Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.11.2017 geändert und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Klägerin, ein Krankenhausträger, verlangt die Zahlung von 1.649,22 Euro.
Die am 00.00.1938 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte S. S. (im Folgenden: Versicherte S.) befand sich vom 19.03.2015 bis 23.04.2015 sowie vom 24.04.2015 bis 07.05.2015 in stationärer Behandlung des Kreiskrankenhauses H, dessen Trägerin die Klägerin ist. Sie stellte der Beklagten für die Behandlung der Versicherten S. unter dem 29.05.2015 einen Betrag in Höhe von insgesamt 38.192,80 Euro in Rechnung. Sie legte dabei die "Diagnosis related groups" (DRG) A11E zugrunde. Die Beklagte beglich die Rechnung am 11.06.2015 unter Vorbehalt und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 11.06.2015 mit, dass "gemäß § 4 PrüfvV aufgrund der Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistung bzw. der Korrektheit der Abrechnung bestünden. Die vorgelegte Rechnung werde daher wie folgt geprüft:
"Teilprüfung
Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen
Folgende Auffälligkeit liegt vor:
Beatmungsstunden."
Nach Auswertung der Behandlungsunterlagen durch Dr. W, Sozialmedizinischer Dienst (SMD), die in der Stellungnahme vom 23.07.2015 zu dem Ergebnis gelangt war, dass weniger als 249 Beatmungsstunden nachgewiesen seien, so dass der Behandlungsfall unter Zugrundelegung der DRG T36Z abzurechnen sei, wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 21.08.2015 an die Klägerin und teilte ihr mit, dass im Rahmen der Überprüfung gemäß § 6 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) über den ursprünglichen Prüfanlass hinaus weitere Auffälligkeiten ermittelt worden seien. Sie verweise auf das beigefügte Gutachten des SMD. Anstelle des am 11.06.2015 gezahlten Betrages von 38.192,80 Euro ergebe sich nunmehr ein neuer Zahlbetrag in Höhe von 33.248,29 Euro, der auf Basis der DRG T36Z ermittelt worden sei.
Mit der sich danach ergebenden Erstattungsforderung in Höhe von 4.944,51 Euro rechnete die Beklagte in der Weise auf, dass sie in dem Zahlungsavis vom 02.09.2015, das eine Reihe weiterer Zahlungsbeträge aus anderen Behandlungsfällen Versicherter der Beklagten bei der Klägerin enthält, zu ihren Gunsten den ursprünglich gezahlten Betrag in Höhe von 38.192,80 Euro einstellte sowie den nunmehr von ihr zutreffend gehaltenen Betrag in Höhe von 33.248,29 Euro zu ihren Lasten. Aufgrund der von der Klägerin erhobenen Einwendungen holte die Beklagte eine weitere Stellungnahme der Dr. W vom 11.09.2015 ein, die hierin nunmehr ausführte, dass die DRG A11E den Fall korrekt abbilde. Bezüglich der Liegedauer sei jedoch davon auszugehen, dass spätestens am 05.05.2015 eine Entlassung möglich gewesen sei. Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin unter dem 25.09.2015 mit, dass nach erneuter Überprüfung das Ergebnis feststehe, dass eine Vergütung des übermittelten Rechnungsbetrages nicht in vollem Umfang gerechtfertigt sei. Am 21.08.2015 habe sie 33.248,29 Euro angewiesen. Es ergebe sich nunmehr ein neuer Zahlbetrag in Höhe von 36.543,58 Euro. Unter dem 01.10.2015 schrieb die Beklagte den sich aus der Neuberechnung ergebenden Mehrbetrag von 3.095,29 Euro der Klägerin in der Weise gut, dass sie in einem Zahlungsavis den nunmehr für zutreffend gehaltenen Betrag in Höhe von 36.543,58 Euro zu ihren Lasten und den bereits bezahlten Betrag in Höhe von 33.248,29 Euro zu ihren Gunsten einstellte.
Nachdem die Klägerin die Beklagte erfolglos aufgefordert hatte, den noch ausstehenden Restbetrag in Höhe von 1.649,22 Euro zu zahlen, hat die Klägerin am 04.02.2016 Klage vor dem Sozialgericht Köln erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen: Die stationäre Behandlung der Versicherten S. sei über den gesamten Zeitraum erforderlich gewesen. Ein Erstattungsanspruch der Beklagten ergebe sich nicht.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.649,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30.05.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat entgegnet: Die im Zusammenhang mit dem Sammelavis erklärte Aufrechnung sei zulässig und erfülle insbesondere auch die Anforderungen an die Bestimmtheit. § 9 Satz 2 PrüfvV bewirke kein anderes Ergebnis.
Durch Urteil vom 28.11.2017 hat das Sozialgericht Köln die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 05.12.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 02.01.2018 Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Sie habe der Klägerin mit Schreiben vom 21.08.2015 den neuen Zahlbetrag in Höhe von 33.248,29 Euro und mit Schreiben vom 25.09.2015 in Höhe von 36.543,58 Euro mitgeteilt. Für jede der Zahlungen habe die Klägerin ein Zahlungsavis erhalten. Hierin würden die für das Krankenhaus in Auftrag gegebenen Auszahlungen und Aufrechnungen für einen bestimmten Zeitraum im Hinblick auf verschiedene Krankenhausaufenthalte verschiedener Versicherter der Beklagten zuammengefasst. Jede im Zahlungsavis aufgeführte Buchung sei mit der Krankenversicherungsnummer sowie der Rechnungs- und Aufnahmenummer des Krankenhauses versehen. Eine eindeutige Zuordnung der Forderungen sei ohne weiteres möglich. Die Voraussetzungen des § 9 Satz 2 PrüfvV 2015 seien erfüllt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 28.11.2017 zu ändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise, für den Fall, dass die Berufung keinen Erfolg hat, an die Beklagte 1.649,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.06.2018 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen, hilfsweise werden die Beweisanträge aus dem Schriftsatz vom 03.02.2016 sowie weitere gestellte Beweisanträge gestellt.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung von 1.649,22 Euro wegen der Behandlung der Versicherten S. nicht zu. Dieser von der Klägerin geltend gemachte Anspruch, der den Streitgegenstand des vorliegenden Streitverfahrens darstellt (dazu 1.) ist durch Erfüllung (§ 69 Absatz 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), § 362 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) erloschen (dazu 2.).
