Auf die Berufung der Beigeladenen zu 8) wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.06.2005 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Vertragsarzt in L zuzulassen ist.
Der am 00.00.1945 geborene Kläger ist Facharzt für Anästhesie. Bis zum 31.12.1992 war er Chefarzt in einem Krankenhaus in F; diese Stelle musste er wegen einer Zusammenlegung des Krankenhauses mit einem anderen Krankenhaus aufgeben. Mit Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte und Krankenkassen in Thüringen vom 28.06.1994 wurde dem Kläger die Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit als Anästhesist für den Vertragsarztsitz X erteilt. Er gab im Juli 1994 die Aufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit in X unter der Adresse F Straße 00 an. Dort war er als Anästhesist in der Praxis des Augenarztes Dr. T im Rahmen ambulanter Augenoperationen tätig.
Wegen Unstimmigkeiten mit Dr. T bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Thüringen wegen der Honorarabrechnung (für die Quartale III/1994 bis IV/1995 ist vom Kläger Honorar in Höhe von 767.287,90 DM zurückgefordert worden; insoweit ist noch ein Berufungsverfahren vor dem Thüringer Landessozialgericht anhängig) war der Kläger seit Februar 1996 nicht mehr in der Praxis bei Dr. T tätig. Mit Schreiben vom 05.02.1996 teilte der Kläger der KV Thüringen mit, dass sich seine Praxisadresse geändert habe und gab eine neue Anschrift in L an. Unter dem 05.10.1997 teilte er dann der KV Thüringen mit, dass er seine Praxis von L nach E verlegt habe. Der Kläger war danach von L bzw. E aus als Anästhesist bei ambulanten Behandlungen tätig, wobei er in größerem Umfang auch gesetzlich Versicherte behandelte. Abrechnungen wurden von Seiten der KV Thüringen bis 1999 vorgenommen, wobei der Kläger bei den Fallzahlenmeldungen bzw. den Abrechnungssammelerklärungen seinen Vertragsarztstempel mit der Praxisanschrift in X verwendete. Zur Auszahlung von Honorar kam es jedenfalls ab dem ersten Quartal 1998 wegen der oben erwähnten Rückforderungen jedoch nicht mehr. Die KV Thüringen hat die Honorarbescheide für die Quartale ab I/1998 aufgehoben (Bescheid vom 23.05.2000); die hiergegen erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des Thüringer Landessozialgericht vom 29.04.2003 – L 4 KA 210/02; rechtskräftig durch Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde, Beschluss des BSG vom 18.11.2003 – B 6 KA 59/03 B).
Im Dezember 1999 hatte der Kläger beim Zulassungsausschuss für Ärzte in E angefragt, wann er damit rechnen könne, dass seinem Antrag auf "Bestätigung und Übernahme einer vorliegenden Kassenzulassung" entsprochen werde. Da sich seine Tätigkeit als niedergelassener Anästhesist mit der Zeit ganz überwiegend im hiesigen Raum abspiele, werde er seitens der KV Thüringen zunehmend bedrängt, diesem Umstand Rechnung zu tragen. Er stellte einen Formularantrag auf Zulassung und führte nochmals aus, er bitte, die 1994 von der KV Thüringen ausgesprochene Zulassung als niedergelassener Anästhesist seitens des Zulassungsausschusses Düsseldorf zu bestätigen. Auf den Hinweis auf die in E bestehende Zulassungssperre trug er vor, er habe schon im November 1996 einen Zulassungsantrag bei der Beigeladenen zu 8) abgegeben; einen weiteren Antrag habe er im Dezember 1997 gestellt. Sein Zulassungsantrag wurde wegen der bestehenden Zulassungssperre abgelehnt (Bescheid des Beklagten vom 23.03.2001). Im Klageverfahren nahm der Kläger in dem Termin vor dem Senat am 29.01.2003 (L 11 KA 144/02) die Berufung zurück, nachdem der Senat nach einer Zwischenberatung darauf hingewiesen hatte, dass er sich nicht vom Eingang eines Zulassungsantrages bereits im Dezember 1997 überzeugen könne.
