Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.06.2007 abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Anordnung, in der Notfallpraxis am St. B Krankenhaus in T während des Notfalldienstes ständig anwesend sein zu müssen, unter Geltung der Notfalldienstordnung vom 01.01.2002 rechtswidrig war. Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten und Gerichtskosten für beide Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Anordnung ständiger, bis zu 14,5-stündiger Anwesenheit während des Notfalldienstes in einer zentralen Notfallpraxis.
Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin seit 1985 in T niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er wird von der Beklagten regelmäßig zu Fahr- und Sitzdiensten in der zentralen Notfallpraxis am St. B Krankenhaus in T/Kreis F eingeteilt. Die einschlägigen Dienstpläne für den ärztlichen Notfalldienst im Kreis F sahen im Anschluss an den – von der Beklagten und der Beigeladenen aufgestellten – bis zum 31.03.2005 geltenden Organisationsplan Dienstzeiten von 7:30 Uhr bis 23:00 Uhr bzw. mittwochs von 13:00 Uhr bis 23:00 Uhr vor. Nach 23:00 Uhr könne der diensthabende Arzt nach Rücksprache mit der Arztnotrufzentrale (ARZ) die Notfallpraxis verlassen. Er müsse dann für die ARZ erreichbar sein und im Bedarfsfall unverzüglich in die Praxis zurückkehren.
Wegen zeitweiliger Abwesenheit des Klägers während seines Dienstes in der Notfallpraxis im Dezember 2002, Mai 2003 und April 2004 hat ihm der Disziplinarausschuss der Beklagten mit Beschluss vom 22.03.2005 einen Verweis erteilt. Er habe durch eine nicht ordnungsgemäße Ausübung des ärztlichen Notfalldienstes gegen seine vertragsärztlichen Pflichten verstoßen. Widerspruch und erstinstanzliche Klage blieben ohne Erfolg. Das Berufungsverfahren ist unter dem Aktenzeichen L 11 KA 81/08 beim Landessozialgericht anhängig.
Mit Bescheid vom 04.11.2004 teilte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.02.2005 bis 31.01.2006 zu Fahrdiensten sowie Sitzdiensten ein. Im Nachgang übersandte sie ihm unter dem 15.06.2005 den zum 01.04.2005 geänderten und mit Wirkung ab 01.07.2005 umgesetzten Organisationsplan, der unter anderem in § 2 für die Notfalldienstpraxen an Wochenenden Öffnungszeiten von 7:30 Uhr bis 22:00 Uhr vorsah und weiterhin bestimmte, dass der zum Dienst eingeteilte Arzt zu den Öffnungszeiten der Notfallpraxis ständig anwesend sein müsse. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 21.11.2005 zurück.
Dagegen hat sich die am 22.12.2005 erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung der Kläger unter Bezugnahme auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten der Rechtsanwälte E und C vom 23.05.2005 im Wesentlichen geltend gemacht hat, für die Forderung einer (ständigen) bis zu 14,5-stündigen Anwesenheitspflicht ergebe sich weder aus der Notfalldienstordnung (NFDO) noch aus dem Organisationsplan eine Rechtsgrundlage. Insoweit liege eine Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 und 12 des Grundgesetzes (GG) sowie ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 3 GG und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor. In anderen Notfalldienstbezirken wie E1 und B1 sei die Anwesenheitsverpflichtung auf vier bzw. sechs Stunden begrenzt. Nach § 8 Abs. 2 Satz 3 der NFDO müsse der eingeteilte Arzt lediglich im Notfalldienstbezirk zur Verfügung stehen und erreichbar sein; eine ununterbrochene Anwesenheitspflicht ergebe sich nicht. Eine solche sei auch sachlich nicht geboten, da die notärztliche Versorgung durch das in der Nachbarschaft befindliche Krankenhaus erfolge. Die Notfallpraxis sei vergleichbar mit der üblichen Situation einer Praxis, in welcher Patienten ebenso ggf. kurzfristige Wartezeiten einzukalkulieren hätten. Es reiche aus, wenn die Notfallpraxis mit einer Arzthelferin besetzt sei und der diensthabende Arzt innerhalb von 30 Minuten nach seiner unmittelbaren Erreichbarkeit wieder in der Notfallpraxis anwesend sein könne. Sofern eine Anwesenheit des diensthabenden Arztes zu Recht gefordert werde, seien in der Notfallpraxis die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen (z. B. Einrichtung entsprechender Ruhemöglichkeiten und von Sozialräumen mit der Möglichkeit der Aufbereitung von Speisen und Getränken), entsprechende Abgeltungsregelungen zu treffen sowie die Dienstzeiten in analoger oder entsprechender Anwendung des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) anzupassen.