Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 5.6.2012 geändert. Den Klägern wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe (PKH) bewilligt und Rechtsanwältin Q, L, beigeordnet. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 26.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.2.2011, mit dem Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1.8.2010 bis zum 31.1.2011 neu festgesetzt wird.
Am 12.7.2010 beantragte die Klägerin zu 1) – die Mutter der Kläger zu 2) – 5) – die Weiterbewilligung von Alg II für sich, den Kläger zu 4) und die Klägerin zu 5) ab 1.8.2010.
Mit Bescheid vom 26.7.2010 bewilligte der Beklagte Alg II für die Klägerin zu 1), den Kläger zu 4) und die Klägerin zu 5) für die Zeit vom 1.8.2010 bis zum 31.1.2011. Er rechnete dabei u.a. auf den Bedarf des Klägers zu 4) Kindergeld i.H.v. 154.- EUR monatlich an.
Mit Änderungsbescheid vom 10.8.2010 bewilligte der Beklagte Alg II (in Form der Unterkunftskosten – KdU) auch für die Klägerin zu 2). Er teilte sinngemäß mit, die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) seien bei der Berechnung des Bedarfs der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft nunmehr berücksichtigt worden. Ihr Einkommen aus Kindergeld, Unterhalt und Wohngeld übersteige den eigenen Bedarf, so dass sich der Anspruch der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft reduziere.
Am 27.8.2010 legten die Kläger gegen den Bescheid vom 26.7.2010 Widerspruch ein. Sie machten geltend, der Beklagte habe zu niedrige KdU berücksichtigt, für alle Kinder sei wegen einer Neurodermitis ein krankheitsbedingter Mehrbedarf anzuerkennen, Wohngeld werde lediglich für die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) geleistet, der Kläger zu 4) habe sei dem 1.8.2010 kein Kindergeld mehr bezogen und werde zum 1.9.2010 aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen.
Mit Änderungsbescheid vom 9.9.2010 teilte der Beklagte mit, dass die Anrechnung des Kindergeldes für den Kläger zu 4) ab 1.8.2010 aufgehoben werde und für diesen ab 1.9.2010 keine Leistungen mehr gezahlt würden. Die Nachzahlung aufgrund der Nichtanrechnung des Kindergeldes und die Überzahlung aufgrund der Herausnahme des Klägers zu 4) aus der Bedarfsgemeinschaft würden "gegeneinander aufgerechnet". Ab dem 1.9.2010 bewilligte der Beklagte nunmehr auch dem Kläger zu 3) Alg II (KdU).
Mit Bescheid vom 4.10.2010 reduzierte der Beklagte die für die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) gezahlten Leistungen aufgrund einer Neuberechnung der diesen zustehenden Unterhaltsansprüche.
Mit Schreiben vom 19.10.2010 teilten die Kläger mit, der Kläger zu 4) sei entgegen ursprünglicher Absicht nicht ausgezogen.
Mit Bescheid vom 18.10.2010 teilte der Beklagte daraufhin mit, der Kläger zu 4) sei "wieder in die Bedarfsgemeinschaft aufgenommen" worden. Er berechnete das Alg II neu und bewilligte für die Zeit vom 1.8.2010 bis zum 31.1.2011 Leistungen nunmehr wieder nur für die Klägerin zu 1), den Kläger zu 4) und die Klägerin zu 5).
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.2.2011 hob der Beklagte die Bescheide vom 10.8.2010, 9.9.2010, 4.10.2010 und 18.10.2010 auf und wies den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Der dadurch "wieder aufgelebte" Bescheid vom 26.7.2010 sei rechtmäßig. Zwar werde in diesem Bescheid für den Kläger zu 4) Kindergeld i.H.v. 154.- EUR angerechnet, jedoch ergebe eine Vergleichsberechnung, dass "die Widerspruchsführerin" unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einkommen der Kinder aus Kindergeld, Unterhaltsvorschuss und Wohngeld insgesamt einen geringeren Leistungsanspruch habe, als ursprünglich bewilligt worden sei. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen würden zu ½ erstattet.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 25.3.2011 erhobene Klage, mit der die Kläger höheres Alg II begehren. Sie meinen, der Beklagte habe die KdU in zu geringer Höhe berücksichtigt, er sei im Bescheid vom 26.7.2010 zu Unrecht von einer lediglich dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft ausgegangen, vom Einkommen aller Kinder sei ein Freibetrag von jeweils 30.- EUR abzuziehen, der Einkommensüberhang der Klägerin zu 5) sei zu hoch angesetzt worden und die Anrechnung von Unterhaltsansprüchen der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3) auf den Bedarf der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sei rechtswidrig. Außerdem sei die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides falsch.
