Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.05.2003 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Eintragung ins Arztregister als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut.
Der Kläger ist Diplompädagoge sowie approbierter Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (Bescheid der Bezirksregierung L vom 04.03.1999). Ausweislich der vom Senat beigezogenen Approbationsakte wurde die Approbation nach § 12 Abs. 4 Satz 3 Psychotherapeutengesetz (PsychThG) erteilt. Zugrunde lag eine Bescheinigung des L Bildungswerks – Diözesanverband B e.V … Danach war der Kläger vom 01.01.1989 bis zum 30.09.1995 im L-Berufsförderungszentrum T mit Einzel- und Gruppenpsychotherapie für verhaltensgestörte und lernbehinderte Jugendliche im Verfahren der Verhaltenstherapie beschäftigt. In dieser Zeit habe er u.a. 32 dokumentierte Behandlungsfälle mit insgesamt 586 Behandlungsstunden und 12 Behandlungsfälle unter Supervision mit 282 Behandlungsstunden, jeweils bei Patienten unter 21 Jahren, abgeschlossen. Die Bescheinigung ist unterzeichnet von "W. C, Leiter". Außerdem legte der Kläger eine Bescheinigung der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V. (DGVT) vom 16.12.1998 vor, derzufolge er dort im Rahmen der Weiterbildung mehr als 280 Stunden theoretische Ausbildung in Verhaltenstherapie absolviert hatte. Die DGVT ist seit dem 14.06.1997 als Ausbildungsinstitut von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) anerkannt.
Den Antrag des Klägers auf Eintragung ins Arztregister lehnte die Beklagte ab, weil der Kläger nicht den Fachkundenachweis gemäß § 95c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erbracht habe (Bescheid vom 24.11.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2001).
Mit der hiergegen zum Sozialgericht Düsseldorf (SG) gerichteten Klage hat der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten im Verfahren Verhaltenstherapie in das Arztregister einzutragen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
weil die vorgelegten Bescheinigungen zum Nachweis der Fachkunde nicht ausreichend seien.
Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 28.05.2003). Es hat sich der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.12.2002 (B 6 KA 37/01 R u.a.) angeschlossen, wonach die Kassenärztlichen Vereinigungen (KÄVen) im Rahmen der Arztregistereintragung nicht die von der Bezirksregierung angenommenen Approbationsvoraussetzungen erneut überprüfen dürften, sondern darauf beschränkt seien festzustellen, ob diese Voraussetzungen in einem Richtlinienverfahren erbracht worden seien. Hieran bestünden im vorliegenden Fall jedoch keine ernsthaften Zweifel.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags zusammengefasst ausführt: Die vom SG herangezogenen Entscheidungen des BSG seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil sie nicht die Anwendung von Richtlinienverfahren in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie beträfen. Im Übrigen habe der Kläger die Approbationsvoraussetzungen in Richtlinienverfahren nicht erfüllt. Er habe die zum Nachweis der 32 dokumentierten Behandlungsfälle erforderlichen Dokumentationen nicht vorgelegt. Die Bescheinigung des Lwerkes lasse auch den Namen des Supervisors nicht erkennen. Die Bescheinigung der DGVT bestätige nicht, dass vier Fünftel der Ausbildungsstunden in der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie erfolgt seien. Da der Kläger die Ausbildung 1995, also vor der Anerkennung der DGVT durch die KÄBV absolviert habe, müsse er nachweisen, dass diese Ausbildung curriculär stattgefunden haben. Davon sei jedoch nicht auszugehen, weil sie insgesamt 720 Stunden umfasse, während dem Kläger nur 280 Stunden bescheinigt worden seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.05.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Er legt eine Durchschrift der Bescheinigung des L-Bildungswerks mit einem Vermerk des Dipl.-Psych. I K T vom 15.04.1999 vor, derzufolge die Richtigkeit der Bescheinigung aus fachkollegialer Sicht bestätigt wird.
Der Senat hat den Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 25.02.1992 (V B 6 – 0419.3.1 – RdErl.), den Ausbildungsstrukturplan der DGVT vom 25.02.1989, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Approbationsakte der Bezirksregierung L beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Der Kläger hat einen Anspruch auf Eintragung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut ins Arztregister.
