Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.01.2019 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 469,34 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten haben in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Klageverfahren über die Frage gestritten, ob die Beklagte zu einer sachlich-rechnerischen Berichtigung einer vertragsärztlichen Honoraranforderung (§ 106a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch a.F. (SGB V); jetzt § 106d Abs. 2 SGB V) der Klägerin für das Quartal I/2015 befugt war.
Das Sozialgericht (SG) hat hierzu folgende – mit Verfahrensrügen (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) nicht angegriffene – Feststellungen getroffen: Die Klägerin, eine in Essen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Berufsausübungsgemeinschaft, hatte im streitbefangenen Quartal in 16 Behandlungsfällen neben palliativmedizinischen Leistungen (Gebührenordnungspositionen (GOP) 03370 bis 03373 EBM sowie Symbolnummern 91110, 92102, 92110, 92114, 92115) auch Leistungen zur Früherkennung abgerechnet.
Die Beklagte reduzierte die Honoraranforderung der Klägerin um die angesetzten Leistungen zur Früherkennung nach den GOP 01732, 01745, 01746 sowie 32880 EBM. Die Zielrichtung von Früherkennungsuntersuchungen könne bei Palliativpatienten nicht mehr erreicht werden (Bescheid vom 07.07.2015; Widerspruchsbescheid vom 28.10.2015).
Das SG hat die Honorarberichtigung aufgehoben (Urteil vom 30.01.2019). Es hat zur Begründung ausgeführt: Die Befugnis der Beklagten zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honoraranforderungen bestehe nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG); vgl. nur Urteil vom 22.03.2006 – B 6 KA 76/04 R -; Urteil vom 08.12.2010 – B 6 KA 33/09 R -) vorrangig bei rechnerischen und gebührenordnungsmäßigen Fehlern, erfasse aber auch Sachverhalte, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet habe. Dieses betreffe etwa die Abrechnung fachfremder oder qualitativ mangelhafter Leistungen, die Abrechnung von Leistungen nicht genehmigter Assistenten oder bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mithilfe eines Assistenten. Entsprechendes gelte für eine Leistungserbringung unter missbräuchlicher Nutzung von Organisationsformen. Eine derartige Fallgestaltung sei vorliegend nicht gegeben. Zu berücksichtigen sei hierbei auch, dass der Anspruch des Versicherten auf Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten weder abhängig von dem Erhalt eines wie auch immer definierten Gesundheitszustandes sei noch durch das Überschreiten von Altersgrenzen begrenzt werde.
Ein im Publikationsorgan der Beklagten veröffentlichter Beschluss ihres Vorstandes zu einem Ausschluss der Parallelberechnung von Früherkennungs- und Palliativleistungen bilde keine rechtliche Grundlage für eine sachlich-rechnerische Berichtigung. Die der Begründung des angefochtenen Bescheides und dem allenfalls als Interpretationshilfe zu verstehenden Beschluss des Vorstandes der Beklagten zugrundeliegenden und im Ansatz nachvollziehbaren Überlegungen zielten offenkundig auf Zweifel an der medizinischen Sinnhaftigkeit der Erbringung von Leistungen der Früherkennung neben solchen der Palliativversorgung ab, vergleichbar der Erbringung kurativer Leistungen ohne entsprechende Indikation. Kennzeichnend für die Erbringung nicht indizierter oder medizinisch sinnloser Leistungen sei indes nicht eine Nichtbeachtung von Gebührenordnungsbestimmungen oder eine sonstige zur sachlich-rechnerischen Berichtigung berechtigende Fallgestaltung, sondern eine unwirtschaftliche Leistungserbringung. Zur Korrektur einer Honoraranforderung wegen unwirtschaftlicher Leistungen bzw. zum Ausspruch einer entsprechenden Kürzung des Honorars seien ausschließlich die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung befugt. Insoweit sei höchstrichterlich geklärt, dass die Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung zwar im Rahmen einer Randzuständigkeit in geringem Umfang auch Honoraranforderungen berichtigen könnten, umgekehrt sei die Beklagte allerdings generell nicht – also auch nicht im Rahmen einer Rand- bzw. Annexzuständigkeit – berechtigt, aus Anlass von sachlich-rechnerischen Honorarberichtigungen die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung eines Vertragsarztes zu prüfen (Verweis auf BSG, Urteil vom 27.04.2005 B 6 KA 39/04 R -).