Die KV Thüringen beantragte mit Schreiben vom 16.09.1999 beim Zulassungsausschuss für Ärzte in Thüringen die Entziehung der Zulassung des Klägers wegen gröblicher Pflichtenverletzung. In dem Antragsschreiben wies sie darauf hin, der Kläger reiche seit mehreren Quartalen Abrechnungsunterlagen ein, die ausschließlich Patienten außerhalb des Bereichs der KV Thüringen beträfen. In der Sitzung des Zulassungsausschusses am 07.12.1999 beantragte sie dann die Feststellung des Endes der Zulassung wegen Verlegung des Praxissitzes zum 31.12.1997. Diesem Antrag entsprach der Zulassungsausschuss mit Beschluss vom gleichen Tag. Der Kläger focht den Beschluss mit der Begründung an, der Antrag der KV sei rechtsmissbräuchlich. Er habe schon im Februar 1996 die örtliche Veränderung mitgeteilt, gleichwohl habe die KV Thüringen in Kenntnis der Aufgabe des Praxissitzes in X Leistungen abgerechnet und mit ihm unter den mitgeteilten Anschriften in L bzw. E korrespondiert. Wegen angeblicher Honorarrückforderungen habe sie die Auszahlung des Honorars verweigert. Erst seit er darauf hingewiesen habe, dass die Aufrechnung wegen der Aussetzung der Vollziehung des Rückforderungsbescheides unzulässig sei, vertrete die KV die Auffassung, dass ihm das Honorar nicht zustehe. Mit Beschluss vom 28.06.2000 wies der Berufungsausschuss für Ärzte in Thüringen den Widerspruch zurück. In der mündlichen Verhandlung des Berufungsausschusses wurden zwei Schreiben der Ärztekammer Nordrhein vom 24.09.1999 bzw. 08.12.1999 verlesen, in denen angegeben wird, der Kläger habe bei einem Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Ärztekammer am 26.09.1997 erklärt, dass er als Anästhesist in L niedergelassen sei. Dieser Feststellung habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht widersprochen. Die erfolgten Abrechnungen durch die KV Thüringen seien unerheblich, da sie nicht dem Zulassungsausschuss als Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung zuzurechnen sei. Die gegen diesen Beschluss erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Thüringer LSG, Urteil vom 29.04.2003 – L 4 KA 703/02; rechtskräftig durch Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde, BSG, Beschluss vom 05.11.2003 – B 6 KA 60/03 B). In seinem Urteil hat das Thüringer LSG ausgeführt, dass die Zulassung des Klägers kraft Gesetzes wegen Wegzugs aus dem Bezirk des Vertragsarztsitzes geendet habe und dass die gleichwohl vorgenommene Abrechnung der KV Thüringen für diesen Beendigungstatbestand irrelevant sei.
Der Kläger beantragte am 22.03.2001 die streitgegenständliche Zulassung als Anästhesist in L. In dem Antrag gab er an, er sei seit dem 23.08.1993 bis auf weiteres als Vertragsarzt zugelassen. Nach Hinweis auf die Altersgrenze von 55 Jahren für die Zulassung trug er mit Schreiben vom 29.04.2001 vor, die Nichtzulassung bedeute für ihn eine unbillige Härte. Er sei 1992 wegen der Umstrukturierung des Krankenhauses aus dem Dienst ausgeschieden und habe bisher keine nennenswerte Alterssicherung bilden können. Er müsse für zwei Töchter in der Ausbildung sorgen, über sonstige Einnahmen verfüge er nicht. Er habe zunächst als niedergelassener Arzt in Thüringen gearbeitet, aus familiären Gründen sei er nunmehr gehalten, einer Tätigkeit im Rheinland nachzugehen. Außerdem vertrat der Kläger die Auffassung, dass es bei seinem Zulassungsantrag lediglich um die Fortführung seiner in Thüringen noch bestehenden Zulassung gehe.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte Düsseldorf lehnte nach Beiziehung der Unterlagen der Zulassungsgremien Thüringens den Antrag mit Beschluss vom 26.11.2001 wegen fehlender Eignung ab. Er meinte, das im Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte in Thüringen festgestellte Ende der Zulassung wegen Verlassens des Vertragsarztsitzes bedeute auch die Nichteignung für die angestrebte Zulassung. Der Beklagte wies mit Bescheid vom 25.07.2002 den Widerspruch zurück. Es sei zwar fraglich, ob dem Kläger eine fehlende Eignung vorgeworfen werden könne, der Zulassung stehe jedoch die Altersgrenze von 55 Jahren entgegen. Entgegen der Ansicht des Klägers bedeute die jetzige Zulassung keine Fortführung der bisherigen vertragsärztlichen Tätigkeit, da er seit 1997 nicht mehr im Bereich der KV Thüringen tätig sei. Die Verweigerung der Zulassung bedeute für den Kläger keine unbillige Härte. Er habe seine frühere Zulassung in Thüringen nicht unfreiwillig aufgeben müssen, denn er habe den Ort der Zulassung leichtfertig verlassen, ohne sich um neue Praxisräume zu bemühen. Erst im Jahre 1999 habe er sich im Bereich der KV Nordrhein um eine neue Zulassung bemüht. Da er zu seinen konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisses keine Angabe gemacht habe, könne eine Existenzgefährdung bei Verweigerung der Zulassung nicht festgestellt werden. So lange er noch wegen der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Beschluss des Berufungsausschusses für Ärzte in Thüringen vom 28.6.2000 über eine Zulassung in X verfüge, könne er sich dort auf einfachere Weise die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Tätigkeit in Thüringen beschaffen.
