Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.04.2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Umstritten ist die Minderung des an den Kläger vom 13.10.2004 bis 27.12.2004 gezahlten Arbeitslosengeldes um 1.050,00 EUR wegen verspäteter Meldung als arbeitssuchend.
Der am 00.00.1978 geborene Kläger arbeitete vom 01.06.1999 bis 10.06.2003 als Maschinenbediener.
Ab dem 13.06.2004 bezog er Arbeitslosengeld in Höhe von 193,48 EUR wöchentlich bis 31.10.2003. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch eine Restanspruchsdauer von 219 Leistungstagen. Vom 01.11.2003 bis 30.09.2004 arbeitete er wiederum als Maschinenbediener. Das Arbeitsverhältnis war bei Abschluss des Arbeitsvertrages bis zu diesem Zeitpunkt befristet.
Am 13.10.2004 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 10.11.2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 13.10.2004 in Höhe von 197,68 EUR wöchentlich für die Restanspruchsdauer von 219 Tagen. Gleichzeitig setzte sie den Zahlbetrag unter Bezugnahme auf einen Bescheid vom 09.11.2004 auf 98,84 EUR wöchentlich fest. Mit diesem Bescheid vom 09.11.2004 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass eine Anspruchsminderung erfolge, weil er sich 104 Tage verspätet arbeitssuchend gemeldet habe und somit seinen Verpflichtungen aus § 37 b SGB III nicht nachgekommen sei. Nach § 140 SGB III mindere sich der Anspruch des Klägers um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung, höchstens jedoch für 30 Tage, hier mithin um 1.050,00 EUR. Die Minderung erfolge, indem der Minderungsbetrag auf die halbe Leistung angerechnet werde. Die Anrechnung beginne mit dem 13.10.2004 und sei voraussichtlich mit Ablauf des 27.12.2004 beendet.
Gegen die Bescheide vom 09. und 10.11.2004 legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass er aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig beim Arbeitsamt vorstellig zu werden, um seine Arbeitslosigkeit anzuzeigen. Er habe einen befristeten Arbeitsvertrag bis 30.09.2004 gehabt, dessen Befristungsabrede seiner Ansicht nach ohnehin rechtsunwirksam gewesen sei. Fakt sei, dass er für die Zeit vom 26.08. bis 12.10.2004 arbeitsunfähig an Salmonellen erkrankt gewesen sei. Gänge zu Behörden und anderen öffentlichen Einrichtungen habe er nicht vornehmen dürfen, um andere Personen nicht zu gefährden. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, dass hier eine Minderung erfolge, ohne dass auf seine besondere Situation eingegangen werde. Dieser Argumentation folgte die Beklagte nicht und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2004 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.12.2004 Klage vor dem Sozialgericht in Dortmund erhoben und zur Begründung erneut darauf hingewiesen, dass er vom 24.08.2004 bis 12.10.2004 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. In dieser Zeit habe eine Meldung nicht erfolgen können.
Vor dem Sozialgericht hat der Kläger schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 09. und 10.11.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004 zu verurteilen, ihm ab dem 13.10.2004 Arbeitslosengeld ohne Anrechnung eines Minderungsbetrages gemäß § 140 SGB III zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat an ihrer im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung festgehalten.
Mit Urteil vom 11.04.2005 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, Arbeitslosengeld ohne Minderung ab 13.10.2004 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Minderung nach § 37 b SGB III nur erfolgen dürfe, wenn dem Versicherten schuldhaft eine Obliegenheitsverletzung vorgeworfen werden könne. Aus dem Gesetz lasse sich nur entnehmen, wann sich ein Arbeitnehmer, der in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehe, frühestens zu melden habe. Bis zu welchem Zeitpunkt die Meldung spätestens zu erfolgen habe, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Bei einer derartig ungenauen gesetzlichen Konkretisierung des Inhalts der Obliegenheitspflicht könne man nicht von einer schuldhaften Verletzung sprechen. Im Übrigen scheitere eine Minderung nach § 140 SGB III auch daran, dass es sich hier um einen wieder bewilligten Restanspruch von Arbeitslosengeld handele. Für einen solchen Restanspruch könne nach § 37 b SGB III eine Minderung nicht eintreten.
