Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Aufsichtsmaßnahme des Bundesversicherungsamtes der Beklagten, betreffend die Veröffentlichung der Vergütung des Vorstands der Klägerin in der Mitgliederzeitschrift.
Zum 01.01.2004 führte der Gesetzgeber durch Art. 5 Nr. 6 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14.11.2003 (Bundesgesetzblatt (BGBl) I S. 2190) die Regelung des § 35a Abs. 6 S. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) neu ein: "Die Höhe der jährlichen Vergütungen der einzelnen Vorstandsmitglieder einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen sind in einer Übersicht jährlich zum 1. März, erstmalig zum 1. März 2004 im Bundesanzeiger und gleichzeitig, begrenzt auf die jeweilige Krankenkasse und ihre Verbände, in der Mitgliederzeitschrift der betreffenden Krankenkasse zu veröffentlichen." Da die Klägerin, eine bundesunmittelbare Betriebskrankenkasse (BKK), deren Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, dieser Verpflichtung nicht von sich aus nachkam, forderte die Beklagte sie im Rahmen ihrer Beratungspflicht gemäß § 89 Abs. 1 S. 1 SGB IV mit Schreiben vom 27.05.2004 auf, bis zum 25.06.2004 verbindlich zu erklären, dass die Veröffentlichung der gemäß § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV erforderlichen Angaben im Bundesanzeiger unverzüglich nachgeholt werde. Unter dem 28.06.2004 teilte die Klägerin mit, die alternierenden Verwaltungsratsvorsitzenden hätten sich gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen; sie wollte ihre rechtlichen Bedenken gerichtlich klären lassen Mit Schreiben vom 31.08.2004 forderte die Beklagte die Klägerin ergänzend auf, bis zum 26.09.2004 die geforderten Angaben auch in der Mitgliederzeitschrift zu veröffentlichen. Andernfalls müsse ein entsprechender Verpflichtungsbescheid ergehen. Die Klägerin weigerte sich, auch dieser Aufforderung nachzukommen (Schreiben vom 28.09.2004). Mit Verpflichtungsbescheid vom 01.10.2004 verpflichtete die Beklagte die Klägerin daraufhin, die Höhe der jährlichen Vergütung des Vorstandes einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen für das Jahr 2004 umgehend nach Erhalt dieses Bescheides sowie in den Folgejahren jeweils zum 1. März in der Mitgliederzeitschrift zu veröffentlichen. Durch ihre Untätigkeit verletze die Klägerin geltendes Recht. Der Wortlaut des § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV sei eindeutig, so dass die Weigerung, der Pflicht zur Veröffentlichung nachzukommen, einen klaren Rechtsverstoß darstelle. Da die Veröffentlichung der Vorstandsgehälter in den Mitgliederzeitschriften von den Kassen ganz überwiegend vorgenommen worden sei, müsse gegen die Untätigkeit der Klägerin mit aufsichtsrechtlichen Mitteln eingeschritten werden; ansonsten sei mit einer negativen Vorbildwirkung des Verhaltens der Klägerin auf die anderen Kassen zu rechnen.
