Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.12.2019 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme der Kosten einer Behandlung der sieben Monate alten Antragstellerin mit dem in Deutschland und in der EU nicht zugelassenen Medikament Zolgensma.
Hierbei handelt es sich um ein Gentherapeutikum, das bisher in den USA seit Mai 2019 für die Anwendung innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zugelassen ist. Das Zulassungsverfahren in Europa ist noch nicht abgeschlossen. Die Verabreichung erfolgt in Form einer einzigen Spritze, die rund 2 Millionen Euro kostet.
Die am 00.00.2019 geborene und bei der Antragsgegnerin über die Familienversicherung versicherte Antragstellerin leidet an einer autosomalrezessiven proximalen spinalen Muskelatrophie (SMA) Typ 1. Diese schwere infantile Form der Erkrankung beginnt in der Regel vor dem 6. Lebensmonat (gewöhnlich vor dem 3.), basiert auf einem Gendefekt und ist gekennzeichnet durch schwere und progrediente Muskelschwäche und -hypotonie als Folge einer Degeneration bzw. des Verlustes der unteren Motoneurone im Rückenmark und im Kern des Hirnstammes; die Prognose ist in der Regel ungünstig, die meisten Patienten versterben innerhalb der ersten beiden Lebensjahre infolge Ateminsuffizienz.
Am 28.11.2019 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten einer Behandlung mit Zolgensma (Onasemnogene Abeparvovec-xioi). Aktuell erfolge eine Behandlung der gesicherten Diagnose einer akuten infantilen SMA mit dem Medikament Spinraza (Wirkstoff: Nusinersen). Dies wirkt dabei wie folgt: Patienten mit SMA fehlet ein Eiweiß, das als "Survival Motor Neuron" (SMN-)Protein bezeichnet wird und für das Überleben und die normale Funktion der Motoneuronen (Nervenzellen des Rückenmarkes, die Muskelzellen steuern) von zentraler Bedeutung ist. Das SMN-Protein besteht aus zwei Genen SMN1 und SMN2. Patienten mit SMA fehlt das SMN1-Gen, während das SMN2-Gen vorhanden ist, wodurch in den meisten Fällen ein kurzes SMN-Protein entsteht, das nicht so gut funktioniert wie ein Protein in voller Länge. Spinraza ist nun ein synthetisches -Oligonnukleotid (eine Art von genetischem Material), das das SMN2-Gen zur Produktion von Protein in voller Länge und entsprechender voller Funktion befähigt, das das fehlende Protein ersetzt und so die Symptome der Erkrankung lindert (vgl. hierzu die Zusammenfassung auf der Homepage der European Medicines Agency zu Spinraza: EMA/736370/2017 und EMEA/H/C/004312). Es handelt sich um ein europaweit für seltene Leiden ("Orphan-Medikament") zugelassenes Medikament, das mittels Rückenmarksspritze appliziert wird und seinerseits Therapiekosten pro Jahr in Höhe von ca. ½ Millionen Euro verursacht (vgl. "Mehr Erfolg mit Nusinersen durch Neugeborenen-Screening auf SMA", unter www.daz.online.de).
Die Antragstellerin begründete den Antrag damit, dass sich das Leiden mit dem Medikament allenfalls lindern und damit der Tod nur um einige Monate hinauszögern ließe. Die einzige realistische Hoffnung auf Rettung biete eine Therapie mit dem Präparat Zolgensma des Herstellers Novartis. Wegen der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung könne man ihr das Abwarten der Zulassung auf dem Europäischen bzw. Deutschen Markt nicht zumuten; es sei Eile geboten, auf den sog. "Nikolausbeschluss" des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 (BVerfG 1 BvR 347/98) werde verwiesen. Die Eltern seien zudem nicht in der Lage, die immensen Kosten dieses Medikamentes aufzubringen.
Die Antragsgegnerin erwiderte (mit Schreiben vom 24.10.2019), dass nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden dürften. Zur Prüfung, ob im Rahmen einer Einzelfallentscheidung eine Kostenübernahme in Betracht komme, werde um Beantwortung des beigefügten Fragebogens zur Arzneimittelversorgung sowie um die ärztliche Verordnung des Import-Arzneimittels (bis zum 05.11.2019) gebeten, damit der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eingeschaltet werden könne; eine Entscheidung werde spätestens bis zum 10.12.2019 ergehen.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin übersandte (per Email vom selben Tage) ein molekulargenetisches Gutachten der behandelnden Ärzte des Institutes für Humangenetik der Universitätsklinik Köln vom 04.10.2019, das die Verdachtsdiagnose der SMA bei der Antragstellerin bestätigt. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass der Antrag auf Einzelfallprüfung auf eine Initiative der Eltern des Kindes zurückgehe und ein begründeter ärztlicher Antrag daher nicht vorliege. Ergänzend übersandte er einen Entlassungsbericht der Klinik für Allgemeine Pädiatrie, Neonatologie und Kinderkardiologie des Universitätsklinikums E über eine stationäre Behandlung der Antragstellerin vom 23.09.2019 bis 25.09.2019. Weitere Informationen möge die Antragsgegnerin über die Universitätsklinik F beziehen, wo die Antragstellerin seit dem 10.10.2019 stationär behandelt werde.