Gegen dieses ihr am 21.04.2005 zugestellte Urteil richtet sich die am 12.05.2005 eingegangene Berufung der Beklagten. Die Beklagten hat sich ursprünglich gegen die Auffassung des SG gewandt, dass die Hinweise auf die Obliegenheiten eines Antragsteller in den §§ 37 b und 140 SGB III nicht konkret genug seien. Unverzüglich bedeute nach allgemeinem Verständnis "ohne schuldhaftes Zögern". Hier habe sich der Kläger erst am 13.10.2003, also 104 Tage zu spät, arbeitssuchend gemeldet. Auch die Rechtsauffassung, dass eine Minderung bei der Wiederbewilligung eines Restanspruchs nicht erfolgen dürfe, teilt die Beklagte nicht. Insofern wird zunächst auf den Inhalt der ursprünglichen Berufungsbegründung vom 12.05.2005 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2006, ist mit den Beteiligten die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 37 b SGB III erörtert worden. Die Urteile vom 25.05.2005 – B 11 a / 11 AL 81/04 R – vom 18.08.2005 – B 7 a / 7 AL 94/04 R – und vom 20.10.2005 – B 7 a AL 50/05 R – wurden besprochen. Nach Ansicht der Beklagten könne danach weder von einer nicht hinreichenden Konkretisierung der Obliegenheitspflicht ausgegangen werden, noch sei der Meinung zu folgen, § 37 b SGB III sei auf wieder bewilligte Restansprüche, die vor dem 01.07.2003 entstanden seien, nicht anwendbar. Dann aber käme es entscheidend darauf an, ob dem Kläger seine Obliegenheitspflicht, sich rechtzeitig zu melden, bekannt gewesen sei und ob ihm persönlich für die verspätete Meldung ein subjektiver Schuldvorwurf gemacht werden könne. Dies sei hier zu bejahen. Der Kläger habe sich an 01.07.2004 arbeitssuchend melden müssen, gemeldet habe er sich erst am 13.10.2004. Die Arbeitsunfähigkeit ab 26.08.2004 sei für die Minderung nicht entscheidend, denn bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit habe bereits eine Verspätung von mehr als 30 Tagen vorgelegen. Der Kläger habe seine Meldepflicht auch gekannt. Vor seiner Arbeitsaufnahme am 01.11.2003 sei die vorhergehende Arbeitslosengeldbewilligung mit einem Aufhebungsbescheid aufgehoben worden. In diesem Bescheid sei auf die Pflicht, sich frühzeitig arbeitssuchend zu melden, ausdrücklich hingewiesen worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 11.04.2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Auch wenn die Begründung des angefochtenen Urteils nach der neuesten BSG-Rechtsprechung nicht mehr aufrecht erhalten werden könne, so sei ihm doch jedenfalls kein Schuldvorwurf für die verspätete Meldung zu machen. Den Aufhebungsbescheid bezüglich des Arbeitslosengeldes für die Zeit ab 01.11.2003 habe er erhalten. An den Wortlaut der auf der Rückseite enthaltenen Hinweise könne er sich allerdings nicht erinnern. Darauf komme es aber auch nicht an, denn er sei ab 26.08.2003 arbeitsunfähig erkrankt gewesen und habe sich nicht melden können.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten mit der Kundennummer 000 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Die Bescheide vom 09. und 10.11.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.11.2004 sind rechtswidrig und beschweren den Kläger in seinen Rechten im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum vom 13.10. bis 27.12.2004 Anspruch auf ungemindertes Arbeitslosengeld.
Der Kläger hat ab 13.10.2004 Anspruch auf Arbeitslosengeld, da er alle in § 117 SGB III in der Fassung bis 31.12.2004 geregelten Voraussetzungen eines Anspruchs auf diese Leistungen erfüllte und Fehler bei der Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs für die Zeit ab 13.10.2004 weder vom Kläger vorgetragen noch ersichtlich sind.
Die Voraussetzungen für eine Minderung des Arbeitslosengeldes nach den §§ 37 b, 140 SGB III in der Fassung bis 31.12.2004 haben entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vorgelegen. Dabei folgt der Senat nicht der Begründung des Sozialgerichts. Diese lässt sich nach der Rechtsprechung des BSG aus dem Jahr 2005 (a.a.O) nicht aufrecht erhalten. Der Gesetzeswortlaut ist weder zu unbestimmt (vgl. BSG vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R – Rdnr. 14-16) noch verbietet sich eine Anwendung der Minderungsvorschriften auf vor dem 01.07.2003 entstandene Ansprüche (BSG a.a.O, Rdnr. 20 – 22). Dieser Rechtsprechung des BSG schließt sich der erkennende Senat an. Wenn das angefochtene Urteil im Ergebnis gleichwohl zu bestätigen war, so beruht dies auf folgender Überlegung: Nach der Auffassung des Senats hat sich der Kläger aufgrund unverschuldeter Unkenntnis von der Meldepflicht nicht rechtzeitig gemeldet, so dass ihm ein subjektiver Schuldvorwurf nicht gemacht werden kann.
Der Inhalt des im Oktober 2003 für die Zeit ab 01.11.2003 erteilten Arbeitslosengeldaufhebungsbescheides steht dem nicht entgegen. Der Kläger hat ausdrücklich erklärt, einen solchen Aufhebungsbescheid erhalten zu haben. Auch wenn der Kläger diesen Bescheid im Termin vom 05.04.2006 nicht präsent hatte, so ist dem Senat aus einer Vielzahl anderer Fälle der Wortlaut der Hinweise in den Aufhebungsbescheiden seit Juli 2003 bekannt. In den entsprechenden Aufhebungsbescheiden heißt es wörtlich: "Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden. Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres zukünftigen Leistungsanspruches führen kann." Der Senat geht davon aus, dass auch der dem Kläger im Oktober 2003 zugesandte Aufhebungsbescheid diesen Passus enthalten hat. Eine weitergehende Information über die Meldepflicht durch den Arbeitgeber ist nach dem glaubhaften Bekundungen des Klägers im Termin vom 05.04.2006 nicht erfolgt.