Mit ihrer am 21.10.2004 zum Sozialgericht Düsseldorf erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, das Veröffentlichungsgebot des § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV verstoße gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Vorstände aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie gegen Art. 6 Abs. 1 lit. c) und Art. 7 lit. c) und e) der Richtlinie 95/46 EG vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei einer Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG) i. V. m. Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (MRK). Der streitbefangene Bescheid vom 01.10.2004 sei rechtswidrig.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 01.10.2004 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich zur Begründung auf den ihrer Auffassung nach rechtmäßigen angefochtenen Bescheid bezogen. Ein Verstoß gegen das GG oder höherrangiges europäisches Recht liege nicht vor.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 11.01.2007 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 01.10.2004 bestünden nicht. Dieser beruhe auf § 89 Abs. 1 S. 1 und 2 SGB IV. Danach könne die Aufsichtsbehörde – hier gemäß § 90 Abs. 1 S. 1 SGB IV das Bundesversicherungsamt – den Versicherungsträger verpflichten, eine Rechtsverletzung zu beheben, wenn der Versicherungsträger durch Handeln oder Unterlassen das Recht verletzt habe, die Aufsichtsbehörde zunächst beratend darauf hingewirkt habe, dass die Rechtsverletzung behoben werde, und der Versicherungsträger innerhalb einer angemessenen Frist dem Rat nicht nachgekommen sei. Vorliegend sei allein streitig, ob die Klägerin eine Rechtsverletzung im Sinne des § 89 Abs. 1 S. 1 SGB IV begangen habe, indem sie ihrer Verpflichtung aus § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV nicht nachgekommen sei. Dass die notwendigen Angaben nicht in der Mitgliederzeitschrift veröffentlicht worden seien, stehe fest. Die Klägerin berufe sich insoweit zu Unrecht auf einen Verstoß gegen das GG bzw. Europarecht. Zwar liege ein Eingriff gegen das informelle Selbstbestimmungsrecht des Vorstands der Klägerin vor, das auch die Einkommensverhältnisse umfasse; der Eingriff sei jedoch durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber habe mit der Veröffentlichungspflicht des § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV Transparenz für die Versicherten schaffen wollen, denen auf der Grundlage des Inhalts der Vorstandsverträge Vergleichsmöglichkeiten zur effektiven Ausübung ihres Wahlrechts aus § 173 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eröffnet würden. Durch die Veröffentlichung der Vorstandsbezüge aller gesetzlichen Krankenkassen werde der gesetzliche Zweck auch erreicht. Ein milderes, ebenso geeignetes Mittel sei nicht ersichtlich. Ebenso liege kein Verstoß gegen Europarecht vor. Die streitige gesetzliche Regelung stehe in einem angemessenen Verhältnis zum erstrebten Zweck.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 26.01.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.02.2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in einem Parallelverfahren (Urt. vom 14.02.2007, Az.: B 1 A 3/06 R, Breithaupt 2007, 919 ff.) vermöge nicht zu überzeugen. Das BSG habe nicht berücksichtigt, dass die Veröffentlichung der Vergütung des Vorstands einen Verstoß gegen den mit diesem geschlossenen Arbeitsvertrag, in dem eine entsprechende Geheimhaltungspflicht für den Arbeitgeber zumindest konkludent vereinbart worden sei, einen Rechtsverstoß beinhalte. Sie, die Klägerin, könne nicht zu einem rechtswidrigen Verhalten gezwungen werden. Auch gebe es bei personenbezogenen Daten, die sich aus einem Dienst- oder Arbeitsvertrag ergäben, kein überwiegendes Interesse Dritter, das den Schutz der Individualdaten überwiegen könne. Die Neuregelung des § 35a Abs. 6 S. 2 SGB IV schaffe dort zu Unrecht Publizität, wo bisher Diskretion rechtlich angeordnet sei. Auch sei die Verhältnismäßigkeitsprüfung des BSG zu beanstanden. Im Übrigen könne die Höhe der Vergütung eines Vorstandes an sich keine Aussage zur Leistungsfähigkeit und Effektivität einer gesetzlichen Krankenkasse treffen. Wer schlechter bezahlte Vorstände als positiv bewerte, verkenne damit unter Umständen deren geringere