Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 28.03.2013 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
Streitig ist die Zulassung der Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen (SG) – S 33 AS 314/12 – vom 28.03.2013 hinsichtlich höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1956 geborene Klägerin steht mit ihrem 1996 geborenen Sohn bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 15.10.2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 11.12.2008 und 06.01.2009 bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2009 bis 31.05.2009 in Höhe von 285,27 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 18.02.2009 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Monate März bis Mai 2009. Für den Monat März berücksichtigte er als Einkommen der Klägerin u.a. 692,68 Euro an Verletztengeld, das die Techniker Krankenkasse im Februar 2009 im Auftrag der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) aufgrund eines Unfallereignisses auf das Konto der Klägerin eingezahlt hatte. Leistungen wurden nunmehr nur noch in Höhe von 151,62 Euro festgesetzt.
Die BGW forderte Verletztengeld in Höhe von 390,72 Euro für den Zeitraum vom 01.02. – 16.02.2009 von der Klägerin mit Bescheid vom 04.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.11.2009 zurück, nachdem sie zu der Auffassung gelangt war, dass die (Wieder-)Erkrankung nicht auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. In dem sich anschließenden Klageverfahren vor dem SG (Az S 13 U 185/09) wies der Vorsitzende in einem Erörterungstermin am 16.06.2010 darauf hin, dass der vorliegende Rechtsstreit abgeschlossen werden müsse, damit ein Anspruch nach dem SGB II bestehen könne. Entsprechend nahm die Klägerin die Klage zurück.
Mit Schriftsätzen vom 24.09.2009 und 18.11.2010 beantragte die Klägerin beim Beklagten die Überprüfung der Leistungsbewilligung und bat um Neuberechnung im Hinblick auf das von der BGW zurückgeforderte Verletztengeld. Der Beklagte lehnte eine Abänderung des Bewilligungsbescheides mit Bescheid vom 05.07.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2012 ab. Zur Begründung führte er aus, dass der Klägerin das Verletztengeld im Februar 2009 tatsächlich zugeflossen und daher als bedarfsminderndes Einkommen zu berücksichtigen gewesen sei. Die spätere Aufhebung und Rückzahlungsverpflichtung durch die BGW sei unbeachtlich. Insbesondere liege keine auf den Monat Februar 2009 bezogene Änderung der Verhältnisse vor.
Mit ihrer am 10.02.2012 zum SG erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass das Verletztengeld infolge der rückwirkenden Aufhebung nicht als Einkommen angerechnet werden dürfe. Sie habe nicht mehr erhalten als ihr sozio-kulturelles Existenzminimum. Wenn sie nunmehr verpflichtet werde, dieses Einkommen, das ihr auf die SGB II-Leistungen angerechnet worden sei, zu erstatten, finde de facto eine Unterdeckung statt, die verfassungswidrig sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.03.2013 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 15.10.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 18.02.2009 (richtig: 11.02.2009), denn der Bescheid sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen einer Rücknahme gem. § 44 SGB X lägen nicht vor, die Leistungsberechnung des Beklagten sei nicht zu beanstanden. Insbesondere habe dieser das im Monat Februar 2009 gezahlte Verletztengeld zu Recht als bedarfsminderndes Einkommen gem. § 11 SGB II berücksichtigt. Ausschlaggebend für die Berücksichtigung sei gewesen, dass der Klägerin das Verletztengeld in diesem Monat als "bereites Mittel" zur Verfügung gestanden und zur Bedarfsdeckung habe verwendet werden können. Die Zahlung sei auch nicht – entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 46/09 R) – von vornherein mit einer wirksamen Rückzahlungsverpflichtung belastet gewesen. Der Klägerin habe aufgrund des bindenden Bewilligungsbescheides der BGW vielmehr zunächst ein Zahlungsanspruch auf diese Leistung und ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen zugestanden. Dieser sei erst mit Erlass des Aufhebungsbescheides vom 04.06.2009 entfallen. Eine Rückzahlungsverpflichtung könne damit frühestens ab diesem Zeitpunkt, jedenfalls aber nicht im Februar 2009 angenommen werden.
Soweit die Klägerin geltend mache, ihr Existenzminimum im Februar 2009 werde unterschritten, greife dies schon deshalb nicht, weil ihr die Mittel aus dem Verletztengeld in diesem Monat tatsächlich zur Verfügung standen und eine Unterdeckung damit faktisch nicht vorgelegen habe. Die Einwendung, dass ihr mit der Aufhebung der Bewilligung des Verletztengeldes eine vom SGB II-Leistungsträger bedarfsmindernd angerechnete Leistung entzogen worden sei, betreffe allein das Rechtsverhältnis zur BGW.