Die Hinweise im Aufhebungsbescheid hält der Senat nicht für ausreichend, um einen Schuldvorwurf im Sinne der Rechtsprechung des BSG erheben zu können. Denn nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, sprechen insbesondere systematische Gründe sowie Sinn und Zweck der §§ 37b, 140 SGB III dafür, dass der Arbeitnehmer seine Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung nicht verletzt, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist beim Arbeitsamt meldet (BSG, Urteil vom 25.05.2005 – B 11a/11 AL 81/04 R -). Insoweit kommt es auf die subjektive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Arbeitssuchenden an sowie auf die Belehrungspflichten, die der Gesetzgeber dem Arbeitsamt auferlegt bzw. auf die faktisch an deren Stelle tretende Informationspflicht des Arbeitgebers nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III, bevor aus Obliegenheitsverletzungen des Arbeitslosen nachteilige Rechtsfolgen für seinen Anspruch auf Alg eintreten können (BSG a.a.O. Rdnr. 22). An diese Belehrungs- bzw. Informationspflichten aber hat die Rechtsprechung hohe Anforderungen gestellt, weil es Zweck des Erfordernisses der Rechtsfolgenbelehrung ist, dem Arbeitslosen die sich aus seinem Verhalten ergebenden Konsequenzen vor Augen zu führen und ihn in allgemeiner Form zu warnen (BSG, a.a.O. Rdnr. 23). Daher darf sich die Rechtsfolgenbelehrung insbesondere nicht auf eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes beschränken. Eine wirksame Rechtsfolgenbelehrung liegt daher nur dann vor, wenn sie konkret, richtig und vollständig ist und dem Arbeitslosen in verständlicher Form zutreffend erläutert, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen aus dem versicherungswidrigen Verhalten resultieren (BSG, a.a.O., m.w.N.). Die Voraussetzungen einer in diesem Sinne wirksamen Rechtsfolgenbelehrung erfüllt der Hinweis, dass die nicht rechtzeitige Arbeitsuchendmeldung "eine Minderung des Arbeitslosengeldes zur Folge haben kann" nicht. Denn bei dem Hinweis handelt es sich zum einen allenfalls um eine formelhafte und damit nicht ausreichende Wiedergabe des Gesetzestextes des § 140 Satz 1 SGB III. Zum anderen ist sie insbesondere aber unrichtig, weil sich nach dem Gesetzestext des § 140 Satz 1 SGB III das Alg zwingend mindert und nicht – wie nach dem Hinweis des Arbeitgebers – möglicherweise ("kann dies eine Minderung des Arbeitslosengeldes zur Folge haben"). Dies hat der Senat bereits mit Urteilen vom 22.02. und 08.03.2006 (L 12 AL 82 und 30/05) entschieden. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest.
Ist dem Kläger mit diesem Hinweis aber nicht zutreffend erläutert worden, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen sich aus der nicht rechtzeitigen Arbeitsuchendmeldung ergeben, ist ihm die Nichterfüllung dieser Verpflichtung nicht vorzuwerfen mit der Folge, dass er für den streitigen Zeitraum vom 13.10.2004 bis 27.12.2004 Anspruch auf ungemindertes Alg hat.
An diesem Ergebnis ändert schließlich auch der Umstand nichts, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R – ausgeführt hat, "das LSG wird auch dem erstmals mit der Revision vorgebrachten Hinweis der Beklagten Rechnung zu tragen haben, dass ihre Aufhebungsbescheide bereits zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis auf die Obliegenheit nach § 37 b SGB III enthielten". Denn diese Formulierung enthält keine Bewertung bzw. Beurteilung hinsichtlich der an die Belehrungspflichten zu stellenden inhaltlichen Forderungen, zumal das BSG gleichzeitig darauf hinwies, dass aus den Akten ein Erhalt eines solchen Aufhebungsbescheides durch den dortigen Kläger nicht ersichtlich sei. Dieser Formulierung ist aber erst recht nicht zu entnehmen, dass damit im Widerspruch zum Urteil des BSG vom 25.05.2005 – B 11a/11 AL 81/04 R – zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass auch ohne die dargelegten inhaltlichen Voraussetzungen jedweder Hinweis den Anforderungen an die Belehrungspflichten genüge.
Die Kostenentscheidung folgt den §§ 183, 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen gemäß § 160 Abs. 2 Ziffern 1 oder 2 SGG dafür nicht vorliegen.
Erstellt am: 13.06.2006
Zuletzt verändert am: 13.06.2006