Zur Begründung der Klage hat der Kläger vorgetragen, entgegen der Ansicht des Beklagten bedeute die Zulassung für L die Fortführung seiner Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt in X. Insoweit sei es unerheblich, in welchem Umfang er im Planungsbereich Thüringen tätig gewesen sei, da sich die Tätigkeit eines ambulanten Anästhesisten nicht auf Tätigkeiten im Planungsbereich beschränke. Er sei insoweit auch noch nach 1996 weiter vertragsärztlich tätig gewesen. Die Versagung der Zulassung bedeute für ihn eine unbillige Härte. Eine Abrechnungsmöglichkeit bestehe auch bei einer Rückkehr nach Thüringen nicht mehr, da die KV Thüringen Abrechnungen verweigere, da angeblich die Zulassung seit dem 31.12.1997 erloschen sei. Zum Aufbau einer Altersversorgung sowie zum Erhalt des Lebensunterhalts der Familie sei er auf die Zulassung angewiesen. Er sei vermögenslos und habe am 26.07.2004 wegen einer rechtskräftig festgestellten Forderung in Höhe von 7.850,00 Euro die eidesstattliche Versicherung abgegeben. An die nordrheinische Ärzteversorgung habe er mangels Einnahmen im Jahre 2003 keine Versorgungsabgaben mehr leisten können. Derzeit bestehe ein Versorgungsanspruch in Höhe von 1.335,05 Euro monatlich.
Während des erstinstanzlichen Verfahrens ist der Kläger durch Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 13.07.2004 (24 Ls 3 Js 652/02, 24-57/03) wegen Untreue in 82 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Kläger hatte auch nach dem 31.12.1997 Sprechstundenbedarf unter Verwendung seines thüringischen Vertragsarztstempels und der Angabe der Vertragsarztnummer verordnet und die Rezepte in einer Apotheke in Mönchengladbach eingelöst (Gesamtvolumen bis 27.12.2002 insgesamt rund 247.900,00 Euro). Wegen der Verordnungen hatte die Staatsanwaltschaft L Anklage wegen Betrugs in 132 Fällen erhoben, wobei das Amtsgericht die Anklage wegen des Vorwurfs der Untreue zugelassen hatte. In der mündlichen Verhandlung ist das Verfahren wegen der 50 Verordnungen, die die Jahre 1998 und 1999 betreffen, vorläufig eingestellt worden. In dem Urteil heißt es, die Einlassung des Klägers, er habe sich bis Ende 2002 berechtigt gefühlt, als Vertragsarzt Behandlungen abzurechnen und Verordnungen vorzunehmen, sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Insoweit stützt sich das Amtsgericht unter anderem auf den Beschluss des Zulassungsausschusses für Ärzte in Thüringen vom 07.12.1999, in dem das Ende der Zulassung kraft Gesetzes zum 31.12.1997 festgestellt worden sei. Gegen das Urteil des Amtsgerichts hatten sowohl die Staatsanwaltschaft wie der Kläger Berufung eingelegt; beide haben in der mündlichen Verhandlung des Landgerichts Krefeld am 28.4.2005 (25 StK 174/04) die Berufung zurückgenommen.
