Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 9.8.2019 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 39.139,11 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln ist nicht begründet. Das SG hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin (SG Köln, Az.: S 46 BA 86/19) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19.9.2018 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 4.12.2018 und des Widerspruchsbescheids vom 21.3.2019 zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese auf Antrag ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine – wie hier erfolgte – Entscheidung über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten haben gem. § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt auch für Säumniszuschläge (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 11.3.2016 – L 8 R 506/14 B ER – juris Rn. 49 m.w.N.).
Die Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung ausnahmsweise gem. § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 S. 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (hierzu unter 1.) oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (hierzu unter 2.).
1. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschl. v. 12.4.2017 – L 8 R 987/15 B ER – juris Rn. 2 f.; Beschl. v. 11.3.2016 – L 8 R 506/14 B ER – juris Rn. 51 m.w.N.).
An diesen Grundsätzen hält der Senat auch in Kenntnis der umfänglichen Einwände der Antragstellerin fest, weil sich dieser Maßstab zu seiner Überzeugung in beitragsrechtlichen Angelegenheiten der Sozialversicherung aus dem gesetzlichen Regelungssystem ergibt und der Intention des Gesetzgebers entspricht. Die von der Antragstellerin zitierte (ältere) finanzgerichtliche Rechtsprechung hat in die sozialgerichtliche Rechtsprechung keinen Eingang gefunden.
Nach den genannten Maßstäben ist die aufschiebende Wirkung der Klage nicht anzuordnen, da deren Erfolg nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Es spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass sich der Bescheid vom 19.9.2018 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 4.12.2018 und des Widerspruchsbescheides vom 21.3.2019, mit dem die Antragsgegnerin von der Antragstellerin für den Zeitraum vom 1.2.2000 bis 22.11.2014 Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von 156.556,45 Euro einschließlich Säumniszuschlägen in Höhe von 89.490,00 Euro für die Beschäftigung des Herrn F. C.(im Folgenden: FC) fordert, in der Hauptsache als rechtswidrig erweisen wird.
Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 S. 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung gegenüber den Arbeitgebern Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
a) Formelle Bedenken gegen die Bescheide, die einen Erfolg der Klage wahrscheinlich machen könnten, bestehen nicht.
aa) Die Antragsgegnerin ist als Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung für den Erlass der angefochtenen Bescheide, mit dem sie die Versicherungspflicht des FC und die von der Antragstellerin zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge festgestellt hat, gem. § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV sachlich zuständig. Soweit diese Vorschrift von der Antragstellerin als unzureichender Kompetenztitel angesehen wird, weil die Antragsgegnerin ihrer Auffassung nach keine Prüfung im Sinn von § 28p Abs. 1 S. 1 SGB IV durchgeführt habe, vermag dies nicht zu überzeugen. Unzweifelhaft hat die Antragsgegnerin tatsächlich eine Prüfung vorgenommen. So hat sie die vom Hauptzollamt (HZA) erhaltenen Unterlagen unter sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten ausgewertet und hieraus die Schlüsse auf die festzustellende Versicherungspflicht und Beitragshöhe gezogen, die im Bescheid vom 19.9.2018 festgehalten worden sind. Eine erneute Prüfung ist nach dem Widerspruch der Antragstellerin erfolgt, was schon daran deutlich wird, dass die Antragsgegnerin nach nochmaliger Auswertung der übermittelten Informationen einen Teilabhilfebescheid erlassen hat. Ebenso bedarf die Festsetzung von Säumniszuschlägen und deren Höhe einer eigenen Prüfung des Rentenversicherungsträgers. Diese ist auch erfolgt.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts v. 21.10.2013 (L 5 R 605/13 B ER). Hier wird in keiner Weise ausgeführt, der Rentenversicherungsträger sei unzuständig, sondern vielmehr allein darauf verwiesen, dass er noch weitere Ermittlungen durchzuführen habe, die im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden könnten (vgl. juris Rn. 22). Ebenso wenig vermag das angegebene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH Urt. v. 28.6.2011 – VIII R 6/09) die Auffassung der Antragstellerin zu belegen, es fehle an einer Prüfungshandlung. Dieses bezieht sich nicht auf die Anforderungen an eine Prüfung, sondern vielmehr auf die – steuerrechtliche – Frage, was unter einer "letzten Ermittlung" im Rahmen der Außenprüfung zu verstehen ist.