1. Streitgegenstand des Klageverfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines (weiteren) Betrages in Höhe von 1.649,22 Euro aus der Behandlung der Versicherten S. in den Zeiträumen vom 19.03.2015 bis 23.04.2015 sowie vom 24.04.2015 bis 07.05.2015. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, nämlich das vom Kläger auf Grund eines bestimmten Sachverhalts an das Gericht gerichtete Begehren der im Klageantrag bezeichneten Entscheidung (vergl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 11. Aufl. § 95 Rdnr. 5 mit weiteren Nachweisen (mwN)). Der Streitgegenstand wird damit ganz wesentlich durch die gestellten Anträge sowie die Klagebegründung bestimmt (vgl. Eschner in Jansen, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, SGG, 4. Aufl., § 94 Rdnr. 13 mwN). Die Klageschrift vom 03.02.2016 leitet den geltend gemachten Zahlungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten S. her: Die Klägerin schildert im Rahmen der Klagebegründung die stationäre Behandlung und deren Zeiträume und behauptet, die Beklagte habe lediglich Teilzahlungen auf die gestellte Rechnung geleistet, so dass noch die Klageforderung in Höhe 1.649,22 Euro offen sei. Damit legt sie den Streitgegenstand des Klageverfahrens eindeutig in der Weise fest, dass das Gericht über einen (Rest-) Zahlungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten S. entscheiden möge. Den nachfolgenden Schriftsätzen der Klägerin sowie ihrem Vorbringen im Termin zur Erörterung des Sachverhalts am 07.02.2017 und den Terminen zur mündlichen Verhandlung am 28.11.2017 vor dem Sozialgericht bzw. am 21.06.2018 vor dem erkennenden Senat ist – ungeachtet dessen, dass sich herausgestellt hatte, dass die Beklagte auf die Rechnung der Klägerin für den Behandlungsfall der Versicherten S. eine vollständige Zahlung (unter Vorbehalt) vorgenommen und später gegen Zahlungsansprüche der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen aufgerechnet hatte – Nichts dafür zu entnehmen, dass die Klägerin nunmehr ihren Zahlungsanspruch aus einem anderen Sachverhalt herleiten und deshalb eine Klageänderung vornehmen wollte. Hätte die rechtskundig vertretene Klägerin nunmehr beabsichtigt, die von der Aufrechnung der Beklagten betroffenen Forderungen aus der Behandlung anderer Versicherter geltend zu machen, hätte sie im Rahmen einer Klageänderung (§ 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) zu den Forderungen aus diesen anderen Behandlungsfällen vortragen und im Hinblick auf die eindeutige Klagebegründung deutlich machen müssen, dass sie anstelle der Forderung aus dem Behandlungsfall der Versicherten S. die (vollständige) Begleichung jener anderer Forderungen begehrt. Dies ist unterblieben – auch das Sozialgericht ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die Klägerin die Vergütung aus dem Behandlungsfall der Versicherten S. geltend macht.
2. Dieser Vergütungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten S. ist – ungeachtet des Umstands, dass die Zahlung der Beklagten auf die Forderung unter Vorbehalt erfolgt ist – durch Erfüllung gemäß §§ 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V, 362 Absatz 1 BGB erloschen. Die Beklagte hat nämlich am 11.06.2015 die Forderung der Klägerin aus dem Behandlungsfall S. – entsprechend der Rechnung vom 29.05.2015 – in voller Höhe durch Zahlung von 38.192,80 Euro beglichen.
Der von der Beklagten bei der Zahlung erklärte Vorbehalt hindert den Eintritt der Erfüllungswirkung nicht. Die Beklagte wollte sich mit der Erklärung des Vorbehalts nämlich lediglich die Rückforderung der bewirkten Leistung für den Fall des Nichtbestehens der Forderung der Klägerin vorbehalten; weder die Erklärung des Vorbehalts noch ihre Umstände geben Anlass für die Annahme, die Beklagte habe der Klägerin durch die Art der Erklärung des Vorbehalts die Beweislast für das Bestehen der Schuld in einem Rückforderungsprozeß auferlegen wollen (vergl. zum Ganzen: Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R; Kerwer in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 362 Rdnr. 34 mwN).
Einer Entscheidung über den Hilfsantrag der Beklagten (und den Antrag der Klägerin, die Widerklage abzuweisen) bedurfte es nicht, weil die Beklagte mit dem Hauptantrag auf Abweisung der Klage Erfolg gehabt hat.
Den von der Klägerin hilfsweise gestellten Beweisanträgen brauchte der Senat nicht nach zugehen, weil diese – soweit sie überhaupt zulässig sind – die medizinische Erforderlichkeit der Behandlung der Versicherten S. betreffen, die aber für die Entscheidung des Senats keinerlei Bedeutung hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Absatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 07.07.2020
Zuletzt verändert am: 07.07.2020