Effektivität, als diese unter Umständen bei höher bezahlten, jedoch auch kompetenteren Führungskräften gegeben sei. Die Abkehr von der früheren Dienstordnungsbesoldung für Vorstände habe gerade den Sinn gehabt, durch frei verhandelbare Arbeitsbedingungen (und damit auch Vergütungen) Spitzenkräfte für die Position eines Vorstandes zu gewinnen. Zumindest aber dürfe die Norm nicht auf laufende Arbeits- bzw. Dienstverträge von Vorständen angewendet werden, zumal diese zwingend befristet seien. Der Vertrag des gegenwärtigen Vorstandes laufe zum 31.12.2007 aus. Ein neuer Vorstand wisse, dass er mit einer Veröffentlichung seiner Vergütung rechnen müsse, und könne sich darauf einlassen oder aber die Bewerbung zurückziehen. Diese Möglichkeit bestehe während eines laufenden Vertragsverhältnisses nicht. Gründe, die eine sofortige Durchsetzung der Publizität erforderlich machten, seien jedoch nicht ersichtlich.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.01.2007 zu ändern und den Bescheid vom 01.10.2004 aufzuheben,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend und sieht sich durch die Rechtsprechung des BSG in ihrer Auffassung bestätigt. Dass sich die Klägerin auch weiterhin weigere, der Verpflichtung zur Veröffentlichung nachzukommen, könne jedenfalls nicht im Interesse der Versicherten liegen, zumal weitere Kosten für einen aussichtslosen Rechtsstreit entstünden. Für den Fall, dass die Klägerin ihre Verweigerungshaltung nach Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits nicht aufgebe, werde sie, die Beklagte, sich gezwungen sehen, im Wege der Ersatzvornahme die Veröffentlichung der Vorstandsbezüge vornehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Sach- und Rechtslage wird auf den Inhalt der Prozess- sowie der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 11.01.2007 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 01.10.2004 ist rechtmäßig. Die Beklagte hat die Klägerin zu Recht in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörde verpflichtet, die Höhe der jährlichen Vergütung des Vorstandes einschließlich Nebenleistungen sowie die wesentlichen Versorgungsregelungen für das Jahr 2004 umgehend nach Erhalt dieses Bescheides sowie in den Folgejahren jeweils zum 1. März in ihrer Mitgliederzeitschrift zu veröffentlichen. Dieser Verpflichtung hat die Beklagte rückwirkend ab 2004 zu entsprechen.
Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden erstinstanzlichen Entscheidungsgründe Bezug, denen er sich nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage vollinhaltlich anschließt. Insbesondere hat der Senat keinen Zweifel, dass die Beklagte die Klägerin nicht zur Ausführung eines gegen höherrangiges Recht verstoßenden Gesetzes verpflichtet. Der erkennende Senat macht sich insoweit die Entscheidungsgründe des o. g. Urteils des BSG vom 14.02.2007 zu Eigen. Im Gegensatz zu der Auffassung der Klägerin sieht der erkennende Senat die zuletzt noch vorgetragenen Argumente der Klägerin vollumfänglich durch die o.g. Entscheidung des BSG berücksichtigt und zutreffend bewertet. Das Recht auf informelle Selbstbestimmung wird gerade nicht schrankenlos gewährleistet und dass der in der Veröffentlichungspflicht liegende Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Vorstandsmitgliedern der Krankenkassen gerechtfertigt ist, hat das BSG ebenfalls überzeugend dargelegt. Selbstverständlich bleibt dem Vorstand der Beklagten freigestellt, sich arbeitsrechtlich gegen die Veröffentlichung seiner Bezüge zu wehren. Der Senat vermag sich ohnehin des Eindrucks nicht zu erwehren, dass mit dem vorliegenden Rechtsstreit ausschließlich die Interessen des Vorstands, keinesfalls aber der Versicherten verfolgt werden. Wenn die Qualität der Arbeit des Vorstandes der Klägerin die an ihn gezahlte Vergütung rechtfertigen sollte, dürfte deren Veröffentlichung ohnehin kein Problem darstellen. Abschließend sei die Bemerkung erlaubt, dass es sicherlich der Beklagten obliegen wird zu prüfen, ob die für die Führung des – zumindest seit der o. g. Entscheidung des BSG – aussichtslosen Rechtsstreits aufgewandten Finanzmittel zweckgerichtet verwendet worden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG hat nicht bestanden.
Erstellt am: 09.01.2008
Zuletzt verändert am: 09.01.2008