert wird.
Wenn der Kläger tatsächlich als Selbständiger wie ein Alleininhaber die Geschäfte hätte führen können, wäre im Übrigen auch die Beschäftigung des Zeugen S – trotz seiner Mehrheitsbeteiligung – als Arbeitnehmer möglich gewesen. Aufgrund der vorliegenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen dürfte aber selbst die Beklagte dies für ausgeschlossen halten.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Erstellt am: 11.12.2006
Zuletzt verändert am: 11.12.2006