Der Anspruch ergibt sich aus § 95 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB V. Danach erfolgt die Arztregistereintragung für Psychotherapeuten auf Antrag, wenn sie die Voraussetzungen des § 95c SGB V erfüllen. Dazu ist einmal die Approbation erforderlich, über die der Kläger unstreitig verfügt (§ 95c Satz 1 Nr. 1 SGB V). Darüberhinaus muss er als nach § 12 PsychThG approbierter Psychotherapeut die für eine Approbation geforderte Qualifikation, Weiterbildung oder Behandlungsstunden, Behandlungsfälle und die theoretische Ausbildung in einem durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannten Behandlungsverfahren nachweisen (§ 95c Satz 2 Nr. 3 SGB V in der bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung). Auch diesen Nachweis hat der Kläger jedoch erbracht, wie das SG zutreffend entschieden hat.
Die Prüfungskompetenz der Beklagten ebenso wie der Sozialgerichte beschränkt sich dabei darauf festzustellen, ob die von der Approbationsbehörde geprüften Voraussetzungen in einem durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anerkannten Richtlinienverfahren erbracht worden sind. Dagegen ist es nicht Aufgabe der KÄVen, die Approbationsvoraussetzungen erneut zu überprüfen (BSG SozR 3-2500 § 95c Nr. 1; Senat, Urt. v. 02.04.2003 – L 11 KA 169/02 (rkr.); LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 09.07.2003 – L 10 KA 50/02; Urt. v. 12.11.2003 – L 10 KA 76/02; jeweils www.sozialgerichtsbarkeit.de). Das gilt gleichermaßen für den Nachweis der praktischen Erfahrungen durch Behandlungsstunden und Supervision wie für den Nachweis der theoretischen Ausbildung. Denn ausschlaggebendes Kriterium ist die vom Gesetzgeber vorgesehene Kompetenzverteilung zwischen den Approbationsbehörden einerseits und den das Arztregister führenden KÄVen andererseits. Daher ist es auch unerheblich, ob es um die Arztregistereintragung eines psychologischen Psychotherapeuten oder eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten geht.
Diese Grundsätze gelten jedenfalls dann, wenn die zur Arztregistereintragung vorgelegten Nachweise bereits von der Approbationsbehörde geprüft worden sind, wenn m.a.W. die Approbrationsvoraussetzungen in einem Richtlinienverfahren nachgewiesen worden sind. In welchem genauen Umfang der KÄV andernfalls bei der Arztregistereintragung ein eigenes Prüfungsrecht zusteht, kann dahingestellt bleiben. Denn der Kläger hat die zur Approbation herangezogenen Nachweise im Richtlinienverfahren der Verhaltenstherapie (vgl. Abschn. B I. 1.2 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie i.d.F. vom 11.12.1998) erbracht.
Psychotherapeuten wie der Kläger, die über ein abgeschlossenes Hochschulstudium in Pädagogik verfügen, und in der Zeit vom 01.01.1989 bis zum 31.12.1998 weniger als sieben Jahre als Angestellte oder Beamte hauptberuflich psychotherapeutisch tätig waren, mussten zur Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut die Voraussetzungen des § 12 Abs. 4 Satz 3 PsychThG erfüllen (§ 12 Abs. 5 PsychThG).
Der Kläger hat insoweit zunächst 30 abgeschlossene dokumentierte Behandlungsfälle in Verhaltenstherapie nachgewiesen (§ 12 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 PsychThG). Dass er die Fälle abgeschlossen und entsprechende Falldokumentationen erstellt hat, ergibt sich aus der Bescheinigung des Lwerkes, die 32 dokumentierte Behandlungsfälle im Verfahren der Verhaltenstherapie bestätigt. An der Richtigkeit dieser Bescheinigung bestehen keine Zweifel, zumal der Kläger in der mündlichen Verhandlung die zusätzliche fachkollegiale Bestätigung des Dipl.-Psych. I K T vorgelegt hat. Im Hinblick darauf brauchte sich der Senat – ebenso wie die Bezirksregierung als Approbationsbehörde entsprechend ihrer ständigen und aus nahezu allen dem Senat bekannt gewordenen Fällen ersichtlichen, bei Vorliegen aussagefähiger Bescheinigungen Dritter geübten Praxis – nicht gedrängt zu sehen, die Vorlage der Falldokumentationen selbst zu verlangen, um sie einer zusätzlichen eigenen Prüfung zu unterziehen.