Der MDK teilte der Antragsgegnerin (mit Schreiben vom 28.10.2019) mit, dass er von den behandelnden Ärzten noch weitere Informationen benötige: 1. bisheriger Therapieverlauf seit Diagnosestellung unter Zuverfügungstellung sämtlicher Arzt- und Krankenhausberichte, 2. eine ärztliche Stellungnahme , warum die in Deutschland zugelassene Therapie mit Spinraza ungeeignet sei (bei Therapieversagen, Unverträglichkeiten etc. insbesondere anhand objektivierbarer Befunde), 3. Angabe sämtlicher sonstiger Diagnosen, 4. Angabe der Gesamtmedikation.
Am 29.10.2019 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin den vorläufigen Bericht der Klinik für Kinderheilkunde II des Universitätsklinikums F (u.a. Hämatologie/Onkologie) vom 24.10.2019 über den stationären Aufenthalt der Antragstellerin vom 10.10. bis 29.10.2019. Darin heißt es, dass die Aufnahme nach genetischer Sicherung der Diagnose SMA Typ 1 mit ausgeprägter Trinkschwäche zum Beginn einer Nusinersen-Therapie erfolgt sei, die am 11.10. und 25.10.2019 intrathekal durchgeführt worden sei. Am 07.11.2019 sei eine Wiederaufnahme zur 3. Spinrazagabe geplant. Ansonsten werde eine Vorstellung beim Kinderarzt nach Entlassung und zur U4, die Fortsetzung der Physiotherapie und eine Vervollständigung des Impfschutzes empfohlen. Das Kind habe die Therapie gut vertragen und sei in stabilem Zustand entlassen worden (Gewicht: 5,6 kg). Der Effekt der Therapie könne noch nicht beurteilt werden, da die Aufdosierungsphase noch nicht abgeschlossen sei.
Am 28.11.2019 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Kostenübernahme beim Sozialgericht Düsseldorf im Wege der Einstweiligen Anordnung gestellt.
Im seinem Gutachten vom 29.11.2019 gelangte der Leitende Arzt des MDK Dr. med. U zu dem Ergebnis, dass eine Empfehlung für die Kostenübernahme bereits deshalb nicht ausgesprochen werden könne, weil mit Nusinersen eine in Deutschland indikationsspezifisch zugelassene Therapie existiere, mit der die Versicherte auch mit Erfolg behandelt werde und bei der nach Einschätzung der Neuropädiater (Befundbericht vom 09.11 …2019) zunächst bei stabilen CHOP INTEND-Scores der weitere Erfolg abgewartet werden solle. Für eine positive Bewertung fehle es daher an folgenden Voraussetzungen, die kumulativ gegeben sein müssten: 1. Die bisherige Therapie müsse nach Einschätzung eines Neuropädiaters, vorzugsweise der Universitätsklinik, nicht mehr ausreichend wirksam sein. Eine solche Verschlechterung sei bisher nicht geltend gemacht 2. Es müsse eine konkrete Verordnung bzw. entsprechende Erklärung der Fachärzte zur Notwendigkeit der Therapie vorliegen, weil der Import sonst bereits nicht statthaft sei. 3. Ferner müsse die physische Eignung der Antragstellerin nachgewiesen sein (u.a. Antikörpertest auf das Vorliegen von Anti-AAV9-Antikörpern). 4. Bei einer zukünftigen Antragstellung müsse auch weiter die Evidenzlage beachtet werden, da weitere Präparate vor der Zulassung stünden und weitere klinische Daten sowohl zu Zolgensma als auch zu Spinraza erwartet würden.
Durch Bescheid vom 04.12.2019 (per Fax am gleichen Tage an Prozessbevollmächtigten übersandt und den Eltern der Antragstellerin am 05.12.2019 persönlich übergeben) lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme unter Bezug auf das Gutachten des MDK ab. Ergänzend führte sie aus, die Kosten für den Import eines in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels im Einzelfall komme nur in Betracht, wenn in Deutschland für die betreffende Leistung keine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung existiere. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Einzelimport nach § 73 Abs. 3 Arzneimittelgesetz (AMG) für in Deutschland nicht zugelassene Arzneimittel knüpfe dabei an die Alternativlosigkeit bei der Therapie an. In Deutschland stehe jedoch seit dem 01.01.2017 mit Spinraza ein zugelassenes Medikament zur spinalen Muskelatrophie auch für Babies zur Verfügung. Aktuell werde die Antragstellerin noch mit diesem Arzneimittel behandelt. Es gäbe keine Hinweise der behandelnden, hochqualifizierten Fachärzte, dass diese Therapie versagt habe, oder nicht vertragen werde. Es lägen keine belastbaren Studien dazu vor, dass Zolgensma gegenüber Spinraza in seiner Wirksamkeit überlegen sei oder inwiefern eine zeitgleiche Therapie denkbar sei. Unabhängig davon sei zu berücksichtigen, dass die Anwendung einer Gentherapie mit erheblichen Risiken verbunden sei, bei Zolgensma sei noch nicht festgelegt, welche Qualitätskriterien ein Behandler erfüllen müsse. Auch die Erfahrungen zum Einsatz von Gentherapie bei SMA seien begrenzt, so dass es an einer umfassenden Dokumentation von Wirksamkeit und Sicherheit fehle. Die für die Zulassung in den USA zuständige Food & Drug Administration sei zudem über "Probleme" bei den Studien informiert worden. Ein Arzneimittelimport sei mit erheblichen haftungsrechtlichen Risiken für die behandelnden Ärzte verbunden, da die Gefährdungshaftung des pharmazeutischen Unternehmens bei Einzelimporten entfalle. Eine erneute Bewertung sei unter den vom MDK aufgezeigten Bedingungen möglich.