Den Streitwert hat das SG mit 469,00 EUR beziffert (Beschluss vom 30.01.2019).
Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem ihr am 18.02.2019 zugestellten Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 12.03.2019 bei dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen eingelegten Beschwerde. Sie trägt vor: Die von dem SG seiner Entscheidung zugrunde gelegten Maßstäbe zur Abgrenzung von Wirtschaftlichkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Berichtigung seien in einem wesentlichen Punkt unvollständig. So sei höchstrichterlich geklärt, dass sie eine Vergütung solcher Leistungen ablehnen dürfe, die in "offenkundigem Widerspruch" zum aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft stünden oder ohne Weiteres keinen Nutzen aufwiesen (Verweis auf BSG, Urteil vom 05.02.2003 – B 6 KA 15/02 R -; BSG, Urteil vom 08.09.2004 – B 6 KA 82/03 R -; BSG, Urteil vom 18.08.2010 – B 6 KA 14/09 R – ; BSG, Beschluss vom 27.06.2012 – B 6 KA 84/11 B -).
Im vorliegenden Sachverhalt seien Leistungen der Früherkennung neben solchen der Palliativversorgung mit der Begründung als offenkundig fehlerhaft berichtigt worden, dass sich die Versorgungsform der Früherkennung und die der palliativmedizinischen Versorgung logisch ausschlössen. Bei der Palliativversorgung gehe es um die ärztliche Begleitung von unheilbar kranken Menschen in der letzten Phase ihres Lebens; Vorsorgeleistungen seien hingegen bereits nach ihrem Sinn und Zweck darauf reduziert, in absehbarer Zeit kurative Leistungen mit dem Ziel der Heilung durchzuführen. Dieses Ziel sei bei Palliativpatienten nicht mehr realisierbar. Soweit das SG ausführe, dass die Überlegungen des Beklagten "im Ansatz nachvollziehbar" seien, sei es offenbar in Unkenntnis der Fallgruppe des offenkundigen Widerspruchs rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass nur eine Zuständigkeit der Prüfgremien eröffnet sei. Auf dieser Abweichung beruhe die Entscheidung.
Die Rechtssache entfalte zudem insoweit grundsätzliche Bedeutung, als dass die Abgrenzungen nicht nur für weitere gegenwärtige und künftige Berichtigungsverfahren bei der Beklagten Bedeutung erlange, sondern auch für etwaige Folgeverfahren bei den Prüfgremien.
Die Klägerin tritt der Beschwerde entgegen. In den streitigen 16 Behandlungsfällen seien die erbrachten Vorsorgeleistungen aus patientenbezogenen Gründen im Einzelfall ausnahmsweise durchgeführt worden. Die erbrachten Leistungen stünden nicht offenkundig im Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft.
II.
1. Der Senat hat im Wege der Auslegung des Prozessrechtsverhältnisses das Aktivrubrum von Amts wegen zugunsten der "Berufungsausübungsgemeinschaft Drs. S und L1 L" berichtigt. Da die von Herrn Dr. S L und Frau Dr. L1 L geführte "hausärztliche Gemeinschaftspraxis" als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) selbst beteiligtenfähig im Sinne des § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist (BSG, Urteil vom 07.02.2007 – B 6 KA 6/06 R -), geht der Senat davon aus, dass sich auch diese gegen die an sie als Berufsausübungsgemeinschaft adressierte Honorarberichtigung (Bescheid vom 07.07.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2015) wenden wollte.
2. Die am 12.03.2019 schriftlich eingelegte Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des SG Düsseldorf vom 30.01.2019 ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 145 Abs. 1 Satz 1 SGG) sowie form- und fristgerecht (§§ 145 Abs. 1 Satz 2; 64 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1; 145 Abs. 2 SGG) erhoben worden.
3. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Ein Zulassungsgrund im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG liegt nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (hierzu a)); noch liegt eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG vor (hierzu b)). Einen Verfahrensmangel (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) macht die Beklagte nicht geltend.
a) Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Eine solche Bedeutung ist nur dann gegeben, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist bzw. wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Das kann der Fall sein, wenn die Klärung einer Zweifelsfrage mit Rücksicht auf eine Wiederholung ähnlicher Fälle erwünscht ist bzw. wenn von einer derzeitigen Unsicherheit eine nicht unbeträchtliche Personenzahl betroffen ist. Die Weiterentwicklung des Rechts wird dabei gefördert, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesvorschriften aufzustellen oder Lücken zu füllen oder wenn die Entscheidung Orientierungshilfe für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Sachverhalte geben kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, 2017, § 144 Rn. 28 und § 160 Rn. 6 ff.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Weder hat die Beklagte eine in dem vorgenannten Sinn klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgezeigt, noch liegt eine solche vor.
Die Grenzen der Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung (§ 106 Abs. 2 SGB V a.F.; jetzt § 106d Abs. 2 SGB V) und ihr systematisches Verhältnis zur Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V) sind durch höchstrichterliche Rechtsprechung bereits hinreichend konkretisiert (vgl. nur BSG; Urteil vom 06.09.2006 – B 6 KA 40/05 ; vgl. früher schon z.B. BSG, Urteil vom 15.04.1986 – 6 RKa 27/84 – ; BSG, Urteil vom 23.02.2005 – B 6 KA 72/03 R -; BSG, Urteil vom 27.04.2005 – B 6 KA 39/04 R -; vgl. auch bereits BSG; Urteil vom 08.07.1981 – 6 RKa 3/79 -" Prüfung und Berichtigung betrifft nicht die Frage der Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise des Klägers, sondern schon die Vorfrage, ob der Kläger nach dem geltenden Kassenarztrecht die beanstandeten Leistungen überhaupt zu Lasten des Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung erbringen durfte.").
Soweit die Beschwerdeführerin betont, dass die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Berichtigung auch zur Korrektur von Honoraren für die Erbringung von Leistungen berechtigt, die in einem offenkundigen Widerspruch zum Stand der medizinischen Wissenschaft steht oder ohne Weiteres erkennbar keinerlei Nutzen hat, ist auch dies bereits höchstrichterlich geklärt (vgl. BSG, Urteil vom 18.08.2010 – B 6 KA 14/09 R – m.w.N.), wie sich im Übrigen auch aus dem Verweis der Beklagten auf die zu der aufgeworfenen Fragestellung ergangenen Entscheidungen des BSG ergibt.
b) Auch eine zur Annahme einer Divergenz berechtigende Rechtssprechungsabweichung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG ist nicht gegeben. Hierfür ist erforderlich, dass das SG seiner Entscheidung tragend einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, des Bundesverfassungsgerichts oder des Berufungsgerichts (zu dieser Erweiterung vgl. Leitherer, a.a.O., Rn. 30 m.w.N.) widerspricht. Eine Divergenz i.S.d. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht schon vor, wenn das SG einen Rechtssatz aus einer höchstrichterlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung wegen Divergenz (vgl. auch BSG, Beschluss vom 21.03.2018 – B 6 KA 70/17 B zu § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG; BSG, Beschluss vom 09.05.2017 – B 13 R 240/16 B -).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe liegt eine Rechtsprechungsabweichung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Die Beschwerdeführerin macht auch nicht etwa geltend, dass das SG seiner Entscheidung einen von der Rechtsprechung des BSG abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat, sondern trägt lediglich vor, dass die von dem SG Düsseldorf bei seiner Entscheidung zugrunde gelegten Abgrenzungskriterien in einem wesentlichen Punkt unvollständig sei. Dieses Beschwerdevorbringen zielt indes darauf ab, die Richtigkeit der Entscheidung im Einzelfall in Abrede zu stellen, begründet jedoch keine zur Zulassung der Berufung berechtigende Divergenz.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1, §§ 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Das Urteil des SG ist damit rechtskräftig (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Erstellt am: 23.10.2019
Zuletzt verändert am: 23.10.2019