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Heranziehung des Klägers zum Notfalldienst mit Bescheiden vom 04.11.2004 und 15.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.11.2005 hinsichtlich der Dienstzeiten am Wochenende sowie der Forderung einer ständigen Anwesenheitspflicht rechtswidrig gewesen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die Anordnung ständiger Anwesenheit für rechtmäßig. Jeder niedergelassene Arzt sei zur Teilnahme am ärztlichen Notfalldienst verpflichtet. Der in der Notfalldienstverpflichtung liegende Eingriff in die Berufsfreiheit sei von den Vertragsärzten hinzunehmen, auch wenn der Eingriff über das übliche Maß hinaus gehende Unannehmlichkeiten oder Erschwernisse mit sich bringe. Durch die NFDO sei vorgeschrieben, dass die Ärzte die Notfallpraxis während ihres Sitzungsdienstes nicht verlassen dürften. Eine anderweitige Betrachtung würde dem Sicherstellungsgedanken und einem funktionierenden Notfalldienst widersprechen. Unabhängig davon weise sie darauf hin, dass die Notfallpraxis einen Sozialraum als Rückzugsmöglichkeit habe. Bezüglich der vom Kläger bemängelten Dienstdauer könnten gemäß der NFDO für Notfallpraxen in Krankenhäusern abweichende Notfalldienstzeiten zugelassen werden. Vergleichbares gelte für die Verpflichtung zur Anwesenheit in der Notfallpraxis. Eine vom Kläger herangezogene Vergleichbarkeit mit den Dienstzeiten anderer Kreisstellen sei nicht sachdienlich. Jede Kreisstelle der Beklagten regele den Notfalldienst entsprechend der individuellen Gegebenheiten. Hierzu rechne die Anzahl der zum Notfalldienst verpflichteten Ärzte, ob diese fachspezifische Notfalldienste neben dem allgemeinärztlichen Notfalldienst durchführen müssten und ggf. eine Notfallpraxis an einem Krankenhaus eingerichtet sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 20.06.2007 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die Heranziehung des Klägers zum organisierten Notfalldienst sei (auch) nicht hinsichtlich der Verpflichtung zu einer ständigen Anwesenheit rechtswidrig gewesen. Soweit die Kreisstelle Euskirchen auf der Grundlage des § 8 Abs. 2 Satz 4 NFDO in der am 23.12.2006 geänderten Fassung NFDO den Dienst – anders als andere Kreisstellen – nicht in mehreren Schichten für verschiedene Ärzte, sondern als durchgehenden Dienst organisiert habe, stelle dies keine unzulässige Ungleichbehandlung dar. Insoweit unterliege die Entscheidungsfindung der Beklagten und der Beigeladenen der innerkörperschaftlichen Willlensbildung auf der Grundlage der Interessen der zum Notfalldienst verpflichteten Ärzte, auf die der Kläger allein im Rahmen der dortigen Möglichkeiten Einfluss nehmen, die er jedoch nicht über eine Anrufung der Gerichte abändern könne. Dies verstoße auch nicht gegen übergeordnetes Recht. Soweit der Kläger insoweit arbeitsrechtliche Bestimmungen hinsichtlich der Arbeitszeiten, der Einrichtung von Sozialräumen und Ruhemöglichkeiten sowie von Entgeltregelungen anführe, verkenne er, dass auch die Wahrnehmung des organisierten Notfalldienstes Bestandteil der Ausübung des freien Berufes des Arztes sei, für die diese Aspekte nicht von Bedeutung seien. Die Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 4 NFDO sei durch die mit der Einrichtung einer zentralen Notfallpraxis verfolgten Ziele sachlich gerechtfertigt. Welche rechtliche Bedeutung dem Umstand zukomme, dass die NFDO eine ausdrückliche entsprechende Regelung in dem hier streitbefangenen Zeitraum nicht enthalten habe, könne dahingestellt bleiben. Denn insoweit bestehe wegen der geänderten Rechtslage kein Feststellungsinteresse des Klägers mehr.