Hiergegen legte die Antragstellerin (mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.12.2019) Widerspruch ein. Der Bescheid sei rechtswidrig und verletzte die Antragstellerin in ihren Rechten. Der Anspruch sei bereits unter dem Aspekt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gegeben. Die Ausführungen des MDK überzeugten jedoch auch inhaltlich nicht. Wegen der widersprüchlichen Aussagen des Universitätsklinikums F sei davon auszugehen, dass die Behandlung dort gleichsam jedem Patienten a priori versagt werde. Es sei daher beabsichtigt, beim Universitätsklinikum I vorzusprechen, das sich bereit erklärt habe, die Behandlung mit Zolgensma bei vorliegender Indikation durchzuführen.
Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat die Antragstellerin ergänzend vorgetragen, die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion lägen vor. Ihr Antrag sei bei der Antragsgegnerin am 22.10.2019 eingegangen. Selbst wenn man berücksichtige, dass die Antragsgegnerin entsprechend ihrer Ankündigung vom 24.10.2019 den MDK eingeschaltet habe, greife die Fünf-Wochen-Frist des § 13 Abs. 3a S. 1 SGB V: Diese sei am 26.11.2019 abgelaufen. Darüber hinaus lasse sich der Anspruch jedenfalls auf § 2 Abs. 1a SGB V stützten. Sie leide nachweislich und unstreitig an einer regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung; tatsächlich sei der Tod innerhalb der nächsten Monate zu besorgen. Eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung, die diese Entwicklung aufhalten könne, stehe gerade nicht zur Verfügung. Insbesondere der Verweis auf die Behandlung mit Spinraza überzeuge nicht, da dieses Medikament nicht leisten könne, was Zolgensma verspreche. Bei dieser Behandlung bestehe eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf echte Heilung, wie etwa der Fall "des kleinen Michael aus Ludwigsburg" zeige. Der Gesundheitszustand der Antragstellerin verschlechtere sich von Tag zu Tag, sie müsse mittels Sonde ernährt und mit einer Maske beatmet werden: die Spinraza-Behandlung sei eine Qual für das Kind (vgl. eidesstattliche Versicherung der Mutter vom 26.11.2019). Es stehe ernsthaft zu befürchten, dass die Antragstellerin den Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht mehr erlebe oder aber irreversibel schwerstbehindert sei.
Sie hat beantragt,
im Weg der einstweiligen Verfügung festzustellen, dass die am 22.10.2019 beantragte Behandlung der Antragstellerin mit Zolgensma gem. § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt gilt,
sowie hilfsweise,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, der Antragstellerin eine Kostenübernahmeerklärung für die einmalige Behandlung mit Zolgensma zu erteilen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung hat sie sich auf den ablehnenden Bescheid und das Gutachten des MDK berufen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung seien nicht gegeben. Ein Fall der Genehmigungsfiktion liege bereits deshalb nicht vor, weil sie die nach Einschaltung des MDK geltende 5-Wochen-Frist durch Zwischenmitteilung vom 24.10.2019 bis zum 10.12.2019 rechtmäßig verlängert habe; die Einreichung der fehlenden Unterlagen sei im Übrigen nicht erfolgt. Es gebe nach wie vor keinen ärztlichen Befund für die Indikation der begehrten Behandlung. Hieran scheitere auch ein Anspruch auf Krankenbehandlung bzw. nach dem insoweit ergänzend herangezogenen § 2 Abs. 1a SGB V: Aufgrund des in § 15 Abs. 1 S. 2 SGB V geregelten Arztvorbehaltes sei auch dieser Anspruch an die Bedingung geknüpft, dass eine ärztliche Verordnung vorliege. Ungeschriebene Voraussetzung sei zudem die Einhaltung des Arzneimittelzulassungsrechtes, hier insbesondere der Regeln über den Import (Art. 73 AMG; AMVV). Im Übrigen räume die Antragstellerin selbst ein, dass die Studienlage zu Zolgensma derzeit noch recht dürftig sei. Veröffentlichte Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III, die einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegten, existierten nicht. Auch sei kein einziger Fall bekannt, bei dem tatsächlich die behauptete Heilung eingetreten sei; die nur allzu verständliche Hoffnung der Mutter hierauf reiche kaum aus. Zu berücksichtigen sei auch, dass aus den USA zwei Todesfälle bekannt seien, bei denen die Ursächlichkeit der Behandlung mit Zolgensma nicht ausgeschlossen werden könne; in 83 % der Fälle seien zudem mindestens schwere Nebenwirkungen aufgetreten. Unabhängig davon habe der MDK auch bereits darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin den Nachweis der körperlichen Voraussetzungen für die begehrte Behandlung (u.a. negativer AAV9-Antikörpertest) schuldig geblieben sei, da ansonsten das Risiko bestehe, dass die Behandlung keine Wirkung entfalten könne. Schließlich verkenne die Antragstellerin die Behandlungsalternative der Regelversorgung mit Spinraza. Solange kein Behandler mit entsprechendem Therapiekonzept benannt werden könne, fehle es auch an der ausreichenden Darlegung eines Anordnungsgrundes.
