Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.04.2008 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren ab dem 27.09.2007 (Eingang des Antrags auf Prozesskostenhilfe beim Sozialgericht) ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S, E, gewährt.
Gründe:
I. Die bei der Beklagten (d. Bekl.) versicherte Klägerin (d. K.) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG).
Im Hauptsacheverfahren wendet sie sich gegen den Bescheid d. Bekl. vom 30.04.2007 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007), mit dem diese abgelehnt hat, d. Kl. für die Zeit vom 17.02. bis zum 16.03.2007 eine Haushaltshilfe zu gewähren. Streitig erscheint ein Betrag von 1.426,00 Euro.
Die offenbar allein erziehende, jetzt arbeitslose Klägerin ist Mutter von Zwillingen, die am 00.06.2003 geboren wurden. Sie litt im Februar 2007 an einer ausgeprägten Entzündung der linken Nasennebenhöhle (NNH) und an einer Entzündung des linken Lungenflügels. Am 15.02.2007 begab sie sich in vertragsärztliche Behandlung des Internisten Dr. X, der die Erkrankungen diagnostizierte und als Krankheitszeichen Fieber, Husten, atemabhängige Schmerzen, ein Schwellungsgefühl, Ausfluss aus der Nase und eine starke körperliche Schwäche feststellte. Die Entzündungsparameter wiesen einen weit überhöhten Wert auf (CRP 35,0 statt bis 5,0 (Normwert)). Die Erkrankung besserte sich im Verlauf der wohl bis Ende März 2007 andauernden Behandlung (Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 30.03.2007) unter antibiotischer, schleimlösender und bronchialerweiternder Behandlung (vgl. den vom Senat eingeholten Befundbericht vom 14.07.2008). Am 22.02.2007 ging d. Bekl. per Fax ein Attest des behandelnden Arztes vom selben Tage zu, in dem dieser auf den deutlich reduzierten Allgemein- und Kräftezustand hinwies und eine Haushaltshilfe für vier bis sechs Stunden täglich befürwortete. Dadurch könne "eine stationäre Krankenhausbehandlung vermieden werden". Wegen des Akutzustandes bat er um rasche Entscheidung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK). Für die Zeit vom 17.02.2007 bis zum 16.03.2007 nahm d. Kl. die Hilfe der Einzelhandelskauffrau H jeweils halbtags in Anspruch; für 184 geleistet Arbeitsstunden zahlte sie 1.426,00 Euro. Am 24.04.2007 leitete d. Bekl. die Unterlagen dem MDK zu. Der MDK-Arzt Dr. E äußerte am 26.04.2007, es bestehe keine Indikation für die Gewährung von Haushaltshilfe. Eine stationäre Krankenhausbehandlung sei nach den vorliegenden Unterlagen nicht notwendig (gewesen). Ob dem Arzt andere Unterlagen als nur das Attest vom 22.02.2007 vorgelegen haben, ist nicht erkennbar.
Mit Bescheid vom 30.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2007 lehnte d. Bekl. den Antrag d. Kl. ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, Haushaltshilfe könne bei ambulanter Krankenbehandlung einer Versicherten nach § 17 ihrer Satzung nur gewährt werden, wenn die Versicherte auch häusliche Krankenpflege durch einen professionellen Pflegedienst erhalte und dies vorher durch d. Bekl. genehmigt werde. In diesem Zusammenhang sei der MDK dazu gehört worden, ob stationäre Krankenhausbehandlung hätte vermieden oder verkürzt werden können. Dies sei verneint worden.
Mit der fristgerecht erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.
Das SG hat den Antrag der bedürftigen Kl. vom 27.09.2007, ihr für das Klageverfahren PKH zu gewähren und Rechtsanwalt (RA) S, E, beizuordnen, durch Beschluss vom 21.04.2008 abgewiesen, weil die Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe (Zustellung an den Prozessbevollmächtigten d. Kl. am 05.05.2008)
Auf die Beschwerde vom 02.06.2008 (Eingang beim SG per Fax am selben Tage) hat der Senat einen Befundbericht des behandelnden Arztes Dr. X vom 14.07.2008 eingeholt; auf den Inhalt des Berichts wird verwiesen.
II. Die Beschwerde ist begründet.
Der Antrag d. Klägerin, ihr PKH für das Klageverfahren zu gewähren und RA S beizuordnen, ist entgegen der Auffassung des SG begründet. Die Voraussetzungen des § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und des § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) zur Gewährung von PKH sind erfüllt. Die Klage hat nämlich deutliche Erfolgsaussicht.
Nach § 38 Abs. 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) erhalten Versicherte Haushaltshilfe, wenn ihnen wegen (stationärer) Krankenhausbehandlung oder u.a. wegen einer Leistung nach § 37 SGB V (Häusliche Krankenpflege) die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Dem entspricht § 17 der Satzung d. Bekl. Diese Voraussetzungen können im vorliegenden Falle entgegen der Auffassung d. Bekl. und des SG durchaus, jedenfalls zumindest teilweise, erfüllt sein.