Mit seiner am 23.08.2007 eingelegten Berufung wendet sich der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags gegen das ihm am 27.07.2007 zugestellte Urteil. Entgegen der Auffassung des SG unterliege die Entscheidungsfindung der Beklagten zur Anordnung der ständigen Anwesenheit in der Notfallpraxis nicht nur der innerkörperschaftlichen Willensbildung auf der Grundlage der Interessen der zum Notfalldienst verpflichteten Ärzte, sondern der Rechtskontrolle der Gerichte, welche gerade die insoweit erfolgte belastende Regelung darauf zu überprüfen haben, ob und inwieweit eine Rechtsgrundlage gegen sei. Dies sei zu vorliegend zu verneinen. Das SG verkenne, dass § 8 Abs. 2 Satz 4 NFDO in der am 23.12.2006 für den hier zu beurteilenden Zeitraum vom 01.12.2005 bis 31.01.2006 nicht einschlägig sei. Insoweit sei unzutreffend, dass wegen der geänderten Rechtslage kein Feststellungsinteresse mehr bestehe, zumal die Beklagte ihm im Rahmen eines Disziplinarverfahrens mit Beschluss vom 02.03.2005 vor dem Hintergrund der nicht ununterbrochenen Anwesenheit einen Verweis erteilt habe. Unter Vorlage eines Presseartikels vom 02./03.02.2008 des L-Stadtanzeigers (Lokalteil F1) weist der Kläger ergänzend darauf hin, dass die Beklagte beabsichtige, die örtliche Notfallpraxis mittwochs nachmittags zu schließen, da während der Dienste in der Notfallpraxis zum Teil nur drei oder vier Patienten an einem Nachmittag die Praxis aufsuchten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.06.2007 abzuändern und festzustellen, dass die Anordnung in der Notfallpraxis am St. B Krankenhaus in T während des Notfalldienstes ständig anwesend sein zu müssen unter Geltung der Notfalldienstordnung vom 01.01.2002 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.06.2007 zurückzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene, die selbst keinen Antrag gestellt hat, vertreten die Auffassung, die Entscheidung des SG sei rechtsfehlerfrei ergangen. Die Beklagte, deren Meinung sich die Beigeladene angeschlossen hat, hat vorgetragen, die Schließung der Notfalldienstpraxis am Mittwochnachmittag und die Anpassung der Öffnungszeiten an den Wochenenden und Feiertagen sei aufgrund eines Beschlusses ihrer Kreisstellenvorstände und der Beigeladenen erfolgt. Insgesamt bestehe eine deutliche Diskrepanz der Inanspruchnahme der drei im Kreisgebiet bestehenden Notfallpraxen (N, F und T) sowie der Größe und Besiedelungsdichte der ländlichen Gebiete. Zur Verdeutlichung hat die Beklagte einen Überblick über das Kreisstellengebiet und die Einwohnerzahl des Kreises F vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgemäß eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) ist begründet.