Die Antragstellerin hat erwidert, die Möglichkeit einer Zwischenmitteilung diene nicht dazu, das Fristenregime des § 13 Abs.3a SGB V derart auszuhebeln, dass gleich zu Beginn des Verwaltungsverfahrens in der Eingangsbestätigung die Frist willkürlich verlängert werde. Das Ausfüllen des Fragebogens sei obsolet gewesen, da die Fragen entweder in dem Antrag schon beantwortet gewesen seien oder erst im Laufe der Zeit beantwortbar geworden wären. Eine Verlängerung der Entscheidungsfrist um zwei Wochen sei hierdurch nicht zu rechtfertigen. Die Antragsgegnerin verkenne, dass sich die Kostenzusage vor Behandlungsbeginn auch auf § 2 Abs. 1a SGB V stütze, der gerade keinen Arztvorbehalt enthalte, sondern eine Beantragung durch den Versicherten ausreichen lasse. Es werde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin am 03.01.2020 einen Termin bei Dr. A vom I Universitätsklinikum wahrnehmen werde, der vorbehaltlich etwaiger Kontraindikationen bereit sei, die Behandlung durchzuführen. Die nicht ganz entfernt liegende Chance auf Heilung – im Sinne, dass die Krankheit gestoppt werde, die verlorenen Motoneuronen könnten selbstverständlich nicht ersetzt werden – sei kaum zu bestreiten, zumal sich auch die Antragsgegnerin noch jüngst um die Einrichtung eines Härtefallprogramms vor Zulassung bemüht habe. Die Dringlichkeit sei nach zutreffender Bejahung eines Anordnungsanspruchs nicht ernsthaft zu verneinen.
Durch Beschluss vom 19.12.2019 hat das Sozialgericht Düsseldorf den Antrag zurückgewiesen. Es liege bereits kein Anordnungsgrund vor: Das Fertigarzneimittel Zolgensma sei mangels Zweck- und Wirtschaftlichkeit (§§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V) nicht von der Leistungspflicht der GKV nach §§ 27 Abs. 1 Nr. 1 und 3, 31 Abs. 1 S. 1 SGB V umfasst, weil die nach § 21 Abs. 1 AMG erforderliche Zulassung fehle. Der Anspruch lasse sich auch nicht auf § 2 Abs. 1a SGB V stützen, da auch die Versorgung mit einem nicht zugelassenen Medikament aus verfassungsrechtlichen Gründen in einem medizinisch begründeten Einzelfall eine ärztliche Versorgung voraussetze (BSG, Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R; Urteil vom 19.11.1996, 1 RK 15/96, juris). Darüber hinaus habe die Antragstellerin keine ärztliche Beurteilung zur Unterstützung der weiteren medizinischen Tatbestandsmerkmale glaubhaft gemacht und die Einwände des Dr. U dadurch nicht widerlegt, insbesondere den Vortrag, dass eine indikationsspezifisch zugelassene Behandlung existiere und durchgeführt werde, deren weiterer Erfolg nach Einschätzung der behandelnden Neuropädiäter abgewartet werden solle. Zugunsten der Antragstellerin sei auch keine Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a S. 6 SGB V eingetreten, da die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Schreiben vom 24.10.2019 einen hinreichenden Grund für die Verlängerung der einschlägigen 5-Wochen-Frist sowie ihre Dauer taggenau mitgeteilt habe (spätestens 10.12.2019); bei Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides spätestens am 06.12.2019 sei diese Frist auch noch nicht verstrichen gewesen. Da wegen der fehlenden medizinischen Untermauerung des Antrages bereits bei Antragseingang ernsthafte Zweifel an der Möglichkeit der Einhaltung der 5-Wochen-Frist bestanden, sei die Antragsgegnerin auch berechtigt gewesen, bereits zu diesem Zeitpunkt von der im Verhältnis zum Sachverhalt relativ kurzen Überschreitung der 5-Wochen-Frist um 2 Wochen auszugehen. Unabhängig davon scheitere die Annahme einer Genehmigungsfiktion auch bereits daran, dass der Antrag sich auf eine Leistung bezog, die offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der GKV liege. Dass kein Anspruch auf Versorgung mit einem nicht zugelassenen Arzneimittel "ins Blaue hinein" bestehe, müsse jedem Versicherten klar sein.