Im Übrigen hat das SG ausgeführt, dass die Berufung wegen des Streitwertes von 390,72 Euro nicht zulässig sei und Gründe für eine Zulassung der Berufung nicht vorlägen. In der beigefügten Rechtsmittelbelehrung wird – hingegen – darauf hingewiesen, dass das Urteil mit der Berufung angefochten werden könne.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 30.04.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.05.2013 Berufung eingelegt. Auf Hinweis des Senats hat sie die Berufung zurückgenommen und am 06.06.2013 Nichtzulassungsbeschwerde erhoben sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) beantragt. Soweit der Senat ihr unter Hinweis auf die Entscheidung des BSG vom 23.08.2011 – B 14 AS 165/10 R rate, die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzunehmen, seien die Situationen grundlegend anders. Sie habe sich gegenüber der BGW zur Wehr gesetzt und ihr sei vom Vizepräsidenten des SG geraten worden, die Klage zurück zu nehmen. Nunmehr werde sie aufgefordert, sich (wieder) an die BGW zu wenden. Selbstverständlich sei sie hierzu bereit, jedoch nicht außerhalb dieses Verfahrens. Sie beantrage ausdrücklich die BGW zum Verfahren beizuladen sowie den Vizepräsidenten des Sozialgerichts als Zeugen zu laden. Dieser habe explizit dargelegt, dass ein Anspruch nach dem SGB II bestehe, wenn das Verfahren gegenüber der BGW beendet sei. Diese Rechtsauffassung müsse im Zeitpunkt 16.10.2010 (gemeint: 16.06.2010) sicherlich noch als richtig angesehen werden, da das Urteil des BSG, welches etwas anderes bestimme, erst am 23.08.2011 ergangen sei und auch ihr Bevollmächtigter zum damaligen Zeitpunkt nichts anderes habe raten können. Die Angelegenheit sei rechtlich äußerst komplex und von ihr ohne rechtlichen Beistand nicht zu regeln.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Frist für die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewahrt sei. Im Übrigen vermag er keine Gründe für eine Zulassung der Berufung zu erkennen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vom Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere auch fristgerecht erhoben worden. Gemäß § 66 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres möglich, wenn die Belehrung unterblieben oder – wie hier – unrichtig erteilt worden ist.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro nicht übersteigt; das SG hat für eine Berufung ausweislich der Urteilsbegründung keine Zulassungsgründe gesehen.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 SGG erfüllt ist.
Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine solche ist anzunehmen, wenn sich eine Rechtsfrage stellt, deren Klärung über den konkreten Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich ist (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung auch durch das Berufungsgericht zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit) (vgl. LSG NRW Beschluss vom 02.08.2013 – L 2 AS 166/13 NZB juris Rn. 18; LSG NRW Beschluss vom 26.03.2010 – L 6 B 110/09 AS NZB juris Rn. 15; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144 Rn. 28, § 160 Rn. 6 ff.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Im Hinblick darauf, dass das BSG im Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 165/10 R die hier streitige Rechtsfrage in einer vergleichbaren Fallkonstellation höchstrichterlich entschieden hat, fehlt es an einer Klärungsbedürftigkeit. Das BSG hat in der genannten Entscheidung bereits geurteilt, dass eine Korrekturmöglichkeit bei der Rückforderung von Leistungen anderer Leistungsträger, die vom Jobcenter auf die SGB II Leistungen angerechnet worden seien, allein im Verhältnis zur rückfordernden Behörde, nicht aber im Verhältnis zum Jobcenter bestehe. Die Tatsache, dass die Klägerin sich im vorliegenden Fall bereits in einem Gerichtsverfahren gegen den Rückforderungsbescheid der BGW gewendet und diesen nach Hinweis durch den Kammervorsitzenden im damaligen Streitverfahren hat bindend werden lassen, ändert an dieser rechtlichen Beurteilung nichts. Solange und soweit gesetzliche Vorschriften darüber fehlen, die (Rück-)Abwicklung derartiger Rechtsverhältnisse ausschließlich im Verhältnis der beteiligten Leistungsträger vorzunehmen, bleibt der Klägerin zum Ausgleich der materiellen Rechtslage (nur) die Möglichkeit, bei der BGW einen Antrag auf Erlass des Erstattungsanspruchs nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) zu stellen (vgl. BSG a.a.O. juris Rn. 26). Diesbezüglich sind ihr durch die Klagerücknahme im Streitverfahren S 13 U 185/09 im Übrigen auch keine Nachteile entstanden.
Anhaltspunkte für eine Divergenz gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegen nicht vor, ein Verfahrensmangel gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG ist nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 73a SGG i.V.m. §§ 114, 119 Zivilprozessordnung (ZPO) liegen nicht vor, da die Nichtzulassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Tatsache, dass die Klägerin die Angelegenheit im Hinblick auf die verschiedenen Leistungsträger und vor dem Hintergrund des früheren rechtlichen Hinweises des SG verständlicherweise für rechtlich komplex ansieht, vermag einen Anspruch auf Bewilligung von PKH nicht zu begründen. Ob PKH zu gewähren ist, richtet sich nicht nach dem Komplexität einer Fallgestaltung, sondern allein nach den Erfolgsaussichten des konkret verfolgten Rechtsmittels, hier der Nichtzulassungsbeschwerde. An diesen fehlt es aus den o.g. Gründen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG). Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 S. 4 SGG).
Erstellt am: 18.12.2013
Zuletzt verändert am: 18.12.2013