Die Klage ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats weiterhin zulässig. Dabei kann dahinstehen, ob die Klage (ursprünglich) als Anfechtungs- oder als Feststellungsklage statthaft war und ob sich ein ggf. anzunehmender Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger bzw. ein festzustellendes Rechtsverhältnis zwischen ihm und der Beklagten in Bezug auf Art und Ort der Durchführung des Notdienstes zwischenzeitlich erledigt hat. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob das an den Kläger gerichteten Schreiben der Beklagten vom 15.06.2005, wie das SG angenommen hat, als Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X) oder, wovon wohl die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid ausgegangen ist, der Organisationsplan als Allgemeinverfügung (§ 31 Satz 2 SGB X) zu qualifizieren ist. Wäre beides zu verneinen und der Organisationsplan als abstrakt-generelle Regelung zu qualifizieren, wäre das Begehren des Klägers als Feststellungsklage dahingehend auszulegen gewesen, dass er nicht vertragsärztlich verpflichtet ist während seines Sitzdienstes in der am St. B Krankenhaus in T eingerichteten Notfallpraxis ständig anwesend zu sein. Gegenstand der Klage wäre damit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten gewesen.
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob eine Anfechtungsklage oder eine Feststellungsklage statthaft war und ob sich diese jeweils insgesamt durch die Änderung der NFDO zum 01.01.2007 erledigt haben. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage kommt in entsprechender Anwendung des Rechtsgedanken des § 131 Abs.1 Satz 3 SGG jedenfalls auch nach Erledigung der Hauptsache bei einer Feststellungsklage in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 19.03.2002 – B 1 KR 34/00 R -).
Der Senat bejaht das erforderliche Feststellungsinteresse im Hinblick darauf, dass dem Kläger wegen Verstoßes gegen die durch den Organisationsplan angeordnete Anwesenheitspflicht ein Verweis (§ 19 b Disziplinarordnung) erteilt wurde, gegen den er sich in dem vor dem Senat anhängigen Berufungsverfahren (L 11 KA 81/08) wendet. Wegen seines berechtigten Rehabilitationsinteresses ist der Kläger insofern nicht auf die Entscheidung in jenem Verfahren zu verweisen, da ansonsten vorliegend inzident sicher zu stellen wäre, dass es in dem Verfahren L 11 KA 81/08 zu einer Sachentscheidung kommt. Dies ist jedoch keine in diesem Verfahren zu klärende Rechtsfrage.
Die Fortsetzungsfeststellungklage ist auch im Übrigen zulässig. In dem Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage liegt keine unzulässige Klageänderung, wie sich aus § 99 Abs. 3 Nr. 3 SGG ergibt. (BSG, Urteil vom 28.09.2005 – B 6 KA 73/04 -, Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, 2008, § 99 Rdn. 5 m.w.N.).
Die Klage ist begründet. Das SG hat sie zu Unrecht mit Urteil vom 20.06.2007 abgewiesen. Die Anordnung in der Notfallpraxis am St. B Krankenhaus in T während des Notfalldienstes ständig anwesend sein zu müssen, war unter Geltung der – insofern ausschließlich streitbefangenen – NFDO vom 01.01.2002 rechtswidrig.
Gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sind die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV´en) verpflichtet, die vertragsärztliche Versorgung sicherzustellen. Diese umfasst gemäß Satz 2 der genannten Vorschrift auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notfalldienst). Die Regelung des § 75 SGB V schließt die Verpflichtung der Vertragsärzte zur Teilnahme am Notfalldienst ein (BSG, Urteil vom 28.10.1992 – 6 RKa 2/92 -).
§§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 30 Nr. 2 und 31 Abs. 1 Heilberufsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung vom 09.05.2000 (Gesetz und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, Nr. 27, vom 16.05.2000, S. 403 ff. – nachfolgend HeilberG NRW) und § 26 Abs. 2 Berufsordnung für die nordrheinischen Ärztinnen und Ärzte in der Fassung vom 20.11.2004 (Rheinisches Ärzteblatt 7/2005, S. 56 – nachfolgend BO-Ä No -) verpflichten die Beklagte und die Beigeladene, einen ärztlichen Notfalldienst in den sprechstundenfreien Zeiten selbständig sicherzustellen, wobei ihnen im Einzelnen die weitere Ausgestaltung vorbehalten bleibt. Aus diesen Vorschriften und insbesondere aus dem Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten (vertrags)ärztlichen Versorgung ergibt sich eine ständige Anwesenheitsverpflichtung während des Notfalldienstes in einer Notfallpraxis nicht.