Die Antragstellerin hat gegen den (am 27.12.2019 zugestellten Beschluss) mit Schriftsatz vom 02.01.2020 Beschwerde erhoben. Zur Begründung führt sie aus, das Sozialgericht habe rechtsirrig die Voraussetzungen der Genehmigungsfiktion verneint. Die Möglichkeit der qualifizierten Zwischenmitteilung diene nicht dazu, das Fristenregime des § 13 Abs. 3a SGB V bereits zu Beginn des Verwaltungsverfahrens auszuhebeln. Die Mitteilung vom 24.10.2010 sei auch inhaltlich unzureichend, da sie keine Gründe für die Verzögerung beinhalte. Der Hinweis auf das Fehlen von Unterlagen habe zu diesem frühen Zeitpunkt keine Verzögerung gerechtfertigt. Eine nach § 2 Abs. 1a SGB V begründete Versorgung liege auch gerade nicht außerhalb des gesetzlichen Leistungskataloges, dies sei verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar; verwiesen werde auf den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22.01.2020 (S 51 KR 2926/19 ER). Die Krankheit nehme weiter einen ungünstigen Verlauf, so dass weiterhin in höchstem Maße Eilbedürftigkeit bestehe.
Sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.12.2019 aufzuheben und antragsgemäß zu entscheiden.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, der angegriffene Beschluss sei rechtsfehlerfrei ergangen. Die Ablehnungsentscheidung sei fristgerecht erfolgt. Eine Genehmigungsfiktion im Hinblick auf eine ärztlich weder verordnete noch befürwortete Versorgung mit einem nicht zugelassenen Arzneimittel sei nach den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeschlossen.
Auf Nachfrage des Senates hat die Antragstellerin einen Arztbrief des leitenden Oberarztes der Sektion Neuropädiatrie des Universitätsklinikums I Dr. A vom 30.01.2020 über die ambulanten Vorstellung der Antragstellerin vom 03.01.2020 zum ausdrücklichen Zwecke der Einholung einer Zweitmeinung zu den Akten gereicht. Darin werden die Diagnosen SMA, Typ 1a; Indikation zur nichtinvasiven Beatmung seit 10/2019; Trinkschwäche und Notwendigkeit zur nasogastralen Ernährung erhoben. Die letzte Behandlung mit Nusinersen sei am 12.12.2019 erfolgt. Bei der mittlerweile 6,9 kg schweren und 67 cm großen Antragstellerin lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt keine definitive und abschließende Aussage treffen, ob es sich um ein Therapieversagen handele, hierzu sei es zu früh. Sicherlich sei das Ansprechen im Hinblick auf die Bulbärfunktion und die respiratorische Situation nicht zufriedenstellend. Es lägen jedoch keine vergleichenden Studien vor, ob gerade diese Zielparameter unter der intravenösen Genersatz- Therapie mit Zolgensma besser adressiert würden. Aus seiner Sicht sollte der klinische Verlauf weiterhin engmaschig beobachtet werden; im Falle eines weiterhin schlechten Ansprechens auf die intrathekale Nusinersen-Therapie komme die Antragstellerin sicherlich für eine intravenöse Genersatz-Therapie in Betracht. Dennoch sei die Sicherheit dieser Medikation weiterhin nicht vollständig belegt, die Argumente seien im Gutachten des MDK bereits genannt. Nach seinem Dafürhalten solle eine weitere Gabe von Nusinersen abgewartet werden, da von einem Therapieansprechen/-versagen nach seiner Erfahren erst nach 6 bis 12 Monaten nach Therapiebeginn gesprochen werden könne. Sollte sich dann weiterhin kein zufriedenstellendes Ergebnis zeigen, gehe er davon aus, dass die Kollegen in F bereit seien, über einen Wechsel der Therapie hin zur Genersatz-Therapie nachzudenken. Für den weiteren Verlauf wünsche er der aufopferungsvoll kämpfenden Familie alles Gute und wolle noch einmal betonen, dass sie sich bei den Kollegen in F in einer sehr kompetenten und verantwortungsvollen Betreuung befänden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 19.12.2019 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist (derzeit) unbegründet.
Sie hat keinen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, dass die Antragsgegnerin zur Erteilung eine Kostenübernahmeerklärung für die einmalige Behandlung mit Zolgensma verpflichtet bzw. dass festgestellt wird, dass die am 22.10.2019 beantragte Behandlung der Antragstellerin mit Zolgensma gem. § 13 Abs. 3a SGB V als genehmigt gilt.
Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (i.S.v. überwiegend wahrscheinlich; vgl. u.a. BVerfG, Beschluss vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03) macht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).