Die von der Antragstellerin vorgetragenen Argumente beinhalten in ihrem Kern auch nicht das "Ob", sondern das "Wie" der Prüfung durch die Antragsgegnerin.
Soweit die Antragstellerin eine Verletzung der Formvorschriften des § 28p Abs. 1 SGB IV sieht, weil es an einer Ankündigung der Prüfung gem. § 7 Beitragsverfahrensordnung (BVV) fehle, greift diese Rüge nicht. Bereits aus § 7 Abs. 1 S. 1 BVV ergibt sich, dass eine Ankündigung nur "grundsätzlich" erforderlich ist. Gem. § 7 Abs. 1 S. 4 BVV kann die Prüfung in den Fällen des § 98 Abs. 1 S. 4 SGB X – somit bei besonderen Gründen – auch ohne Ankündigung durchgeführt werden. Ein solcher besonderer Grund ist bei Erkenntnissen des HZA zu Schwarzarbeit zu bejahen.
Gleiches gilt für den Vortrag der Antragstellerin, es sei keine Prüfung "beim Arbeitgeber" erfolgt, da die Prüfer der Antragsgegnerin zu keinem Zeitpunkt bei ihr erschienen seien, um Prüfhandlungen vorzunehmen. Auch der Ort der Prüfung ist keine zwingende formelle Maßgabe (vgl. § 13 Abs. 2 i.V.m. 7 Abs. 4 BVV).
Zur Überzeugung des Senats begegnet es – anders als die Antragstellerin meint – auch keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin die Ergebnisse der vom HZA durchgeführten Ermittlungen herangezogen, auf dieser Grundlage die eigene Prüfung nach § 28p SGB IV durchgeführt und durch Verwaltungsakt abgeschlossen hat (vgl. LSG Baden-Württemberg Urt. v. 29.7.2017 – L 10 R 592/17 – juris Rn. 19 f.; Sächsisches LSG Beschl. v. 12.2.2018 – L 9 KR 496/7 B ER – juris Rn. 124 und Urt. v. 22.4.2016 – L 1 KR 228/11 – juris Rn. 31; Scheer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28p Rn. 181).
Gem. § 20 Abs. 1 SGB X bestimmt die Behörde, die den Sachverhalt von Amts wegen ermitteln muss, Art und Umfang der Ermittlungen. Dabei bedient sie sich gem. § 21 SGB X der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für erforderlich hält. Die Behörde kann insbesondere Auskünfte jeder Art einholen (§ 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB X) sowie Urkunden und Akten beiziehen (§ 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X). Erfasst ist somit auch der Rückgriff auf Unterlagen aus dem Ermittlungsverfahren des HZA.
Die allgemein-verfahrensrechtliche Zulässigkeit, der Prüfung nach § 28p SGB IV Feststellungen des HZA zugrunde zu legen, wird durch die Regelungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz – SchwarzArbG) weiter gestützt. Hiernach haben die Behörden der Zollverwaltung unter anderem zu ermitteln (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SchwarzArbG), ob die sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Pflichten nach § 28a SGB IV erfüllt werden oder wurden. Nach § 2 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 SchwarzArbG werden die Behörden der Zollverwaltung bei den Prüfungen nach Abs. 1 von den Trägern der Rentenversicherung unterstützt. Die Behörden der Zollverwaltung und die sie gemäß § 2 Abs. 4 SchwarzArbG unterstützenden Stellen sind verpflichtet, einander die für ihre Prüfungen erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten und die Ergebnisse der Prüfungen zu übermitteln, soweit deren Kenntnis für die Erfüllung der Aufgaben der Behörden oder Stellen erforderlich ist (§ 6 Abs. 1 S. 1 SchwarzArbG). Bereits aus dieser engen gesetzlichen Verknüpfung lässt sich die vom Gesetzgeber selbst intendierte Befugnis der Träger der Rentenversicherung erkennen, auf die vom HZA erhobenen Informationen zurückgreifen zu können. Dies ergibt sich erst recht aus § 2 Abs. 4 S. 3 SchwarzArbG, wonach Prüfungen beider Behörden sogar verbunden werden können. Auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes sind nach § 2 Abs. 1 S. 1 SchwarzArbG gewonnene Ermittlungsergebnisse im Rahmen der Prüfung gem. § 28p SGB IV zu verwenden (vgl. auch LSG Baden-Württemberg Urt. v. 29.7.2017 – L 10 R 592/17 – juris Rn. 20). Der Senat hat damit übereinstimmend bereits entschieden, dass grundsätzliche Anhaltspunkte für ein Verwertungsverbot der Ergebnisse der Prüfung durch das HZA nicht ersichtlich sind (vgl. Senatsbeschl. v. 7.3.2019 – L 8 BA 75/18 B ER – juris Rn. 11 ff.). Dies gilt umso mehr, als Sozialversicherungsträger nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich auf die Ermittlungsergebnisse anderer Behörden oder der Strafgerichte zurückgreifen dürfen, wenn schlüssige und erhebliche Einwendungen hiergegen nicht vorgebracht werden (vgl. z. B. LSG Niedersachsen-Bremen Beschl. v. 12.11.2013 – L 4 KR 383/13 B ER – juris Rn. 60 u. a. mit Verweis auf BSG Urt. v. 30.3.2006 – B 10 KR 2/04 R – juris Rn. 30).