Bei der Ausgestaltung des Notfalldienstes kommen den KV´en und Ärztekammern ein weiter Gestaltungsfreiheit zu. Der Vertragsarzt kann die Entscheidung der KV grundsätzlich nur eingeschränkt gerichtlich nachprüfen lassen. Angesichts der Gestaltungsfreiheit der Kassenärztlichen Vereinigung als Normgeber und der ihr obliegenden Verantwortung für eine angemessene Versorgung der Versicherten auch zu den sprechstundenfreien Zeiten kann der einzelne Arzt durch die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung grundsätzlich nur in seinen Rechten verletzt sein, wenn diese nicht mehr von sachbezogenen Erwägungen getragen wird und einzelne Arztgruppen oder Ärzte willkürlich benachteiligt werden (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2006 – B 6 KA 43/05 R -). Der uneingeschränkten Überprüfung durch das Gericht obliegt es jedoch, ob die angegriffene Regelung/Maßnahme eine ausreichend Rechtsgrundlage hat.
Dies ist jedoch zu verneinen; auch das autonome Satzungsrecht der Beklagten bietet dafür keine Rechtsgrundlage.
Die Vertreterversammlung der Beklagten hat in ihrer Eigenschaft als Selbstverwaltungsorgan gemäß § 5 Abs. 1 a i.V.m. § 6 Abs. 9 ihrer Satzung mit der Beigeladenen die NFDO zum 01.01. 2002 (Rheinisches Ärzteblatt 2002, 65 f.) neugefasst. Das BSG hat die Kooperation von Landes(zahn)ärztekammer und örtlicher K(Z)V zum Zwecke der Aufgabenerfüllung für zulässig erachtet (vgl. Urteil des BSG vom 12.10.1994 – 6 RKa 29/93 -).
In der bis zum 31.12.2006 geltenden NFDO wurde u.a. festgelegt:
§ 6 Verfahren
(1) Die Kreisstellen der Ärztekammer Nordrhein und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordhein stellen gemeinsam die Pläne über den Notdiensteinsatz der Ärzte auf. Sie können sich hierbei der Unterstützung durch Obleute bedienen.
(2) Die Heranziehung zum Notfalldienst erfolgt durch Übersendung des Notdienstplanes, mit dem der Arzt zum Notdienst eingeteilt wird. ( …)
§ 7 Notfalldienstzeiten
(1) Die Notfalldienstzeiten werden wie folgt festgelegt:
täglich in der Nacht von 19:00 Uhr bis 07:30 Uhr, an Mittwochnachmittagen und Freitagnachmittagen von 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr an Sonnabenden, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen, am 24.12., 31.12. und am Rosenmontag von 07:00 Uhr bis 19.00 Uhr
Die vorgenannten Zeiten können von den Kreisstellen in der Weise abgeändert werden, dass Anfang und/oder Ende um eine Stunde vor oder nach der in Abs. 1 genannten Zeit festgelegt werden. An Freitagnachmittagen kann der Notfalldienst abweichend von der in Abs. 1 S. 1 genannten Anfangszeit bis zu vier Stunden später beginnen.
( …)
Abweichend von Abs. 1 können für Modellversuche sowie für Notfallpraxen an Krankenhäusern (§ 9) abweichende Notfalldienstzeiten zugelassen werden.