Wenn die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist, ist ein Recht, das geschützt werden muss, nicht vorhanden, so dass der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen ist. Ist die Klage offensichtlich zulässig und begründet, vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Bei offenem Ausgang ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich. Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die begehrte Anordnung nicht erginge, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren aber obsiegen würde, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die Anordnung erlassen würde, der Rechtsschutzsuchende im Hauptsacheverfahren indes keinen Erfolg hätte. Bei der Interessenabwägung ist insbesondere eine drohende Verletzung von Grundrechten und deren Intensität zu berücksichtigen, aber auch sonstige Kriterien wie beispielsweise die wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. zum Ganzen: Keller in Meyer-Ladewig u.a., 12. Aufl. 2017, SGG, § 86b Rn. 27a ff.). Daher stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden auf Grund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung des begehrten Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt jedenfalls vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (BVerfG, Beschluss vom 25.10.1999, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69, 74; Urteil vom 14.05.1996, 2 BvR 1516/93, BVerfGE 94, 166, 216; sowie Kammerbeschluss vom 25.02.2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674, 675).
Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Der Anordnungsanspruch, aber auch der Anordnungsgrund, sind – zum derzeitigen Zeitpunkt – nicht glaubhaft gemacht.
1. Zu Recht hat das Sozialgericht Düsseldorf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs verneint. In Ergänzung zu der zutreffenden Begründung des Sozialgerichts, die sich der Senat nach eigener Prüfung Bezug nehmend zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG), ist auf Folgendes hinzuweisen:
a) Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Kosten einer Behandlung mit Zolgensma ergibt sich nicht bereits unter dem Aspekt des Eintritts einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a SGB V.
Die Voraussetzungen liegen nicht vor. Der Senat braucht dabei nicht zu entscheiden, ob die Antragsgegnerin über den Antrag vom 22.10.2019 am 04.12.2019 mit Zugang spätestens am 06.12.2020 fristgerecht im Sinne des Fristenregimes des § 13 Abs. 3a SGB V entschieden hat, weil sie eine wirksame Fristverlängerung iSv § 13 Abs. 3a S. 5 SGB V erwirkt hat.
Selbst bei unterstellter Fristversäumnis der Antragsgegnerin handelt es sich bei der Behandlung mit Zolgensma im konkret vorliegenden Fall nicht um eine Leistung, die die Antragstellerin für erforderlich halten durfte. Um als genehmigt zu gelten, muss der Antrag des Berechtigten eine Leistung betreffen, die er für erforderlich halten darf und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegt. Die Gesetzesregelung ordnet diese Einschränkungen für die Genehmigungsfiktion zwar nicht ausdrücklich an, sie ergeben sich aber aus dem Regelungszusammenhang und -zweck. Die Begrenzung auf erforderliche Leistungen bewirkt eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV liegen. Einerseits soll die Regelung es dem Berechtigten erleichtern, sich die ihm zustehende Leistung zeitnah zu beschaffen. Andererseits soll sie ihn nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des GKV-Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen (vgl. BSGE 121, 40 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 33, Rn. 26; BSGE 123, 293 = SozR 4-2500 § 13 Nr. 36, Rn. 21 m.w.N.). Zuletzt hat das BSG mit Urteilen vom 27.08.2019 (B 1 KR 9/19 R, Rn. 28 ff. zu einem über 6 Monate alten Heil- und Kostenplan; B 1 KR 8/19 R, Rn. 14 ff. zu einem Antrag auf Kostenübernahme für eine In-Vitro-Fertilisation bei abgelaufener Altersgrenze, jeweils juris) deutlich gemacht, dass es an dieser einschränkenden Auslegung festhält.
Zur Überzeugung des Senates ist die subjektive Erforderlichkeit im Falle der Antragstellerin dabei nicht bereits wegen der fehlenden Zulassung des Arzneimittels in Deutschland anzunehmen. Die verfassungsrechtliche Konkretisierung der Leistungsansprüche von Versicherten der GKV bei lebensbedrohlichen, tödlich verlaufenden Erkrankungen entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5), wie sie auch dem (durch Art. 1 Nr. 1 Gesetz vom 22.12.2011, BGBl. I, S. 2983) mit Wirkung zum 01.01.2012 eingeführten § 2 Abs.1a SGB V zu Grunde liegt, gilt sinngemäß auch für die Versorgung mit Arzneimitteln (grundlegend: BSG, Urteil vom 19.03.2002, B 1 KR 37/00 R; Urteil vom 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, je juris).