Mit Urteil vom 08.06.2005 hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, den Kläger als Facharzt für Anästhesiologie in L zuzulassen. Aus der Überschuldung folge nicht die fehlende Eignung, da die Vermögenssituation nicht vom Kläger zu verantworten sei. Sie beruhe allein auf Rückforderungsansprüchen, die noch nicht rechtskräftig seien. Die fehlende Eignung ergebe sich auch nicht aus der Verurteilung wegen Untreue, da der Kläger nach den Erörterungen im Termin "möglicherweise" im Vertrauen auf den Fortbestand der Zulassung und der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gehandelt habe. Die Verweigerung der Zulassung bedeute für den Kläger eine unbillige Härte.
Gegen das Urteil hat die Beigeladene zu 8) fristgerecht Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, der Kläger sei als Vertragsarzt ungeeignet, nachdem er durch das Amtsgericht Krefeld wegen Untreue in 82 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sei. Die Annahme des Sozialgerichts, der Kläger habe möglicherweise im Vertrauen auf den Fortbestand der Zulassung gehandelt, sei durch die Feststellung des Amtsgerichts widerlegt. Zumindest sei der Kläger verpflichtet gewesen, sich durch Rückfrage bei der KV Thüringen Klarheit zu verschaffen. Unabhängig davon bedeute die Verweigerung der Zulassung keine unbillige Härte. Er habe sein Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung selbst zu verantworten. Er könne auch darauf verwiesen werden, die Altersrente aus der Ärzteversorgung schon vor dem 65. Lebensjahr in Anspruch zu nehmen, auch wenn er dabei einen Abschlag hinnehmen müsse. Der Kläger könne nicht geltend machen, er sei auf die Tätigkeit als Vertragsarzt wirtschaftlich angewiesen, denn seine Einkommens- und Vermögenssituation sei ungeklärt. Es fehlten Angaben zu Einkünften aus Vertretungen, wobei bei Anästhesien im Zusammenhang mit Schönheitsoperationen häufig auch Barzahlungen erfolgten.
Die Beigeladene zu 8) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 08.06.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Sozialgericht habe zu Recht festgestellt, dass die begehrte Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung zur Vermeidung einer unbilligen Härte zu erteilen sei. Es mangele auch nicht an der persönlichen Eignung für die Zulassung. Die strafrechtliche Verurteilung entfalte keine Bindungswirkung für das sozialgerichtliche Verfahren. Es sei zwar richtig, dass er unter Verwendung von Rezeptvordrucken und Einsatz seines Vertragsarztstempels Sprechstundenbedarf verordnet habe. Er sei sich allerdings nicht bewusst gewesen, dass er hierzu nicht berechtigt gewesen sei. Bis zum Beschluss des Bundessozialgerichts vom 05.11.2003 sei er davon ausgegangen, als Vertragsarzt Verordnungen tätigen zu dürfen. Die KV Thüringen habe auch nach seinem Umzug nach L bzw. E Abrechnungen vorgenommen und bearbeitet, obwohl diese Patienten der KV-Bezirke Nordrhein und Hessen betroffen hätten. Ferner sei der Beklagte selbst in dem Bescheid vom 25.07.2002 davon ausgegangen, dass er – der Kläger – auf Grund der aufschiebenden Wirkung der Klage noch über eine Zulassung in Thüringen verfüge.
Der Beklagte schließt sich dem Antrag der Beigeladenen zu 8) an. Seit dem angefochtenen Bescheid vom 25.07.2002 hätten sich gravierende neue Gesichtspunkte ergeben, nämlich der rechtskräftige Verlust der Zulassung in Thüringen sowie das rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Krefeld, aus denen sich die fehlende Eignung des Klägers als Vertragsarzt ergebe.
Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der herbeigezogenen Verwaltungsakte sowie der Akten SG Düsseldorf S 2 (25) KA 93/01, SG Gotha, S 7 KA 2155/00, SG Gotha, S 7 KA 2389/00, Staatsanwaltschaft B, 000 und Staatsanwaltschaft L 000 und Berufsgericht für Heilberufe, Verwaltungsgericht Köln, 32 K 7491/05 T verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beigeladenen zu 8) ist begründet, denn das Sozialgericht hat zu Unrecht den Beklagten zur Erteilung der Zulassung für den Vertragsarztsitz als Anästhesist in L verurteilt. Die Voraussetzungen für eine Zulassung liegen nicht vor.