Dabei wird sich d. Bekl. nicht darauf berufen können, dass sie die Voraussetzungen einer Leistung nach § 37 SGB V (häusliche Krankenpflege) nicht festgestellt habe. Denn es wäre ihre Aufgabe gewesen, den Antrag d. Kl. vom 22.02.2007 (zeitnah) von Amts wegen und unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 2, § 14 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB I) erweiternd auszulegen und auch unter dem Gesichtspunkt zu prüfen und zu bescheiden, ob d. Kl. nicht nur Haushaltshilfe, sondern auch häusliche Krankenpflege in ihrem Haushalt oder ihrer Familie (Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung) zugestanden hat. Ob d. Kl. diese weitere, den hier streitigen Anspruch auf Haushaltshilfe öffnende Leistung tatsächlich in Anspruch genommen hat, erscheint unerheblich. Immerhin scheint auch d. Bekl. dieser Auffassung letztlich zuzuneigen, denn sie hat die sachlichen Voraussetzungen gerade für die Gewährung von häuslicher Krankenpflege geprüft und dem MDK – jedenfalls im Ansatz – die dazu maßgebliche Frage vorgelegt, ob stationäre Krankenhauspflege vermieden oder verkürzt wird. Das SG wird dabei zu prüfen haben, ob die Krankenhauspflege durch eine häusliche Krankenpflege hätte vermieden oder verkürzt werden können. Hinzuweisen ist, das es nicht auf die Vermeidung oder Verkürzung von Krankenhauspflege durch "ambulante Behandlung" (so die missverständliche Frage d. Bekl. an den MDK, vgl. Bl. 7 der Verwaltungsakten – VA -) oder allein "durch die Gewährung von Haushaltshilfe" (so die eher irreführende Bescheinigung des behandelnden Arztes vom 22.02.2007) ankommt. Bei dieser Prüfung dürfte zu beachten sein: Es legt schon der Hinweis des behandelndes Arztes, es "könne eine stationäre Krankenhausbehandlung vermieden werden", nahe, dass er die Voraussetzungen des § 39 SGB V (Gewährung stationärer Krankenhausbehandlung) jedenfalls am 22.02.2007 grundsätzlich für erfüllt hielt. Soweit sich dem gegenüber d. Bekl. und der MDK zur Begründung ihrer leistungsversagenden Auffassung offenbar nur auf das eingereichte, kurze Attest gestützt haben, welches sie im Übrigen deutlich verspätet medizinisch überprüft haben (Prüfung erst im April 2007, entgegen dem dringlichen Hinweis des behandelnden Vertragsarztes!), ist anzumerken, dass nicht nur der Hinweis des behandelnden Arztes vom 22.02.2007, es bestehe ein deutlich reduzierter Allgemein- und Kräftezustand, Anlass für die Frage gibt, ob d. Kl. damals nur deshalb nicht in ein Krankenhaus eingewiesen worden ist, weil sie die (wenn auch krankheitsbedingt eingeschränkte) mütterliche Betreuung ihrer Zwillinge offenbar für wichtiger als eine notwendige Krankenhausbehandlung eingeschätzt hat. Zudem belegen der vom Senat erstmals eingeholte Bericht und die ihm beigefügten Unterlagen, dass ein erheblich eingeschränkter Gesundheitszustand d. Kl. vorgelegen hat. Ob dieser so ausgeprägt gewesen ist, dass sogar häusliche Krankenpflege (nicht nur ambulante Behandlung) nötig gewesen ist, wird durch eine Beweisaufnahme zu klären sein, wobei angesichts der relativ kurz gefassten Behandlungsunterlagen des Internisten Dr. X für den streitigen Zeitraum eine Vernehmung des behandelnden Arztes, ggf. unter Beteiligung eines Sachverständigen, sowie eine medizinische Begutachtung in Erwägung zu ziehen sein dürften. Dass angesichts des erst am 22.02.2007 gestellten Antrags und der offenbar durch Antibiotika und andere Arzneimittel bedingten Besserung des Gesundheitszustandes wahrscheinlich nur eine weniger als vier Wochen dauernde Leistungspflicht d. Bekl. für (zu vermeidende) Krankenhausbehandlung erwartet werden könnte, steht einem Anspruch auf PKH nicht entgegen; denn im Wesentlichen erscheint die Klage aussichtsreich. Auch dass noch nicht geklärt ist, ob der Partner d. Kl. tatsächlich mit im Haushalt gelebt hat und ggf. die Kinderbetreuung hätte übernehmen können (vgl. § 37 Abs. 3 SGB V), ist für die Bewilligung von PKH unerheblich. Denn dazu ist gleichfalls noch Beweis zu erheben.
Angesichts des bescheinigten Bezugs von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende bestehen keine Bedenken gegen die für eine PKH-Bewilligung erforderliche Bedürftigkeit i.S.v. §§ 114, 115 ZPO. Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes erscheint angesichts der Komplexität des streitigen Sachverhalts und der Notwendigkeit sachgerechter Beweiserhebungen gemäß § 121 Abs. 2 ZPO erforderlich.
Abschießend erlaubt sich der Senat folgenden Hinweis: In Hinblick auf die nachvollziehbaren Mitteilungen des behandelnden Arztes sollten die Beteiligten erwägen – auch aus Gründen der Kostenersparnis -, die Hauptsache im weiteren Verfahrensverlauf durch einen Vergleich zu beenden.
Rechtsmittelbelehrung: Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 11.09.2008
Zuletzt verändert am: 11.09.2008