Entscheidend ist für den Senat vielmehr, dass es sich um eine Behandlung handelt, die zu keinem Zeitpunkt die behandelnden Fachärzte des Universitätsklinikums F (und auch der im Zuge einer Zweitmeinung konsultierte Neuropädiater der I Universitätsklinik zum derzeitigen Zeitpunkt) befürwortet und für notwendig erachtet haben. Daher konnte die durch ihre Eltern vertretene Antragstellerin zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, dass die erstrebte Behandlung (aktuell) medizinisch indiziert und daher einer Genehmigungsfiktion fähig ist. Die drängende und in jeder Hinsicht nachvollziehbare Hoffnung, der Erkrankung Einhalt zu gebieten, allein reicht hingegen nicht aus, um eine subjektive Erforderlichkeit zu begründen, da nur der medizinische Sachverstand eine belastbare Folgenabwägung von Nutzen und – gerade auch im vorliegenden Fall bestehenden zum Teil gravierenden bzw. unvorhersehbaren – Risiken vornehmen kann.
b) Der Anspruch besteht auch nicht auf der Grundlage von § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Danach umfasst der Anspruch auf Krankenbehandlung gesetzlich Versicherter auch unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB V die Versorgung mit Arzneimitteln. Arzneimittel ohne arzneimittelrechtliche Zulassung nach dem AMG (vgl. dort: § 21) werden dagegen aus Gründen des Gesundheits-/Qualitätsschutzes ohne eine gewährleistete Prüfung von Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht von diesem Anspruch erfasst (vgl. nur BSG, Urteil vom 18.05.2004, B 1 KR 21 /02 R, juris m.w.N.).
c) Die Antragstellerin kann auch keinen Einzelimport von Zolgensma nach § 73 Abs. 3 AMG zu Lasten der Antragsgegnerin verlangen. Weder ist ein sog. Seltenheitsfall (hierzu aa)) noch ein Fall der grundrechtsorientierten Leistungsausdehnung (dazu bb)) gegeben.
aa) Das BSG zieht im Rahmen des § 73 Abs. 3 AMG ausnahmsweise die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zu Lasten der GKV ohne Inlandszulassung in Erwägung, wenn es sich um einen Fall der Seltenheit handelt (vgl. BSG, Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 19/10 R, juris m.w.N.). Die Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt. Die Inzidenz der SMA Typ 1 ist, wie schon die Zulassung von Spinraza zeigt, für eine systematische wissenschaftliche Erforschung ausreichend hoch. Das zieht letztlich auch die Antragstellerin nicht in Zweifel.
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem ergänzenden Aspekt der grundrechtsorientierten Leistungsauslegung: Zwar können Versicherte – wie bereits dargelegt – in notstandsähnlichen Situationen unter engen Voraussetzungen auch die Versorgung mit arzneimittelrechtlich in Deutschland bzw. EU-weit nicht zugelassenen Import-(Fertig-)arzneimitteln beanspruchen (BSG, Urteil vom 04.04.2006, a.a.O., Rn. 24 ff.). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor.
Ein Off-Label-Use kommt nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (vgl. z.B. BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 5, Rn. 17 f – Ilomedin). Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl. BSGE 95, 132 Rn.20 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 3 Rn. 27 m.w.N. – Wobe-Mugos E).
Unzweifelhaft leidet die Antragstellerin unter einer schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankung. Die weiteren Voraussetzungen sind jedoch nicht glaubhaft gemacht. Zum einen besteht in Gestalt der Behandlung mit Spinraza eine zugelassene Behandlungsmethode. Zum anderen sind auch die Erfolgsaussichten einer Behandlung mit Zolgensma derzeit nicht hinreichend dargetan. Unabhängig vom unstreitigen Fehlen einer abgeschlossenen veröffentlichten Studie der Phase III mit Relevanz für die Antragstellerin (vgl. zu diesem Erfordernis: BSG, Urteil vom 08.11.2011, a.a.O.; zur Studienlage speziell bei Zolgensma instruktiv SG Berlin, Beschluss vom 22.01.2020 S 51 KR 2926/19 ER unter www.sozialgerichtsbarkeit.de), lässt sich aus den Aussagen ihrer behandelnden Ärzte – und zwar nach übereinstimmender Erst- und Zweitmeinung – gerade nicht herleiten, dass mit Zolgensma die erhoffte Heilung oder der Stillstand der Erkrankung erreicht werden kann. Darüber hinaus hat das Sozialgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass die Grundsätze der grundrechtsorientierten Leistungserweiterung nicht die sonstigen allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des SGB V überwinden (BSG, Urteil vom 08.11.2011, Rn. 26 und 32), so dass die Notwendigkeit einer ärztlichen Verordnung des grundrechtserweiternd beantragten Arzneimittels nicht entfällt. Im Einklang mit den Vorgaben der Verfassung ist die Konkretisierung der Leistung stets den Ärzten vorzubehalten (BSG, a.a.O.). An einer solchen ärztlichen Verordnung fehlt es indes unstreitig.
d) Vor diesem Hintergrund vermag der Senat den Anordnungsanspruch auch nicht wie das SG Berlin in seiner Entscheidung vom 22.01.2010 (a.a.O.), auf die die Antragstellerin sich bezieht, aus den Grundsätzen der Folgenabwägung herzuleiten.