§ 8 Tätigkeitsort
( …)
(2) Der Notfalldienst ist grundsätzlich von der Praxis aus wahrzunehmen. Die zuständige Kreisstelle kann Ausnahmen zulassen. Der zum Notdienst eingeteilte Arzt oder sein Vertreter müssen im Notfallbezirk zur Verfügung stehen und erreichbar sein. Bei Bestehen einer Notfallpraxis gemäß § 9 Abs. 1 Satz sind die zum Notfalldienst herangezogenen Ärzte verpflichtet, den Notfalldienst in der Notfallpraxis zu versehen.
( …)
§ 9 Organisation des Notfalldienstes
(1) Die Vorstände der Ärztekammer und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein stellen für die einzelnen Kreise in Zusammenarbeit mit den Kreisstellen Organisationspläne auf, die für die Kreisstellen verbindlich sind. Sie beschließen auf Vorschlag der Kreisstellen über die Einrichtung von Notfallpraxen. ( …)
Notfallpraxen sind vornehmlich an hierfür insbesondere aufgrund ihrer Lage, Verkehrsverbindung und zur Verfügung stehender Ausstattung geeigneten Krankenhäusern einzurichten.
( …)
Die Vorstände der Beigeladenen und der Beklagten haben gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 NFDO eine (zentrale) Notdienstpraxis am St. B Krankenhaus in T im Kreis F, dem Tätigkeitsort des Notfalldienst verrichtenden Klägers, eingerichtet und einen Organisationsplan (nachfolgend NFD-OrgaPlan) "gemäß § 6 der Notfalldienstordnung der Ärztekammer Nordrhein und der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein zur Organisation des Notfalldienstes im Bereich der Kreisstelle F" aufgestellt.
Der NFD-OrgaPlan in der (vom Kläger insoweit angegriffenen) zum 01.04.2005 geänderten und nach Mitteilung der Beklagten vom 15.06.2005 umgesetzten Fassung sieht u.a. vor:
§ 1 Organisation
… Als Sitzdienstorte werden festgeschrieben: F, N und T. Hier sind Notfalldienstpraxen an den örtlichen Krankenhäusern eingerichtet.
§ 2 Notfalldienstzeiten
Abweichend von § 7 der gemeinsamen Notfalldienstordnung von Ärztekammer Nordrhein und Kassenärztlicher Vereinigung sind die Notfalldienstzeiten wie folgt festgelegt: ( …)
Die Öffnungszeiten der Notfalldienstpraxen werden wie folgt festgelegt:
Mittwoch von 13:00 Uhr bis 22:00 Uhr Samstag, Sonntag, an gesetzlichen Feiertagen sowie an Heiligabend, Silvester und Rosenmontag von 07:30 Uhr bis 22:00 Uhr Weiberfastnacht von 13:00 Uhr bis 22:00 Uhr
Zu den Öffnungszeiten muss der zum Dienst eingeteilte Arzt ständig anwesend sein.
Der Dienst für die Ärzte in den Notfallpraxen endet um 22.00 Uhr. Es besteht danach keine Rufbereitschaft.
Der Vorstand der Beklagten war zu der auf § 2 Satz 3 NFD-OrgaPlan gestützte Anordnung ständiger Anwesenheit während des Dienstes in einer Notfallpraxis nicht befugt. Die vom Kläger angegriffene Regelung war durch die dem Vorstand durch die von der Vertreterversammlung beschlossenen Satzung bzw. durch die auf der Satzung (und den o.a. gesetzlichen Bestimmungen) beruhenden NFDO in der bis 31.12.2006 geltenden Fassung eingeräumten Ermächtigung nicht gedeckt.