Es kann dahinstehen, ob der Zulassung bereits die Vollendung des 55. Lebensjahres entgegensteht (§ 98 Abs. 2 Nr. 12 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB 5) i. V. m. § 25 S. 1 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (ZV-Ärzte)) oder ob die Zulassung zur Vermeidung einer unbilligen Härte erforderlich ist (§ 25 Satz 2 ZV-Ärzte). Allerdings greift entgegen der Annahme des Klägers diese Vorschrift ein, denn der Ausnahmefall einer nahtlosen Fortsetzung der bisherigen vertragsärztlichen Tätigkeit an einem anderen Ort außerhalb des bisherigen Zulassungsbezirkes (vgl. dazu Schallen, Zulassungsverordnung, 4. Auflage, Randnr. 461) liegt nicht vor. Wie mit dem rechtskräftigen Urteil des Thüringer LSG vom 29.04.2003 (L 4 KA 703/02) feststeht, endete die vertragsärztliche Zulassung in Thüringen spätestens am 31.12.1997. Zu Recht weist das Thüringer LSG in dem Urteil darauf hin, dass tatsächlich die Zulassung gemäß § 95 Abs. 7 Satz 1 SGB V sogar schon im Frühjahr 1996 endete, denn der Kläger hielt sich unstreitig seit dieser Zeit ausschließlich im Rheinland auf und hatte der KV Thüringen sogar die Verlegung des Praxissitzes mitgeteilt. Der Beendigungstatbestand trat unabhängig von der Feststellung der Zulassungsgremien ein; dass diese mit ihrer (deklaratorischer) Entscheidung das Ende der Zulassung erst zum 31.12.1997 festgestellt haben, begünstigte lediglich den Kläger.
Eine unbillige Härte im Sinne des § 25 Satz 2 ZV-Ärzte bei Ablehnung der Zulassung wäre nicht schon deshalb zu bejahen, weil der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit hat unfreiwillig aufgeben müssen. Dies trifft allenfalls für das Ausscheiden aus dem Krankenhaus im Jahre 1992 zu. Anschließend war der Kläger ab seit dem 01.07.1994 in X vertragsärztlich zugelassen. Die Aufgabe dieser Zulassung war nicht unfreiwillig. Sofern es mit dem Augenarzt Dr. T Konflikte gab, bedeutet dies nicht, dass der Kläger seine Tätigkeit in Thüringen deswegen aufgeben musste. Er hätte sowohl in Thüringen seinen Praxissitz verlegen als auch unmittelbar im Bereich der Beigeladenen zu 8) eine neue Zulassung beantragen können. Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger wegen Krankheit oder aus anderen zwingenden persönlichen Gründen seine Tätigkeit in Thüringen beenden musste. Auf der anderen Seite ist entgegen der Ansicht der Beigeladenen zu 8) nicht erforderlich, dass der Kläger in existenzieller Weise auf die Wiederaufnahme der vertragsärztlichen Tätigkeit angewiesen ist. Diese strenge Voraussetzungen gelten nur in den Fällen, in denen die Zulassung wegen einer Pflichtverletzung erfolgt ist (vgl. BSG SozR 3-5520 § 25 Nr. 3). Im vorliegenden Fall ist dem Kläger aber die Zulassung nicht entzogen worden, diese hat (lediglich) wegen des Wegzugs aus X geendet. Eine Zulassung käme somit in Betracht, wenn der Kläger aus wirtschaftlichen Gründen zwingend auf die Erwerbstätigkeit angewiesen wäre (vgl. zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 98 Nr. 3). Insoweit spricht der Umstand, dass der Kläger am 26.07.2004 die eidesstattliche Versicherung abgeben musste dafür, dass er über kein Vermögen und kein laufendes Einkommen verfügt. Auf der anderen Seite hat der Kläger allerdings in dem Strafverfahren vor dem Amtsgericht Aachen (43 Cs 42 Js 620/02) in der mündlichen Verhandlung am 08.09.2004 sein monatliches Einkommen mit 3.000,00 EUR bis 5.000,00 EUR beziffert. Ob der Kläger insoweit durch Vertretungen und privatärztliche Tätigkeit über eine einigermaßen sichere und dauerhafte Erwerbsquelle verfügt, auf die er verwiesen werden könnte, kann dahinstehen, weil es für die Zulassung jedenfalls an der erforderlichen Eignung (§ 21 ZV-Ärzte) fehlt.