Zur Überzeugung des Senats ergeben sich auch beim derzeitigen Sachstand keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 20 SGB X verpflichtet gewesen wäre, vor Erlass der angefochtenen Bescheide weitere Beweiserhebungen vorzunehmen. Der Umfang der erforderlichen Ermittlungen wird durch § 21 Abs. 1 S. 1 SGB X vorgegeben; die Ermittlung des Sachverhalts muss das nach pflichtgemäßem Ermessen erforderliche Maß ausschöpfen, d.h. so weit gehen, wie sich weitere Ermittlungen als erforderlich aufdrängen (vgl. BSG Urt. v. 2.9.2009 – B 6 KA 21/08 R – juris Rn. 16; Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. (Stand: 26.11.2018), § 21 Rn. 10; vgl. ebenso zum gerichtlichen Verfahren BSG Beschl. v. 15.8.2012 – B 6 KA 3/12 B – juris Rn. 11). Weitere notwendige Ermittlungen vor Erlass der Bescheide sind vorliegend nicht erkennbar und im Übrigen auch von der Antragstellerin selbst nicht vorgetragen worden. Der Sachverhalt hat sich aufgrund der beigezogenen Arbeitsgerichtsakte und der Unterlagen des HZA, insbesondere des Protokolls über die Vernehmung des FC, so hinreichend dargestellt, dass Feststellungen i.S.v. § 28p SGB IV auf dieser Grundlage getroffen werden konnten.
bb) Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin vor dem Erlass des Bescheides vom 19.9.2018 unter dem 29.6.2018 auch gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört.
b) Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht sind Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung in einem die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigenden Umfang nicht gegeben.
Es spricht derzeit mehr dafür als dagegen, dass FC – wie von der Antragsgegnerin angenommen – in dem der Beitragsnacherhebung zugrunde gelegten und im Beschwerdeverfahren streitigen Zeitraum bei der Antragstellerin in dem von der Antragsgegnerin angenommenen Entgeltumfang sozialversicherungspflichtig beschäftigt war (hierzu unter aa). Überwiegende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Höhe der nacherhobenen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung sind nicht erkennbar (hierzu unter bb). Eine Verjährung der Beitragsforderung ist nicht eingetreten (hierzu unter cc). Auch die Säumniszuschläge sind zutreffend erhoben worden (hierzu unter dd).
aa) Gem. § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d.h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d S. 1 und 2 SGB IV), zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch [SGB V], § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI], § 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI], § 25 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch [SGB III]). Dies gilt nicht, wenn eine zur Entgeltgeringfügigkeit führende Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vorliegt, die nach § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III, § 7 SGB V und § 5 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI zur grundsätzlichen Versicherungsfreiheit in den jeweiligen Zweigen der Sozialversicherung führt. In diesem Fall besteht lediglich die Pflicht zur Abführung pauschaler Sozialversicherungsbeiträge für den Arbeitgeber in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung (§ 249b S. 1 SGB V, § 172 Abs. 3 S. 1 SGB VI). Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Arbeitsentgelt sind gem. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.
Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel daran, dass der bei der Antragstellerin tätige FC – über die Beschäftigung nach dem gemeldeten Lohn von zunächst 1.400 DM bzw. ab 2002 715 Euro und später 750 Euro hinaus – in der Zeit vom 1.1.2000 bis 22.11.2014 tatsächlich zu einem Bruttoarbeitsentgelt von 1.600 Euro beschäftigt war und dass entsprechend letzterer Betrag beitragspflichtig ist.
Die Annahme der Antragsgegnerin, dass FC neben dem unstreitig "offiziell" gezahlten Arbeitsentgelt von der Antragstellerin zusätzliches Schwarzgeld erhalten hat, findet ihre Grundlage zunächst in den Angaben des FC in der Klageschrift vom 24.11.2014 in seiner Kündigungsschutzsache gegen die Antragstellerin vor dem Arbeitsgericht K. Bestätigt werden diese Zahlungen in besonderem Maße dadurch, dass die anwaltlich vertretene Antragstellerin vor dem Arbeitsgericht mit FC einen Vergleich über eine Abfindung in Höhe von 8000 Euro geschlossen und hier (übereinstimmend mit FC) einen Bruttolohn von tatsächlich 1.600 Euro zu Protokoll gegeben hat (Termin vom 19.12.2014). Dass die Niederschrift den Erklärungen entspricht, hat wiederum der zuständige Richter am Arbeitsgericht C in seinem Schreiben vom 19.12.2014 an das HZA ausdrücklich mitgeteilt. Schließlich hat FC seine Angaben auch im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge beim HZA am 29.10.2015 (erneut) bestätigt.
Soweit die Antragstellerin geltend macht, die protokollierte Aussage ihres Bevollmächtigten sei so nicht getroffen worden, ist zunächst zu berücksichtigen, dass es sich bei dem richterlich unterschriebenen Sitzungsprotokoll um eine öffentliche Urkunde handelt (vgl. zB Roller in: Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl. 2017, § 122 Rn. 12). Von der Möglichkeit, eine Berichtigung des Protokolls nach § 164 Zivilprozessordnung (ZPO) zu beantragen, hat die Antragstellerin offenkundig keinen Gebrauch gemacht. Der Senat hat im Hinblick hierauf und im Hinblick auf die Mitteilung des Richters am Arbeitsgericht C keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin eine entsprechende Aussage vor dem Arbeitsgericht getroffen hat.
Soweit die Antragstellerin weiter geltend macht, eine entsprechende Äußerung sei jedenfalls nicht abgestimmt gewesen und sie daraus ableitet, die Äußerung könne ihr nicht zugerechnet werden, folgt der Senat dem gleichfalls nicht. Zunächst ist eine entsprechende Rechtsauffassung mit § 85 Abs. 1 S. 1 und S. 2 ZPO nicht in Einklang zu bringen, wonach die von einem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozesshandlungen einschließlich tatsächlicher Erklärungen für die Partei in gleicher Weise verpflichtend sind, als wenn sie sie selbst vorgenommen hätte. Im Übrigen hat der Senat im Hinblick auf das prozessuale Verhalten der Antragstellerin auch keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass die Aussage des damaligen Bevollmächtigten der Wahrheit entspricht. Es ist nicht erkennbar, weshalb der im arbeitsgerichtlichen Verfahren mandatierte Bevollmächtigte eine entsprechende Aussage hätte treffen sollen, wenn diese nicht der Wahrheit entspräche. Vielmehr hätte es sich bei einer falschen Behauptung des FC gerade umgekehrt aufgedrängt, gegen diesen wegen Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen gerichtlich vorzugehen, nicht aber ihm sogar eine Abfindung in Höhe von 8.000 Euro zu zahlen. Dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit FC ohne jede vorherige Rücksprache eine entsprechend hohe Abfindung vereinbart hat, ist von der Antragstellerin nicht behauptet worden. Der Senat hält dies auch für fernliegend.