Mit Beschluss vom 5.6.2012 hat das Sozialgericht die Bewilligung von PKH für das Klageverfahren abgelehnt. Die Klage biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Sozialgericht hat auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, die Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft folge aus § 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II. Eine Versicherungspauschale sei von dem Einkommen der Klägerin zu 2), des Klägers zu 3) und der Klägerin zu 5) gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II – VO nur abzuziehen, wenn eine entsprechende Versicherung tatsächlich abgeschlossen worden sei. Dies werde von den Klägern nicht behauptet. Auch die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides sei nicht zu beanstanden.
Gegen diese am 6.6.2012 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 18.6.2012 erhobene Beschwerde der Kläger.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts zu Unrecht abgelehnt. Die Kläger haben einen Anspruch auf PKH.
PKH ist gem. §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO zu bewilligen, wenn – wie hier – die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.
1. Durch die Aufhebung des Bescheides vom 9.9.2010, mit dem der Beklagte u.a. auf die Mitteilung vom Wegfall des Kindergeldanspruchs für den Kläger zu 4) reagiert hatte, wird der Bescheid vom 26.7.2010 insoweit wiederhergestellt, als auf den Bedarf des Klägers zu 4) für den gesamten Leistungszeitraum Kindergeld i.H.v. 154.- EUR angerechnet wird. Für den Kläger zu 4) wurde aber ab dem 1.8.2010 kein Kindergeld mehr gezahlt. Damit ist der Bescheid rechtswidrig und ein Klageverfahren hiergegen nicht ohne Erfolgsaussicht.
2. Unabhängig von der materiellen Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen besteht Erfolgsaussicht, weil der Beklagte den Vorschriften des SGB X, die bei der Aufhebung der Änderungsbescheide vom 10.8.2010, 9.9.2010, 4.10.2010 und 18.10.2010 durch den Widerspruchsbescheid zu beachten gewesen sind, nicht genügt hat:
Während der Beklagte mit Bescheid vom 26.7.2010 Alg II lediglich für die Klägerin zu 1), den Kläger zu 4) und die Klägerin zu 5) bewilligt hat, hat er mit Bescheid vom 10.8.2010 Leistungen (KdU) auch für die Klägerin zu 2) bewilligt. Mit Bescheid vom 9.9.2010 hat er zusätzlich dem Kläger zu 3) Leistungen (Regelleistung und KdU) bewilligt. Die Aufhebung dieser Bescheide im Widerspruchsbescheid vom 25.2.2011, die zu einer Wiederherstellung des Bescheides vom 26.7.2010 führt (mit der Folge, dass die Kläger zu 2) und 3) keinen Leistungsanspruch haben), stellt jedenfalls gegenüber diesen Klägern eine Aufhebung von (nach Auffassung des Beklagten) rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten dar, die nur unter den Voraussetzungen des §§ 40 Abs. 1 Satz 1, 45 SGB X zulässig sind. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte die Voraussetzungen dieser Vorschrift eingehalten hat. Insbesondere wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, Ermessen auszuüben, da Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen der §§ 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, 330 Abs. 2 SGB III, 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X (Bösgläubigkeit der Kläger) gegeben sind, nicht vorliegen.
3. Die angefochtenen Bescheide sind – anders als der Beklagte und mit ausdrücklicher Verweisung auf den Widerspruchsbescheid wohl auch das Sozialgericht meinen – nicht allein deshalb rechtmäßig, weil die Gesamtsumme der den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bewilligten Leistungen ggfs. (mindestens) der materiellen Rechtslage entspricht. Bei den Ansprüchen auf Alg II für Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft handelt es sich um Einzelansprüche der jeweiligen Personen (grundlegend BSG, Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 8/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = BSGE 97, 217). Eine Aufhebung und Rückforderung bewilligter Leistungen – letztere ggfs. in Form einer Aufrechnung zu Unrecht bewilligter Leistungen gegen bestehende Ansprüche – hat nur gegenüber dem jeweiligen Anspruchsinhaber zu erfolgen. Eine gesamtschuldnerische Haftung aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit einem wechselseitigen Ausgleich von Überzahlungen und zustehenden Ansprüchen sieht das Gesetz nicht vor (vergl. nur jüngst BSG, Urteil vom 16.4.2012 – B 4 AS 154/11 R, SozR 4-1300 § 33 Nr. 11). Die Auswirkungen hiervon auf die Höhe der jeweiligen Leistungsansprüche der Kläger sind nicht im PKH-, sondern im Hauptsacheverfahren zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.05.2013
Zuletzt verändert am: 15.05.2013