Die fehlende Eignung ergibt sich aus der Tatsache, dass der Kläger rechtskräftig wegen Untreue zu Lasten der Thüringer Krankenkassen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden ist. Der Senat kann die Zulassung auch unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Eignung prüfen, auch wenn der Beklagte die Eignung in seinem Bescheid nicht in Frage gestellt hat und die fehlende Eignung sich auch aus einem erst nach dem Beschluss des Beklagten eingetretenen Umstand ergibt. Der Kläger strebt seine Zulassung als Vertragsarzt im Wege der Verpflichtungsklage an. Bei einer Verpflichtungsklage ist nach allgemeiner Meinung der maßgebliche Zeitpunkt für die Sach- und Rechtslage die letzte mündliche Verhandlung (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 54 Randnr. 34). Somit müssen zum Zeitpunkt der Entscheidung alle Zulassungsvoraussetzungen vorliegen, so dass auch die gegen die Eignung sprechenden Tatsachen, die erst während des Verfahrens eingetreten sind, berücksichtigt werden müssen. Diese Berücksichtigung neuer, erst nach der Entscheidung des Beklagten eingetretener Tatsachen ist auch in der Sache unbedenklich, denn ob die Zulassung an der fehlenden Eignung oder am Alter scheitert, ist letztlich zweitrangig. Da der Berufungsausschuss in beiden Fällen keinen Beurteilungsspielraum hat, kann die Ablehnung einer Zulassung, die mit dem Alter und dem Fehlen einer unbilligen Härte begründet worden ist, auch mit der Begründung bestätigt werden, der Arzt sei ungeeignet.
Die Ungeeignetheit eines Arztes für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit wegen in der Person liegender Mängel (§ 21 ZV-Ärzte) kann sich auch aus einer rechtskräftigen Verurteilung wegen strafbarer Handlungen ergeben, sofern die Straftaten in einem Zusammenhang mit der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit stehen oder auf eine Gefährdung der Patienten oder des Systems der vertragsärztlichen Versorgung schließen lassen (Schallen, a. a. O., Randnr. 414). Hier ist der Kläger rechtskräftig im Zusammenhang mit seiner früheren Zulassung wegen Untreue verurteilt worden, weil er von Januar 2000 bis September 2002 in 82 Fällen Sprechstundenbedarf zu Lasten der Thüringer Krankenkassen verordnet hat. Das Amtsgericht Krefeld hat in seinem Urteil die – jetzt im Berufungsverfahren wiederholte – Behauptung des Klägers, er habe sich bis zur Entscheidung des BSG im November 2003 für berechtigt gehalten, Verordnungen auszustellen, als widerlegt bezeichnet. Diese Feststellung des Amtsgerichts ist nachvollziehbar, auch der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger nicht gutgläubig gehandelt, sondern sich in eigensüchtiger Verfolgung eigener Interessen über bestehende Regeln hinweggesetzt hat.
Mit der Zustellung des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte in Thüringen am 12.01.2000 war dem Kläger bekannt, dass nach § 95 Abs. 7 Satz 1 SGB V seine Zulassung in X spätestens am 30.12.1997 geendet hatte. Seinen Widerspruch hatte er auch nicht damit begründet, dass der Beendigungstatbestand nicht vorliege, sondern allein mit der angeblichen Missbräuchlichkeit des Antrages der KV Thüringen, den er darin gesehen hat, dass diese trotz Kenntnis der Aufgabe des Praxissitzes in X bislang Abrechnungen vorgenommen habe. Auch im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die KV Thüringen habe wegen der Abrechnungen die Zulassung "faktisch aufrecht erhalten". Unabhängig davon, dass diese Argumentation angesichts der eindeutigen Gesetzeslage ins Leere ging, hatte die KV Thüringen seit Anfang 2000 weitere Abrechnungen abgelehnt, so dass nicht verständlich ist, worauf der Kläger seine Ansicht, er verfüge noch über eine Zulassung in X, seit diesem Zeitpunkt gestützt haben will. Jedenfalls seit Anfang 2000 gab es für ein "Vertrauen" des Klägers darauf, als Vertragsarzt