Im Übrigen ist ein Arbeitgeber, der in einem Verfahren (z.B. bei einer tatsächlichen Verständigung in Steuersachen, vor einem Straf- oder wie hier einem Arbeitsgericht) Schwarzlohnzahlungen in konkret benannter Höhe ausdrücklich einräumt, dann, wenn er hiervon in einem anderen Verfahren Abstand nehmen möchte, gehalten, substantiiert darzulegen, weshalb die damaligen Angaben nicht richtig gewesen sind (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen Urt. v. 1.3.2017 – L 2 R 476/16 – juris Rn. 40 ff.). Ein entsprechendes Eingeständnis weist eine Indizwirkung hinsichtlich des Inhalts der abgegebenen Erklärung auf. Diese Indizwirkung kann nur dadurch ausgeräumt werden, dass der Betroffene substantiiert darlegt und unter Beweis stellt, dass und weshalb er seine Erklärung zu Unrecht abgegeben hat. Die Indizwirkung wird hingegen nicht bereits mit der pauschalen Behauptung, die Erklärung sei inhaltlich unzutreffend gewesen oder dem schlichten Bestreiten von Tat oder Tatumfang beseitigt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen Urt. v. 1.3.2017 – L 2 R 476/16 – juris Rn. 40 ff.; BFH Beschl. v. 30.7.2009 – VIII B 214/07 – juris Rn. 12 mwN). An einer solchen substantiierten Darlegung fehlt es hier. Die Antragstellerin hat schon nicht plausibel dargelegt, wie es zu der entsprechenden Aussage im Protokoll des Arbeitsgerichts K gekommen ist, die einem Geständnis der Zahlung eines Schwarzlohns gleichkommt. Erst recht fehlt es an jeglicher Glaubhaftmachung eines anderweitigen Sachverhalts (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG i.V.m. § 294 ZPO), zu der auch die Versicherung an Eides statt gem. § 294 ZPO in Betracht kommt (vgl. Senatsbeschl. v. 7.11.2011 – L 8 R 929/10 B ER – juris Rn. 6). Die Antragstellerin hat weder eine solche abgegeben noch andere Beweismittel, wie z. B. Zeugen, benannt, die einen abweichenden Sachverhalt belegen könnten.
Tatbestände, die eine Versicherungsfreiheit des FC in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung begründen, sind von der Antragstellerin weder vorgetragen worden noch für den Senat ersichtlich.
bb) Die Berechnung der Beiträge ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht zu beanstanden. Soweit die Antragsgegnerin im Bescheid vom 19.9.2018 zunächst eine Netto-/Bruttolohnhochrechnung vorgenommen hat, ist dies von ihr im Rahmen des Teilabhilfebescheids vom 4.12.2018 zugunsten der Antragstellerin korrigiert worden.
cc) Die Beitragsforderung ist auch nicht verjährt, da vorliegend bei einer Schwarzlohnabrede keine ernsthaften Zweifel an einer vorsätzlichen Vorenthaltung der Beiträge bestehen. Entsprechend greift die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 S. 2 SGB IV.
dd) Es ist auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Betriebsprüfungsbescheid der Antragsgegnerin hinsichtlich der festgesetzten Säumniszuschläge im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.
Für Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt hat, ist für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen (§ 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV).
(1) Dass die Träger der Rentenversicherung im Rahmen von Betriebsprüfungsbescheiden nach § 28p Abs. 1 S. 5 SGB IV auch zur Erhebung von Säumniszuschlägen nach § 24 SGB IV berechtigt sind, entspricht ständiger Rspr. des Senats (z. B. Senatsurt. v. 19.12.2018 – L 8 R 335/14 – juris Rn. 123). Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, sind Säumniszuschläge gem. § 24 Abs. 1 S. 1 SGB IV zu erheben; ein behördliches Ermessen besteht hierbei nicht.
(2) Es ist bei der vorliegend getroffenen und über Jahre praktizierten Schwarzgeldabrede – wie bereits dargelegt – nicht anzunehmen, dass die Antragstellerin i.S.v. § 24 Abs. 2 SGB IV von ihrer Zahlungspflicht unverschuldet keine Kenntnis hatte und die Säumniszuschläge aus diesem Grund nicht zu erheben wären.