Die (insoweit nach § 4 Abs. 7 der Satzung der Beklagten zuständige) Vertreterversammlung hat mit der NFDO während des Notfalldienstes keine ständige Präsenz des diensthabenden Arztes verlangt. Dies ist entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht § 8 Abs. 2 Satz 4 NFDO zu entnehmen, wonach bei Bestehen einer Notfallpraxis die zum Notfalldienst herangezogenen Ärzte verpflichtet sind, den Notfalldienst "in der Notfallpraxis" zu versehen. Aus dem Wortlaut der Überschrift des § 8 NFDO ("Tätigkeitsort") und dem Wortlaut im Übrigen (in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung) ist zu entnehmen, dass es sich bei der Regelung in § 8 Abs. 2 Satz 4 NFDO ausschließlich um eine örtliche Beschränkung handelt, die keine inhaltliche Regelung in Hinblick auf die Anwesenheitspflicht enthält. Die Unterscheidung der Wortwahl in Satz 1 (Der Notfalldienst ist grundsätzlich "von der Praxis aus" wahrzunehmen) und in Satz 3 (Bei Bestehen einer Notfallpraxis ist der Notfalldienst "in der Notfallpraxis" zu versehen), lässt nicht auf unterschiedliche Präsenzpflichten schließen. Sie beruht lediglich auf dem Umstand, dass Ärzte in den Notfallpraxen zu sogenannten Sitzdiensten herangezogen werden (vgl. auch § 1 Abs. 1 Satz 7 NFD-OrgaPlan), während Ärzte, die ihren Dienst von der Praxis aus wahrnehmen, je nach Koordination des Notfalldienstes auch zu ggf. Hausbesuchsfahrten "herangezogen" werden.
Auch die Regelung des § 7 NFDO ("Notfalldienstzeiten"), die grundsätzlich für alle teilhabenden Ärzte gelten, sieht keine unterschiedliche Ausgestaltung von Anwesenheitspflichten vor, sondern eröffnet lediglich die Möglichkeit, die Dienstzeiten in Notfallpraxen abweichend zu regeln. Von dieser Möglichkeit haben die Vorstände der Beklagten und der Beigeladenen mit § 2 Satz 2 NFD-OrgaPlan Gebrauch gemacht. Soweit diese Regelung in Satz 3 sodann den Passus, "zu den Öffnungszeiten muss der zum Dienst eingeteilte Arzt ständig anwesend sein", enthält, ist dies nicht mehr von der Ermächtigungsgrundlage des § 7 NFDO, auf die sich die Regelung des § 2 NFD-OrgaPlan ausdrücklich stützt, gedeckt.
Wie ausgeführt, ergibt sich weder aus § 7 NFDO unmittelbar eine Anwesenheitsverpflichtung diensthabender Ärzte in Notfallpraxen, noch hat die Vertreterversammlung mit § 7 NFDO den Vorstand der Beklagten ermächtigt, eine solche anzuordnen. Eine Ermächtigung des Vorstandes ergibt sich auch nicht aus den § 70 Abs. 5 SGB V, § 35 a SGB IV. Danach obliegt dem Vorstand die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der KV sowie grundsätzlich die Führung der Verwaltungsgeschäfte und insofern – als ausführendes Organ – die Umsetzung der Beschlüsse der Vertreterversammlung sowie eine Richtlinienkompetenz für die Führung der Verwaltungsgeschäfte. Zur Verwaltung gehört der gesamte Geschäftsbetrieb, z.B. die technische Ausstattung und die Organisation der Verwaltung, einschließlich der Leitung des inneren Dienstes und damit auch der Entscheidungen über die Art und Weise des Einsatzes des für die Sachaufgaben benötigten Personals. Nicht zur Verwaltung gehört die Normsetzung im Rahmen der Satzungsautonomie nach § 34 SGB IV, die ausschließlich der Vertreterversammlung vorbehalten ist (Schneider-Danwitz in jurisPK-SGB IV, § 35 Anm. B.I.1. m.w.N.). Für die Verabschiedung autonomen Rechts, wie den NFD-OrgaPlan ist der Vorstand lediglich zur Umsetzung der von der Vertreterversammlung beschlossenen NFDO im Rahmen der ihm durch die NFDO eingeräumten Befugnisse berechtigt, nicht aber zur Anordnung darüber hinausgehender Maßnahmen/Regelungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 01.12.2009
Zuletzt verändert am: 01.12.2009