Ebenso hat der Kläger mindestens fünf abgeschlossene Behandlungsfälle unter Supervision mit mindestens 250 Behandlungsstunden in Verhaltenstherapie nachgewiesen (§ 12 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 PsychThG). Auch dies ergibt sich aus der Bescheinigung des L-Bildungswerkes, die 12 entsprechende Fälle mit 282 Behandlungsstunden ausweist. Der Kläger hat insoweit in der mündlichen Verhandlung auf Befragen mehrfach erklärt, dass Dipl.-Psych. T, der die Richtigkeit der Bescheinigung aus fachkollegialer Sicht bestätigt hat, auch die Supervisionen durchgeführt hat. Ob Dipl.-Psych. T als Supervisor von der KÄBV anerkannt war, ist demgegenüber unerheblich, weil entsprechende Qualifikationsanforderungen weder hinsichtlich der praktischen noch der theoretischen Ausbildung gerechtfertigt sind, wie der Senat bereits ausführlich dargelegt (Urt. v. 02.04.2003 – L 11 KA 169/02 (rkr.) – der Beklagten aufgrund eigener Verfahrensbeteiligung bekannt).
Schließlich hat der Kläger auch mindestens 280 Stunden theoretischer Ausbildung in Verhaltenstherapie abgeleistet (§ 12 Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 PsychThG). Aus der vom Kläger vorgelegten und von der Bezirksregierung L geprüften Bescheinigung der DGVT vom 16.12.1998 ergibt sich, dass er im Rahmen der Weiterbildung in Verhaltenstherapie "mehr als 280 Stunden theoretische Ausbildung in Verhaltenstherapie entsprechend den Anforderungen der Übergangsregelungen" absolviert hat. An der Richtigkeit dieser Bescheinigung bestehen keine Zweifel. Der Kläger hat selbst vorgetragen, dass die Ausbildung in den Jahren 1990 bis 1995 erfolgt ist. Zu diesem Zeitpunkt hat die DGVT bereits eine theoretische Ausbildung in Verhaltenstherapie vermittelt, wie sich aus dem vom Senat beigezogenen Ausbildungsstrukturplan ergibt, der auf der Mitgliederversammlung der DGVT vom 25.02.1989 verabschiedet worden ist. Dementsprechend führt Ziff. 8 i.V.m. Anl. 1 Ziff. 20 RdErl. DGVT bereits als geeignete Weiterbildungsstätte auf (MBl. NW 1993, 605 (607)).
Dass die DGVT erst im Jahre 1997 durch die KÄBV als Ausbildungstätte anerkannt worden ist, gebietet keine andere Beurteilung. Denn die Beklagte trägt unter Hinweis auf eine ihr erteilte Auskunft der KÄBV selbst vor, dass die Anerkennung zu diesem Zeitpunkt auf der Schaffung eines den Kriterien der KÄBV entsprechenden Curriculums beruhte. Sie ist dementsprechend auf eine Änderung in der Ausbildungsstruktur der DGVT, nicht jedoch auf eine Änderung der Ausbildungsinhalte zurückzuführen, auf die es jedoch für die Prüfung der Fachkunde allein ankommt. Insbesondere braucht der Kläger nicht anhand von Einzelnachweisen zu belegen, dass die von ihm absolvierten Theoriestunden curriculär angelegt waren. Für ein entsprechendes Erfordernis ist den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen nämlich nichts zu entnehmen. Der Gesetzgeber hat es vielmehr bei der Forderung nach lediglich 140 bzw. 280 Behandlungsstunden bewenden lassen, obwohl ihm bewusst war, dass für die Teilnahme am Delegationsverfahren eine mindestens dreijährige Zusatzausbildung notwendig war (vgl. Abschn. G II. Ziff. 1 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Durchführung der Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung in der bis zum 31.12.1998 geltenden Fassung) und nach Landesrecht für die Anerkennung als Weiterbildungsstätte gemäß Ziff. 8 RdErl. die Gewährleistung von mindestens 700 Ausbildungsstunden verlangt wurden. Daraus erschließt sich unmittelbar, dass er die vollständige Belegung entsprechender Weiterbildungsangebote und damit den Abschluss einer curriculären Ausbildung nicht für erforderlich gehalten hat.
Ebenso wenig gibt es eine Grundlage für die Forderung der Beklagten, der Kläger müsse nachweisen, dass mindestens vier Fünftel der theoretischen Ausbildung in Kinder- und Jugendlichentherapie erfolgt sei. Der Kläger ist approbierter Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Wie dargelegt, steht damit auch im Verhältnis zur Beklagten fest, dass er die theoretischen Approbationsvoraussetzungen erfüllt, und es ist nur noch zu prüfen, ob diese Voraussetzungen auch in einem Richtlinienverfahren erfüllt worden sind. Für weitergehende Anforderungen ist kein Raum.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung (BSG SozR 3-2500 § 116 Nr. 24). Anlass, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), besteht nicht, nachdem sämtliche entscheidungserheblichen Fragen vom BSG bereits geklärt sind.
Erstellt am: 29.08.2005
Zuletzt verändert am: 29.08.2005