Behandlungen abrechnen und Verordnungen vornehmen zu dürfen, auch wegen des Beschlusses des Zulassungsausschusses für Ärzte in Thüringen keine Basis mehr. Ohnehin deutet das im Verfahren SG Gotha S 7 KA 2389/00 in der mündlichen Verhandlung am 28.11.2001 von der KV Thüringen vorgelegte Schreiben des Klägers vom 16.10.1997 (Bl. 45 der genannten Verfahrensakte) darauf hin, dass dem Kläger schon sehr früh bewusst war, dass "eigentlich" keine Abrechnungsmöglichkeit für eine vertragsärztliche Tätigkeit mehr bestand. In dem Schreiben erklärt er nämlich, er werde kurzfristig seine Zulassung in E beantragen und bitte, dass die Abrechnungsmöglichkeit (zu ergänzen: in Thüringen) bis zur Zulassung in Nordrhein erhalten bleiben solle. Offenkundig war ihm also klar, dass die KV Thüringen allenfalls aus – unverständlichem – Entgegenkommen bereit war, Abrechnungen vorzunehmen. Statt, wie in dem Schreiben zugesagt, das Zulassungsverfahren im Bereich der Beigeladenen zu 8) mit "Nachdruck" zu betreiben, hat es der Kläger dann aber offenbar vorgezogen, die Nachlässigkeit der KV Thüringen auszunutzen und sich weiter als in Thüringen zugelassener Vertragsarzt zu gerieren.
Auch der Vortrag des Klägers, er habe auf die aufschiebende Wirkung seiner Rechtsmittel gegen die Beschlüsse der Zulassungsgremien in Thüringen vertraut und habe angenommen, dass seine vertragsärztliche Zulassung deswegen weiter bestehe, vermag nicht zu überzeugen. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich der Kläger erst im Nachhinein auf die (angebliche) aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Feststellungsbeschluss vom 28.06.2000 beruft, während er etwa im Verfahren wegen der Rücknahme der Honorarbescheide ab I/1998 nie geltend gemacht hat, er besitze wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage noch den Status als Vertragsarzt und sei daher zur Abrechnung berechtigt gewesen. Auch der Umstand, dass der Berufungsausschuss für Ärzte in Thüringen den Kläger mit der Eingangsbestätigung des Widerspruchs im Schreiben vom 08.02.2000 darauf hingewiesen hatte, der Widerspruch gegen den Beschluss des Zulassungsausschuss habe keine aufschiebende Wirkung (was freilich mit § 96 Abs. 4 Satz 2 SGB V in der damaligen Fassung nicht in Einklang stand), der Kläger aber gleichwohl in der Zeit bis zur Entscheidung des Berufungsausschusses in 14 Fällen Verordnungen über Sprechstundenbedarf ausstellte (Fälle 56 bis 69 im Urteil des Amtsgerichts Krefeld), deutet eher darauf hin, dass sich der Kläger nicht um Hinweise kümmerte und eigenmächtig und damit auf eigenes Risiko handelte. Soweit er darauf verweist, dass selbst der Beklagte im Bescheid vom 25.07.2002 vom Fortbestand der Zulassung in Thüringen ausgehe, kann zum Einen ein erst im Juli 2002 ergangener Bescheid keine Vertrauensbasis für die in der Zeit davor ausgestellten Verordnung bilden. Zum Anderen geht der Beklagte bei dieser – in der Sache allerdings unverständlichen – Bemerkung nur davon aus, dass der Kläger seine Zulassung in Thüringen durch Begründung eines neuen Praxissitzes "reaktivieren" könne und unterstellt nicht, dass der Kläger mit einem Praxissitz im Bereich der KV Nordrhein als "thüringischer Vertragsarzt" tätig werden könne. Eben dieses Recht hat der Kläger aber für sich in Anspruch genommen.
Vor diesem Hintergrund kann den Feststellungen des Amtsgerichts Krefeld beigetreten werden, dass der Kläger sich der Untreue durch die in den Jahren 2000 bis 2002 vorgenommenen Verordnungen von Sprechstundenbedarf schuldig gemacht hat. Diese lang dauernde Verletzung von Vermögensbetreuungspflichten zu Lasten der Krankenkassen machen den Kläger ungeeignet für eine nochmalige Tätigkeit als Vertragsarzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung VGO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Erstellt am: 11.07.2006
Zuletzt verändert am: 11.07.2006