Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29. April 2019 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt S, C beigeordnet. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren und Beiordnung von Rechtsanwalt S.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH sind bei der Klägerin, die Grundsicherungsleistungen gemäß § 41 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch bezieht und weder über weiteres Einkommen noch über Vermögen verfügt, erfüllt.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet derzeit auch (gerade noch) hinreichende Aussicht auf Erfolg. Eine solche besteht zum einen, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, zum anderen, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache zwischen den Beteiligten strittig bzw. klärungsbedürftig ist und keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen würde (statt vieler Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 8. Dezember 2009 – 1 BvR 2733/06 – NJW 2010, 1129 m.w.N.).
I.
Derzeit ist noch klärungsbedürftig, ob die Voraussetzungen eines Beitragsanspruchs der Beklagten gegen die Klägerin vorliegen. Wie das Sozialgericht (SG) zutreffend ausgeführt hat, kommt als Anspruchsgrundlage insoweit nur § 252 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Betracht. Danach sind – soweit gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt ist – die Beiträge von demjenigen zu zahlen, der sie zu tragen hat.
Gemäß § 249a Satz 2 SGB V sind die Beiträge aus ausländischen Renten nach § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V von den Rentnern – hier ggf. der Klägerin als Bezieherin einer litauischen Rente – allein zu tragen.
1. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Klägerin im Streitzeitraum (1. Dezember 2013 bis zum 31. Oktober 2016) Arbeitslosengeld (Alg) II bezogen hat. Zwar zahlen nach § 252 Abs. 1 Satz 2 SGB V die Bundesagentur für Arbeit oder in den Fällen des § 6a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) die zugelassenen kommunalen Träger die Beiträge für die Bezieher von Alg II, seit dem 1. Januar 2015 auch unter Einschluss des Zusatzbeitrags gemäß §§ 242, 242a SGB V.
Daraus folgt aber nicht, dass zu diesen Beiträgen auch die ggf. aus einer neben dem Erhalt von Alg II bezogenen (ausländischen) Rente gehören würden. Das ergibt sich mittelbar aus § 232a Abs. 3 SGB V, wonach für Alg-II-Bezieher die Vorschrift des § 226 SGB V entsprechend gilt und damit kraft Verweisung über § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V auch § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Auf diese Weise ist klargestellt, dass es für den genannten Personenkreis neben Alg II noch weitere beitragspflichtige Einnahmen (darunter ausländische Renten) geben kann, hinsichtlich derer dann ggf. auch spezielle Bestimmungen über die Beitragstragung gelten. Dem wird auf der Leistungsseite des SGB II dadurch Rechnung getragen, dass Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung vom Einkommen abzusetzen sind (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II).
2. Somit kommt es für das Entstehen eines Beitragsanspruchs der Beklagten gegen die Klägerin entscheidend darauf an, ob diese eine "vergleichbare Rente aus dem Ausland" gemäß § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V bezogen hat. Hierzu fehlen indessen noch Feststellungen.
a) Vergleichbarkeit im Sinne des § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V besteht, wenn die ausländische Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung (Rente) entspricht, d.h. nach Motivation und Funktion gleichwertig ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 30. November 2016 – B 12 KR 22/14 R – SozR 4-2500 § 228 Nr. 1). Die danach erforderliche, vom BSG in der zitierten Entscheidung im Einzelnen dargestellte rechtsvergleichende Prüfung hat die Beklagte bislang nicht vorgenommen. Sie wird durch den im Ausgangsbescheid enthaltenen zutreffenden Hinweis, dass der Gesetzgeber mit § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V das in Art. 5 VO (EG) Nr. 883/04 verankerte Prinzip der Gleichwertigkeit von in- und ausländischen Leistungen verankern wollte, nicht ersetzt, weil mit diesem Hinweis noch nichts über die Gleichwertigkeit der konkret in Rede stehenden Leistung (Altersrente aus Litauen) gesagt wird.
b) Zwar hat der 4. Senat des BSG – ausgehend von den im Arbeitsförderungsrecht entwickelten und letztlich auch vom 12. Senat des BSG für das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung für die Gleichwertigkeit aus- und inländischer Rentenleistungen entwickelten Kriterien – angenommen, litauische Altersrenten seien von ihrer Grundkonzeption her deutschen Altersrenten vergleichbar (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 105/11 R – SozR 4-4200 § 7 Nr. 30). Das könnte zwar einerseits dafür sprechen, sie auch als vergleichbar im Sinne von § 228 Abs. 1 Satz 2 SGB V anzusehen. Andererseits hätte in diesem Fall aber die Rentengewährung – ungeachtet ihrer Höhe – gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II zum Ausschluss des Anspruchs auf Alg II führen müssen. Diese Konsequenz hat das Jobcenter Düsseldorf, soweit erkennbar, aber nicht gezogen. Zur Klärung der sich hieraus ergebenden Zweifel an der Vergleichbarkeit der Rentenleistungen wird das SG beispielsweise das Jobcenter (einfach) beiladen und (sofern noch vorhanden) die maßgebenden Leistungsakten beiziehen können.
II.
Lediglich ergänzend erlaubt sich der Senat mit Blick auf den Beschwerdevortrag der Klägerin folgende Hinweise: Sollte der Beitragsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin nach Maßgabe der dargestellten Grundsätze entstanden sein, so dürften weder der seitens der Klägerin geltend gemachte Erfüllungseinwand noch die von ihr erhobene Einrede des Rechtsmissbrauchs durchgreifen.
1. Soweit die Klägerin sich hinsichtlich der von ihr angenommenen Erfüllung der Beitragsverpflichtung auf § 107 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bezieht, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Vorschrift begründet in ihrem Anwendungsbereich eine "Erfüllungsfiktion" hinsichtlich eines Sozialleistungsanspruchs zugunsten eines Sozialleistungsträgers, soweit dieser einem anderen Träger zur Erstattung verpflichtet ist (vgl. Burkiczak in jurisPK-SGB X, Stand 12/2019, § 107 Rn. 7 m.w.N.). Im vorliegenden Fall geht es aber nicht um einen Sozialleistungsanspruch (der Klägerin gegen die Beklagte), sondern um einen Beitragsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin. Sollten sich aus dem Bestehen eines solchen Anspruchs (rückwirkend) höhere Ansprüche der Klägerin auf Alg II ergeben, hätte dies auf den Beitragsanspruch keine Auswirkungen, sondern wäre allein im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Jobcenter zu klären.
2. Aus diesem Grund ist auch nicht ersichtlich, wieso die Beklagte sich mit der Geltendmachung des Beitragsanspruchs ggf. rechtsmissbräuchlich verhalten sollte. Ein etwaiges Fehlverhalten des Jobcenters wäre ihr jedenfalls nicht zuzurechnen. Das gilt umso mehr, als es gemäß § 206 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V der Klägerin oblegen hätte, der Beklagten den Rentenbezug aus Litauen mitzuteilen.
Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Hinblick auf die Schwierigkeit der aufgeworfenen Sach- und Rechtsfragen erforderlich (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.06.2020
Zuletzt verändert am: 15.06.2020