(3) Auch die Höhe der erhobenen Säumniszuschläge begegnet keinen Bedenken. Die Antragsgegnerin hat ihrer Festsetzung die gesetzliche Berechnungsvorschrift zugrunde gelegt. Ein rechnerischer Fehler ist von der Antragstellerin nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin liegt ein Verstoß gegen das Übermaßverbot nicht vor. Säumniszuschläge nach § 24 SGB IV sanktionieren die verspätete Beitragszahlung des Arbeitgebers, indem einerseits durch die säumnisbedingte Erhöhung des Zahlbetrags zur Sicherstellung eines geordneten Verwaltungsablaufs und der Beschaffung der hierfür benötigten Finanzmittel Druck auf den Schuldner ausgeübt, andererseits aber auch ein standardisierter Mindestschadensausgleich für den eingetretenen Zinsverlust und Verwaltungsaufwand vorgenommen wird (vgl. BSG Urt. v. 2.11.2015 – B 13 R 35/14 R – juris Rn. 21). Damit soll sichergestellt werden, dass die Sozialversicherungsträger die entstandenen Beiträge zum Fälligkeitstermin auch tatsächlich zur Erfüllung ihrer Leistungspflichten zur Verfügung haben, und zudem soll ausgeschlossen werden, dass sich der Beitragsschuldner durch rechtswidriges Verhalten ein "zinsloses" Darlehen verschafft oder durch eine verspätete Beitragszahlung selbst einen Zinsvorteil erlangt. In dieser "Doppelfunktion" dienen Säumniszuschläge somit der Funktionsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der Sozialversicherung (vgl. BSG Urt. v. 29.8.2012 – B 12 KR 3/11 R – juris Rn. 25). Hierbei handelt es sich um einen überragend wichtigen Gemeinwohlbelang und ein legitimes gesetzgeberisches Ziel (vgl. BSG Urt. v. 2.11.2015 – B 13 R 35/14 R – juris Rn. 21). Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin moniert, das Beitragsrecht stelle den Beitragshinterzieher wesentlich schlechter als das Steuerrecht den Steuerhinterzieher, so vermag der Senat hieraus keine durchgreifenden Einwände gegen die Höhe der erhobenen Säumniszuschläge abzuleiten. Es obliegt der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die gesetzliche Höhe der Säumniszuschläge zur Beachtung der Beitragspflicht festzusetzen. Die hohe Summe der vorliegend zu entrichtenden Säumniszuschläge ist zudem auf die lange Dauer der Säumnis der Antragstellerin zurückzuführen. Ein allgemeiner Rechtssatz, der besagt, dass die Säumniszuschläge die Beitragsforderung nicht überschreiten dürfen, existiert nicht.
Für die Säumniszuschläge greift ebenfalls die dreißigjährige Verjährungsfrist ein (vgl. Segebrecht in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 25 Rn. 62), sodass diese ebenso wie die Beiträge selbst nicht verjährt sind.
2. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die sofortige Vollziehung des Beitragsbescheides für die Antragstellerin eine unbillige Härte bedeuten würde, bestehen nicht. Allein die mit der Zahlung auf eine Beitragsforderung für sie verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind (st. Rspr. des Senats, z.B. Beschl. v. 7.3.2019 – L 8 BA 75/18 B ER – juris Rn. 17). Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und/oder die Zerschlagung seines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (Senatsbeschl. v. 7.3.2019 – L 8 BA 75/18 B ER – juris Rn. 17). Dies ist indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Hinsichtlich etwaiger mit dem Forderungseinzug verbundener wirtschaftlicher Härten hat sich die Antragstellerin an die zuständige Einzugsstelle zu wenden. Diese hat als Anspruchsinhaberin bzw. gesetzliche Prozessstandschafterin des Anspruchs auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (vgl. § 28h Abs. 1 S. 3 SGB IV) über Fragen des Forderungseinzugs zu befinden und insoweit über eine etwaige Stundung, einen Erlass oder die Niederschlagung der Beitragsforderung (§ 76 Abs. 3 SGB IV) sowie die Einstellung bzw. Beschränkung der Zwangsvollstreckung (vgl. § 257 Abgabenordnung) zu entscheiden (vgl. zur Zuständigkeit der Einzugsstelle im Rahmen des Beitragseinzugs auch BSG Urt. v. 28.5.2015 – B 12 R 16/13 R – juris Rn. 23).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 52, 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 4 Gerichtskostengesetz und berücksichtigt, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, die Beitragsangelegenheiten betreffen, regelmäßig nur ein Viertel des Wertes der Hauptsache einschließlich etwaiger Säumniszuschläge als Streitwert anzusetzen ist (vgl. z.B. Senatsbeschl. v. 21.2.2012 – L 8 R 1047/11 B ER – juris Rn. 38 m.w.N.).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.06.2020
Zuletzt verändert am: 15.06.2020