Ist der geltend gemachte Leistungsanspruch zwischen den Beteiligten im Streit, dürfen sich die Sozialgerichte bei der Prüfung des Anordnungsanspruchs in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht schlechthin auf die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfes im Hauptsacheverfahren beschränken. Durch Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG hat der Verfassungsgeber die objektive Wertentscheidung getroffen, dass alle staatlichen Organe die Pflicht haben, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Lebens, der Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit zu stellen (vgl. BVerfGE 56, 54 (73)). Im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor den Sozialgerichten bedeutet dies, dass die Gerichte die Grundrechte der Versicherten auf Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit zur Geltung zu bringen haben, ohne dabei die ebenfalls der Sicherung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dienende Pflicht der gesetzlichen Krankenkassen (vgl. insbesondere aus §§ 1, 2 Abs. 1 und 4 SGB V), ihren Versicherten nur wirksame und hinsichtlich der Nebenwirkungen unbedenkliche Leistungen zur Verfügung zu stellen, sowie die verfassungsrechtlich besonders geschützte finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BVerfGE 68, 193 ( 218)) aus den Augen zu verlieren. Besteht die Gefahr, dass der Versicherte ohne die Gewährung der umstrittenen Leistung vor Beendigung des Hauptsacheverfahrens stirbt oder er schwere oder irreversible gesundheitliche Beeinträchtigungen erleidet, ist ihm die begehrte Leistung regelmäßig zu gewähren, wenn das Gericht nicht auf Grund eindeutiger Erkenntnisse davon überzeugt ist, dass die begehrte Leistung unwirksam oder medizinisch nicht indiziert ist oder ihr Einsatz mit dem Risiko behaftetet ist, die abzuwendende Gefahr durch die Nebenwirkungen der Behandlung auf andere Weise zu verwirklichen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24.06.2014, L 1 KR 167/14 B ER, juris).
Nach diesen Grundsätzen kann auch eine Folgenabwägung (bei unterstelltem offenen Verfahrensausgang) nur gegen die beantragte Leistung ausfallen: Weder gibt es einen medizinischen Befund, der den Therapieansatz mit Zolgensma zum derzeitigen Zeitpunkt befürwortet, noch gibt es eine ausreichende Sicherheit, dass die unzureichend erforschten und dokumentierten Nebenwirkungen einer Genersatztherapie mit Zolgensma nicht auch dazu geeignet sind, die gesundheitliche Situation der Antragstellerin ihrerseits unter Umständen erheblich zu beeinträchtigen. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, als eine Leistungsgewährung zu einem späteren Zeitpunkt denkbar ist, wenn die auch vom MDK beschriebenen Voraussetzungen hinreichend glaubhaft gemacht sind, insbesondere also die ärztliche Verordnung vorliegt.
2. Unabhängig davon ist auch – derzeit – kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Auch wenn es für den Senat angesichts der Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung im Zusammenspiel mit der Besonderheit, dass Zolgensma in den USA nur bis zum zweiten Lebensjahr zugelassen ist, ohne weiteres nachvollziehbar ist, dass die Eltern für ihr Kind die effektivste Behandlung sicherstellen wollen, erfordert dies auch im Eilrechtsschutz nach den dargelegten verfassungsrechtlichen Grundsätzen im Minimum, dass diese Behandlung von den behandelnden Ärzten zum jetzigen Zeitpunkt für erforderlich gehalten wird.
Dies ist nicht der Fall. Sowohl die behandelnden Ärzte des Universitätsklinikums F als auch der Chefarzt der Neuropädiatrie des I Universitätsklinikums befürworten nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin erst ein halbes Jahr alt ist, derzeit noch die Weiterbehandlung mit dem zugelassenen Medikament Spinraza, da die Aufdosierungsphase noch nicht abgeschlossen bzw. der Therapiererfolg erst 6 bis 12 Monate nach Beginn der Therapie beurteilt werden könne.
Die Antragstellerin weist selbst darauf hin, dass Spinraza Symptome lindert und dadurch Folgen der Erkrankung verschiebt. Das zweite Lebensjahr vollendet die Antragstellerin in 17 Monaten. Bis dahin besteht entsprechend den Ausführungen des MDK eine realistische Aussicht, dass entweder das Zulassungsverfahren für den Gebrauch in Deutschland abgeschlossen ist oder aber andere Behandlungsalternativen in Betracht kommen. Die Antragsgegnerin schließt dabei selbst nicht aus, dass zu einem solchen späteren Zeitpunkt bei entsprechender Notwendigkeitsbescheinigung der behandelnden Ärzte – die Dr. A ausdrücklich in Aussicht gestellt hat – eine Kostenübernahme in Betracht kommt. Wie stark die Nutzung von Zolgensma in der Entwicklung begriffen ist, zeigt auch die in der Presse zu verfolgende Diskussion um das Härtefallprogramm bzw. die Tatsache, dass der Schweizer Hersteller seit Anfang Februar 2020 nunmehr 100 Dosen an schwerstkranke Kinder weltweit verlost (kritisch hierzu: Hildegard Kaulen, "Per Los zur lebensrettenden Spritze" unter www.faznet.aktuelle/Wissen/Medizin).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 01.04.2020
Zuletzt verändert am: 01.04.2020